Anfang März beschloss der Mainzer Stadtvorstand rigide Verbotsregeln für die Wiesen am Mainzer Winterhafen, am Mittwoch steht nun bereits das Glasverbot auf der Tagesordnung des Mainzer Stadtrats. Vor der Ratssitzung wollen noch einmal die Jugendorganisationen von Jusos, Grüner Jugend und Jungen Liberalen gegen die Verbotspolitik der Partei protestieren. Die Wut ist groß, die jungen Leute fühlen sich zu Unrecht vertrieben und an den Pranger gestellt. Verbote würden die Probleme nur verlagern – dann drohten Verbote in der ganzen Mainzer Altstadt, fürchten sie. Den Protestierenden stellte sich Ordnungsdezernentin Manuela Matz (CDU) zum Dialog – und Mainz& anschließend zum Interview, das Ihr im Text findet.
Vergangenen Donnerstag hatten sich rund 60 Vertreter von Jusos, Julis und Grüner Jugend auf den Wiesen am Mainzer Winterhafen eingefunden, der Grund: Wut und Protest. „Plätze sollen zu Prestigeobjekten ohne Seele werden“, schimpfte Jonas Wittner von den Mainzer Jusos, „am besten ohne Menschen, die diese Plätze nutzen.“ Die Lösungen, die die Stadt präsentiere, seien hilfreich, kritisierte Till Walter von der Grünen Jugend, und Katharina Kuhn von den Julis schimpfte: „Wir wollen die Maßnahmen so nicht hinnehmen!“
Die Stadt Mainz hatte überraschend Anfang März Verbote für die Wiesen am Winterhafen angekündigt, um der aus ihrer Sicht überbordenden Lärm- und Müllbelastung des Areals Herr zu werden. Gerade in den vergangenen zwei Corona-Jahren waren die Wiesen am Winterhafen zu äußerst beliebten Treffpunkten der Mainzer Jugend geworden: Hier wurde gegrillt, gechillt, und den engen Innenstadt-Wohnungen angesichts der mehrfachen Corona-Lockdowns entflohen. das Problem dabei: Weil die Wiesen am Winterhafen der letzte Ort am Rheinufer ist, auf dem man noch grillen kann, ballten sich hier an warmen Sommer-Wochenende die Massen – und lösten Beschwerden der Anwohner aus.
Schon im Sommer 2020 fuhr die Stadt kurzzeitig sogar Lautsprecherwagen und Scheinwerfer zum Vertreiben der friedlichen Menschen auf, in diesem Jahr will man das Problem anders angehen: Zwischen 18.00 Uhr und 6.00 Uhr morgens sollen auf den Wiesen am Mainzer Winterhafen nun Glasbehältnisse jeder Art verboten werden, ebenso alle Geräte, „die der Erzeugung oder Wiedergabe von Schall“ dienen – also vor allem Lautsprecher oder Bluetooth-Boxen. Auch Spiele wie Bier-Pong auf Tischen will die Stadt untersagen, Verstöße sollen mit Strafzahlungen in Höhe von 50 Euro geahndet werden.
Doch dagegen regt sich massiver Widerstand: Die Verbote seien völlig unverhältnismäßig und würden schlicht zu mehr Plastikmüll in der Umwelt führen, kritisierten die Jugendorganisationen in einem Offenen Brief. Die Linke im Mainzer Stadtrat sprach gar von einem „Schildbürgerstreich“: Die Regelungen gingen an den Realitäten in der Stadt vorbei, benachteiligten massiv Menschen mit engen Stadtwohnungen und seien obendrein handwerklich schlecht gemacht, schimpfte Linken-Stadtrat Martin Malcherek: Die Stadt sehe ja selbst zahlreiche Ausnahmen für Anwohner, Gewerbetreibende, Kreuzfahrtschiffe, Bootseigner und Babynahrung vor. Jeder Mainzer müsse dann künftig für eine ganz normal, klimafreundliche Wasserflasche aus Glas 50 Euro zahlen, monierte er.
