Trotz erneut rasant steigender Infektionszahlen und genau zum neuesten Corona-Gipfel von Bund und Ländern hat Rheinland-Pfalz am Montag die Erlaubnis zum Öffnen der Außengastronomie erteilt. Doch in der Mainzer Innenstadt herrschte am Montag dennoch gähnende Leere: Die allergrößte Mehrheit der Mainzer Gastronome machte sich gar nicht erst die Mühe, ihre Tische und Bänke nach draußen zu stellen: für die Wiederöffnung gelten hohe Hürden mit Schnelltest und Anmeldung, dazu präsentierte sich das Wetter kalt und ungemütlich. Lediglich bei der „Zeitungsente“ genossen Gäste im Freien Bier und Kaffee – ausgebremst ist indes auch wieder das Mainzer Staatstheater. In Berlin streiten Bund und Länder derweil über kontaktfreien Urlaub.

Kündigte am Freitagabend trotz steigender Coronazahlen die Öffnung der Außengastronomie an: Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). - Foto: gik
Kündigte am Freitagabend trotz steigender Coronazahlen die Öffnung der Außengastronomie an: Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). – Foto: gik

Am Freitagabend kündigte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) überraschend die Öffnung der Außengastronomie zum 22. März an – das war Teil des ursprünglichen Öffnungsplans, den Bund und Länder vor drei Wochen miteinander vereinbart hatten. Dennoch rieben sich viele verwundert die Augen: Schon vor über einer Woche drehten die Corona-Infektionen wieder zurück in den Bereich des exponentiellen Wachstums, das Robert-Koch-Institut meldete vergangene Woche erneut pro Tag im Schnitt mehr als 13.000 Neuinfektionen, die 7-Tages-Inzidenz lag am Montag bei 107,3, und der R-Wert liegt bereits wieder über 1 – es stecken sich also wieder mehr Menschen mit dem Coronavirus an, vor allem mit der neuen Mutation B1.1.7.

Demzufolge diskutierten am Montag Bund und Länder erneut über die Frage, ob die Lockdown-Maßnahmen wieder verschärft werden müssten: Das Bundeskanzleramt dringt Medienberichten zufolge auf die Rückkehr zur Schließung von Geschäften und wohl auch von Schulen, sogar eine nächtliche Ausgangssperre brachte das Bundeskanzleramt ins Gespräch, die ab einer Inzidenz von 100 gelten solle. SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach forderte am Wochenende wiederholt: „Wir müssen zurück in den Lockdown“ – dabei hat der in den meisten Regionen nie wirklich aufgehört.

- Werbung -
Werben auf Mainz&
Mainz hatte die Öffnung der Geschäfte vor einer Woche wieder zurückgenommen. - Foto: gik
Mainz hatte die Öffnung der Geschäfte vor einer Woche wieder zurückgenommen. – Foto: gik

In Mainz war vor einer Woche erst die Öffnung der Geschäfte wieder zurückgenommen worden, nachdem die Inzidenz in Mainz wieder über die Marke von 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner geklettert war. Seither können Geschäfte nur noch Terminshopping anbieten, die Stadt Mainz betonte am Freitag noch einmal, es dürfe beim Terminshopping nicht zu Ansammlungen und Warteschlangen vor dem jeweiligen Geschäft kommen. „Es ist zulässig, neben den Möglichkeiten per Telefon oder Internet auch über einen QR-Code am Eingang ad hoc einen Termin zu vereinbaren, wenn die Einrichtung noch freie Kapazitäten aufweist“, sagte Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU).

Wartende vor den Geschäften sind aber nicht erlaubt, auch müssten die Betreiber sicher stellen, „dass das Geschäft nicht eigenmächtig betreten wird und somit auch die notwendige Kontaktdatenerfassung erfolgen könne“, mahnte die Dezernentin. Auch der Einhaltung der Maskenpflicht, sowohl in den Geschäften als auch in Wartebereichen komme eine große Bedeutung zu. „Ich hoffe, dass wir es schaffen, durch die leider notwendigen Maßnahmen die Fallzahlen schnell reduzieren, um dann wieder Lockerungen ermöglichen zu können“, sagte Matz. Mainz meldete am Montag eine 7-Tages-Inzidenz von 58, am Wochenende lag sie noch bei 61 – Schwankungen nach einem Wochenende sind keine Seltenheit.

