Im Wein liegt Wahrheit, sagt ein altes Sprichwort, und dass Philosophieren und Wein quasi eine Einheit sind, ist schon lange gesicherte Erkenntnis. Umso erstaunlicher, dass Mainz, Weinhauptstadt von Deutschland, bis heute keine musikalischen Weinphilosophen hatte – doch das hat sich nun geändert: Im Mainzer Unterhaus hatten Ende Oktober die Weinstein-Philosophen Premiere. Es wurde ein höchst unterhaltsames „Weinschmunzeln 1.0“ – und das könnt Ihr am kommenden Samstag noch einmal erleben.

„Aach Woi zu trinke, is e Kunst“, klärt der Mann am Klavier auf, es ist ein alter Klassiker, der dort auf der Bühne erklingt: Das Gedicht vom „Mainzer Schoppestecher“ wurde einst vom legendären Mainzer „Bohnebeitel“ Adolf Gottron geschrieben, nun setzt es den Tenor für einen höchst unterhaltsamen Abend im Mainzer Unterhaus. Michael Geyer ist der Mann am Klavier, Markenzeichen: der Hut. Der studierte Pianist ist für die satten Töne und flinken Läufe zuständig, er ist das musikalische Mastermind hinter den Weinstein-Philosophen.
Da weht dann mal eben der „Babbel-Blues“ von Herbert Bonewitz durchs Unterhaus, wird der Rhoi-Woi-Blues zelebriert oder das Unterhaus mit fetzigen Rhythmen zum mitswingen und Klatschen gebracht. Für „Gesang, Texte und Dummgebabbel“ ist der kongeniale Partner Stefan Paschold zuständig, er präsentiert liebevoll-nostalgische Gedichte in Meenzer Mundart oder schmettert Hymnen an Wein und Mainz. Gemeinsam standen die zwei Herren einst bei den Finther Schoppesängern auf der Bühne, dann verlor man sich aus den Augen, bis man sich vor zwei Jahren wiederfand – und die Idee der Weinstein-Philosophen entwickelte.
Skurriles, Nachdenkliches, Stellung Beziehen: Was keiner wagt
Die Lieder changieren zwischen altem Mainzer Wein-Liedgut und modernen Umdichtungen bis hin zu Skurrilem von „Der Wein von Mykonos“ – das Publikum schmunzelt und lacht. Dazwischen aber gibt es auch Ernstes und Politisches, wie die Persiflage „All das mag ich“, in der ein gewisser Donald Trump erklärt, was er denn alles so mag: Grönland, Putin, Golf und unbegrenzte Macht… Stellung beziehen, Widerspruch einlegen, auch dafür stehen die Weinstein-Philosophen, ganz in der Tradition von Liedermachern wie Konstantin Wecker.

Und so wird auch bei den Weinstein-Philosophen Lothar Zenettis „Was kleiner wagt, das sollt Ihr wagen. Was keiner sagt, das sagt heraus! Was keiner denkt, das wagt zu denken“ zum Gänsehaut-Moment – ein tiefes und so notwendiges Bekenntnis dazu, auch einmal gegen den Strom zu schwimmen und schlicht Nein zu sagen, wenn Menschlichkeit und Anstand auf der Strecke bleiben. Überhaupt, das Bekenntnis zu Demokratie und Freiheit und gegen braune Umtriebe und faschistische Neubestrebungen ist den Weinstein-Philosophen ein dringendes Anliegen – im Wein liegen eben auch bittere Wahrheiten.
Und so singen sie, „mein Sohn sei wachsam, die Freiheit ist bedroht, Nie wieder ist heut'“, und warnen, Faschisten und Rassisten hätten schon einmal dieses Land in den Abgrund geführt. „Darum sing ich dieses Lied, Dass der letzte Nazi sieht,/ Dass wir stehen stolz und gut, gegen diese braune Brut – Populisten, Demagogen, die brauchen wir hier niemals mehr!“ Das Unterhaus-Publikum dankt mit donnerndem Applaus und stehenden Ovationen.
Reblaus, Wein-Schicksale – und ein eigener Philosophenwein
Der Kern des Abends ist aber Heiter-Vergnügliches und Weinsinniges, wie: „Ich muss im früheren Leben mal ein Reblaus gewesen sein, Sonst wär die Sehnsucht nicht so groß nach ’nem guten Wein“, dichtet Paschold, und bittet schließlich: „Wenn ich heute gehen müsste, Wüsste ich, dass Ihr noch einen entkorkt, Bettet mich nur links des Rheins, Schenkt mir noch mal ein – Genießt, was Euch gegeben!“

Dazwischen schieben sich auch mal Kaulquappen-Socken und EinzelschicksAale, und das haben wir jetzt keineswegs falsch geschrieben. Mehr als zwei Stunden lang dauert der launige Streifzug durch die Weinphilosophie, die in der Erkenntnis mündet: Oh ja, man muss auch mal WEIN sagen können – woran sich unmittelbar die Frage anschließt: Warum eigentlich ist mein Glas schon wieder leer?
Prompt schallt es von der Bühne: „Schenk mir noch emol e Woi ein“, und der Zuschauer denkt, ein Nachschlag komme jetzt gerade Recht. Zumal die beiden Akteure seit Neuestem auch ein eigenen Philosophen-Wein kredenzen: Einen milden Riesling Classic, entstanden in Zusammenarbeit mit dem Weingut der Stadt Mainz kann für 9,- Euro erworben werden, oder auch im Set mit der ersten eigenen CD, die den Titel trägt: „Man muss auch mal Wein sagen können.“

Auftritt im Weingut Domdechant Werner in Hochheim am 15.11.
Die Weinstein-Philosophen rocken derweil unbekümmert „Wir sind immer noch nicht berühmt“, und man fragt sich unwillkürlich: Wieso eigentlich nicht? Denn eines ist doch klar: Eine Weinhauptstadt wie Mainz braucht Weinphilosophen – und vor allem auch ein musikalisches Wein-Kabarett. Denn beim holden Rebensaft lässt es sich wunderbar Dichten und Denken, und eben auch musikalisch Genießen.
Wer die Weinstein-Philosophen verpasst hat, kann das nachholen: Am 15. November 2025 sind sie im wunderbaren Weingut Domdechant Werner in Hochheim in der Zehntscheune zu Gast, das Weingut gehörte einst einem Domdechant vom Hohen Dom zu Mainz, von dort hat man den besten Ausblick über den Rhein nach Mainz. Los geht’s um 19.30 Uhr, Tickets zum preis von 24,- Euro gibt’s hier im Internet.
Info& auf Mainz&: Mehr zu den Weinstein-Philosophen und ihrem Weinschmunzeln findet Ihr ganz ausführlich hier im Internet.






