Die Spannung am Donnerstag war groß: Welche Fundstücke verbergen sich in der Zeitkapsel des Grundsteins der Mainzer Rheingoldhalle? Der Grundstein war bei den bei Bauarbeiten für die neue Rheinterrasse im Außenbereich der frisch sanierten Rheingoldhalle im vergangenen Jahr entdeckt worden, nun wurde er geöffnet, sein Inhalt unter die Lupe genommen. Und der war deutlich spannender als erwartet: Der Grundstein selbst entpuppte sich als höchst historisch, sein Inhalt als wahre Zeitreise ins Jahr 1965 – alte Baupläne inklusive. Nun soll der alte Grundstein samt einem zweiten neuen wieder eingebaut werden.

Sägen für die Öffnung: Bürgermeister Günter Beck (Grüne), Bauleiter Frank Intra und ein Steinmetz bei der Arbeit zur Öffnung der Zeitkapsel der Mainzer Rheingoldhalle.- - Foto: gik
Sägen für die Öffnung: Bürgermeister Günter Beck (Grüne), Bauleiter Frank Intra und ein Steinmetz bei der Arbeit zur Öffnung der Zeitkapsel der Mainzer Rheingoldhalle.- – Foto: gik

„Wir kommen momentan nicht an das Innere“, sagte Bürgermeister Günter Beck (Grüne) nach gut einer halben Stunde Arbeit. Der alte Grundstein der Mainzer Rheingoldhalle machte es den Heutigen nicht leicht: Fest in Plexiglas verschweißt oder verklebt, ruhten die Beigaben beim ersten Bau der Mainzer Rheingoldhalle in ihrer Zeitkapsel. Es war am Donnerstag, als genau diese Zeitkapsel nach exakt 57 Jahren wieder das Licht der Öffentlichkeit erblickte.

Einen großen roten Sandsteinquader, leicht gemustert mit weißen Streifen, hatten die Bauarbeiter der Mainzer Aufbaugesellschaft mbH (MAG) 2022 bei den Bauarbeiten für die neue Rheinterrasse zu Füßen der Rheingoldhalle gefunden. 38 Monate lang war zuvor die große Mainzer Veranstaltungshalle grundlegend saniert worden – zum einen wegen ihres maroden Bauzustands, zum anderen wegen des großen Dachbrandes im Mai 2019.

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Spatenstich 1965, Grundsteinlegung Rheingoldhalle Februar 1966

Im September 1964 beschloss der Stadtrat von Mainz den Bau einer  neuen Stadthalle samt angeschlossenem Touristikhotel – es war die Geburtsstunde der späteren Rheingoldhalle und des daneben liegenden Hiltons. 2,5 Millionen D-Mark betrug damals das Grundkapital, und der verzögerte sich erst einmal: Der Bau einer Tiefgarage musste geklärt werden – man verzichtete wegen Hochwassergefahr -, ebenso die Folgen für das Rheinuferkonzept.

Foto der alten, im Zweiten Weltkrieg zerstörten Mainzer Stadthalle. - Foto: gik
Foto der alten, im Zweiten Weltkrieg zerstörten Mainzer Stadthalle. – Foto: gik

Am 5. Juli 1965 fand dann aber doch der Spatenstich für den Neubau der „Stadthalle“ statt, und am 27. Februar 1966 war es dann so weit: Genau am 21. Jahrestag der Zerstörung von Mainz im Zweiten Weltkrieg wurde am, Rheinufer der Grundstein für die neue Halle gelegt. Wegen ihres inzwischen geplanten vergoldeten Harmonika-Daches trug der Bau inzwischen den Namen „Rheingoldhalle“, der sie schnell bundesweit bekannt machte.

So berichtet es übrigens die neue Chronik der Rheingoldhalle, die unter dem Motto „Schmuckstück mit Strahlkraft“ nun die gesamte Baugeschichte der Halle in einer Broschüre zusammenfasst. Die Geschichte allerdings muss seit Donnerstag schon wieder umgeschrieben werden: Die neuen Funde in der alten Zeitkapsel geben ganz neue Einblicke in die Zeit der Grundsteinlegung.

Grundstein: Alter Pegelstein aus dem 17. Jahrhundert

„Wir hatten den Stein zuerst gar nicht als Grundstein erkannt“, berichtete Frank Intra, Bauleiter der Rheingoldhallen-Sanierung am Donnerstag von dem Fund. Doch dann dämmerte es den Bauherren: Vor ihnen lag der Original-Grundstein, und schon der allein ist außergewöhnlich: Es handelt sich nämlich um einen alten Pegelstein aus rotem Main-Sandstein, der aus der freigelegten Rheinkaimauer des 17. Jahrhunderts stammt und noch Markierungen im rheinischen Fußmaß aufweist.

