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Jahresarchive: 2017

Martin Luther: Rebell der Neuzeit, Bibelübersetzer, Lebensgenießer – Ausstellung zum Start ins Lutherjahr

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Er war der erste Rebell der Neuzeit, Bibelübersetzer, Genussmensch, streitbarer Geist: 2017 ist es genau 500 Jahre her, dass Martin Luther mit seinen 95 Thesen eine Revolution auslöste. „Eine Diskussion wollen, eine Revolution anzetteln“, so brachte es der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) am Donnerstag auf den Punkt. Auch Mainz feiert natürlich das Lutherjahr, auch wenn der Reformator wohl nie hier war. Doch Johannes Gutenbergs Buchdruck-Erfindung legte die Grundlage für Luthers Revolution, Grund genug, den Reformator auch in Mainz zu feiern. Den Auftakt bildet nun eine spannende Ausstellung im Mainzer Rathaus: Mit „Bildern von Luther“ wirft der Bildhauer Herbert Birck ein spannendes und sehr menschliches Licht auf den Theologieprofessor aus Wittenberg.

Harald Birck mit Luther Kopf im Foyer des Mainzer Rathauses
Künstler Harald Birck mit seinem großen Luther-Kopf im Foyer des Mainzer Rathauses – Foto: gik

„Nachdenklich, polternd, geistreich, launisch“ – nein, Martin Luther sei kein einfacher Mensch gewesen, meinte Ebling zur Eröffnung der Ausstellung im Rathausfoyer und fragte mal ganz direkt: „Wen feiern wir da eigentlich?“ Gute Frage: Der Mönch und Theologieprofessor ist durch die Revolution, die er auslöste, zum Mythos geworden. „Wir alle haben von Luther ein Bild im Kopf“, sagte der evangelische Stadtdekan Andreas Klodt: Luther, stattlich, groß, unerschrocken vor dem Reichstag in Worms, die Bibel in der Hand, sein berühmtes „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ auf den Lippen. Oder auch Junker Jörg auf der Wartburg bei Eisenach, das Tintenfass nach dem Teufel werfend.

Neue Bilder von Luther – Künstler Birck zeigt den zweifelnden Reformator

Das 19. Jahrhundert prägte unsere Bilder von Luther, sowie die Gemälde des Malers Lukas Cranach des Älteren, eines Zeitgenossen Luthers. Der wahre Luther sei „wesentlich vielfältiger als das, was wir kennen“, sagte Klodt. Und so habe denn auch der Berliner Künstler Harald Birck dem anderen Luther, dem menschlichen, nachgespürt: Den zweifelnden, den zerbrechlichen Luther könne man in seinen Statuen finden, sagte Ausstellungskurator Andreas Pitz. Die Ausstellung war schon in Gladbach und München zu sehen, jetzt ist sie nach Mainz gekommen. Birck selbst sagte, er habe den angeschlagenen, den zitternden und trotzdem standhaften Luther zeigen wollen, „nicht den Über-Luther, sondern den Menschen.“ Heraus kamen kraftvolle kleine Statuen, die ein spannendes Bild auf den Reformator und sein Ringen werfen.

„Ein Mann, der sich nicht in Schubladen stecken ließ“, nannte Ebling den Mann aus Wittenberg. Tatsache ist: Die Diskussion, die der Theologe 1517 anstieß, führte zu einer Revolution. Luther wollte eine Reform der Kirche, am 31. Oktober 1517 schlug er seine berühmten 95 Thesen an die Tür der Schlosskirche von Wittenberg – und löste damit ein Erdbeben aus. Am Ende standen Religionskriege und eine Kirchenspaltung – und die Geburt einer zweiten christlichen Kirche, der protestantischen.

Luther als streitender Bär von Harald Birck
Luther, ein ringender, temperamentvoller Streiter, so sieht ihn Künstler Harald Birck in dieser Figur – Foto: gik

Poetry Slam, Jazz-Bigband, Musical und Churchnights

„Wir feiern hier den Beginn einer Revolution“, sagte Ebling am Donnerstag, denn das ganze Jahr über wird auch in Mainz des Beginns der Reformation und Luthers Wirken gedacht. Dutzende von Veranstaltungen, Lesungen, Vorträgen und Gottesdiensten beleuchten das Wirken und die Wirkung des Reformators. „Wir möchten raus gehen in diesem Jahr, raus auf die Plätze, unsere Räume verlassen und unters Volk gehen – wie Luther“, sagte Juliane Diel vom Evangelischen Dekanat Mainz. Und so gibt es Luther-Stummfilm und Luther-Musical, eine Kinderbibelnacht am 28. Januar und die lange Churchnight am 2. September für Jugendliche, die mit Luther durch die Nacht führt.

„Tritt fest auf, mach’s Maul auf, hör bald auf“ – Martin Luther wäre vermutlich ein guter Poetry Slammer gewesen, und so widmet sich am 31. August ein Poetry Slam der Macht der Worte Luthers, hinterfragt sie kritisch und betrachtet sie satirisch und frech – Luther hätte das gefallen. Denn der Reformator rang in seiner Bibelübersetzung um jedes Wort und wusste genau um die Macht der Sprache. Am 27. August findet ein großes Mainzer Tauffest unter freiem Himmel statt, am 18. Juni würdigt eine Jazz-Bigband mit der Soulsängerin Sarah Kaiser in der Christuskirche Luther – schließlich hinterließ Luther auch über 30 Kirchenlieder, die er komponierte und textete.

Alles Luther – mit Tanzuraufführung SHIFT in der Christuskirche

Also „Alles Luther, oder was?“ Definitiv: Am Freitag, dem 20. Januar, beginnt eine Vortragsreihe mit genau diesem Titel, die mit dem Thema Luther und die Entdeckung der Gewissensfreiheit startet und dann auch anderen Reformatoren wie Erasmus von Rotterdam sowie Reformatorinnen nachspürt. Denn was Luther auslöste, war viel mehr als eine Glaubenskrise: Er beförderte die Entwicklung einer neuen Geisteshaltung, die von Humanismus und der beginnenden Renaissance – also der Wiederentdeckung der Antike – mit befeuert wurde. Die Wiederentdeckung der antiken Gedankenwelt, vom Menschen als selbstverantwortlichem Wesen, befreite das Denken aus den vielen Fesseln, die gerade die mittelalterliche Kirche den Menschen auferlegt hatte.

Luther Büste von Harald Birck im Rathaus
Luther Büste von Harald Birck – Foto: gik

Und genau dieser Spur spürt eine ganz besondere Kooperation im Lutherjahr nach: Gemeinsam mit dem Mainzer Staatstheater hat das Evangelische Dekanat eine ganze Reihe von Konzerten, Lesungen, Workshops und künstlerischen Projekten aufgelegt. Den Anfang macht gleich kommende Woche SHIFT, eine große Tanzproduktion des Staatstheaters, die in der Christuskirche gezeigt wird. Der renommierte portugiesische Choreograph Rui Horta will dann mit zwölf Tänzern die Idee der Reformation und den Prozess der Erneuerung hin zu einer frei denkenden, selbstbestimmten Religion künstlerisch reflektieren – inspiriert von der Architektur der Christuskirche, dieses Rundbaus auf der Kaiserstraße, der ja mit seiner Höhe den Dom herausfordert…

Erste Protestanten mussten über den Rhein nach Biebrich zum Gottesdienst

Die ersten Protestanten mussten übrigens jahrzehntelang über den Rhein nach Biebrich zum Gottesdienst, bis ihnen der französische Präfekt Jeanbon St. André 1802 mit der Altmünsterkirche die erste Kirche als eigenes Gotteshaus überließ. Die Christuskirche ist sichtbares Zeichen dafür, wie stark der Protestantismus in Mainz ist: Laut Wikipedia standen 2014 im angeblich so erzkonservativen Mainz rund 73.600 Katholiken etwa 46.000 Protestanten gegenüber – Mainz hat wahrlich eine starke protestantische Gesinnung 😉 Schon früh soll es Domprediger gegeben haben, die gar im Mainzer Dom, dem Sitz des Erzbischofs, reformatorische Gedanken verbreitet haben – Wolfgang Capito, 1520 als Domprediger an den Mainzer Dom berufen und dann Berater des Erzbischofs Albrecht von Mainz, wird hier an vorderster Stelle genannt. Capito galt als Verteidiger Luthers, bekannt wurde er als bedeutender Reformator von Straßburg, wohin er sich 1523 zurückzog.

