„Wir freuen uns, dass einige Mitglieder heute sichtbar geworden sind“, sagte Karl-Heinz Kues, Hausherr des Museum Castellums. Das war wahrlich nicht selbstverständlich, beherbergte Kues doch an diesem Februarabend die Unsichtbare Römergarde. Die wiederum hatte zum Ordensempfang geladen – und die Abgeordneten der Garden strömten nur so herbei. Gefeiert wurde im neuen Feldlager in der Reduit in Mainz-Kastel, und zu Feiern gab es auch so einiges: Nach 11 Jahren gab der Präfect der Unsichtbaren Römergarde, Christian Vahl, den Feldherrenstab an Kathrin Dohle weiter.

„Im Jahr 300 nach Christus wurde ein Medaillon geschaffen, es ist die älteste Darstellung von Mainz und Kastel“, sagte Christian Vahl, bis zu diesem Zeitpunkt noch Präsident der Unsichtbaren Römergarde: „Als hätten sie damals gewusst, dass heute die Unsichtbare Römergarde über die Brücke von Mainz nach Kastel ziehen würde.“ Genau das geschah am Dienstagabend, knapp zwei Wochen vor dem Höhepunkt der Mainzer Fastnacht, dem Rosenmontag: Heimlich und unbemerkt zogen Tausende römischer Gardisten von Mainz über die Brücke zum alten römischen Brückenkopf rechts des Rheins – die Unsichtbare Römergarde wechselte ihr Feldlager.
Das war bislang immer im Isistempel, dem alten Heiligtum in der Mainzer Innenstadt im Untergeschoss der Römerpassage gewesen, doch nun wurde das zu klein. Die logische Wahl bei der Suche nach einem neuen Feldlager fiel auf die Reduit, das alte römische Bollwerk gegen die Germanen, errichtet zwischen 12 und 9 vor Christus unter dem römischen Feldherrn Drusus. Das „Castellum Mattiacorum“ lag im Gebiet der Mattiaker und sollte vor allem den Rheinübergang mittels einer Schiffsbrücke sichern.
Erinnerung an „Utschebebbes“: Soldaten aus Schwarzafrika in Mainz
Bis heute gehört die Reduit rechts des Rheins der Stadt Mainz, auch wenn das Gebiet von Mainz-Kastel 1945 per Federstrich von den amerikanischen Besatzern nach dem Zweiten Weltkrieg der Stadt Wiesbaden zugewiesen wurde. Wer über die Brücke nach Kastel fährt, verlässt deshalb Mainz, doch im herzen ist hier bis heute Mainzer Gebiet. „Wir sind, wenn wir Mainz verlassen, überall Utschebebbes“, sagte Vahl denn auch – das rheinhessische „Utschebebbes“ könnte heute wohl als „Auswärtige, Fremde“ übersetzt werden, auch wenn sein Ursprung ein anderer war.

Als „Utschebebbes“ wurden nach dem Zweiten Weltkrieg französische Besatzungssoldaten bezeichnet, die aus dem Senegal, Marokko und Algerien kamen – und Schwarze waren. Diesen Schwarzafrikanern schwappte eine Welle hasserfüllten Rassismus entgegen, sie wurden als „Gorillas“ und „Vergewaltiger“ pauschal diffamiert. Doch den Frauen in Mainz und Rheinhessen gefielen die jungen Männer offenbar auch: Zwischen 500 und 800 „schwarze“ Kinder entstanden damals aus Liebesbeziehungen zwischen den dunkelhäutigen Soldaten und den rheinhessischen Mädels.
„Die Mainzer kamen teilweise sehr gut mit ihren ‚Utschebebbes‘ aus“, weiß Vahl zu berichten: „Deren Nachfahren gehören zu Mainz wie die Fastnacht – und sind eigentlich nur zu erkennen, wenn sie selbst stolz darauf hinweisen.“ Und hinweisen auf diese Geschichte, darauf wollte auch die Unsichtbare Römergarde mit ihrem diesjährigen Orden und dem dazugehörigen Motto: „Ob Meenzer oder Utschebebbes, Fastnacht ist für jeden ebbes.“ Die Fastnacht, betonte Vahl beim Ordensempfang „ist eines der Mittel, das uns alle vereint.“
URG: Leidenschaft für Römisches Erbe und Fastnacht
Und das war an dem Abend wörtlich zu nehmen: Vertreter von zwei Dutzend Mainzer Garden und Fastnachtsvereinen drängten sich in den gemütlichen Gewölberäumen, die freundlicherweise die Nachbarn von der Jocusgarde zur Verfügung gestellt hatten – das Museum Castellum wäre viel zu klein gewesen. Dabei ist das Museum des Kasteler Gesellschaft für Heimatgeschichte alles andere als klein, im Gegenteil: In einem halben Dutzend Räumen und Gängen wird die Geschichte von Mainz-Kastel bis zu seiner Zerstörung im zweiten Weltkrieg vor 80 Jahren nachgezeichnet.