Rheinland-Pfalz öffnet Außengastronomie trotz steigender Infektionen

Das beliebte Restaurant Como Lario blieb am Montag in Mainz ebenso zu wie 98 Prozent der anderen Restaurants. - Foto: gik
Das beliebte Restaurant Como Lario blieb am Montag in Mainz ebenso zu wie 98 Prozent der anderen Restaurants. – Foto: gik

Die 7-Tages-Inzidenz kletterte am Montag in Rheinland-Pfalz auf 82,2, die von Bund und Ländern vereinbarte Notbremse soll ab einer Inzidenz von 100 greifen – vor sieben Tagen lag die landesweite Inzidenz noch bei 61,2. Experten gehen davon aus, dass die Zahlen spätestens Ende der Woche auch in Rheinland-Pfalz deutlich über 100 liegen könnten. Mehrere andere Bundesländer hatten deshalb die Öffnung der Außengastronomie sowie weitere Lockerungsschritte am Montag nicht umgesetzt und die Entscheidung darüber verschoben – so etwa das Saarland oder Schleswig-Holstein. Es mache keinen Sinn, Lockerungsschritte vor der Bund-Länder-Konferenz zu gehen, hieß es aus diesen Ländern.

Rheinland-Pfalz setzte indes den Öffnungsschritt um, am Samstag erschein eine neue Corona-Verordnung des Landes, in der die Bedingungen für die Öffnungen genannt wurden: Danach müssen Kunden im Voraus einen Termin buchen, die Kontaktdaten müssen seriös erfasst werden – und jeder Gast muss einen aktuellen, negativen Corona-Schnelltest vom selben Tag vorweisen. Für Gäste wie für Personal besteht die Pflicht zum Tragen einer medizinischen Maske – also einer OP-Maske oder FFP2-Maske, die nur von den Gästen am Tisch abgenommen werden darf. Der Besuch ist zudem nur für maximal fünf Personen gemeinsam aus zwei Hausständen erlaubt.

Die Zeitungsente war eine der wenigen Locations, die am Montag ihre Außengastronomie wieder öffnete. - Foto: gik
Die Zeitungsente war eine der wenigen Locations, die am Montag ihre Außengastronomie wieder öffnete. – Foto: gik

Das Resultat der strengen Regeln: Gleich reihenweise kündigten Mainzer Gastronome am Wochenende an, ihre Außengastronomie nicht zu öffnen. Erst mache man sich den Kühlschrank voll, kaufe Getränke ein und organisiere Personal, und das womöglich nur für ein, zwei Tage, an denen kaum einer komme – das rechne sich nicht, lautete das Urteil vieler. Auch sei das Wetter viel zu kalt, der Aufwand für die Besucher mit den Tests viel zu hoch – das Ergebnis: in den meisten Teilen der Mainzer Innenstadt herrschte auch am Montag gähnende Leere und geschlossene Restaurants.

Nur bei der „Zeitungsente“ war der große Außenbereich geöffnet, jeder Tisch schon im Laufe des Nachmittags besetzt. „Wir versuchen es eben mal“, sagte die Bedienung mit einem Schulterzucken, die Besucher sahen trotz dicker Jacken, Mützen und Heizstrahlern eher verfroren aus. Nebenan beim italienischen Restaurant Como Lario blieb es dunkel, auch der Neubrunnenplatz – wie leergefegt. Die Öffnung sei „ein wichtiges Signal an die Gastronomie, die seit November geschlossen ist“, hatte Ministerpräsidentin Dreyer am Freitag noch gesagt. Sie sei „der Überzeugung, dass es besser ist, die Menschen können bei schönem Wetter mit Abstand und Hygienekonzept Kaffee oder Eis im Gartenlokal genießen, statt einen ‚Coffee to go‘ im Gedränge.“

Streit über kontaktlosen Urlaub im eigenen Land

Der Hotel und Gaststättenverband DEHOGA lobte, die Ministerpräsidentin habe „Wort gehalten“ – Dreyer hatte vor der Landtagswahl der Dehoga Öffnungsschritte versprochen, notfalls auch im Alleingang. Die Öffnung sei „für die gebeutelte Branche ein wichtiges Signal“, betonte Dehoga-Präsident Gereon Haumann, man erwarte dies nun auch für die Zusage der Ministerpräsidentin, Hotels und Restaurants an Ostern eine Öffnungsperspektive zu geben. Eine solche Perspektive müsse am Montag realisiert werden.

Stundenlanges Warten auf die Pressekonferenz: Bund und Länder unterbrachen am Montagabend für mehr als vier Stunden ihre Beratungen. - Foto: gik
Stundenlanges Warten auf die Pressekonferenz: Bund und Länder unterbrachen am Montagabend für mehr als vier Stunden ihre Beratungen. – Foto: gik

Doch danach sah es am Montag ganz und gar nicht aus: Mehrere Bundesländer, darunter auch Rheinland-Pfalz, hatten Medienberichten zufolge ein Konzept für kontaktlosen Urlaub vorgelegt, dabei sollte Urlaub an Ostern in Ferienwohnungen oder mit dem eigenen Wohnmobil auf Campingplätzen möglich sein, wenn auch nur im eigenen Bundesland. Es sei sinnvoller, den Menschen eine sichere Form von Urlaub daheim zu ermöglichen, anstatt sie nach Mallorca fliegen zu lassen, argumentieren diese Länder  – die Baleareninsel hatte vergangene Woche für Touristen aus Deutschland wieder geöffnet, prompt strömten Hunderte auf die Mittelmeerinsel. Verpflichtende Tests oder sogar Quarantäne nach Rückkehr gibt es derzeit nicht, Stimmen aus der Politik fordern dies nun – nachdem die Bilder der fliegenden Urlauber über die Fernsehbildschirme flimmerten.