Die Verbote würden die Probleme doch gar nicht lösen, schimpfte auch Wittner von den Jusos vergangenen Donnerstag auf der Protestkundgebung, denn: „Wo sollen die Menschen denn hingehen?“ Nirgends in Mainz gebe es doch alternative Flächen zum Abhängen und Feiern. „Will man so lange Verbote aussprechen, bis die Menschen da sind, wo man sie haben will“, empörte sich der Juso. Die Stadtoberen wollten offenbar „eine sterile Stadt“, in der sich nichts mehr bewege, Unterhaltung zum Selbstkostenpreis werde zunehmend ungern gesehen. „Man will Studentenstadt sein, aber wo diese Studierenden hinsollen, dafür hat man dann weder Plan noch Idee“, kritisierte er. Es sei ein Unding, wenn Menschen mit Haus am Stadtrand und Garten jetzt mit solchen Gesetzen „die Freiheit einschränken“ wollten.
Der Winterhafen sei ein Treffpunkt auch für den Austausch von Menschen, das dürfe nicht eingeschränkt werden, forderte auch Kohn für die JuLis. Das bestätigte denn auch gleich ein Mitglied des Rudervereins, der sein Bootshaus auf der Winterhafen-Mole hat: „Es ist so schön, wenn man von einer Paddeltour zurückkommt und sieht, wie das hier lebt“, sagte der Paddler, der sich selbst als Till vorstellte: „Wir haben hier so was Schönes am Rhein, es wäre echt Scheiße, wenn das kaputt gemacht wird.“
„Wir haben mal Passanten und Anwohner gefragt: wie finden Sie das Verbot“, berichtete Till Walter von der Grünen Jugend von einer spontanen Straßenumfrage am Winterhafen. Zu seinem Erstaunen hätten viele Leute dabei gesagt: „Lärmproblem? Nie gehört! Wieso gibt es dann eine so radikale Linie der Stadt?“, fragte Walter. „Wir behaupten nicht, dass es nicht auch mal lauter wird“, sagte er weiter: „Aber wir behaupten, dass die Lösungen nicht helfen, die man uns präsentiert.“
Pikant dabei: Die Verbote waren von der Mainzer Stadtspitze in Gestalt von Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), Gründezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) und Ordnungsdezernentin Manuela Matz (CDU) gemeinsam auf den Weg gebracht worden. Nur Matz allerdings stellte sich am Donnerstag den Protestierenden im Winterhafen zum Dialog. Die Stadt habe sehr viel versucht in den vergangenen zwei Jahren, um die Situation am Winterhafen zu entschärfen, sagte Matz: „Wir haben Grillscouts, Müllscouts und Sommernachtsscouts ins Leben gerufen, die Reinigungsintervalle verkürzt, größere Müllbehälter aufgestellt – es hat alles nichts geholfen.“
Die neuen Maßnahmen seien geeignet, ein Stück weit das Lärmlevel zu reduzieren, argumentierte sie – und die Anwohner klagten noch immer über erhebliche Lärmbelästigung, „über Party bis morgens um 4.00 Uhr.“ Inzwischen würden die Anwohner mit Klagen drohen, dann aber drohten noch ganz andere Maßnahmen, warnte Matz – etwa ein komplettes Verweilverbot für alle und für die ganze Nacht. „Wir wollen, dass Mainz auf seinen Plätzen lebt, aber dazu gehören auch Spielregeln“, betonte die Dezernentin. Spaß sei okay, „aber Spaß mit Maß wäre gut.“
Die jungen Parteivertreter forderten hingegen alle gemeinsam, die Stadt müsse die jungen Menschen einbeziehen und anhören. Die Stadtverwaltung will aber schon an diesem Mittwoch die Verbote im Mainzer Stadtrat abstimmen lassen: Sowohl die Änderung der Grünanlagensatzung mit dem Verbot von Lautsprecheranlagen, als auch das Glasverbot stehen für diesen 6. April auf der Tagesordnung der Ratssitzung. „Wenn Sie uns einbeziehen wollen – wieso wird dann nächste Woche schon abgestimmt“, kritisierte die Mainzer Juso-Vorsitzende Antonia Rosskopp.