Besonders großen Raum, nimmt dabei die römische Geschichte ein, hier sind zahlreiche Exponate von römischen Ziegeln über Reste von Fußbodenheizungen, Büsten, Grabsteine römische Ehrenzeichen und sogar ein Streitwagen-Nachbau zu sehen, alles liebevoll präsentiert und wissenschaftliche aufbereitet. „Die Gesellschaft für Heimatgeschichte ist stolz darauf, dass die Unsichtbare Römergarde das Museum Castellum zum Feldlager ausgewählt hat“, betonte Hausherr Karl-Heinz Kues denn auch. Die Exponate im Museum schlügen eine passende Verbindung zum römischen Mainz.
„Toll, dass das Feldlager hier ist, von Kastel aus hat man den besten Blick auf das Römische Mainz“, fand auch Torsten Kirchmann, Sprecher der Unsichtbaren Römergarde (URG) und Präsident des Presseclub Mainz. Vor elf Jahren wurde die URG gegründet, in närrischer Tradition, aber als loser Zusammenschluss von Personen „mit den gemeinsamen Leidenschaften römisches Erbe und Fassenacht“, wie Kirchmann erklärte: Die Garde sei „eigenständig und unabhängig, aber eng vernetzt in Mainz – beiderseits des Rheins. Sie ist gesellig, unkonventionell organisiert und spontan.“
„Das Feuer des römischen Erbes weitergeben“
Ihr wichtigster Auftrag: Der Schutz des römischen Erbe von Mainz. „In römischen Zeiten beschützte die Garde immer das Haus, in dem der Caesar gerade weilte“, erklärte Kirchmann. Die Unsichtbare Römergarde kümmere sich denn auch um alles Römische in Mainz: Das Isis Heiligtum, die Römerschiffe, das Bühnentheater, das Orpheus Mosaik, die Staue der Göttin Salus „und alles das, was noch gefunden wird.“ Ziel sei dabei immer, die Herkunft für die Zukunft sichtbar und erlebbar zu machen, die Unsichtbare Römergarde „will nicht die Asche der Vergangenheit verwalten, sondern das Feuer des römischen Erbes an die nächsten Generationen weitergeben.“