Die ZDF Heute-Nachrichten und andere Medien meldeten am Montagabend jedoch, der Corona-Gipfel in Berlin sei unterbrochen – Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sperre sich gegen die Idee des kontaktlosen Urlaubs daheim. Kurz danach meldete Spiegel Online, die Beratungen über den Inlandstourismus seien „völlig festgefahren“, die Konferenz nun seit vier Stunden unterbrochen.

Mainzer Staatstheater sagt Öffnung wieder ab

Einsamer Schwellkopp an Fastnacht vor dem geschlossenen Staatstheater. - Foto: privat
Einsamer Schwellkopp an Fastnacht vor dem geschlossenen Staatstheater. – Foto: privat

Derweil musste eine Branche bereits am Wochenende noch vor ihrer Wiederöffnung wieder einpacken: Das Mainzer Staatstheater hatte eigentlich am 22. März seinen Spielbetrieb wieder aufnehmen wollen, so wie es im Öffnungsplan von Bund und Ländern bei einer Inzidenz unter 100 vorgesehen war. Abgestimmt mit allen politischen Ebenen habe man deshalb die Wiederaufnahme des Spielbetriebs geplant, die Nachfrage sei „überwältigend“ gewesen, teilte das Staatstheater am Montag mit. „Die Besucher wollten unbedingt kommen, auch unter der Maßgabe, einen negativen Coronatest vorweisen und im Saal Maske tragen zu müssen“, betonte man beim Theater weiter: „Wir bedanken uns von Herzen bei unserem Publikum für die große Treue und ungebrochene Begeisterung!“

Doch für die Theater und weitere Spielstätten in Rheinland-Pfalz wurde die Öffnung wieder abgesagt, „ein Spielbetrieb ist vorerst leider nicht möglich“, hieß es beim Theater bedauernd. Alle Vorstellungen seien nun wieder zunächst bis 28. März abgesagt, bereits gekaufte Karten für diesen Zeitraum könnten umgetauscht oder zurückgegeben werden. In Berlin hatten vergangene Woche einzelne Bühnen ihre Vorhänge wieder für Versuchsmodelle geöffnet, unter strengsten Sicherheitsvorkehrungen, mit Masken und Schnelltests. Experten zufolge ist die Gefahr einer Ansteckung in einem Theaterraum mit begrenzter Besucherzahl äußerst gering.

Solche Modellprojekte hatte auch Ministerpräsidentin Dreyer am Freitag ins Spiel gebracht: Man wolle in Modell-Kommunen und Modell–Landkreisen durch schlüssige Test- und Nachverfolgungskonzepte einzelne behutsame Öffnungen ermöglichen, so könnten „in engen Grenzen Ausnahmen möglich werden, wenn der Inzidenzwert dort unter 100 liegt“, sagte Dreyer. Solche Modellprojekte gibt es indes längst: in Tübingen können die Menschen nach einem negativen Coronatest mit einem Tagespass in den Geschäften der Innenstadt einkaufen, Restaurants besuchen oder ins Theater gehen – die Erfahrungen sind bislang positiv.

Das Mainzer Staatstheater plant ein Modellprojekt zum sicheren Betrieb von Theatern in der Corona-Pandemie. -Foto: gik
Das Mainzer Staatstheater plant ein Modellprojekt zum sicheren Betrieb von Theatern in der Corona-Pandemie. -Foto: gik

Das Staatstheater sprach nun von einer „sehr interessanten Perspektive“, denn die Modelle sollten auch für Theater gelten. Man habe deshalb bereits „in intensiven Gesprächen mit Experten der Mainzer Unimedizin begonnen, Wege auszuloten, um für das Staatstheater Mainz ein solches Modell zu realisieren“, kündigte die Theaterleitung an: „Wissenschaftlich begleitet, und zugleich getragen von unseren detaillierten Sicherheitskonzepten und technischen Möglichkeiten, könnte auf dem Weg gelingen, was wir uns bereits seit langem wünschen und immer wieder formuliert haben: Dass die Theater zu Orten werden, die gerade in diesen schwierigen Zeiten geöffnet werden können – und sollten.“ Man begrüße „den politischen Gestaltungswillen für rheinland-pfälzische Modelllösungen“ und greife die Möglichkeit gerne auf, denn so könnten Perspektiven geschaffen werden.

Info& auf Mainz&: Mehr zu dem Stufenplan für Öffnungen aus dem Lockdown, aber auch mit der Notbremse über einer 100-er-Inzidenz lest Ihr hier bei Mainz&. Die Ankündigungen von Rheinland-Pfalz am Freitag samt der Ergebnisse zum Impfgipfel lest Ihr hier bei Mainz&.

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein