Der Mainzer Hauptfriedhof gehört ganz amtlich zu den schönsten der Republik, eine seiner großen Besonderheiten sind die vielen Gräber historischer Persönlichkeiten. Doch genau die bröckeln – gerade weil sie unter Denkmalschutz stehen. Der Wirtschaftsbetrieb der Stadt Mainz hat nicht genug Geld für den Erhalt der historischen Grabstätten, und sucht deshalb nun Paten für deren Erhalt. Der Bonus sozusagen: Wer will, kann auch die Nutzungsrechte erwerben – und in den historischen Gräbern selbst beerdigt werden.

Für diese unter Denkmalschutz stehende Grabstätte mit dem Namen "Schuster/Rind" könnt Ihr eine Patenschaft übernehmen. - Foto: Wirtschaftsbetrieb Mainz
Für diese unter Denkmalschutz stehende Grabstätte mit dem Namen “Schuster/Rind” könnt Ihr eine Patenschaft übernehmen. – Foto: Wirtschaftsbetrieb Mainz

Es war im Jahr 1803, als der französische Präfekt von Mainz, Jeanbon de St. André, ein übles Problem mit einer revolutionären Neuerung löste: Er gründete einen neuen zentralen Hauptfriedhof vor den Toren von Mainz. Das Problem hatten die Franzosen selbst geschaffen: Mit der Säkularisierung unter Napoleon, der Auflösung der Kirchen und Klöster standen deren Gärten und Friedhöfe auch nicht länger als Begräbnisorte zur Verfügung, und ohnehin platzten die Kirchhöfe in der Stadt längst aus allen Nähten.

Die Gründung eines staatlichen Friedhofs war damals in Deutschland noch eine revolutionäre Neuerung, für den Ort fiel St. Andrés Wahl auf das Zahlbachtal – eine logische Wahl: Das Zaybachtal war von alters her das “Heilige Tal” der Mainzer, schon die Römer begruben hier ihre Legionäre, der Legende nach starb hier auch um das Jahr 451 der erste Mainzer Bischof, der heilige Aureus, den Märtyrertod. Auch der neue jüdische Friedhof wurde hier angrenzend an den Hauptfriedhof errichtet.

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Patenschaften für rund 20 historische Gräber gesucht

221 Jahre ist der Mainzer Hauptfriedhof inzwischen alt, und in dieser zeit wurden zahlreiche historische Persönlichkeiten hier begraben. Dazu gehört der Gründer St. André selbst, aber auch die Schriftstellerin Kathinka Zitz-Halein (+1877) oder der “Dichterkomponist” Peter Cornelius. Der erste Präsident der Weimarer Nationalversammlung von 1919, Eduard David, hat hier ebenso sein Grab wie der Gründer der Sektkellerei Henkell, Adam Henkell, (+1866), der Luftfahrtpionier Paul Haenlein oder der Chemiker Fritz Strassmann (+1980), der zu den Entdeckern der Kernspaltung zählt.

Auch diese Grabgruft der Familie Wolf sucht einen Paten. - Foto: Wirtschaftsbetrieb Mainz
Auch diese Grabgruft der Familie Wolf sucht einen Paten. – Foto: Wirtschaftsbetrieb Mainz

Viele der historischen Grabanlagen aus der Zeit des Klassizismus, dem Jugendstil oder der Moderne stehen unter Denkmalschutz – und genau das wird inzwischen zum Problem: Dem Wirtschaftsbetrieb der Stadt Mainz geht das für den Erhalt der Denkmäler aus. “Da Friedhofsgebühren zweckgebunden sind und dafür nicht verwendet werden dürfen, fehlen oft die Mittel, um diese Gräber zu restaurieren”, sagte nun Vorstandschefin Jeannette Wetterling. Wenn es also keine Nachkommen der dort Begrabenen mehr gebe, die sich um die Gräber kümmern können, “verfallen sie mit der Zeit und spiegeln nicht mehr das wider, was sich der Künstler einst bei der Gestaltung gedacht hat.”

Deshalb bietet der Wirtschaftsbetrieb nun sogenannte Grabmalpatenschaften an: Wer mag, kann die Patenschaft für eines der historischen Grabdenkmäler übernehmen. “Die Mainzer haben damit die Möglichkeit, ein Stück Geschichte zu reanimieren”, sagte die Leiterin der Abteilung Denkmalpflege des städtischen Bauamtes, Kathrin Nessel. 19 Gräber auf dem Mainzer Hauptfriedhof wurden jetzt mit einem Schild versehen, das darauf hinweist: “Ich bin ein Patenschaftsgrab” – so kann man sich einen ersten Eindruck von der besonderen Ruhestätten verschaffen.

An historischer Stätte später selbst begraben werden

Ein ungewöhnlicher Nebenaspekt dieser besonderen Denkmalpflege: Wer mag, kann auch die Nutzungsrechte für die Grabstätte erwerben, “und das Grab später für die eigene Bestattung nutzen”, sagte Wetterling. So könnte man also künftig in einer neobarocken Gruftkapelle seine letzte Ruhe finde, die 1905 für den Kommerzienrat L. Wolf errichtet wurde, oder in der Grabstätte “Schuster/Rind”, einer “monumentalen, späthistoristischen Grabanlage mit aufwändiger Metalleinfriedung und muschelbekrönter Ädikula”, wie die Beschreibung lautet. Wer es moderner mag, kann sich eine Art Deco-Grabstätte sichern.

Auch Grabstätten aus der Moderne gibt es im Angebot, hier ein Art Deco Grab. - Foto: Wirtschaftsbetrieb Mainz
Auch Grabstätten aus der Moderne gibt es im Angebot, hier ein Art Deco Grab. – Foto: Wirtschaftsbetrieb Mainz

Wie viel genau so eine Grabmalpatenschaft koste, lasse sich übrigens “nicht so einfach pauschal sagen”, betonte Wetterling: “Das hängt individuell von der jeweiligen Grabstätte ab.” Als Pate verpflichtet man sich in jedem Fall dazu, einen Grabstein oder eine Gruft zu erhalten und wenn nötig zu restaurieren, und auch die Pflege des Grabbeetes zu übernehmen. Die Palette ist jedenfalls groß: 19 mögliche Patenschaftsgräber stellen sich bereits auf der Homepage des Wirtschaftsbetriebes vor – vom vergleichsweise kleinen historistisches Grabmal mit Kruzifixaufsatz bis hin zur neogotischen Grabgruft.

Gleich vorweg gesagt: Große historische Persönlichkeiten sind nicht dabei, aber dafür viele nostalgisch-wunderbare Stelen, Engelsgruppen oder Gräber mit aufwändigen Bauten oder Umrandungen. Und allen gemeinsam ist eines: der Pate hilft dabei, ein Stück Stadtgeschichte zu erhalten.

Info& auf Mainz&: Die Details für eine Grabmalpatenschaft auf dem Hauptfriedhof Mainz finden Interessierte online auf der Seite des Wirtschaftsbetriebes, oder aber telefonisch bei der Friedhofsverwaltung unter 06131 – 97 15 327. Wer einen Spaziergang über den Hauptfriedhof macht, sollte Ausschau nach grünen Schildern halten mit der Aufschrift “Ich bin ein Patenschaftsgrab – Magst Du Dich nicht um mich kümmern?” Mehr zu den historischen Gräbern auf dem Mainzer Hauptfriedhof lest Ihr hier bei Mainz& – aber Achtung: Die dort beschriebene Handy-App “Wo sie ruhen” ist derzeit leider nicht mehr verfügbar.