Lesender nachdenkliche Luther von Harald Birck
Lesender nachdenklicher Luther von Harald Birck – Foto: gik

Luther selbst war wohl nie in Mainz, vielleicht machte er bewusst einen Bogen um die Stadt, in der sein ärgster Widersacher saß: Denn es war ausgerechnet Erzbischof Albrecht von Mainz, der zum Auslöser von Luthers Thesenanschlag wurde. Albrecht nämlich war oberster Verfechter des Ablasshandels, mit den Einnahmen wollte er wenigstens zum Teil seine Schulden bei den Bankiers der Fugger bezahlen. Es war Albrechts Instructio Summarum, eine Anweisung für im Land umherziehende Ablassprediger, die Luther zum Verfassen seiner 95 Thesen animierte. Und es war Albrecht von Mainz, der Luther in Rom anzeigte und vor den Reichstag nach Worms zitierte.

Staatstheater widmet sich der Macht der Sprache, Mathis dem Maler und dem Anderssein

500 Jahre Reformation böten „einen reizvollen Anlass“ für die Auseinandersetzung „mit gesellschaftlicher Veränderung, mit der Macht von Sprache und mit der Wirklichkeit, die durch sie geschaffen wird“, sagte Staatstheaterintendant Markus Müller bei der Vorstellung des Programms vergangenes Jahr: „Den Dingen auf den Grund zu gehen, um sie dann neu und möglicherweise ganz anders zu denken, ist eine Kernkompetenz des Theaters.“ Und so wird im März im Staatstheater im Jugendtheaterstück „Anders“ von Andreas Steinhöfel das Thema des Andersseins ebenso verhandelt wie die Frage nach Schuld und Vergebung. Und ab dem 19. März widmet sich ein ganzer Reigen von Veranstaltungen der Oper „Mathis der Maler“, dem Werk von Paul Hindemith, das das Werken des Renaissance-Malers Matthias Grünewald aufgreift, der den berühmten Isenheimer Altar schuf. Zu dem wiederum das Evangelische Dekanat am 13. Mai eine Reise nach Colmar anbietet.

Aber natürlich gibt es noch eine ganz andere, wichtige Verbindung zwischen Luther und Mainz: Es war die Erfindung von Johannes Gensfleisch zu Gutenberg des Buchdrucks mit beweglichen Lettern, die den Weg zu Luthers Revolution ebnete. Denn mit Gutenbergs Erfindung wurde erst die massenhafte Verbreitung von Luthers Thesen per Flugschrift möglich – „die Reformation war auch eine Medienrevolution“, wie Ebling sagte. Und so könne man wohl etwas verkürzt sagen, „ohne Mainz kein Wittenberg“, das sei eben „die Sicht eines Mainzer Oberbürgermeisters“, fügte er schmunzelnd hinzu.

Luthertafel am Reformationstag – und Motivwagen im Rosenmontag

Luther mitten ins Leben holen - Ausstellung Birck
Luther mitten ins Leben holen, auf die Plätze, unter die Menschen, das will das Evangelische Dekanat in Mainz in diesem Jahr – Foto: gik

Höhepunkt des Lutherjahres ist aber natürlich auch in Mainz der Reformationstag am 31. Oktober – und er wird auf wahrhaft meenzerische Weise begangen: Eine Luthertafel lädt dann die Mainzer in die Innenstadt zum gemeinsamen Genießen ein, es gibt Luther-Bier und Kürbissuppe, Fleischwurst und Katharina von Bora-Wein, benannt nach Luthers Ehefrau. „Iss, was gar ist, red‘ was wahr ist“, soll Luther gesagt haben, seine Tischreden waren legendär. Gelöst und frei soll es auch bei der Luthertafel auf dem Bischofsplatz zugehen, Schauspieler werden sich zwischen die Gäste mischen und Luthers Tischreden zitieren. Posaunen spielen auf, eine Thesentür lädt zum Nachdenken ein, und für die Kinder gibt es Wartburgbauen und Tintenfassweitwurf.

Den „Höhepunkt“ der Mainzer Würdigung aber erfährt der Reformator an Rosenmontag: Luther bekommt einen eigenen Wagen im Mainzer Rosenmontagszug. Und wenn wir nach dem Vers gehen, den das Evangelische Dekanat dazu geschmiedet hat, dann können wir uns schon vorstellen, wie der aussehen wird: „Doch Luther lässt sich nicht beirren – mit Weck, Worscht, Woi in allen Wirren.“

Info& auf Mainz&: Die Ausstellung „Luther im Bild“ ist noch bis zum 25. Januar 2017 im Foyer des Mainzer Rathauses zu sehen, der Eintritt ist wie immer kostenfrei. Zur Ausstellung gibt es einen Katalog für 19.90 Euro mit Texten allerlei Prominenter zu Martin Luther – von Frank Walter Steinmeier über Malu Dreyer bis Julia Klöckner und Harald Martenstein. Eine Führung mit dem Künstler Harald Birck gibt es am Samstag, dem 21. Januar um 11.00 Uhr, danach könnt Ihr um 19.30 Uhr zur Uraufführung des Tanzstückes SHIFT in die Christuskirche gehen. Das ganze Programm zum Lutherjahr in Mainz findet Ihr auf der Homepage der Stadt Mainz, genau hier, und natürlich auf den Seiten des Evangelischen Dekanats Mainz, hier geht’s zur Startseite. Wenn Ihr mehr über Luther und die Reformation in Mainz wissen wollt – am 17. Juni gibt’s um 14.00 Uhr einen Rundgang zum Thema „500 Jahre Reformation in Mainz“.

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Was eh Glick….Biancas Blick auf Mainz: Die Karikatur bei Mainz&!

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Neues Jahr, neue Projekte bei Mainz& – und was für welche! Wir freuen uns riesig, denn Mainz& hat nun eine eigene Karikaturistin. Die Künstlerin und Grafikerin Bianca Wagner wird uns 2017 mit ihrem Blick auf Mainz beglücken: liebevoll, kritisch, hintergründig, so wie Mainz& eben auch ist. Den anderen Blick auf Mainz werfen wir ja schon in unseren Artikeln, nun tun wir das auch ganz buchstäblich. „Biancas Blick auf Mainz“ findet Ihr künftig jeden Donnerstag auf Mainz&, immer zu aktuellen Themen und mit viel Augenzwinkern und Mainz-Liebe.

Es ist uns ein Herzensanliegen: gerade in Zeiten, in denen politische Karikaturisten und kritische Blicke auf die Welt zunehmend unter Beschuss geraten, wollen wir eine Lanze brechen für diese Stilform des politischen Journalismus. Denn unsere immer vorurteils-beladenere, voreingenommene und zunehmend schubladen-orientiertere Zeit braucht dringend den kritischen, den anderen Blick auf die Welt. Erheitern wollen wir Euch aber natürlich auch – lasst Euch inspirieren zum Schmunzeln, zweimal Hinschauen und auch zum Nachdenken!

Bianca Wagner ist gebürtige Mainzerin, vor 32 Jahren erblickte sie das Licht der Welt und wuchs in Mainz-Hechtsheim auf. Bianca studierte unter anderem Soziologie und Kunstgeschichte, ihren Abschluss machte sie in Illustration und Druckgrafik, arbeitete unter anderem beim Druckladen des Gutenberg-Museums. Seit 2012 ist sie als freiberufliche Grafikerin, Illustratorin und Künstlerin tätig und lehrt als Dozentin an der Volkshochschule Bingen. Vor allem aber malt sie einfach, wo sie geht und steht – für Bianca ist das gezeichnete Bild, was für uns bei Mainz& das Wort ist: Ausdrucksmittel, Weltreflexion, Ausdrucksform. Das, so finden wir, passt einfach super zu Mainz& – wir freuen uns sehr auf diese Bereicherung unseres Tableaus!

