Braucht Mainz einen Helmut-Kohl-Platz oder eine Helmut-Kohl-Straße? Unmittelbar nach dem Tod des Altkanzlers hatte die Diskussion darüber begonnen, die Junge Union wollte gleich die gesamte Saarstraße nach Helmut Kohl benennen – vom Europakreisel bis zum Rhein. Ganz so groß soll es nun nicht werden, doch tatsächlich soll künftig ein Platz an den früheren CDU-Bundeskanzler erinnern, der auch Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz war: Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) und der Ältestenrat der Stadt Mainz schlugen nun vor, einen Teil des Ernst-Ludwig-Platzes nach dem Kanzler der Einheit zu benennen. Es soll um den Teil des Platzes gehen, der direkt ans Römisch-Germanische Zentralmuseum im Mainzer Schloss angrenzt und bis zur Großen Bleiche reicht, die natürlich weiter so heißen wird. Die Reaktionen kamen prompt – weitgehend ablehnende. Und eine kuriose Folge hätte die Umbenennung auch….
Am 29. November 2017 soll dem Stadtrat eine Beschlussvorlage vorgelegt werden, in dem die Umbenennung eines Teils des Ernst-Ludwig-Platzes zu Ehren Helmut Kohls vorgeschlagen wird, teilte die Stadt Mainz am Mittwoch mit. Vorteil der Auswahl: An dem Platz gibt es praktisch keine Anwohner, die Adressen und Ausweise ändern müssten, trotzdem würde ein zentraler Platz in der Innenstadt nach dem Altkanzler benannt. Passend auch: Der Platz liegt unmittelbar neben Landtag und Staatskanzlei, zwei Gebäude, in denen Helmut Kohl lange wirkte: 1959 wurde der CDU-Politiker aus Ludwigshafen-Oggersheim erstmals in den Mainzer Landtag gewählt, als jüngster Abgeordneter damals. 1963 wurde er hier CDU-Fraktionschef, am 19. Mai 1969 löste er Peter Altmaier als Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz ab.
Bis zu seiner Wahl in den Deutschen Bundestag im Jahr 1976 wirkte Kohl im Deutschhaus und in der Mainzer Staatskanzlei, direkt gegenüber würde nun künftig der Platz an ihn erinnern. “Kohl war Ehrenbürger Europas, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland und Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, er war ein herausragender Staatsmann und überzeugter Europäer”, sagte Oberbürgermeister Ebling. Deshalb sei es für die Landeshauptstadt Mainz “selbstverständlich, dass wir ihm zu Ehren im Zentrum der Mainzer Innenstadt mit dem Helmut-Kohl-Platz ein würdiges Andenken setzen.”
Kohl war am 16. Juni 2017 in seinem Haus in Oggersheim gestorben, begraben liegt er in Speyer. Die rheinland-pfälzische CDU benannte ihm zu Ehren ihre Landesgeschäftsstelle in der Rheinallee um. Die Namensänderung muss vom Stadtrat beschlossen werden, das soll nun am 27. November geschehen. Die Reaktionen der Mainzer fielen verhalten aus: “Braucht man nicht”, fand eine Mainz&-Leserin, “Warum in Mainz?” fragte ein anderer empört und schrieb, ob denn die Bürger nicht mehr gefragt würden, wenn es darum gehe, wie Straßen und Plätze in seinem direkten Umfeld benannt würden?
Tatsächlich sind Straßenbenennungen das vornehmste Recht der Ortsbeiräte und des Stadtrats. Man könne doch eine Straße im Neubaugebiet am Zollhafen nach Kohl benenne, schlug ein weiterer Mainz&-Leser ganz praktisch vor. Und eine andere Leserin schrieb ziemlich traurig: “… und der Ernst Ludwig ist jetzt nichts mehr wert?” Ernst Ludwig, das war einst Großherzog Ernst Ludwig von Hessen und bei Rhein, der von 1892 bis 1918 der letzte Großherzog von Hessen-Darmstadt war. Er verhalf der Hessischen Ludwigsbahn zum Start, deren erste Strecke 1853 von Mainz nach Oppenheim führte, und gründete die Künstlerkolonie Mathildenhöhe in Darmstadt. Der Großherzog bliebe übrigens in jedem Fall dem Platze erhalten: Der Bereich um den Brunnen vor dem Abgeordnetenhaus würde weiter nach ihm benannt bleiben.
Die Linke spottete deshalb auch, die Stadt mache es sich einfach: Man wolle offenbar Kohl würdigen, “aber nicht zu viel Aufwand betreiben”, sagte Linksfraktionschef Jasper Proske. Die Linke sehe im Übrigen Kohls Lebenswerk deutlich kritischer, daher lehne man “eine unkritische Würdigung in dieser Form ab.” Allerdings sei man offen für einen Kompromiss: “Wir würden eine Umbenennung der Hindenburgstraße in Helmut-Kohl-Straße mit Freuden unterstützen”, sagte Proske. Der frühere Reichspräsident Paul von Hindenburg gelte als “Steigbügelhalter Hitlers”, da er den Nationalsozialisten 1933 zum Reichskanzler machte – der Beginn der Nazi-Zeit. Da sei, bei aller Kritik, “der ehemalige Bundeskanzler in jeder Hinsicht besser”, fügte Proske hinzu.
Die Einschätzung allerdings, dass am Ernst-Ludwig-Platz niemand wohnt, müssen wir ein wenig korrigieren – aufmerksam gemacht wurden wir durch einen Tweet der Freunde des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in Mainz, das seinen Sitz ja noch im Kurfürstlichen Schloss und den Nebengebäuden hat. Mit der Umbenennung “würden Verlag und Bibliothek am Ernst-Ludwig-Platz bleiben und der größte Teil vom Rest wechseln”, schrieben die uns. Da würde doch allen Ernstes Helmut Kohl posthum die Adresse der Museumseinrichtungen spalten… “Hihi, von wegen Einheitskanzler”, bekamen wir prompt als Antwort. Wir sind gespannt, wie das ausgeht…