Den regelmäßigen Probealarm kennen die meisten ja noch, doch dieses Jahr ist alles anders: Bundesweit werden kommende Woche, am 10. September pünktlich um 11.00 Uhr Sirenen heulen, Warnapps piepsen und Warnmeldungen in Rundfunk und Fernsehen aufpoppen. Zum ersten Mal veranstaltet Deutschland einen großangelegten Warntag – es ist auch nötig: Immer weniger Menschen wissen mit Sirenentönen etwas anzufangen – und in Mainz gibt es immer weniger Sirenen. Das soll sich wieder ändern.
Der regelmäßige Probealarm war in früheren Jahren Standard, doch das hat sich geändert: „Wenn wir heute in der Bevölkerung nach der Bedeutung der Sirenensignale fragen würden, sähe das anders aus“, sagte der stellvertretende Leiter der Mainzer Feuerwehr, Björn Patzke, am Freitag in Mainz: Viele Menschen würden die Bedeutung der Sirenensignale gar nicht mehr kennen.
Dazu kommt: In den vergangenen Jahrzehnten wurden Warnsirenen immer weiter abgebaut. In der Landeshauptstadt Mainz etwa gibt es heute von einstmals 112 Sirenen im Stadtgebiet nur noch 55. Ganze Stadtviertel sind heute „weiße Flecken“ auf der Warnkarte, sie werden von den Sirenensignalen gar nicht mehr erreicht. „Man glaubte vor etwa zweieinhalb Jahrzehnten, man bräuchte dieses Warnsystem nicht mehr“, erklärte Innenminister Lewentz: „Der Rückbau von Sirenen war aus unserer heutigen Sicht aber ein kolossaler Fehler.“
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Sirenenalarm vor allem mit Krieg verbunden, in der Zeit des Kalten Krieges fanden regelmäßig Sirenen-Probealarme statt – man wollte vor einem Angriff russischer Truppen gerüstet sein. Heute aber müsse auch vor Gefahren wie Unwetter oder Überflutungen, Brände, größere chemische Unfälle oder andere Schadstoffaustritte gewarnt werden können, betonte der Innenminister: „Heute können wir zwar über Smartphone-Apps informieren, wir müssen aber im Notfall auch akustisch sehr deutlich klarmachen können: hier ist etwas passiert.“
2016 startete die Bundesregierung die bundesweite Smartphone-App „Katwarn“, die kleine App sollte ursprünglich vor allem vor Naturkatastrophen oder auch Atom-Gaus warnen, wurde schnell aber auch bei Terrorlagen wie etwa dem Amoklauf in München eingesetzt. Das neue Warnsystem arbeitete allerdings nicht immer ganz zuverlässig, dazu setzen viele Städte und Landkreise seit 2016 auf die Warnapp Nina – auch weil sie billiger ist. Smartphone-Nutzer müssen deshalb im Prinzip zwei Warnapps auf dem Handy haben, um für alle Notfälle gerüstet zu sein. Lewentz betonte derweil am Freitag auf Mainz&-Anfrage, beide Systeme hätten sich bewährt und funktionierten gut miteinander, eine Konkurrenz gebe es (nicht) mehr.
Technische Grundlage von Nina ist das Modulare Warnsystem (Mowas) des Bundes, das vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe betrieben wird. Mowas ist nun auch die technische Basis für den bundesweiten Warntag am 10. September: Pünktlich um 11.00 Uhr wird dabei ein zentrales Warnsignal ausgelöst, bundesweit werden dann Sirenen gestartet und Warnungen herausgegeben – etwa auch auf elektronischen Werbetafeln. 20 Minuten später werden die Sirenen dann mit einem gleichbleibenden, einminütigen Dauerton Entwarnung geben und das Ende der Aktion anzeigen.
„Wir wollen die bestehenden Warnmittel bekannter gemacht, den Mix der verschiedenen Systeme erproben und so viele Menschen wie möglich erreichen“, sagte Lewentz. Das neue mehrstufige Warnsystem sieht nun im Großgefahrenfall erst eine Sirenenwarnung vor, danach sollen die Menschen Radios oder Fernsehen einschalten und auf ihren Smartphones nachsehen, welche Gefahrenlage konkret vorliegt. Der große Vorteil der Apps sei eben auch: „Wir können dort auch direkt Handlungsanweisungen geben“, sagte Lewentz.
So werden die Warnapps auch benutzt, um beim Ausfall der Trinkwasserversorgung oder des Stromnetzes zu informieren, vor Amokläufen zu warnen – und neuerdings auch bei Krankheitserregern wie dem Coronavirus. So habe etwa über regionale Fieberambulanzen via Warnapp informiert werden können, sagte Lewentz. Die Sirenanlagen würden aber zur schnellen Information einer breiten Bevölkerung weiter gebraucht: „Wir brauchen sie flächendeckend“, betonte Lewentz, wo Lücken seien, würden deshalb nun Sirenenanlagen wieder errichtet.
Die neuen Sirenenalagen sind dabei übrigens deutlich leistungsfähiger und lauter, sie sehen nicht mehr aus wie Sirenenschüsseln, sondern eher wie große Lautsprecheranlagen, berichteten Vertreter der Mainzer Feuerwehr. So sollen künftig mit weniger Sirenen größere Gebiete beschallt werden können. „Wir wollen die weißen Flecken in Mainz wieder schließen“, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), eine Sirene gehe eben „auch an, wenn der Akku vom Handy mal leer ist.“
Es lohne sich deshalb, die Sirenensignale zu lernen und richtig einzuordnen zu können, und zu wissen, wie man sich dann verhalten solle. „Das erinnert daran, dass das Leben nicht nur unbeschwert ist“, sagte Ebling, „es ist wichtig, dass wir uns für solche Zeiten richtig rüsten.“ Nur wer wisse, wie er sich in einem möglichen Gefahrenfall verhalten solle, könne dazu beitragen, sich und andere zu schützen.
Die Mainzer Feuerwehr wird deshalb auch am Warntag ab 10.00 Uhr auf dem Gutenbergplatz mit einem Informationsstand präsent sein und bis 14.00 Uhr über die vorhandenen Warnmittel sowie die unterschiedlichen Sirenensignale und deren Bedeutung informieren. Den bundesweiten Warntag soll es künftig jedes Jahr geben, dann seien auch Probeläufe mit konkreten Szenarien denkbar, sagte Lewentz.
Info& auf Mainz&: Der bundesweite Warntag2020 findet am Donnerstag, den 10. September um Punkt 11.00 Uhr statt, dann werden Sirenen heulen, Warnapps piepsen und Probewarnmeldungen über Rundfunk, Fernsehen und Internet verbreitet. Ausführliche Informationen zu dem Warntag findet Ihr auch hier im Internet beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz. Die Warnapps Katwarn und Nina kann man sich kostenlos im jeweiligen Appstore herunterladen, unbedingt machen!
Tipp&: Wie verhalte ich mich richtig, wenn eine Warnung eingeht?
● Sofort Türen und Fenster schließen
● Aufenthalt im Freien vermeiden
● Radio einschalten und auf Durchsagen achten
● Verhaltenshinweise in Warn-Apps beachten
● Nachbarn verständigen
● Lüftungs- und Klimaanlagen ausschalten