Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat die Bevölkerung in Deutschland aufgerufen, mehr gegen die Verbreitung des neuen Coronavirus zu tun. Jeder einzelne, aber auch jeder Betrieb und jede Schule oder Kindergarten müsse nun Vorkehrungen gegen eine Ansteckung treffen, betonte Spahn, und rief explizit dazu auf, vor allem ältere Menschen und chronisch Kranke vor dem für sie besonders gefährlichen Erreger zu schützen. „Das meine ich sehr ernst“, sagte Spahn am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin: Jeder einzelne Bürger sei nun aufgerufen, „einen entscheidenden Beitrag zu leisten, um sich und die Liebsten zu schützen.“ Spahn präsentierte ein gesamtes Maßnahmenpaket und rief die Bevölkerung auf, sich mit Besuchen und Veranstaltungen einzuschränken. Das Robert-Koch-Institut sowie der Berliner Virologe Christian Drosten mahnten eindringlich: die Situation sei „absolut ernst“, Deutschland stehe am Beginn einer ernsthaften Epidemie.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag auf einer Pressekonferenz zum Coronavirus. - Screenshot: gik
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Montag auf einer Pressekonferenz zum Coronavirus. – Screenshot: gik

Seit dem Wochenende steigt die Zahl der Infektionen mit dem neuen Coronavirus in Deutschland explosionsartig an, das Robert-Koch-Institut zählte am Montagnachmittag bereits 1139 Infektionen in Deutschland. Die Zahl war kaum veröffentlicht, da war sie schon überholt: Das Robert-Koch-Institut zählte dabei etwa noch 17 Infektionen in Rheinland-Pfalz, zeitgleich teilte das Mainzer Gesundheitsministerium aber mit, die Zahl der Infektionen sei nun auf 22 gestiegen.

Im Kreis Mayen-Koblenz kamen drei Fälle innerhalb einer Familie hinzu, Infizierte gibt es zudem in Bitburg/Prüm (1 Person), in Kaiserslautern (4 Personen), im Landkreis Germersheim (1 Person), in Koblenz (5 Personen), im Landkreis Bad Dürkheim (3 Personen), in Neustadt/Landkreis Bad Dürkheim (2 Personen“ und in Neuwied (1 Person). In Mainz gibt es unverändert zwei infizierte Personen, schwer erkrankt sie keiner der Personen in Rheinland-Pfalz. Auch Wiesbaden meldete am Montag den ersten Fall mit Corvid-19: Eine 1967 geborene Frau sei positiv auf das Coronavirus getestet worden, nachdem sie mit ihrem Ehemann am Sonntag aus dem Grödnertal in Südtirol zurückgekehrt war. Die Frau sei seit ihrer Rückkehr wegen grippaler Symptome zu Hause in Quarantäne geblieben, auch ihr Ehemann befinde sich in häuslicher Quarantäne, beiden gehe es gut.

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Inzwischen gibt es aber auch die ersten drei Todesfälle: In Essen starb eine 89 Jahre alte Frau an dem neuen Virus, ein 78 Jahre alter Mann starb im Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen. Zuvor war bereits ein 60 Jahre alter Hamburger Feuerwehrmann im Urlaub in Ägypten an dem Virus gestorben, alle drei sollen Vorerkrankungen wie Diabetes gehabt. Trotz der rasant steigenden Fallzahlen fanden am Wochenende Fußballspiele unverändert mit großen Zuschauermengen statt, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn  (CDU) rief nun dazu auf, genau solche Events abzusagen: „Wir müssen den Ausbruch verlangsamen, damit unser Gesundheitssystem weiter funktionieren kann“, sagte Spahn am Montag auf einer Pressekonferenz in Berlin.

Nun drohen auch Fußballspielen angesichts des Coronavirus Absagen, hier die Mainzer Opel-Arena. - Foto: gik
Nun drohen auch Fußballspielen angesichts des Coronavirus Absagen, hier die Mainzer Opel-Arena. – Foto: gik

„Wir müssen abstufen, worauf können wir für einige Wochen  und Monate verzichten, und auf was weniger“, mahnte Spahn, und betonte: „Es ist aus meiner Sicht leichter, auf ein Konzert einen Clubbesuch, ein Fußballspiel zu verzichten, als auf den täglichen Weg zur Arbeit“ oder auf die Kinderbetreuung. Spahn präsentierte dann einen ganzen Maßnahmenkatalog, wie man sich und vor allem auch andere Menschen, insbesondere Ältere und chronisch Kranke, schützen könne: „Ich appelliere an die Eigenverantwortung des Einzelnen, Infektionsrisiken zu minimieren und Ansteckungsrisiken zu verringern“, betonte der Minister.

Es gehe ausdrücklich darum, in den kommenden Wochen Kontakte insbesondere zu gefährdeten Menschen zu reduzieren. Man könne etwa öfter zu Fuß gehen oder mit dem Rad fahren anstatt den Öffentlichen Nahverkehr zu nutzen, weniger zu reisen und versuchen, von Zuhause zu arbeiten. Wer älter als 60 Jahre sei, solle sich gegen Pneumokokken impfen lassen, also gegen den Erreger der Lungenentzündung.