Arbeiten zum Öffnen des alten Grundsteins der Mainzer Rheingoldhalle. - Foto: gik
Arbeiten zum Öffnen des alten Grundsteins der Mainzer Rheingoldhalle. – Foto: gik

Vor allem aber hatte es der Stein im wahrsten Sinne des Wortes in sich: Am Donnerstag wurde der Klotz bei der Budenheimer Steinmetzfirma Sauer, wo er seit seiner Entdeckung gelagert war, geöffnet. Das geschah zunächst mit Steinsägen, mit denen der Deckel über der Zeitkapsel geöffnet wurde. Dann die Überraschung: Darunter verbarg sich eine Zeitkapsel aus Plexiglas, versehen mit einer ganzen Reihe von Schrauben. „Wir brauchen noch einen Schraubenzieher, einen Schlitz“, sagte Bürgermeister Günter Beck, der sich als erster über den geöffneten Stein beugen durfte.

Das Adressbuch von Mainz von 1965 war das erste, was die neugierigen Zuschauer erblicken konnten, dazu eine rote, längliche Rolle und viel weiteres Papier. „Uns haben die Pläne von der Rheingoldhalle gefehlt, Herr Intra“, rief Beck überrascht aus: „Ich glaube, hier sind sie!“ Eigenhändig machte sich der Bürgermeister dann daran, die Schrauben zu öffnen – doch damit war die Sache mitnichten erledigt: Der Deckel der Plexiglasschachtel blieb unverrückbar auf dem Kubus. „Die hatten damals schon Kleber“, flachste Beck gut gelaunt. Eine Flex war nötig, um das Plexiglas zu öffnen.

Fotos, Adressbuch, Pläne und ein „Zaubriges Mainz“

Dann der große Moment: Als erstes holte Beck tatsächlich die Pläne für die Stadthalle aus der Zeitkapsel. „Die hätten wir super gebraucht“, sagte Beck, und spielte damit auf die Sanierungsarbeiten an – da hatten die Baumeister die alten Pläne vergeblich gesucht. Was dann folgte, war eine wahre Entdeckungsreise in die Stadtgeschichte von Mainz mitten in der Wiederaufbauzeit – ein ausführliches Video dazu findet Ihr hier. Die Zeitkapsel enthielt diverse Broschüren über Mainz und seine Wirtschaft im Jahr 1965, einen Stadtplan, eine Stich der alten, im Krieg zerstörten Stadthalle sowie diverse Fotos der Zerstörung von Mainz.

Erster Blick auf die noch verschlossene Zeitkapsel im Grundstein der Mainzer Rheingoldhalle. - Foto: gik
Erster Blick auf die noch verschlossene Zeitkapsel im Grundstein der Mainzer Rheingoldhalle. – Foto: gik

Zutage kamen auch zwei Zeitungen vom Februar 1966 – Kosten damals: 40 Pfennig – sowie die Mitschrift der Stadtratssitzung vom am 3. September 1964 mit dem Titel „Wiederaufbau der Stadthalle“. Für Schmunzeln sorgten Werbeflyer wie „Zaubriges Mainz“, was offenbar der damalige Werbeslogan für die Stadt war, herausgegeben vom Presseamt der Stadt. Auch ein kleines Kästchen mit einem kompletten Münzsortiment der Deutschen Mark von damals war in der Kapsel enthalten.

Das Highlight aber verbarg sich in der roten Schmuckhülle: Die Urkunde der Grundsteinlegung für die Rheingoldhalle, auf der in feierlich-altmodischer Schrift die Geschichte der Zerstörung der alten Halle beim großen Bombenangriff des 27. Februar 1945 auf Mainz, sowie den Plan für den Neuaufbau beschrieben wird. Zeugen dafür war niemand geringere als Bundespräsident Heinrich Lübcke persönlich, Bundeskanzler Ludwig Erhard (CDU) sowie der damalige Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz, Peter Altmeier (CDU).

Gründungsurkunde der Mainzer Rheingoldhalle

Unterzeichnet ist die Urkunde aber von Oberbürgermeister Jockel Fuchs (SPD) sowie drei Vorstehern der Stadtratsfraktionen. Die gefundenen Unterlagen sollen nun erst einmal vom Stadtarchiv Mainz gesichtet und wahrscheinlich auch für die Nachwelt digitalisiert werden. In einigen Monaten dann aber sollen die Zeitzeugnisse wieder in eine Zeitkapsel und auch in dem alten historischen Grundstein eingebracht werden.