Biancas erster Blick auf Mainz widmet sich – ganz stilvoll – der Fastnacht, genauer gesagt: dem neu gestalteten Fastnachtsmuseum. Dass das vier Monate lang geschlossen war, sorgte vielerorts für Erstaunen – die meisten hatten das nämlich gar nicht mitbekommen. Umso glücklicher der Narr, dass er nun nicht mehr vor verschlossenen Türen steht, und Camel-Orden, Bonewitz-Gänsche, Negers Schürze und die Schwellköpp endlich wieder an ihren angestammten Ort zurückkönnen. „Was eh Glick!“ Wir wünschen Euch viel Spaß mit unseren Karikaturen und „Biancas Blick auf Mainz“!

1. Karikatur Bianca Fastnachtsmuseum kleiner

 

Infos& auf Mainz&: Mehr über Bianca Wagner und ihre Werke findet Ihr hier auf Facebook. Und den Artikel zum Mainzer Fastnachtsmuseum könnt Ihr hier nachlesen: Rolf Brauns Brille, Negers Schürze…

 

 

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Stunde der Wintervögel: NABU entdeckt Grund für Vogelschwund – es fehlen die Besucher aus dem Osten

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Sag mir, wo die Meisen sind…. Wer ein Futterhäuschen im Garten hat, hat es wahrscheinlich schon bemerkt: In diesem Winter sind dort deutlich weniger Rotkehlchen, Finken und vor allem Meisen zu sehen. Ein Vogelsterben, befürchten viele Vogelfreunde – doch dem ist nicht so: Der Naturschutzbund NABU stellt zwar derzeit bei der großen Winterzählung „Stunde der Wintervögel“ tatsächlich bis zur Hälfte weniger Meisen und andere Singvögel fest. Doch die Erklärung dafür könnte schlicht das Wetter sein: Wegen des bisher warmen Winters fehlen Besucher an unseren Futtertrögen – aus Russland und Polen nämlich.

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Blaumeise und Kohlmeise – wo sind sie geblieben? – Fotos: NABU /Frank Hecker

Unsere Meisen, die wir seit Jahrzehnten an Futterhäuschen und Vogelkugeln so gerne beobachten, stammen nämlich offenbar gar nicht von hier: Während unsere Meisen bei der ersten Kälte nach Süden zögen, „kommen normalerweise von Osten andere Meisen nach, aus Russland und Polen“, erklärt Berthold Langenhorst vom NABU Hessen. Experten könnten die Tiere tatsächlich an ihrem anderen Dialekt unterscheiden, „die singen ein bisschen anders“, erklärt der Naturschützer. Und in diesem Jahr seien die Meisen aus dem Osten wohl nur bis Brandenburg gekommen, aus den östlichen Bundesländern würden nämlich deutlich mehr Meisen gemeldet als aus Hessen und Rheinland-Pfalz.

Bislang nämlich waren die Naturschützer und auch viele Vogelfreunde regelrecht alarmiert: 50 Prozent weniger Meisen zählten die Beobachter in diesen Tagen in den heimischen Gärten, insgesamt ging die Zahl der Singvögel um 20 bis 30 Prozent zurück.  „Viele Leute rufen uns an und sagen: an den Futterstellen in den Gärten ist nichts los“, berichtet Langenhorst unisono mit den Kollegen vom NABU Rheinland-Pfalz. Grünfink und Buntspecht seien kaum noch zu sehen, selbst der Spatz ist auf einmal selten. Dafür gebe es viel mehr Amseln, Drosseln und Stare als sonst, berichtet Langenhorst: „Der Trend ist so wie in meinem Garten: In einer Stunde gab’s acht Amseln, eine Kohlmeise, ein Rotkehlchen und eine Rabenkrähe.“

Vor einem Jahr hingegen wurden bei der großen Winterzählung des NABU über 94.700 Vögel gezählt. Wie bundesweit ergatterte der Haussperling damals den Spitzenplatz als häufigster Wintervogel in Rheinland-Pfalz, auf Platz zwei stand damals die Kohlmeise, auf den Plätzen drei bis fünf folgten Blaumeise, Amsel und Feldsperling. Viele Menschen, wenig Vögel – so lautet hingegen die Zwischenbilanz der diesjährigen Winterzählung, die noch bis zum 16. Januar läuft. Zum siebten Mal hat der NABU bundesweit zur Zählung der Singvögel in den heimischen Gärten aufgerufen, kurz vor Ende der Aktion verzeichnet der Verband einen wahren Teilnehmerrekord bei der „Stunde der Singvögel“: Bis Dienstag gingen deutschlandweit bereits Meldungen von mehr als 87.000 Vogelfreunden aus über 56.000 Gärten ein. In Hessen beteiligten sich bereits jetzt rund 7.100 Vogelfreunde – das waren 2.000 mehr als vor einem Jahr.

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Vögel zählen für den NABU bei der Stunde der Wintervögel – Foto: gik

In 4998 Gärten wurde fleißig beobachtet und dabei 159.377 Vögel gezählt. Das klingt viel, ist aber eigentlich wenig: Statt der knapp 42 Vogelindividuen pro Garten im langjährigen Mittel wurden in diesem Jahr nur 34 Vögel pro Garten gemeldet – ein Rückgang von knapp 20 Prozent. „Eine umfassende Erklärung dafür gibt es bisher nicht. Wahrscheinlich ist ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren verantwortlich“, sagt Olaf Strub, Geschäftsführer und Ornithologe beim NABU Rheinland-Pfalz. Der milde Winter nämlich machte bisher den Vögeln die Suche nach Futter leicht: Viele Vögel blieben schlicht im Wald. Die Zählungen des NABU hingegen finden in Städten oder zumindest von Menschen belebten Regionen statt, dort müssen Vögel erst auf Futtersuche gehen, wenn die anderen Quellen versiegen.

Einen Zusammenhang mit der Vogelgrippe gebe es hingegen nicht, betonte der NABU Rheinland-Pfalz: Singvögel würden nicht von der Geflügelpest befallen. Es könne aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass heimische Gartenvögel aufgrund widriger Witterung im vergangenen Jahr weniger Junge aufziehen konnten. Andere Arten seien gar nicht erst nach Süden gezogen, heißt es weiter – das erkläre die hohe Zahl der Amseln, Drosseln und Stare. Die seien sonst „bei der ersten Kälte weg“, sagt Langenhorst, doch Kälte gab es bis zum Jahresende eben kaum. So bleibe am Ende die Erkenntnis: Auch das Wanderverhalten der Vögel unterliegt neuen Trends. „Die Vögel richten sich nach den warmen Strömungen“, sagt Langenhorst, „die wissen ja nicht, wie das Wetter wird, also probieren sie es einfach aus.“

Den Menschenrekord erklärt der NABU hingegen mit der Sorge der Gartenbesitzer: Weil in den vergangenen Wochen so wenig Vögel gesichtete wurden, sei das Interesse an der Zählung jetzt groß. Aufgeben sollte man indes nicht: „Wenn das Wetter so kalt bleibt, dann können die Meisen aus dem Osten noch ‚rüberziehen“, sagt Langenhorst, „kann gut sein, dass in ein, zwei Wochen an den Futterhäusern ganz viel los ist.“

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Ergebnissen der Zählaktion mit Karten und Details zu verschiedenen Regionen findet Ihr hier im Internet. Noch bis zum 16. Januar kann man bei der Winterzählung des NABU mitmachen, mehr dazu hier im Internet. Und so funktioniert es: Von einem ruhigen Beobachtungsplätzchen im eigenen Garten oder einer anderen Stelle im besiedelten Raum (Dörfer und Städte) aus wird von jeder Art die höchste Anzahl notiert, die innerhalb einer selbstgewählten Beobachtungsstunde gleichzeitig zu beobachten ist. Die festgestellten Zahlen können dann im Internet unter www.stundederwintervoegel.de gemeldet werden, die Ergebnisse werden dort ausgewertet und regelmäßig aktualisiert. Der NABU stellt eine Zählhilfe, Porträts der häufigsten Vogelarten sowie Tipps zur Winterfütterung zur Verfügung. Ein Video zeigt zudem, wie man einfach selbst einen Futterspender für Vögel bauen kann.

