Seit Wochen schwitzt Deutschland, die Temperaturen reichten zeitweise an die 40-Grad-Marke heran – der Sommer 2022 schickt sich erneut an, einer der heißesten der Wetteraufzeichnung zu werden. Das aber hat nicht nur positive Folgen: Infektionsexperten des Robert-Koch-Institut schätzen, dass allein in den Jahren 2018 bis 2020 deutschlandweit mehr als 19.000 Menschen starben – an Hitzefolgen. Die Mainzer ÖDP fordert deshalb nun erneut einen Hitzeaktionsplan – der 2018 vom Stadtrat abgelehnt wurde. Jetzt sei die Hitze da, „doch die Stadt Mainz noch immer ohne Plan“, kritisiert die ÖDP. Die nächste Hitzewelle ist bereits im Anmarsch.
Die im renommierten Ärzteblatt veröffentliche Studie nahm die Sommer 2018 bis 2021 in Deutschland genauer unter die Lupe. 2018 bis 2020 sei es ungewöhnlich warm in Deutschland gewesen, der Sommer 2018 sogar der zweitwärmste Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1881 gewesen, heißt es im Kurzbericht der Studie. Insbesondere in höheren Altersgruppen komme es infolge hoher Temperaturen „regelmäßig zu einem Anstieg der Mortalität“, so die Infektiologen weiter.
Für die Untersuchung wurden wöchentliche Daten zur Gesamtmortalität und der mittleren Temperatur im Zeitraum 1992–2021 genommen, und mit Hilfe eines generalisierten additiven Modells schätzten die Anzahl der hitzebedingten Sterbefälle in Deutschland geschätzt. Das Ergebnis: „Unsere Schätzung zeigt, dass die ungewöhnlich hohen Sommertemperaturen 2018–2020 in allen drei Jahren zu einer statistisch signifikanten Anzahl von Sterbefällen geführt haben“, bilanziert die Studie.
So habe es 2018 etwa 8.700 hitzebedingte Sterbefälle gegeben, 2019 dann etwa 6.900 und 2020 noch einmal rund 3.700. Im Jahr 2021 sei es nicht zu einer signifikant erhöhten Übersterblichkeit aufgrund von Hitze gekommen. „Trotz Hinweisen auf eine gewisse Anpassung an Hitze zeigen besonders die Daten der Jahre 2018–2020, dass Hitzeereignisse nach wie vor eine bedeutende Bedrohung für die Gesundheit der Menschen in Deutschland darstellen“, bilanzieren die Experten.
Die Mainzer ÖDP kündigte daraufhin nun an, nach der Sommerpause erneut einen Antrag auf Erstellen eines Hitzeaktionsplans zum Schutz vulnerabler Menschen bei Hitzewellen in den Stadtrat einzubringen. Ein solcher Hitzeaktionsplan, wie ihn auch das Bundesumweltministerium empfehle, „könnte aktuell zur Verfügung stehen, hätte die Stadtratsmehrheit nicht 2018 einen entsprechenden Antrag der ÖDP unter teils abenteuerlichen Begründungen abgelehnt“, kritisierte Ingrid Pannhorst, Mitglied der ÖDP im Bauausschuss.
Tatsächlich hatte die ÖDP in der September-Sitzung des Stadtrats 2018 einen Antrag auf Erarbeitung eines solchen Hitzeaktionsplans eingebracht: Hitzetage nämlich massiv zu, mit den Plänen könnte sich auch Mainz für länger dauernde Hitzeperioden rüsten, um die Gesundheit der Bürger zu schützen, argumentierte damals ÖDP-Chef Claudius Moseler. Man wolle die Handlungsempfehlungen des Umweltbundesamtes auf Mainz übertragen, wie zum Beispiel: Warnsysteme mit Informationen, Tipps und Verhaltenshinweisen, die Einrichtung von Nachbarschaftsgruppen, um Risikogruppen aktiv zu unterstützen, Bereitstellung von Trinkwasserbrunnen und die Reduzierung von Hitze im öffentlichen Nahverkehr.
