Die Omikron-Welle baut sich immer weiter auf, doch Corona-Tests in Kitas sucht man weiterhin in den meisten Einrichtungen vergeblich – nun wächst die Wut bei Eltern und Erzieherinnen. Dass Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) gerade eine Testpflicht in Kitas erneut ablehnte, und damit begründete, man müsse auf die Kinder Rücksicht nehmen, deren Eltern die Tests verweigerten, sorgt für blankes Unverständnis: Offenbar bringe man im Ministerium mehr Verständnis für Corona-Leugner auf, als für den vernünftigen Großteil der Eltern, schimpfen empörte Kommentatoren. CDU und Freie Wähler fordern derweil flächendeckende Lolli-Tests in den Kitas, das Land dürfe die Kommunen damit nicht allein lassen – was, wenn Kitas wegen Erzieherinnen-Mangel dicht machten?
Eine Testpflicht in Kitas ist seit Beginn der Pandemie stark umstritten, viele Erzieherinnen in den Einrichtungen wünschen sie sich indes, die meisten wären indes schon froh, wenn es überhaupt regelmäßige Test in ihren Kitas gebe – die sogenannte „Freiwilligkeit“, auf die man bei der Landesregierung setzt, führt zu einem wahren Flickenteppich. In manchen Kitas werde zweimal pro Woche getestet, vieles beruhe auf Eigeninitiative von Erzieherinnen oder den Einrichtungen, berichtet Claudia Theobald, Vorsitzende des Kita-Fachkräfteverbandes Rheinland-Pfalz, gegenüber Mainz&.
Doch in den allermeisten Einrichtungen herrscht tiefer Frust: „Seit einem knappen Jahr versuchen wir zu erreichen, dass unsere Kinder getestet werden“, schreiben da etwa Mitarbeiterinnen einer Kita aus Boppard, doch zuständig fühle sich niemand, keiner wisse, wie es weiter gehen solle. „Niemand ist zuständig“ – das höre man auch aus Kitas in Neuwied, Mainz und Landau, berichtet Theobald. In Boppard habe man die Tests jetzt gemeinsam mit einem Neuwieder Labor organisiert, der Träger finanziere die Maßnahme vor – man hoffe aber, dass die Eltern die Tests bezahlten, berichtet Theobald, und kritisiert: „Es ist nicht die Aufgabe der Kita, das zu organisieren – und nicht die Aufgabe der Eltern, es zu bezahlen.“
Doch bezahlen, genau das will niemand. Im Mainzer Bildungsministerium heißt es, für Kitas seien die Kommunen zuständig, die Organisation der Tests Aufgabe der Träger – Träger und Kommunen wiederum winken wegen der hohen Ausgaben ab und berufen sich darauf: eine Testpflicht von Seiten des Landes gebe es ja nicht. „Überall wird alles getan, die Pandemie einzudämmen“, doch die Sicherheit der Kleinkinder spiele überhaupt keine Rolle, kritisierte nun der Elternausschuss der Kita „Arche Noah“ in Alsenz im Donnersbergkreis in einem Schreiben – und schickte dies unter anderem an SPD-Landeschef und Innenminister Roger Lewentz (SPD). In Schulen gebe es Tests, jedes Unternehmen müsse sich an 3G halten – doch in den Kitas säßen „viele ungeimpfte Kleinkinder auf oftmals engem Raum und ohne jeglichen Schutz“, heißt es in dem Schreiben weiter, das Mainz& vorliegt.