Zu ihrer Überraschung erfuhren die Jugendvertreter zudem: Es gibt einen „Runden Tisch“ am Winterhafen. Im Interview mit Mainz& bekannte Matz dann, es handele sich nur um einige wenige Anwohner, die sich massiv beschwerten. Der Runde Tisch sei vom Mainzer Hyatt-Hotel ins Leben gerufen worden, an ihm würden Anwohner, sowie verschiedene Ämter der Stadt teilnehmen. Erst kürzlich sei auch der Ortsvorsteher der Mainzer Altstadt dazu gebeten worden.
Der Ortsbeirat Mainz-Altstadt sei zu den Sitzungen aber nicht zugelassen, kritisierte der Mainzer Stadtrat Andreas Behringer (SPD), dabei fordere er das seit Längerem – und auch junge Leute seien in dem Gremium gar nicht vertreten. „Wir setzen uns seit Jahrzehnten für Lärmschutz ein und gegen Vermüllung“, betonte Behringer, der selbst Mitglied des Ortsbeirats Altstadt ist. Mit den neuen Verboten drohe stattdessen aber nun eine Verlagerung der Probleme in die Altstadt.
„Wir haben immer gesagt, der Lärm muss aus den Wohnquartieren raus – geht doch bitte an den Rhein“, sagte Behringer, und erinnerte daran, dass gerade die SPD noch 2010, beim Bau der neuen Luxuswohnanlagen versprochen habe: „Auch nach der Bebauung des Winterhafens gilt für die SPD, am Winterhafen gibt es weiter Spiel, Spaß und das Kulturzentrum KUZ.“ Mit den Verboten würde der Lärm dann wieder „direkt vor die Schlafzimmer“ der Menschen getragen, kritisierte Behringer: „Hier an der Mole wird die Musik verboten, an der Wohnbebauung aber nicht, das finden wir absurd.“
Denn tatsächlich gebe es kaum Flächen in der Mainzer Altstadt, die so weit weg seien von der Wohnbebauung wie ausgerechnet die Mole des Winterhafens. Schon jetzt seien doch Bereiche wie die Hintere Bleiche, die Zanggasse oder die Terrasse vor dem Hyatt Hotel echte Brennpunkte, die neuen Verbote würden Lärm und Partys doch nur in andere Bereiche der Altstadt verdrängen: „Wenn wir hier mit Verboten anfangen, dann müssten wir für die gesamte Altstadt Verbote verhängen“, warnte Behringer.
„Die Idioten“, die sich nicht benehmen könnten, die wolle hier am Winterhafen keiner, sagte Behringer noch. „Aber wir wollen hier auch mal Streetworker, und warum stellen wir nicht auch Glastonnen auf?“, fragte er. Viele Deutsche scheuten sich eben, Glasflaschen in allgemeine Mülltonnen zu werfen, und stellten sie ordentlich daneben. „Wir sind eben so erzogen“, sagte Behringer. Wenn der Glasbruch im Laufe der Nacht so ein Problem sei – „warum schickt man nicht abends einen Trupp vorbei, der die Flaschen einsammelt“, fragte er.
Auch andere Vorschläge kamen auf, so seien etwa die Müllscouts nur bis 20.00 Uhr unterwegs – die Probleme fingen aber erst danach an, sagte Till Walter. Die Fraktion von Piraten & Volt will nun am Mittwoch von der Stadtverwaltung im Stadtrat wissen, wieso junge Menschen bei den Entscheidungen nicht eingebunden wurden – und wie die Stadt überhaupt versucht hat, auf junge Menschen zuzugehen, und ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen. „Das hier darf nicht am 6.4. entschieden werden, ohne dass wir geredet haben“, forderte Walter stellvertretend für die Protestierenden: „Wer diese Debatte ignoriert, ignoriert die Stimme der jungen Leute insgesamt. Und das gilt für den gesamten Stadtrat.“
Info& auf Mainz&: Jusos, JuLis und Grüne Jugend wollen kommenden Mittwoch noch einmal protestieren: Um 14.000 Uhr vor der Stadtratssitzung in der Rheingoldhalle, die um 15.00 Uhr beginnt. Mehr zu den Hintergründen und dem Streit lest Ihr ausführlich auch hier auf Mainz&.