 

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Fallschirm Mensch will eine Gedenkstätte für Menschen, die auf der Flucht gestorben sind

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Braucht Mainz eine Gedenkstätte für Menschen, die auf der Flucht gestorben sind? Der Flüchtlingshilfsverein „Fallschirm Mensch“ findet: „ja“ – und kündigte heute an, 2017 mit Vertretern von Stadt und dem Stadtrat Gespräche über eine solche Gedenkstätte führen zu wollen. Man wolle „eine Gedenkstätte in Form eines Gedenkbaumes mit Plakette oder Ähnlichem anregen, die den trauernden Angehörigen eine Möglichkeit bieten soll, eben dies zu tun“, sagte der Vorsitzende von Fallschirm Mensch, Florian Kowalewski. Unterstützung kam prompt von den Mainzer Linken, sonst aber meldete sich erst mal niemand dazu zu Wort. Uns interessiert Eure Meinung: Braucht Mainz so etwas?

Open Ohr - Elias Bierdel Vortrag Cap Anamur mit Flüchtlingen
Flüchtlinge in einem Schlauchboot auf dem Mittelmeer, hier aus einem Vortrag von Elias Bierdel von Cap Anamur – Foto: gik

2016 seien mehr Menschen auf der Flucht gestorben als in den Jahren zuvor, das Mittelmeer verschlucke fast täglich Menschen, argumentiert Fallschirm Mensch. „Die Überlebenden und Verbliebenen sind hilflos, ratlos und trostlos“, heißt es weiter. Die allerwenigsten Leichen würden geborgen, noch weniger identifiziert. Ein Begräbnis findet in den seltensten Fällen statt, die Angehörigen haben keinen Ort zum Trauern oder Beten. Eine Gedenkstätte könne „den gesichts- und namenlosen Toten eine Ruhestätte sein“ und die Menschen „an all jene erinnern, die ihr Leben wegen erdrückender Perspektivlosigkeit auf der Flucht verloren haben.“ Sie könne all jenen Menschen, die diese gefährliche Reise überlebt haben, einen Platz zum innehalten ermöglichen.

Zustimmung kam von den Linken – und prompt ein praktischer Vorschlag: Man schlage vor, „das nie eingeweihte Denkmal am Fischtorplatz umzuwidmen“, sagte der Linken-Kreischef Tupac Orellana. Die Säule am Konrad-Adenauer-Ufer sei in der Nazizeit errichtet worden, in Gedenken an Kombattanten und ausgewiesen zur Nacheiferung für Jugendliche. Ein passendes Symbol für eine weltoffene und fürsorgliche Stadt wie Mainz sei das nicht, findet Orellana, zumal die Stadt hier am Fischtorplatz mit dem neuen Weinprobierstand versuche, Touristen anzusprechen. Dazu passe doch „ein von den Nazis errichtetes Relikt, das zur Nacheiferung eines der schrecklichsten Kriege der Weltgeschichte aufruft, durch ein modernes Zeichen der Aufnahme und des Friedens zu ersetzen.“

Start zum Schweigemarsch mit Fallschirm Mensch kleiner
Fallschirm Mensch veranstaltete schon zweimal einen Schweigemarsch zum Gedenken an auf der Flucht verstorbene Menschen in Mainz – Foto: gik

Die Geflüchteten sowie deren Kinder und Kindeskinder würden in Zukunft die Gesellschaft in Mainz, Rheinland-Pfalz und Deutschland „nachhaltig prägen“, sagte Orellana weiter. Deshalb sei es „nur angemessen, wenn wir ihrer schwierigen Ankunft gedenken und nicht diejenigen vergessen, die auf dem Weg in ein vermeintlich sicheres Leben den Tod fanden.“ Eine Gedächtnisstätte für verstorbene Geflüchtete könne schließlich auch als Mahnmal für die Verantwortung der Menschen in Deutschland für Fluchtursachen wie Klimawandel, Krieg und Armut dienen. Und schließlich gebe es zahlreiche Tafeln, Gräber und Male in Mainz, „die gefallener Soldaten und verschwundener Regimenter gedenken – keines gedenkt der toten Geflüchteten“, fügte der Linken-Politiker hinzu.

Kommentar& auf Mainz&: Uns interessiert ja schon, was Ihr davon haltet: Braucht Mainz ein solches Denk-Mal? Tatsache ist: Rund 2.300 Flüchtlinge lebten im Sommer in Mainz, viele von ihnen kamen nach abenteuerlicher Flucht übers Mittelmeer hierher. Doch vielfach ist überhaupt noch nicht klar, ob die überhaupt hier bleiben, hier sesshaft werden – oder umziehen, zurückgehen. Der große Ansturm auf Deutschland, er ist gerade erst ein Jahr her. Muss man sich Denkmäler „verdienen“? Und wir mögen ja nicht mehr die Intentionen der Denkmäler von einst teilen – aber haben wir ein Recht, sie deshalb umzuwidmen?

Auch ist uns nicht wirklich klar, welches Denkmal die Linke meint – das Marinedenkmal am Rheinufer, an dem regelmäßig Kränze in Erinnerung an frühere Verstorbene niedergelegt werden, erinnert an den ersten Weltkrieg und den Untergang des Kreuzers MS Mainz. Das Denkmal auf dem Fischtorplatz werden sie ja wohl nicht meinen – das erinnert an die Deutsche Wiedervereinigung…. Schreibt uns Eure Meinung! Unter info@mainzund.de.

Kleines Update: Die Linke teilte uns gerade mit, dass sie in der Tat das Marinedenkmal am Rheinufer meinen. Das rufe in seiner Inschrift „zur Nachahmung“ von Krieg und Sterben fürs Vaterland auf, die Linke hält das nicht mehr für zeitgemäß.

 

 

 

 

 

 

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Tolle Winterwelt in Mainz – Schneefreuden, Autofahrerleiden und Chaos bei Bus und Bahnen

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Da werden Tische und Stühle zum Kunstobjekt - Foto: gik

Was für ein Wintertag! Zum ersten Mal in diesem Winter wachte Mainz am Morgen mit echtem Schnee in Hülle und Fülle auf. Nach dem Industrieschnee im Dezember fiel nun eine echte weiße Pracht vom Himmel – und blieb sogar liegen! Das Ergebnis: Eine verzauberte Winter-Wunderwelt, die sich sonst Mainz nennt 😉 Klar: Für den Verkehr war das nix. Glatte Straßen und eben die dicke Schneeschicht sorgten für heftige Behinderungen auf Autobahnen rund um Mainz. 34 Unfälle zählte die Polizei im Mainzer Stadtgebiet, es blieb aber bei Blechschäden. Für Chaos sorgte vor allem eine Radpanne bei der Mainzelbahn sowie Behinderungen für die Busse. Am Frankfurter Flughafen kam es zu starken Verspätungen und Flugausfällen, rund um Wiesbaden brach auf den Autobahnen nach Unfällen Verkehrschaos aus. Doch es galt, die weiße Pracht zu genießen: Ab Mittwoch kommt Tauwetter.

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Großes OHHH! am Morgen: Tief verschneites Mainz über Nacht. – Foto: gik

Die Meteorologen hatten es ja angekündigt: „Laut Vorhersage gibt es morgen früh ein ‚Oh‘, wenn man den Rollladen hochzieht (je nachdem, wann man aufsteht)“, warnte die Wetterstation der Uni Mainz, die anderen sprachen von drohendem Schnee-Chaos. So kam es dann auch: Ab 4.00 Uhr morgens fielen die weißen Flocken vom Himmel, und es schneite und schneite und schneite. Morgens im Berufsverkehr dann geschlossene Schneedecke und eben auch glatte Straßen. Bis 11.00 Uhr zählte die Polizei Mainz im Raum Mainz – Bad Kreuznach – Worms bereits 70 Unfälle, davon 30 auf den Autobahnen.

Besonders betroffen waren die A60, A63 und die A643 nach Wiesbaden – und in Hessen wurde es besonders heftig. Am Schiersteiner Kreuz kollidierten drei Fahrzeuge auf der Verbindung zur A66 in Richtung Rüdesheim, berichteten die Kollegen von der Hessenschau, ein querstehender Lkw blockierte zeitweise auf der A66 in Richtung Frankfurt die Abfahrt Wiesbaden-Erbenheim. Zuvor war dort ein Auto in die Leitplanke gerutscht. Auch in Mainz und um Mainz herum kämpften die Sicherheitskräfte mit Pannenfahrzeugen und Autofahrern, die sich nicht an die Witterung anpassen mochten.