Die Folge: Durch Corona-Infektionen gebe es zunehmend Kita-Schließungen oder Verkürzungen der Betreuungszeiten, das treffe viele Familien hart. „Eltern müssen dann entweder Verdiensteinbußen hinnehmen oder die Kinder werden zu Wanderpokalen“, kritisiert der Elternausschuss in Alsenz weiter: „Hier muss gehandelt werden und zwar schnell!“ Es sei doch „das Mindeste, dass die Politik den Alltag in Kitas für unsere Kinder und ihre Erzieherinnen sicherer macht“, fordern die Eltern, eine Testpflicht sei „längst überfällig.“
Doch die Mainzer Bildungsministerin Stefane Hubig (SPD) lehnt eine Testpflicht in Kitas weiter kategorisch ab, dabei haben andere Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg sie gerade seit dem 10. Januar eingeführt. Man wappne sich damit für die hochansteckende Omikron-Variante, sagte Baden-Württembergs Kultusministerin Theresa Schopper (Grüne). Auch Brandenburg beschloss vergangene Woche eine Testpflicht in Kitas, in NRW bezahlt das Land immerhin flächendeckend Schnelltests in Kitas – die SPD, dort in der Opposition, forderte gerade energisch: Es müsse „engmaschiger und verbindlicher getestet werden.“
Im Mainzer Bildungsministerium hieß es hingegen am 3. Januar zum Start nach den Weihnachtsferien: Man setze „auf Freiwilligkeit“ – man müsse auch Rücksicht nehmen auf die Kinder, deren Eltern Tests ablehnten. Bei einer Testpflicht würden diese Kinder „vom Angebot der frühkindlichen Bildung ausgeschlossen“, argumentierte das Ministerium. Die Aussage sorgte prompt für einen Empörungssturm in den sozialen Netzwerken: „Da fragt man sich, warum – wieder einmal – diejenigen, die sich verweigern, in Schutz genommen werden“, schimpfte eine Erzieherin: Sie fühle sich „veräppelt, wenn ich verantwortungsvoll handele, während Impfverweigerer fröhlich feiern und Tests verweigern.“ Dass das Ministerium ausgerechnet jene Kinder „im Blick“ hat, deren Eltern Tests ablehnten, „erweckt den starken Anschein, als ob man im Ministerium größtes Verständnis für Corona-Leugner aufbringt“, schimpfte eine Mutter.
Das Argument aus dem Ministerium sei „hanebüchen“, schimpft auch Claudia Theobald. Es gebe deutlich mehr Eltern, die ihre Kinder derzeit zuhause ließen, „weil sie Angst haben, dass Omikron durch die Kita tobt“, berichtet Theobald: Was sei denn mit dem Bildungsanspruch für diese Kinder? Bei ihrem Verband hagele es Reaktionen gefrusteter Eltern und Erzieherinnen, berichtet die Verbandsvorsitzende: „Wenn jetzt die Omikron-Wand kommt – was stellt sich denn die Landesregierung vor, was in den Kitas passiert?“
Schon im Dezember seien mit Delta reihenweise Kinder erkrankt und Erzieherinnen ausgefallen, „Erzieherinnen waren die mit am häufigsten betroffene Berufsgruppe in den ersten Wellen“, betont Theobald. Zwar sei die Quote der Geimpften hoch, Impfung und Booster schützten auch durchaus, „aber nicht vor der Erkrankung an sich“, sagt Theobald: „Die Leute bekommen durchaus noch Fieber und fallen dann ein bis zwei Wochen aus.“
Auch Kitas und Schulen gehörten zur sogenannten „kritischen Infrastruktur“, betonte nun CDU-Fraktionschef Christian Baldauf: Unterricht und Betreuung seien „systemrelevant“, Bildungs- und Betreuungseinrichtungen müssten endlich auch als solche behandelt werden. „Wir brauchen in Rheinland-Pfalz endlich eine engmaschige, verbindliche Teststrategie“, forderte Baldauf Ende vergangener Woche. Alle ungeimpften Schüler sollten sich drei Mal pro Woche testen, auch bei geimpften Schülern müssten die anlasslosen Tests zur Pflicht werden. In Kitas müsse es dazu „regelmäßige PCR-Lollitests geben, um Kinder und Beschäftigte der Einrichtung bestmöglich zu schützen“, forderte Baldauf.
Auch die Freien Wähler (FW) im Landtag fordern flächendeckend einheitliche Tests an den Kitas, nach dem Vorbild des Saarlandes: Dort habe man gute Erfahrungen mit regelmäßigen Lollitests für Kinder ab drei Jahren gemacht, sagte FW-Gesundheitsexperte Helge Schwab: „Warum sollte das Modell nicht auch in Rheinland-Pfalz anwendbar sein?“ Wenn in Grundschulen Tests „als Mittel zur Pandemiebekämpfung gelten, warum dann nicht auch in Kitas“, fragt Schwab – Bund und Land seien hier in der Bringschuld, die Tests zu finanzieren. In Mainz machte man bereits im Frühjahr 2021 gute Erfahrungen mit einem Modellprojekt zu Lollitests in Kitas – fortgesetzt wurde es nicht, weil Stadt und Land keine gemeinsame Finanzierungsvereinbarung fanden.
