Seit dem 10. März ist ihre Branche fast komplett lahm gelegt, und sie werden wohl auch mit die letzten sein, die in eine Art von Normalität zurückkehren können: Lichttechniker, Tontechniker, Bühnenbauer – kurz: die Veranstaltungsbranche. Am Montagabend setzten sie deshalb bundesweit ein Alarmzeichen mit rot angestrahlten Gebäuden. Die Message: Die nächsten 100 Tage übersteht die Veranstaltungsbranche nicht. In Mainz erstrahlten aber nur wenige Gebäude in Rot: Lediglich die Mainzer Zitadelle leuchtet in strahlendem Rot, ebenso das Foyer der Mainzer Rheingoldhalle – das war’s.
Normalerweise würde Felix Klocke jetzt Bühnen aufbauen, Tonpulte stellen, Licht installieren oder eben abbauen. „Normalerweise würden wir jetzt zum Beispiel hier hinter uns arbeiten, beim Summer in the City, das wäre dieses Jahr toll geworden“, sagt Glocke und zeigt auf die Mainzer Zitadelle hinter uns. Im Sommer 2020 hätten sie eigentlich Bühnen quer durch Deutschland gebaut, die Mainzer Sommerlichter beschallt, bei der Johannisnacht oder „Mainz lebt auf seinen Plätzen“ Bühnen gestellt – überall wären die Mitarbeiter von „Flo Service“ jetzt eigentlich unterwegs gewesen. „98 Prozent unserer Veranstaltungen sind weggebrochen, binnen einer Woche“, erzählt Klocke.
Das 1984 gegründete Mainzer Unternehmen ist seit 34 Jahren in der Veranstaltungstechnik aktiv, bietet Audiotechnik, Lichttechnik und Videotechnik, ganze Bühnen oder Sets, technische Konzepte und die Logistik dahinter. Mehr als 20 festangestellte Mitarbeiter hat das Mombacher Unternehmen nach Angaben auf seiner Homepage, dazu kommen noch einmal 60 Freischaffende – Flo Service ist ein erfolgreicher Mittelständler. Doch seit dem 10. März 2020 ist alles anders, die Coronakrise kappte von heute auf morgen Großveranstaltungen, Kongresse und Feste.
Seit Mitte März macht die Veranstaltungswirtschaft praktisch keinen Umsatz mehr, die Branche rechnet mit Verlusten von 80 bis 100 Prozent – und das über einen Zeitraum von mindestens acht Monaten. Denn auch wenn Deutschland gerade Einschränkungen und Restriktionen massiv lockert – Großveranstaltungen sind weiter bis in den Herbst hinein verboten. Die Veranstaltungsbranche sei der erste Wirtschaftszweig, der von der Krise betroffen wurde, zu befürchten sei, dass er aber auch der letzte sei, der wieder herauskommen dürfe, klagen Vertreter der Branche: first in und last out.
Dabei ist die Veranstaltungsbranche bundesweit eine der größten Sektoren der deutschen Wirtschaft mit mehr als einer Million Beschäftigten. Pro Jahr erwirtschafte man mehr als zehn Milliarden Euro, die Kultur- und Kreativwirtschaft hinzugerechnet wären es sogar ein Jahresumsatz von über 200 Milliarden Euro von 300.0000 Unternehmen mit über drei Millionen Mitarbeitern. Doch ein erheblicher Teil davon steht jetzt kurz vor der Insolvenz, Hunderttausende Arbeitsplätze seien in Gefahr – die Branche stehe auf der „Roten Liste“ der bedrohten Arten.
Bundesweit schalteten deshalb am späten Montagabend mehrere Tausend Unternehmen der Branche ihre Scheinwerfer ein und tauchten öffentliche Gebäude und Veranstaltungsorte in tiefrotes Licht – als Alarmsignal und Hilferuf an die Politik zugleich. Mit der „Night of Light“ wolle man auf die prekäre Lage der Branche aufmerksam machen, es solle „ein imposantes Zeichen für eine vom Aussterben bedrohte Branche gesetzte werden“, hieß es vorab. Gefragt seien dringend Lösungen und Wege aus der Krise.
Denn die derzeitigen Hilfsprogramme reichten nicht aus, weil sie im Wesentlichen aus Kreditprogrammen bestünden, kritisiert die Branche – doch Kredite helfen nicht: Die ausgefallenen Veranstaltungen könnten ja nicht nachgeholt, die Umsätze also auch nicht später erwirtschaftet werden. Kredite drohten also nur die Überschuldung von Unternehmen zu verstärken. Dazu kommt, dass die Corona-Soforthilfen für Solo-Selbstständige nur für Betriebskosten verwendet werden durften, einen Unternehmerlohn durften sich Einzelunternehmen davon nicht auszahlen – viele Solo-Unternehmer wussten deshalb seit März nicht, wovon sie die Lebensunterhaltskosten bezahlen sollten, denn Hartz IV griff vielfach auch nicht.
Das treffe nicht nur die Veranstalter, sondern auch Zulieferer und Dienstleister wie Technikfirmen, Bühnen- und Messebauer, Caterer und Künstler bis hin zum Einzelunternehmer, der Content, Drehbuch, Regie oder florale Dekoration zu Events beisteuert, sagte der Initiator der „Night of Light“, der Essener Unternehmer Tom Koperek im Vorfeld: Mehr als 150 verschiedene Spezialdisziplinen seien betroffen, die über keine einheitliche Lobby verfügten und deshalb jetzt auf der Strecke blieben. „Die nächsten 100 Tage übersteht die Veranstaltungswirtschaft nicht“, warnte Koperek.
Das sehen sie auch in Mainz so: Klocke und seine Kollegen schieben derzeit Kurzarbeit, gelegentlich gibt es einen Auftrag zur Ausrichtung eines virtuellen Kongresses, mehr ist nicht. Wie lange seine Firma das noch durchhält? „Fastnacht 2021 sollte stattfinden“, sagt Klocke nur. Und so haben sie die Mainzer Zitadelle in dieser Nacht in leuchtendes Rot getaucht, um einen Hilferuf in die Nacht zu senden. Noch brennt die Branche für ihre Arbeit und ihre Profession – nicht mehr lange, so warnen sie, dann gehen die Lichter aus. In Deutschland würden dann viele Bühnen und Feste ebenfalls dunkel bleiben.
Info& auf Mainz&: Mehr Informationen zur „Night of Light“ findet Ihr auch auf der gleichnamigen Homepage hier im Internet, auch eine Fotogalerie mit Gebäuden in Rot.