Die Omikron-Welle rollt, und sie rollt schneller als erwartet: Kurz nach dem Ende der Feiertage schnellen die Inzidenzen bei den Neuinfektionen rasant in die Höhe – Mainz erreicht direkt nach dem Jahreswechsel gleich mal einen neuen Rekordwert von 320. 411 neue Corona-Infektionen meldete das Gesundheitsamt von Donnerstag bis Montag allein in der Stadt Mainz, von Montag auf Dienstag kamen noch einmal 69 neue Fälle hinzu. Und während in Rheinland-Pfalz landesweit fast die Hälfte aller Neuinfektionen durch die neue Omikron-Variante verursacht werden, sind es in Mainz bereits 95,9 Prozent und im Landkreis Mainz-Bingen sogar 97,8 Prozent.
Die neue Omikron-Variante breitet sich seit Mitte Dezember auch in Deutschland aus, am 24. November hatten erstmals südafrikanische Wissenschaftler über die neue Corona-Mutante berichtet. Die neue Virusvariante gilt als noch einmal erheblich ansteckender als ihr Vorgänger Delta, Omikron verursachte bereits in anderen europäischen Ländern wie Großbritannien und Dänemark hoch schießende Infektionszahlen, die sich alle zwei bis drei Tage verdoppeln – eine bisher nie gekannte Dynamik in der seit nunmehr zwei Jahren andauernden Pandemie. Am 26. November 2021 wurde Omikron von der Weltgesundheitsorganisation WHO zur „Variant of Concern“ erklärt, also zu einer besorgniserregenden Variante des Coronavirus Sars-CoV-2.
Omikron besitze im Vergleich zum ursprünglichen SARS-CoV-2 aus Wuhan „eine ungewöhnlich hohe Zahl von zirka 30 Aminosäureänderungen im Spike-Protein“, heißt es beim Robert-Koch-Institut (RKI) – Omikron weise rund 30 Veränderungen zum Ursprungsvirus auf, die bekanntesten seien eine Erhöhung der Übertragbarkeit sowie die Fähigkeit, den Immunschutz zu umgehen. Omikron ist damit eine der sogenannten „Escape-Varianten“, mit denen das Virus versucht, den Immunschutz des Menschen zu umgehen, um seinen Wirt weiter infizieren zu können. Die Folge: Mit Omikron können sich nu auch Geimpfte in einem bisher nicht gekannten Ausmaß infizieren – erst die dritte Booster-Impfung baut einen ausreichenden Schutz vor Omikron auf.
Einen Schutz bietet die Impfung dennoch, betonen alle Experten übereinstimmend: „Alle Impfstoffe, die aktuell in Deutschland zur Verfügung stehen, schützen nach derzeitigen Erkenntnissen bei vollständiger Impfung sehr gut vor einer schweren Erkrankung“, betont das RKI. Wer geboostert ist, ist zudem auch bei Omikron gut bis sehr gut gegen einen schweren Verlauf geschützt, die meisten geboostert Infizierten erkrankten bisher nur sehr leicht oder blieben gar gänzlich symptomfrei. Ungeimpfte bedrohe gerade Omikron hingegen ganz massiv, betonte zuletzt Virologe Christian Drosten: Gerade für Ungeimpfte über 60 Jahre werde es jetzt „richtig gefährlich“, sagte Drosten im Deutschlandfunk.
„Wir haben zu viele ungeimpfte Leute in Deutschland, gerade auch über 60, und die sind natürlich richtig in Gefahr“, sagte der Berliner Corona-Experte – damit befinde sich Deutschland in einer Art Sonderzustand, der dem Land sowohl wirtschaftlich als auch bei der Bekämpfung der Pandemie nachhaltig schaden könne. Drosten kritisierte zudem Impfverweigerer und ihre Argumentation deutlich: „Was mir auffällt, ist weiterhin Unkenntnis, Halbwissen und das in großem Selbstbewusstsein vorgetragen.“
Gerade auch Aussagen wie „Ich will mich mit diesem Virus infizieren, das stärkt das Immunsystem“ seien eine „so weit verbreitete Fehlauffassung“, dass sie auch einen Teil der Impfunwilligkeit erkläre – und zu einem gesellschaftlichen Problem geworden sei. „Wer glaubt, durch eine Infektion sein Immunsystem zu trainieren, muss konsequenterweise auch glauben, durch ein Steak seine Verdauung zu trainieren“, schrieb Drosten am 29. Dezember auf Twitter. „Die Impflücke ist ein riesiges Problem“, sagte auch der Saarländer Virologe Thorsten Lehr am Dienstagabend im SWR-Fernsehen – für viele Ungeimpfte über 60 Jahre werde das sogar „eine tödliche Erfahrung.“ Zudem drohe deshalb auch eine Überlastung der Krankenhäuser, auch wenn die Virologen bisher davon ausgehen, dass Omikron etwas weniger schwer verläuft, als die Delta-Variante.
Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) appellierte zu Jahresbeginn noch einmal ausdrücklich, sich impfen zu lassen. Viele Ungeimpfte glaubten, der Zug sei für sie ohnehin schon abgefahren, sagte Lauterbach, das sei aber falsch: Auch eine erste Impfung schütze bereits nach 14 Tagen deutlich vor einem tödlichen Verlauf. Mehr als 20 Millionen Menschen in Deutschland sind weiter nicht geimpft, darunter sind auch einige Millionen Menschen über 60 Jahre. Mit der neuen Omikron-Variante steigt für sie die Gefahr sich zu infizieren auf beinahe 100 Prozent an, sagen Experten.
Eigentlich hatten Virologen mit der neuen Omikron-Welle erst für Mitte Januar gerechnet, doch die neue Mutante breitet sich deutlich schneller aus als erwartet – die vierte Welle ebbt gerade erst ab, da steigt die neue Welle bereits wie eine Wand empor. So meldete das Gesundheitsamt Mainz-Bingen allein von Donnerstag auf Montag 411 Neuinfektionen in der Stadt Mainz und 255 neue Fälle im Landkreis Mainz-Bingen – binnen 24 Stunden zu Dienstag kamen noch einmal 69 neue Fälle in Mainz und 74 Neuinfektionen in Mainz-Bingen hinzu. Die Corona-Inzidenz stieg damit auf neue Rekordhöhen: auf 226 im Landkreis und sogar auf 320 in der Stadt Mainz.
Die Zahlen sind real, denn im Gesundheitsamt Mainz-Bingen sei auch an den Feiertagen durchgearbeitet worden, sagte Sprecher Bardo Faust auf Mainz&-Anfrage: „Das Gesundheitsamt war besetzt, es wurde getestet und gemeldet“, sagte Faust: „Wir haben hier keine Melderückstände.“ Bis einschließlich Sonntag, den 2. Januar, wurden im Raum Mainz-Bingen insgesamt 285 Omikron-Verdachtsfälle registriert – Ende vergangener Woche seien es noch 65 gewesen, sagte Faust weiter. Mehr noch: 1.289 Omikron-Verdachtsfälle meldete das Landesuntersuchungsamt (LUA) Rheinland-Pfalz am 3. Januar – und berichtete, die neue Mutante mache bereits 46,6 Prozent aller Corona-Fälle aus.
In Mainz gibt das LUA die Omikron-Quote bereits mit 95,9 Prozent an, im Landkreis mit 97,8 Prozent, damit wäre Omikron hier bereits die absolut dominierende Corona-Variante. In Neustadt an der Weinstraße gab es hingegen noch keinen einzigen Omikron-Verdachtsfall, in Frankenthal macht Omikron nur 16,7 Prozent der Neuinfektionen aus – im Donnersbergkreis hingegen bereits 100 Prozent. Weil Omikron so viel ansteckender ist, verdrängt die neue Mutante die alten Virusvariationen, damit dürfte es nur noch Tage dauern, bis sich Omikron in Deutschland komplett durchgesetzt hat.
Es sei „davon auszugehen, dass die Landes- und Bundeszahlen in den nächsten Tagen weiter steigen“, sagte denn auch der zuständige Kreis-Gesundheitsdezernent Erwin Malkmus zum Wochenstart: „Ich hoffe, dass die Wissenschaft Recht behält und die Omikron-Variante zwar sehr ansteckend, aber nicht ganz so gefährlich sein wird.“ Auch Malkmus betonte indes: Gefährlich sei das Virus aber weiter für alle Menschen, die keinen Impfschutz haben, „deshalb heute zum neuen Jahr noch mal meine ausdrückliche Bitte und den Aufruf an alle, die bisher noch gar nicht geimpft sind: Lassen Sie sich impfen, nur so schützen Sie sich vor schweren Krankheitsverläufen und vermindern die Ansteckungsgefahr für Ihre Mitmenschen.“
Für alle Geboosterten hat indes Virologe Drosten eine positive Aussicht für das Jahr 2022 parat: Allerspätestens 2023 werde die Pandemie tatsächlich vorbei sein – allerdings nur für die vollständig Geimpften und Geboosterten, sagte Drosten: Sie würden sich dann wieder komplett frei bewegen können.
Info& auf Mainz&: Das ganze Interview mit Virologe Christian Drosten zu Omikron und Pandemie lest und hört Ihr hier beim Deutschlandfunk. Der Expertenrat der Bundesregierung hatte schon vor Weihnachten eindringlich vor der neuen Omikron-Variante gewarnt – sie könne die kritische Infrastruktur in Gefahr bringen, weil zu viele Menschen gleichzeitig erkrankten. Die Übersicht des RKI zu Omikron vom 4. Januar 2022 findet Ihr hier im Internet.