Mainz hatte da gerade mit 2018 einen Super-Sommer hinter sich, mit Hitzewellen und Wasserknappheit, der Rhein sank gar auf ein historisch niedriges Niveau, bei dem man im Flussbett spazieren gehen konnte. Robert Habeck, damals schlichter Grünen-Chef schlug ebenfalls Hitzeaktionspläne vor – doch im Mainzer Stadtrat lehnten die übrigen Fraktionen ab: Ein Hitze-Aktionsplan für Mainz sei überflüssig, man erwarte „nicht zwangsläufig eine Zunahme der Hitze”, hieß es von der SPD.
Das Thema werde doch „eher hochgehängt“, fand die FDP, und selbst die Grünen wehrten ab: Die ÖDP poche „zu sehr auf Verbindlichkeit“, die Verwaltung werde sicherlich Konsequenzen aus der Klimastudie Klimprax ziehen, meinte der Ortsvorsteher der Altstadt, Brian Huck (Grüne). Und Bürgermeister Günter Beck (Grüne) schlug vor, man könne ja mal einen Newsletter ins Leben rufen – passiert ist von alldem seither nichts.
„In Mainz erklärte die Stadtratsmehrheit trotz der damals frisch veröffentlichten KLIMPRAX-Studie, die explizit vor regelmäßigen und langanhaltenden Hitzewellen warnt, einen Hitzeaktionsplan für überflüssig, da ja bereits genügend Maßnahmen auf den Weg gebracht worden seien“, kritisierte Moseler nun. Was bisher aber lediglich vorgelegt worden sei, seien langfristige Maßnahmen in Sachen Klimawandel, „die zum Teil bislang aus reinen Absichtserklärungen bestehen, nicht aber die Einwohner kurzfristig vor einer akuten Hitzebelastung in der Stadt schützen“, betonte Moseler.
Ziel des ÖDP-Antrags seien aber kurzfristig umsetzbare Maßnahmen gewesen, die direkt auf akute Hitzeperioden reagieren und insbesondere sensible Personengruppen vor den gesundheitlichen Auswirkungen schützen könnten. „Die Stadtspitze kann sich aber nicht länger aus ihrer Pflicht zur Fürsorge stehlen“, forderte Moseler: „Wir brauchen ein Hitzewarnsystem und eine Leitstelle zur Koordination der unterschiedlichen Akteure und Maßnahmen.“ Mannheim sei da zum Beispiel schon weiter, „und könnte Mainz als Beispiel dienen.“
Die ÖDP-Stadtratsfraktion fordert nun erneut akute Hilfsangebote, wie etwa kühle Aufenthaltsräume, Trinkbrunnen und Schattenplätze. „Wir brauchen großzügig vernetzte Pflanzzonen, ausreichende Wand- und Dachbegrünung, allem voran der kommunalen Gebäude, und eine hitzeangepasste Bauweise“ betonten Pannhorst und Moseler. Stattdessen seien aber seit 2018 in der Stadt weitere Plätze bei der Neugestaltung großflächig versiegelt worden. Gegenbeispiele gibt es: So stellte Wiesbaden gerade zwei „Mobile Grüne Zimmer“® in der Innenstadt auf, die Kühle und Erholung spenden sollen.
„Die Neuauflage der Grünsatzung wirkt da wie ein Tropfen auf den heißen Stein, denn sie gilt nur für Neubauvorhaben“, kritisieren die beiden ÖDP-Politiker. Und nun plane die Stadt nach Stadion und Hochschulerweiterung auch noch, weitere 50 Hektar der Frischluftschneise und des Kaltluftentstehungsgebiets am Europakreisel zuzubauen. Die Stadt brauche aber dringend nicht weniger sondern mehr kühle Luftzufuhr. „Inzwischen wurde ausreichend auf allen Medien über die Gefahren der Hitze in den Städten berichtet“, betonte Pannhorst: „Wir hoffen, dass nach der Sommerpause ein paar Stadträte mehr schlauer geworden sind.“
Info& auf Mainz&: Die Studie „Hitzebedingte Mortalität in Deutschland zwischen 1992 und 2021“, findet Ihr hier beim Ärzteblatt. Mehr zur Klimafolgen-Studie Klimprax könnt Ihr ausführlich noch einmal hier bei Mainz& nachlesen, unseren Bericht in Sachen abgelehnte Hitzeaktionspläne findet Ihr hier bei Mainz&. Und den kompletten, 135 Seiten starken Mannheimer Hitzeaktionsplan, erstellt übrigens im September 2021, könnt Ihr hier im Internet herunterladen.