Unachtsamkeiten, falsches Bremsen, zu schnelles Fahren – und immer noch Sommerreifen, registrierte die Mainzer Polizei. „Bis Viertel vor vier waren es 90 Unfälle in Mainz, Worms und Bad Kreuznach, im Mainzer Stadtgebiet 34“, berichtete der diensthabende Polizist am Dienstagabend auf Mainz&-Anfrage, „danach hab‘ ich aufgehört zu zählen.“ Fünf Leichtverletzte gab es im ganzen Präsidiumsgebiet, ansonsten blieb es bei Blechschäden.

Die Polizei bittet die Autofahrer eindringlich darum, ihre Fahrweise den Fahrbahnverhältnissen anzupassen. Auch uns fielen heute Autofahrer auf, die fast auf Tuchfühlung mit ihrem Vordermann gingen – gerade bei Glätte eine ganz doofe Idee. Und so geht es richtig:  Genügend Abstand zum Vordermann lassen, abrupte Lenk- und Bremsmanöver vermeiden, vorausschauend fahren.

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Fast 9 Zentimeter Schnee in Mainz – klasse! Das Foto machte Philipp Reutter am Nachmittag an der Mainzer Uni

Das gilt vor allem für die Nacht und morgen: Es soll richtig kalt werden, damit wird das, was heute schon getaut ist, richtig anfrieren – es drohen spiegelglatte Straßen. Auch kann es erst einmal noch weiter schneien, morgen aber soll Tauwetter kommen. Und so galt es heute, den Wintertag zu genießen – die Mainzer nutzten den Tag auch, um spazieren zu gehen, wer konnte. Oder um Rodeln zu gehen: Jeder Hang wurde heute von Schlitten und Rutschkissen erobert. Herrlich. Bis zu zehn Zentimeter wurden es im Laufe des Tages, genau 8,5 Zentimeter maß am Nachmittag die Wetterstation der Uni Mainz.

Den größten Teil des Chaos in Mainz verursachte allerdings ein ganz anderes Medium: Am Morgen sprang um halb acht Uhr das Rad einer Mainzelbahn in Bretzenheim aus einer Weiche – nichts ging mehr mit den Straßenbahnen in Mainz. Was für eine peinliche Panne genau vier Wochen nach dem Start der Bahn…. Das Ergebnis: Busse statt Bahnen und ein heilloses Chaos im Nahverkehr. Stundenlange Verspätungen und Umleitungen waren die Folge von Panne und Schnee, erst gegen 15.00 Uhr fuhr alles wieder normal. Mit dem Wetter habe die Radpanne der Mainzelbahn aber nichts zu tun gehabt, hieß es bei der MVG. Was wir von den Kollegen von SWR-Online übernommen haben – eine Pressemitteilung der MVG gab es nicht.

Info& auf Mainz&: Mehr schöne Winterbilder aus Mainz findet Ihr auf diesem Blog der Wetterstation der Uni Mainz. Infos zum  öffentlichen Nahverkehr gibt es wie immer bei der MVG Mainz, wer zum Flughafen muss, schaut lieber vorher mal auf der Homepage des Frankfurter Flughafens vorbei.

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„Wegwerfware Mensch“ – Open Ohr widmet sich 2017 der modernen Sklaverei

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Verhaltene Nneka, einst selbst aus Nigeria geflüchtet - Foto: gik

„Wegwerfware Mensch“ – mit einem echten harten Thema setzt sich in diesem Jahr das 42. Jugendkulturfestival Open Ohr auseinander. An Pfingsten geht es auf der Zitadelle in Mainz vor allem um das Thema moderne Sklaverei. Schätzungsweise 46 Millionen Menschen leben aktuell in Sklaverei, heißt es im Thesenpapier der Freien Projektgruppe des Open Ohr, das seien so viele wie nie zuvor. „Das Thema ist leider aktueller denn je. Deshalb ist es uns wichtig, darüber zu sprechen und die Menschen darauf aufmerksam zu machen“, sagt Projektgruppenmitglied Christin Dauborn. Das Open Ohr will deshalb über Formen moderner Sklaverei aufklären und Gegenstrategien suchen – aber natürlich nicht nur trübsinnige Gedanken wälzen: Vom 2. bis 5. Juni wird auf der Zitadelle auch abgetanzt, gefeiert und genossen.

Open Ohr - Theaterstück Flucht im Container 1
Wenn der Mensch zur Wegwerfware wird…. Szene aus einem Theaterstück über Flucht im Container auf dem Open Ohr – Foto: gik

Damit setzt das politische Festival seine Reihe vom Thema Flüchtlinge über die Heimat erneut mit einer logischen Gedankenentwicklung fort: Moderne Sklaverei nämlich hat ihre Ursache meist in Armut, Anhängigkeiten oder eben auch in Flucht und Vertreibung. Schuldknechtschaft, Zwangsprostitution, Kinderarbeit oder Wirtschaftssklaverei sind die modernen Erscheinungsformen, die ihre Opfer in einen Teufelskreis zwingen, aus dem es für sie kaum eine Möglichkeit des Entkommens gibt. „Der fehlende Zugang zu Bildung, der Mangel an finanziellen Mitteln und die hierdurch geringen Möglichkeiten, sich rechtlichen Beistand zu verschaffen, machen arme Menschen zu leichter Beute“, heißt es im Thesenpapier der Projektgruppe. Ausweg- und Schutzlosigkeit ermöglichten es so Sklavenhändlern und Sklavenhaltern, diese Menschen „in die Fesseln moderner Sklaverei zu legen.“

Dabei garantieren die Allgemeinen Menschenrechte eigentlich seit 1948 jedem Menschen ein Leben in Würde und Freiheit. Trotzdem blüht die Sklaverei auch 70 Jahre später noch unverändert, ja: mehr denn seit Langem wieder. Neue Abhängigkeiten durch internationale Wirtschaftsstrukturen, ein Blühen der Korruption in den Regierungen armer Länder und eine wirtschaftliche Globalisierung, die Produktion und Konsum voneinander entkoppelt und so die Produktionsbedingungen weit weg versteckt – all das sind Gründe. Das Festival will den Ursachen auf den Grund gehen, aber auch Lösungsansätze aufzeigen. „Bei aller Tragik des Themas wollen wir kein erdrückendes Festival machen“, betont Diane Ackermann von der Projektgruppe. „Vielmehr werden wir umfassend darüber informieren, welche Möglichkeiten jedem Einzelnen offen stehen, der Sklaverei ganz entschieden entgegenzuwirken.“

Verhaltene Nneka, einst selbst aus Nigeria geflüchtet - Foto: gik
Party, Weltmusik, Szene, hier bei Nneka 2015 – auch das ist das Open Ohr – Foto: gik

Das Open Ohr ist das letzte politische Jugendkulturfestival seiner Art in Deutschland und wurde zur Hochzeit der Festivals gegründet. „Das Ohr“ hatte seines immer an den aktuellen politischen Themen seiner Zeit, es wandelte sich, lockte neue Musikstile an – und überlebte vielleicht deshalb 43 Jahre lang. Heute ist das Festival an Pfingsten auf der Zitadelle Kult und ein bundesweit einmaliger Treffpunkt aller Generationen, auf dem so politisch diskutiert wird wie vielleicht sonst nirgends mehr. Mehr als 9.000 Besucher kamen in den vergangenen beiden Jahren jeweils auf die Zitadelle, vier Tage lang wird diskutiert, geliebt und gelacht. Mehr zur Geschichte des Open Ohr erzählen wir Euch in dem Mainz&-Artikel 40 Jahre Open Ohr, mehr zum Festival 2016 lest Ihr in unserem Bericht Spannende Erkenntnisse zum Thema Heimat.

Info& auf Mainz&: 43. Open Ohr Festival vom 2.-5. Juni 2017 in Mainz auf der Zitadelle zum Thema „Wegwerfware Mensch – Moderne Sklaverei“. Der Kartenvorverkauf hat bereits begonnen, das aktuelle Programm ist in Mache, erste Infos soll es bald geben – alles auf www.openohr.de und natürlich hier bei Mainz&.