In diesem Geist habe denn auch im vergangenen Jahr „eine Spezialeinheit im wahrsten Sinne Schlagzeilen gemacht: Die ‚Speculatores‘, die Kundschafter unsichtbaren Römergarde, entdecken zuverlässig römisches Erbe, auch auf abgelegenen Baustellen und machen es öffentlich“, erinnerte Kirchmann daran, wie Mitglieder der Garde römische Mauerreste in der TRON-Baugrube in der Mainzer Oberstadt öffentlich machten – und so die Generaldirektor Kulturelles Erbe zu Transparenz bei den Sensationsfunden der römischen Lagervorstadt zwangen und eine Debatte über den Umgang mit dem Römischen Erbe auslösten.
„Das römische Erbe ist ein Schatz für die Mainzerinnen und Mainzer auf beiden Seiten des Rheins, und das meine ich nicht nur ideell“, betonte Kirchmann: „Es ist auch eine Chance für Mainz, die eigene Zukunft zu gestalten. Wir können mit Ideen und Taten Mainz zu einem europäischen Zentrum des römischen Erbes nördlich der Alpen machen.“ Und genau für diese Idee stehe und werbe die Unsichtbare Römergarde. Tatsächlich heißt es in deren Mottolied: „Wir sind oben, wir sind unten, wir sind rechts und wir sind links – wir sind mitten in Euch drin.“
Übergabe des Präfektenstabes der URG an Kathrin Dohle
Die URG sei schlicht überall, heißt es, das Lied dazu wurde natürlich vom „Trio Aeterna“ live zu Gehör gebracht. Dessen Frontsängerin Kathrin Dohle war bislang schon die Sitzungspräsidentin der Unsichtbaren Römergarde, etwa bei der Närrischen Nachtvorlesung oder den Saturnalien im Herbst, nun übernahm Dohle gleich ganz den Feldherrenstab der Garde: Nach 11 Jahren gab Vahl die Leitung der URG an Dohle ab. Der machte seine Abschiedsworte kurz: „Es war eine tolle Zeit mit Euch allen – Helau“, verabschiedete er sich.

„Ich hoffe, ich werde in den kommenden Jahren auch nur annähernd in Deine Fußstapfen passen“, dankte die neue Präfecta – und ernannte Vahl umgehend zum Ehrenpräsidenten. Geehrt wurde er für seine Verdienste mit den gerade erst sichtbar geworden und gefundenen Insignien der ersten Römergarde. „Es gibt seit heute hier auf Erden, zum ersten Mal in dieser Zunft, einen Bund, der allen Euch was nützt, vor Obrigkeiten Euch beschützt, Traditionen stets bewahrt“, reimte Dohle: „Denn dazu bieten wir Geleit: gezeichnet von und mit Kokade: die Unsichtbare Römergarde. Zu nennen Ort und Zeit wär schlau: Mogontiacum im Jahre MCV.“
MCV – das bezieht sich nicht nur zufällig auf den Mainzer Carneval Verein, der bei der Gründung der Unsichtbaren Römergarde als eine Art Schutzherr fungierte. MCV, das sind aber auch die lateinischen Zahlen für das Jahr 1105 nach Christus – das offizielle Gründungsdatum der Unsichtbaren Römergarde… „Moguntiacum war ein Schmelztiegel für Menschen des römischen Reiches, es war multikulturell, multireligiös und lebensfroh“, stellte Kirchmann klar: „Frisi, Cherusker, Chatten oder Alemannen fühlen sich bis heute hier in kürzester Zeit heimisch und verfallen dem närrischen Treiben.“
Humor als wichtigste Waffe: Es marschiert unsichtbar die Römergarde
Die wichtigste Waffe dabei sei Humor gepaart mit guter Laune – und so erheiterte denn auch Gerd Emrich als Gastredner mit seinen „Sieben Prüfungen der Narretei“ die Gäste, die sich außerdem von Kinderprinzessin Luise I. verzaubern ließen – eine hohe Ehre für die Unsichtbare Römergarde. Da tanzten sichtbare wie unsichtbare Gäste zu „Ich hab‘ en Krönche“ und „Ich möchte Tanzen“, und der Saal grüßte mit dreifach donnerndem „Ave-Helau“, bevor es zu Buffet und gemütlichem Ausklang ging.
Kathrin Dohle könnt Ihr im Übrigen am kommenden Freitag als Sängerin in der Fernsehsitzung bei „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“ erleben. Und wenn am 3. März der große Rosenmontagszug durch Mainz rollt, dann solltet Ihr die Augen offenhalten nach den Lücken zwischen den Wagen und Gruppen: Dort, so heißt es nämlich in Mainz, sind gar keine Lücken – es marschiert dort die Unsichtbare Römergarde.
Info& auf Mainz&: Mehr zur Unsichtbaren Römergarde könnt Ihr auch noch einmal hier bei Mainz& nachlesen. Die Geschichte der „Utschebebbes“ und des Mainzer Befreiungsdenkmals 1930 haben wir Euch hier auf Mainz& erzählt. Und natürlich haben wir eine kleine Fotogalerie für Euch!