Dabei ergab gerade eine Studie der Universität Würzburg: Corona-Tests in Kitas können Infektionen frühzeitig erkennen und die Ausbreitung des Coronavirus effektiv verhindern. Und so wächst bei Eltern und Erzieherinnen der Unmut, immer lauter werden die Forderungen, endlich auch in Kitas flächendeckend auf das Virus zu testen – auch im benachbarten Frankfurt: „Angesichts der sich auftürmenden Omikron-Welle fordere man die Stadt Frankfurt am Main sowie die einzelnen Kita-Träger „dringend dazu auf, endlich ihrer Verantwortung für den Infektionsschutz auch gegenüber den Jüngsten nachzukommen, und ein flächendeckendes Testkonzept umzusetzen“, schreibt nun die Initiative ‚Frankfurter Eltern für Kita-Tests‘.
Eine jüngst erzielte Einigung auf zwei bis drei kostenlosen Antigen-Schnelltests pro Kind und Woche sei zwar „ein erster guter Schritt“, eigentlich brauche es aber „für alle Kitas aussagekräftigere Testungen in Form von Lolli-PCR-Pool-Tests – so wie vom Robert-Koch-Institut (RKI) empfohlen“, heißt es von Seiten der Eltern weiter. Kinder unter fünf Jahren könnten sich nun einmal weder durch Impfungen noch das Einhalten der AHA-Regeln schützen, schreibt die Elterninitiative weiter: „Eine einheitliche Testung würde auch das Risiko einer Ansteckung von vulnerablen Kontakten der Kita-Kinder wie z. B. Großeltern und anderen Personen aus Risikogruppen minimieren.“
Tatsächlich mehren sich die Berichte von Eltern, die über ihre Kinder mit dem Coronavirus infiziert wurden, und dann zum Teil selbst schwer erkranken – oder bei denen die Großeltern durch die Enkel infiziert wurden, genau das Szenario, das bislang gerade vermieden werden sollte. Und noch immer ist unklar, inwiefern die neue Omikron-Variante tatsächlich leichter verläuft als die bisherigen Corona-Mutanten. Völlig harmlos ist Omikron jedenfalls nicht: Auch am Dienstag meldete das RKI erneut 322 Todesfälle in Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung.
Und Omikron trifft auch die Kleinsten nun schwer: Hieß es bislang von Kindermedizinern, es würden kaum Kinder wegen Corona in Kliniken eingeliefert, meldet das Robert-Koch-Institut (RKI) nun andere Zahlen. Laut RKI mussten bereits in den wenigen Wochen seit dem Start der Omikron-Welle 12 Kinder zwischen 0 und 4 Jahren wegen Omikron im Krankenhaus behandelt werden, weitere 9 Kinder waren es in der Altersgruppe 5-14 Jahre. Das sind bereits 21 Kinder in nur zwei Wochen – zum Vergleich: Wegen Masern, gegen die es eine Impfpflicht in Deutschland gibt, mussten im ganzen Jahr 2020 fünf Kinder bis 14 Jahre in Krankenhäusern behandelt werden.
„Eine Durchseuchung mit der Omikron-Variante wäre für die Kinder, aber auch für die Erwachsenen in keiner Weise verantwortbar“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vergangene Woche im Heutejournal. Doch eine „Durchseuchung“ sei doch genau das, was gerade in den Kitas stattfinde, die ohne Tests, meist auch ohne Masken und ohne Luftfilter auskommen müssten, kritisieren Erzieherinnen. Infizierte Kinder infizierten dann wiederum Geschwister und Eltern schreibt eine erboste Mutter: „Die Folge waren dann insgesamt drei Wochen Quarantäne für Familienmitglieder, von den Erkrankungssymptomen und Einschränkungen auf körperlich-gesundheitlicher Ebene ganz zu Schweigen.“
Info& auf Mainz&: Mehr zur Würzburger Kita-Test-Studie lest Ihr hier bei Mainz&, einen ausführlichen Bericht über das Modellprojekt Lollitests in Mainzer Kitas könnt Ihr hier bei Mainz& noch einmal nachlesen.