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Lebensechter Till, Mainzer Dom aus Eis, Eis-Skulpturen zum Staunen – Eiswelt Mainz lockt mit Weihnachtswelt

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Es ist eine eiskalte Winter-Wunderwelt da gerade im Alten Postlager direkt neben dem Mainzer Hauptbahnhof: Riesige Tore aus Eis, filigrane Skulpturen, Santa Claus, Heilige Drei Könige, Weihnachtskrippe – die Eiswelt Mainz lockt mit einer ganzen Welt aus Eis und Schnee. 900 Quadratmeter groß ist die eigens für die neue Ausstellung am Alten Postlager aufgebaute Halle, heruntergekühlt auf minus acht (!) Grad. Seit Samstag sind hier rund 70 meist überlebensgroße Eisfiguren zu sehen. Highlights sind fraglos die Mainzer Elemente: ein kompletter Dom aus Eis, Narren, ein ganzer Fastnachtsbrunnen – und der riesige Till auf einer Eisbank am Ende.

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Der Till aus Eis ist das Highlight der Eis-Skulpturenausstellung Eiswelt Mainz – Foto: gik

Man meint, Friedrich Hofmann würde gleich von der Eisbank steigen, so lebensecht wirkt der riesige Till aus Eis. Die Symbolfigur der Meenzer Fastnacht ist sensationell in Eis verewigt, sogar die Brille auf der Nase sitzt genauso schief wie bei Hofmann auch. Geschnitzt hat den Till aus Eis ein Professor für Bildhauerei aus Moskau, erfahren wir – 19 Künstler aus aller Welt haben in knapp zwei Wochen Arbeit die großen Figuren aus Schnee und Eis in Mainz gefertigt. Mit Kettensäge und Meißeln entstanden aus den 1,5 Tonnen schweren Eisblöcken teils filigrane Kunstwerke.

Aus Russland, Ungarn, Belgien und den Niederlanden stammten die Künstler unter anderem, die meisten sind gelernte Bildhauer, viele Weltmeister im „Ice Carven“. „Eis ist ein faszinierendes Material“, erzählt uns Martin de Zoete, der künstlerische Leiter der Ausstellung. Eis sei eben gefrorenes Wasser, das mit „Powertools“ wie Kettensägen zu bearbeiten ist, „das macht Spaß“, sagt er: „In kurzer Zeit kann man viel bauen, können ganze Städte entstehen. Stein dauert viel länger.“ Viele Künstler begännen mit Sandskulpturen, so wie er selbst, erzählt de Zoete. Eine ganze Künstlerszene gibt es rund um die Materialen Sand und Eis, viele reisten um die ganze Welt zu Festivals und Wettbewerben.

200 Tonnen Eisblöcke aus Frankreich, Lettland, Belgien verarbeitet

Die Schau in Mainz stellte die Skulptura Projects GmbH zusammen, das Unternehmen mit Sitz auf Rügen erstellt weltweit Skulpturen-Ausstellungen aus Sand und Eis und organisiert die Sandskulpturen Festivals auf Rügen und Usedom. Das Mainzer Team arbeite seit Jahren zusammen, erzählt de Zoete, sogar ein gemeinsames Atelier gibt es für Aufträge. Den Schnee haben sie mit Schneekanonen selbst produziert, rund 200 Tonnen waren nötig. Noch einmal 200 Tonnen wurden als Eisblöcke angeliefert, aus Lettland, Belgien und Frankreich.

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Weihnachtsmarkt aus Eis mit wunderschönen Figuren in der Eiswelt Mainz – Foto: gik

„Es kommt von den gleichen Herstellern, die auch Eiswürfel produzieren, das ist echtes Speiseeis“, sagt Oliver Hartmann von Skulptura Projects, „sie können sich damit einen Caipirinha machen.“ Das aber wäre wahrlich schade: Die filigranen Eisfiguren weisen eine außerordentliche Detailfülle auf. Die Verkäuferin auf dem Weihnachtsmarkt etwa hat ein unglaublich ausdrucksstarkes Gesicht, der Mantel des gruseligen Weihnachtsgeistes à la Harry Potter am Anfang wirft feinste Falten. „Die Besucher staunen immer wieder, was man aus Eis schaffen kann“, sagt Hartmann.

Gleich am Eingang begrüßt ein detailreich geschnitzter Bischof aus Eis die Besucher, durch einen Adventskalender geht es zum Weihnachtsmarkt und durch einen Torbogen aus Eis zur Weihnachtsbäckerei. Teddybär, Wichtel und Geschenke aus Eis lassen hier die Besucher staunen. Dahinter warten die Rentiere von Santa Claus samt Schlitten und dem Weihnachtsmann selbst. Ein riesiges Tor aus Eis will durchschritten werden, daneben eine Figurengruppe mit Esel, wunderschön herausgearbeitet. Sie erzählt vom Weg von Maria und Josef zur Schätzung nach Bethlehem, um die Kurve herum dann wartet die Weihnachtskrippe mit dem Jesuskind aus Eis. Die Heiligen Drei Könige gegenüber kommen als faszinierendes Eis-Relief daher, wunderschön mit Lichtstrahlern in Szene gesetzt.

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Der Mainzer Dom aus Eis, wunderschön – Foto: gik

Mainzelmännchen, Dom, Bajazz mit Laterne

Weiter geht es vorbei an Tieren aus Eis, an Mainzelmännchen und einem riesigen Schneemann zum Eishaus mit Lebkuchen-Männchen. Einen Monat dauerte die Planungszeit, entstanden ist eine der angeblich größten Eis-Skulpturen-Ausstellungen weltweit. Minus acht Grad herrschen in der Halle, nach einiger Zeit kriecht die Kälte wirklich durch alle Ritzen – das mit der Jeans war wohl doch keine so gute Idee… Feste Schuhe, Winterkleidung, Handschuhe und Mütze sind für den Besuch echt dringend zu empfehlen! Schließlich sollen die Figuren bis zum 15. Januar halten, so lange ist die Schau in Mainz zu sehen. Trotz der Kälte scheinen die ersten Figuren schon zu schwitzen. „Das hält“, versichert uns Hartmann, nach einigen Wochen würden die Skulpturen auch noch einmal nachgearbeitet, falls nötig.

Für die Mainzer Ausstellung haben sich die Macher zudem ein paar wunderschöne Besonderheiten ausgedacht: Der Mainzer Dom aus Eis erstrahlt im Licht der Scheinwerfer en miniature, und hinter dem Eishaus geht es in die Mainzer Fastnachtswelt. Da tollt ein Narr kopfunter im Schnee, erhebt sich eine ganze Eissäule mit Fastnachtsfiguren, Masken und Narren in Anlehnung an den Fastnachtsbrunnen. Ein Bajazz hebt oben auf dem Gebilde seine Laterne. Das Highlight aber ist sicher der Till am Ende der Schau, auf der riesigen Eisbank daneben kann man zum Foto Platz nehmen.

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Die Heiligen Drei Könige als Relief aus Eis und Schnee – Foto: gik

Nach der Eishalle bietet dann ein zweiter Raum Tische und Bänke zum Sitzen, es gibt Kuchen, heißen Kaffee und kalte Getränke. Ein Paket Kaffee und Kuchen sind schon für 2,50 Euro zu haben. Die Eintrittspreise sind dafür mit 12,50 Euro für Erwachsene und 8,50 Euro für Kinder (4 bis 14 Jahre) nicht billig. Der Schritt vor die Ausgangstür birgt dann noch eine Überraschung: Es ist, als hätte man eine Sauna betreten, schlagartig umflutet einen Wärme, so groß ist der Kontrast – dabei sind es vor der Tür auch nur acht Grad plus. Und man möchte glatt wieder zurück in die bunte, glitzernde Weihnachts-Winterwelt…

Info& auf Mainz&: Die Eiswelt Mainz ist bis zum 15. Januar 2017 im Alten Postlager direkt neben dem Mainzer Hauptbahnhof zu sehen, geöffnet ist täglich ab 10.00 Uhr. Sonntag bis Mittwoch 10.00 Uhr bis 18.00 Uhr, Donnerstag bis Samstag 10.00 Uhr bis 21.00 Uhr. Der Eintritt kostet 12,50 Euro für Erwachsene, Kinder von 4 bis 14 Jahren 8,50 Euro. Familientickets (2 Erwachsene, 2 Kinder) gibt es ab 35,- Euro. Infos unter www.eiswelt-mainz.de.