Spahn sprach sich dagegen aus, Schulen und Kitas generell zu schließen, das würde erhebliche Folgen für das öffentliche Leben haben, weil Kinder dann nicht betreut werden könnten. Es sei wichtig, „besonnen, ernsthaft, entschieden und eindeutig an die Lage heranzugehen.“ Wegen des erhöhten Risikos einer Coronavirus-Ansteckung sind ab sofort Krankschreibungen leichter möglich: Patienten mit leichten Atemwegserkrankungen können sich für bis zu sieben Tage ihre Arbeitsunfähigkeit bescheinigen lassen, und zwar ohne persönlich beim Arzt vorsprechen zu müssen, teilten die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und der GKV-Spitzenverband mit. Deutschland sei mit 28.000 Intensivbetten gut gerüstet, betonte Spahn.

Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, auf der Pressekonferenz zum Coronavirus. - Screenshot: gik
Der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, auf der Pressekonferenz zum Coronavirus. – Screenshot: gik

Virologen machen allerdings auch noch eine andere Rechnung auf: 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung würden sich auf Dauer wohl mit dem Virus infizieren, sagten die Experten – 20 Prozent der Fälle verlaufen derzeit schwer, die Patienten benötigen eine Behandlung im Krankenhaus, unter Umständen mit Beatmung. Bei „nur“ 400.000 Infizierten gleichzeitig bekäme Deutschland damit 80.000 Notfallpatienten auf einmal – dafür wäre das Gesundheitssystem nicht gerüstet. „Wie sehr wir das Virus verlangsamen können, ist entscheidend für die Frage, wie gut wir mit dem Virus umgehen können“, betonte Spahn deshalb am Montag.

„Wir haben schon in anderen Ländern gesehen, dass gute Gesundheitssysteme überfordert sein können, wenn sich das Virus schnell ausbreitet“, betonte der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler – das RKI sprach am Montag erstmals von einer „ernsten Lage“: „Wir wissen nicht, über welchen Zeitraum sich Menschen in Deutschland infizieren könnten, und wissen auch nicht, wie schwer eine Epidemie verlaufen wird“, sagte Wieler. Zumeist verlaufe die Krankheit sehr mild, jeder fünfte Fall verlaufe aber schwer, ein besonderes Risiko hätten Menschen über 60 und Menschen, die an Grunderkrankungen oder Vorerkrankungen litten.

Die Coronavirus-Epidemie steht in Deutschland erst am Anfang. - Foto: via Wikipedia Von CDC Alissa Eckert
Die Coronavirus-Epidemie steht in Deutschland erst am Anfang. – Foto: via Wikipedia Von CDC Alissa Eckert

„Wir müssen alles daran setzen, diese Menschen zu schützen“, mahnte Wieler. Es gelte unbedingt, die Verbreitung der Krankheit zu verlangsamen, schwere Fälle dürften nicht auf einmal auftreten. Arztpraxen und Kliniken müssten jetzt ihre Vorbereitungen auf Covid-19-Patienten abgeschlossen haben.

„Bleiben Sie bitte zuhause, wenn Sie krank sind“, mahnte Wieler, und zählte wichtige Vorsorgemaßnahmen auf: Hände waschen, Verzicht aufs Händeschütteln, Abstand halten, Hust- und Nies-Regeln beachten, soziale Kontakte deutlich verringern. Je mehr Menschen sich an diese Regeln hielten, umso schwerer mache man es dem Virus, sich auszubreiten. Wieler rief auch dazu auf, anderen zu helfen: „Kümmern Sie sich um Ihre Freunde, Bekannten und Kollegen, gehen Sie für ältere oder chronisch kranke Menschen einkaufen, wenn diese nicht aus dem Haus gehen möchten“, sagte er.

Der Virologe Christian Drosten auf der Pressekonferenz zum Coronavirus. - Screenshot: gik
Der Virologe Christian Drosten auf der Pressekonferenz zum Coronavirus. – Screenshot: gik

„Wir müssen damit rechnen, dass wir direkt in eine Epidemiewelle reinlaufen“, warnte zudem der Virologe Christian Drosten: „Wir können nicht damit rechnen, dass sich die Ausbreitung im Frühjahr oder Sommer stark verlangsamt.“ Neueste Studien legten nahe, dass der saisonale Effekt auf den Coronavirus nicht so groß sei wie bei andere Viren. Damit könnte sich die Hoffnung zerschlagen, dass der Virus in der wärmeren Jahreszeit weniger stark ausbreitet als in der kalten Jahreszeit. „Man darf nicht erwarten, dass das dann von alleine zum Stillstand kommt“, sagte Drosten – eine Entwarnung für die wärmeren Wochen und Monate könne er nicht geben. „Es ist eine absolut ernste Situation, wir haben nicht so viel Zeit, uns darauf vorzubereiten“, warnte Drosten: „Auch wenn derzeit der Eindruck entsteht, es ist alles ‚halb so wild‘ – auch bei uns wird sich das ändern.“

Info& auf Mainz&: Die gesamte Pressekonferenz könnt Ihr Euch hier auf Youtube noch einmal ansehen – es lohnt sich. Spahn empfahl auch, Veranstaltungen mit mehr als 1000 personen abzusagen – mehr dazu lest Ihr hier bei Mainz&.  Informationen zum Coronavirus sowie zu Vorsorgemaßnahmen findet Ihr hier ansonsten auch beim Gesundheitsmisterium in Mainz und hier beim Robert-Koch-Institut. Einen sehr guten Artikel zum Unterschied zwischen Grippe/Influenza und dem neuen Coronavirus findet Ihr hier – der Artikel erklärt auch, warum das Coronavirus erheblich gefährlicher ist als die Influenza.

 

 

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