Bauleiter Frank Intra mit der Gründungsurkunde der Mainzer Rheingoldhalle. - Foto: gik
Bauleiter Frank Intra mit der Gründungsurkunde der Mainzer Rheingoldhalle. – Foto: gik

Natürlich werde man den Grundstein erneut im Bereich der Rheingoldhalle einbauen, versicherte Intra – doch zusätzlich soll es einen zweiten Grundstein geben, der an die grundlegende Erneuerung zwischen September 2018 und Dezember 2022 erinnern soll. Was in den neuen Grundstein kommt, darüber müsse man noch beraten, sagte Intra weiter: Sicherlich wieder Presseerzeugnisse von heute, wohl auch Broschüren, Fotos und ein Satz Euro-Münzen – dazu aber auch die neue Chronik der Rheingoldhalle. Die beiden Grundsteine sollen dann Seite an Seite auf der Rheinuferseite in die dafür freigehaltene Stelle eingebaut werden.

Die neue Broschüre bietet neben Einblicken in die Sanierungsarbeiten auch einen historischen Rückblick des Architekten und Stadtplaners Rainer Metzendorf: Er erzähle mit zum Teil einzigartigen historischen Illustrationen den gesellschaftspolitischen Wandel der vergangenen 180 Jahre von der Fruchthalle zur Rheingoldhalle“, heißt es im Pressetext. Auf der MAG-Homepage wurde zudem ein Video freigeschaltet, das noch einmal die Renovierungsarbeiten der Rheingoldhalle Revue passieren lässt – ergänzt durch historische Filmaufnahmen aus den vergangenen 55 Jahren.

Info& auf Mainz&: Die Mehr zur Großbaustelle Rheingoldhalle und ihren Überraschungen könnt Ihr noch einmal hier auf Mainz& nachlesen, vom Brand der Rheingoldhalle haben wir damals hier berichtet: „Notre Dame in Mainz“. Die Sonderpublikation „Die neue Rheingoldhalle“ ist im Bonewitz Verlag erschienen und kann entweder im Buchhandel oder über die Agentur Bonewitz für 7,90 Euro bezogen werden – mehr dazu hier im Internet. Ein ausführliches Video von der Öffnung der Zeitkapsel findet Ihr hier auf der Facebookseite von Mainz&.

Und das enthielt die Zeitkapsel aus dem Grundstein der Mainzer Rheingoldhalle:

  • Die Wochendausgabe der Allgemeinen Zeitung vom 26./27. Februar 1966, Preis 40 Pfennig, Umfang 48 Seiten zuzüglich eine 6-seitigen Unterhaltungsbeilage.
  • Eine Ausgabe der Zeitung „Die Freiheit“ vom 25. Februar 1966, Preis 30 Pfennig, Umfang 16 Seiten.
  • Eine Broschüre des Presseamts „Zaubriges Mainz“, 12 Seiten
  • Ein Booklet „Daten und Fakten der Stadt Mainz“
  • Die Zeitschrift „Das neue Mainz“, Ausgabe Nr. 2 vom 1. Februar 1966 (28 Seiten)
  • Das kleine Ansichtsbuch „Schöne Städte Deutschlands – Mainz“
  • 13 schwarz-weiß Fotos in einem Kuvert über den Bau der Rheingoldhalle
  • 2 schwarz-weiß Fotos von Vorgängerbauten (Stadthalle und Fruchthalle)
  • Die Broschüre „Aurea Moguntia – Profil einer Stadt“ (32 Seiten)
  • Das Bummelheft „Bummel durch Mainz“, Jahrgang 2, Heft 1, 1966 für Die Gäste der Stadt Mainz
  • Ein Auszug aus dem Mainzer Stadt-Adressbuch, Autor Dr. Anton Maria Keim „Zweitausend Jahre Mainzer Wirtschaftsleben“
  • Eine Werbeflyer „Mainz am Rhein“
  • Eine Ausgabe „Lebendiges Rheinland-Pfalz, Sondernummer Mainz“, Herausgegeben von der Landesbank und Girozentrale Mainz
  • Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Stadtrates am 3. September 1964 mit dem Titel „Wiederaufbau der Stadthalle“, Berichterstatter Oberbürgermeister Stein
  • Die Pläne der Stadthalle Mainz im Maßstab 1:100
  • Das Adressbuch der Landeshauptstadt Mainz, 67. Ausgabe, 1965
  • Ein kleines Kästchen mit einem kompletten Münzsortiment der Deutschen Mark
  • Falk-Stadtplan „Wiesbaden/Mainz“ der 60er Jahre im Maßstab 1:20.000 und 1:35.000.
  • Die Urkunde der Landeshauptstadt Mainz zur Grundsteinlegung u.a. mit folgenden Namen: Bundespräsident Heinrich Lübke, Bundeskanzler Ludwig Erhard, Ministerpräsident Peter Altmaier, Regierungspräsident des Regierungsbezirks Rheinhessen. Georg Rückert und dem Mainzer Oberbürgermeister Jockel Fuchs.