Und natürlich kann so ein Artikel nicht ohne Fotogalerie bleiben 😉 Hier unsere schönsten Bilder aus der Mainzer Eiswelt!

 

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Themen Mainz 2017: Bezahlbarer Wohnraum, Rathaus, Taubertsbergbad, Fußverkehr und mehr Kitas und Schulen

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Blick aufs Mainzer Rathaus - Foto: gik

Das Jahr 2016 war in Mainz ja schon von Baustellen geprägt, 2017 wird, wir müssen es leider sagen, nicht wirklich besser: Mainz baut weiter, und das an allen Ecken und Enden. Die gute Nachricht dabei: Für die Autofahrer wird die Lage hoffentlich besser, denn am Samstag wird die Mainzelbahn eingeweiht – viele Baustellen gehören dann der Vergangenheit an. Doch Mainz steht weiter vor großen Herausforderungen, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum sei dabei eine der größten, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) am Dienstag bei der Jahresbilanz. Weitere Themen für 2017: Neue Kitas, aber auch neue Schulen, Rathaussanierung, die Rettung des Taubertsbergbades – und der Ausbau des „Fußverkehrs“ in der Innenstadt von Mainz.

Luftballons 200 Jahre Rheinhessen vor dem Staatstheater
Große Party zum 200. Geburtstag Rheinhessens in Mainz – Foto: gik

Zum vierten Mal stellte die Stadtspitze nun den Jahresbericht der Stadtverwaltung Mainz vor, darin gibt das „Dienstleistungsunternehmen Stadtverwaltung“ Einblick in seine tägliche Arbeit. Die Stadt wolle damit „Rechenschaft ablegen und zeigen, welche Herausforderungen die 4.381 Mitarbeiter der Stadtverwaltung und der Eigenbetriebe in den vergangenen Monaten gemeistert haben“, sagte Oberbürgermeister Ebling bei der Vorstellung am Dienstag in Mainz. Und der OB nutzte den Termin natürlich auch, um Bilanz zu ziehen für 2016 – und eine Vorschau auf 2017 zu geben. Mainz& dokumentiert die Themen im Überblick und nach Dezernenten geordnet.

Bilanz 2016: Wirtschaft gut, Jubiläum 200 Jahre Rheinhessen topp

Eblings Bilanz für 2016 lautete vor allem: Mainz stehe „entgegen allen Unkenrufen wirtschaftlich sehr gut da“, das belegten die aktuellen wirtschaftlichen Kennzahlen und Studien. „Die Mainzer Wirtschaft ist stark, sie ist modern und international wettbewerbsfähig – nicht zuletzt aufgrund der guten Rahmenbedingungen, die wir als Landeshauptstadt zu bieten haben“, betonte der OB. Der Arbeitsmarkt entwickele sich „robust“, die Beschäftigungszahlen befänden sich seit Jahren auf einem kontinuierlichen Wachstumspfad. Derzeit habe man das Rekordniveau von rund 110.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten. Das sei allein in den vergangenen fünf Jahren eine Steigerung von acht Prozent gewesen. Im November 2016 betrug die Arbeitslosenquote in Mainz laut Agentur für Arbeit 5,2 Prozent.

Als Highlights des abgelaufenen Jahres nannte Ebling das Jubiläum 200 Jahre Rheinhessen. Veranstaltungen wie die Wahl der Deutschen Weinkönigin oder die wöchentlichen Kulturveranstaltungen in der Infovinothek „Cuvèe“ im Gutenberg-Museum „werden uns sicherlich noch lange in guter Erinnerung bleiben“, sagte der OB. Interessanterweise erwähnte er die Mainzer Sommerlichter dabei nicht – zumindest nicht in der uns vorliegenden Pressemitteilung. „Ich bin überzeugt, dass wir den Schwung des Jubiläumsjahres nutzen können, um Mainz und Rheinhessen wirtschaftlich, infrastrukturell und bildungspolitisch in die Zukunft zu führen“, betonte Ebling.

Herausforderung 2017: Bezahlbarer Wohnraum und neue Bauprojekte

Modell Dock1 Zollhafen - Foto gik
Dock 1 im Zollhafen: Wohnen und Arbeiten im Luxussegment – Foto: gik

Die Mega-Herausforderung für die Zukunft von Mainz benannte Ebling ganz klar mit einem Thema: bezahlbarer Wohnraum. Tatsächlich hat die Stadt hier in der jüngsten Vergangenheit gerade gegenteilige Signale gesetzt: Am Winterhafen wurde Wohnen am Wasser für Hochbetuchte realisiert, in der Neustadt läuft, was man Gentrifizierung nennt – die Vertreibung der alteingesessenen, ärmeren Bevölkerung – und am Zollhafen wurden entgegen großer Versprechungen bisher nur Luxuswohnungen und Luxusbüros realisiert. Bezahlbares Wohnen? Nicht in Sicht. Das Ergebnis: Die Mieten in den vergangenen zwei Jahren explodierten in astronomische Höhen.

Mainz sei als Wohnort ausgesprochen beliebt und benötige deshalb deutlich mehr Wohnraum, insbesondere bezahlbaren, sagte Ebling nun noch einmal. Bis 2020 sollen deshalb 6.500 neue Wohnungen in der Landeshauptstadt geschaffen werden. Und so bringe Mainz in den kommenden Jahren „erfreulicherweise viele große Wohnbauprojekte auf den Weg.“ In Sachen bezahlbarem Wohnraum setzt die Stadt dabei vor allem auf das Heiligkreuz-Areal an der alten IBM, allein hier sollen 1950 Wohneinheiten auch für die kleineren Geldbörsen entstehen. Weitere Bauprojekte liegen an der ehemaligen Peter-Jordan-Schule mit dem Bau von Einfamilienhäusern sowie auf der Frankenhöhe.

Aufwertung Innenstadt, Rathaussanierung und Tag der Deutschen Einheit

Mainzer Rathaus von Rheinallee aus 1
Die Rathaussanierung wird 2017 großes Thema werden – Foto: gik

2017 soll zudem die Aufwertung der Mainzer Innenstadt weitergehen: Der Umbau der Bahnhofstraße ist bereits auf den Weg gebracht, der Umbau der Großen Langgasse soll folgen. Die Boppstraße soll ebenfalls aufgewertet werden, der Münsterplatz harrt weiter einer Neuordnung seiner kuriosen Nachkriegsarchitektur. Darüber hinaus wird 2017 das Thema Rathaus wieder spannend: 2017 würden die Ergebnisse des Generalplaners für die Sanierung des Rathauses erwartet, sagte Ebling, er sei „sicher, dass wir für die weiteren Schritte die notwendigen Beschlüsse fassen und eine erfolgreiche Ausschreibung auf den Weg bringen können.“ Ebling hatte ja eine Sanierung des völlig maroden Baus durchgesetzt und dafür einen Kostendeckel von 50 Millionen Euro versprochen – im Juli hatte die Stadt den Auftrag an den Generalplaner zur Erstellung eines Konzepts vergeben.

Im Herbst steht Mainz dann erneut ein Großevent ins Haus: Im Oktober richtet die Stadt die Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit aus. Der Grund: Rheinland-Pfalz hat turnusgemäß den Vorsitz des Bundesrates inne, und das jeweilige Land feiert dann eben auch den Tag der Deutschen Einheit bei sich. Zuletzt hatte Mainz den Tag der Deutschen Einheit 2001 ausgerichtet – kurz nach den Anschlägen aufs World Trade Center in New York. Es wurde trotzdem eine friedliche und fröhliche Feier, und das soll auch 2017 wieder so sein: „Wir werden Mainz als weltoffene, tolerante und gastfreundliche Stadt präsentieren, in der Hass und Fremdenfeindlichkeit keinen Platz finden“, sagte Ebling.

Beck: Haushalt gelungen, Taubertsbergbad neu ausrichten, Bürgerhäuser sanieren

Bürgermeister und Finanzderzernent Günter Beck (Grüne) freute sich naturgemäß über die rechtzeitige Verabschiedung des Doppelhaushalts 2017/2018 im November. Das Werk sieht für 2017 Erträge in Höhe von 651,5 Millionen Euro und Ausgaben von 686 Millionen Euro vor. Das macht zwar ein Defizit von 34,5 Millionen Euro, Beck ist trotzdem zufrieden: Schuld seien die Kosten der sozialen Sicherung, die 2017 mit 255,2 Millionen Euro veranschlagt seien. Würden diesen eine Gegenfinanzierung – etwa durch Bund oder Land – entgegenstehen, „hätte die Stadt Mainz einen ausgeglichenen Haushalt“, betonte Beck. Und immerhin sehe der Doppelhaushaltsplan Investitionen in Höhe von 153,9 Millionen Euro in beiden Jahren vor.

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Was wird aus dem Taubertsbergbad? Das wird eines der großen Themen 2017 werden – Foto: gik

Investieren werde Mainz vor allem in den Ausbau, Neubau und die Sanierung von Schulen und Schulsporthallen, von Krippen und Kitas. Auch die Feuerwehr soll ordentlich Mittel bekommen. Eine Herausforderung wird 2017 aber noch die Sicherung des Taubertsbergbades: Durch die Insolvenz des Betreibers 2016 steht die Stadt nun mit einem stark renovierungsbedürftigen Bad mit ungewisser Zukunft da. Es sei aber mit vereinten Kräften und in enger Abstimmung mit dem Insolvenzverwalter gelungen, „dass das Bad weiterhin geöffnet hat und die ersten Mängel beseitigt wurden“, betonte Beck. 2017 würden Neuausrichtung und Neustrukturierung des Bades „einen wesentlichen Stellenwert“ einnehmen. Zudem beginnt die Stadt mit den ersten Renovierungsmaßnahmen bei den Bürgerhäusern.

Sitte: Ansiedlungspolitik erfolgreich, Renovierung Rheingoldhalle, fünf neue Hotels

2016 verlor Mainz gleich eine ganze Reihe großer Unternehmen und wichtiger Arbeitgeber: Nestlé wird Ende 2017 sein Werk schließen, Cargill, die Spedition Hensel und jüngst sogar Camping Müller – die Liste der abwandernden Unternehmen ist lang. Trotzdem zog Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) ein positives Fazit des Jahres: „Die positive Ansiedlungsentwicklung setzt sich fort“, betonte der Dezernent allen Ernstes – und verwies auf zuletzt drei Neuansiedlungen: Die Firma Deublin mit 175 Arbeitsplätzen im Mainzer Wirtschaftspark, der Spatenstich für die Hermes Logistik Gruppe Ende November sowie die Techniker Krankenkasse, die mit einem neuen Fachzentrum 300 Arbeitsplätze schaffen werde. Mainz sei als Standort beliebt, belege sehr gute Platzierungen in verschiedenen aktuellen Städte-Rankings und sei vor allem auch bei Gründern enorm angesagt, betonte Sitte.

Rheingoldhalle mit Jockel-Fuchs-Platz
Auch die Rheingoldhalle braucht eine Renovierungskur – Foto: gik

Auch beim Tourismus sei Mainz erfolgreich, mit den Übernachtungszahlen stehe man unangefochten an der Spitze in Rheinland-Pfalz. Allerdings hatte das Gästewachstum 2015 mit einem Plus von 3,2 Prozent noch unter dem Schnitt von Rheinland-Pfalz und zum Teil deutlich hinter anderen Tourismusregionen gelegen. Viele ausländische Gäste, insbesondere Japaner und Chinesen, steigen inzwischen lieber in Wiesbaden ab, nur rund 30 Prozent der Mainzer Touristen kamen 2015 aus dem Ausland. Es dürfte spannend werden, wie sich diese Zahlen 2016 entwickelt haben. Mainz rüstet sich jedenfalls mit neuen Hotels: Derzeit stünden fünf  neue Hotels mit verschiedenen Standards kurz vor der Eröffnung, sagte Sitte. Dazu steht 2017 der Start für die Renovierung der Rheingoldhalle an, dem wichtigsten Tagungsort von Mainz.

Merkator: Neue Schulen, mehr Kitas, Integration von Flüchtlingen

Dass Mainz wächst, treibt einem Dezernenten die Sorgenfalten ins Gesicht: Die Stadt kommt einfach nicht mit dem Bau von Kindergärten hinterher. Ein Schwerpunkt werde 2017 deshalb „die Suche nach geeigneten Standorten für unsere Kindertagesstätten und nach qualifiziertem Personal für unser vielfältiges Angebot an Tagesbetreuung sein“, sagte Sozialdezernent Kurt Merkator (SPD) deshalb. Der Dezernent wird das selbst aber nur noch bedingt erleben: Merkator hat angekündigt, zum Sommer 2017 aus Altersgründen aufzuhören. Sein Nachfolger wird weiter vor großen Herausforderungen stehen: Ausbau der Kinderbetreuung und Kindertagespflege – und zunehmend auch die Schulentwicklungsplanung. Denn die ganzen Kleinen werden größer und brauchen dann auch Schulen. „So werden wir im kommenden Jahr die Weichen stellen müssen für den Ausbau von Grundschulen und weiterführenden Schulen, um der wachsenden Schülerzahlen gerecht zu werden“, sagte Merkator. Weiteres Thema wird natürlich die Integration der 2015 gekommenen Flüchtlinge bleiben.

Bahnhofstraße mit Bus
Die Bahnhofstraße wird 2017 renoviert, die Große Langgasse soll folgen – Foto: gik

Eder: 2017 Schwerpunkt auf den Fußverkehr in Mainz

Umwelt- und Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) hat ja 2016 die meiste Haue einstecken müssen, das Mega-Projekt Mainzelbahn sorgte für Baustellen-Chaos und viel Unmut. Nun rollt die Mainzelbahn ab dem kommenden Wochenende, sehr zur Erleichterung der Dezernentin. „2016 war verkehrlich vom größten Infrastrukturprojekt in Mainz seit Jahrzehnten geprägt“, sagte Eder denn auch in ihrer Bilanz. Quer durch die Stadt seien mehr als 60 Firmen an der über neun Kilometer langen Strecke zu Gange gewesen – ein Kraftakt. Auch Eders Vorliebe für den Radverkehr kam nicht immer bei allen gut an, dabei hat Mainz weiter eines der schlechtesten Radwegenetze der Republik, vor allem was den baulichen Zustand angeht.

Trotzdem will Eder 2017 einen ganz neuen Schwerpunkt legen: auf den Fußverkehr in Mainz. Die „fußgängerfreundliche Umgestaltung in der Großen Langgasse“ gehe in die entscheidende Planungsphase, barrierefreie Zugänge mit Aufzugsanlagen sollen unter anderem den Bahnhof Römisches Theater mit der Oberstadt verbinden. Dazu soll die Querung der Saarstraße am Friedrich-von-Pfeifer-Weg verbessert werden – Letzteres überrascht uns etwas, war der Neubau der Fußgängerbrücke doch eigentlich integraler Bestandteil der Mainzelbahn gewesen, dachten wir… Weiterer Schwerpunkt für 2017: Die Energieeinsparung, dazu haben wir aber leider noch keine Infos. Beschäftigen wird die Dezernentin sicher 2017 aber auch das Thema Luft: Es steht schließlich die Klage der Deutschen Umwelthilfe in Sachen Diesel-Fahrverbote an.

Grosse: Neubauten am Gutenberg-Museum und am Naturhistorischen Museum

Bücherturm Gutenberg Museum Perspektive Sommer - DFZ Architekten
Der Bücherturm fürs Gutenberg-Museum kommt – Foto: gik

Auch die Kultur baut 2017 fleißig: Das Naturhistorische Museum erhält ja bekanntlich einen neuen Überbau des alten Innenhofs und damit eine deutliche Erweiterung seiner Räume, dazu steht der Bau der Gutenberg-Museums-Erweiterung – des Bücherturms – an. Der Bau darf nur 5,2 Millionen Euro kosten, mehr Geld hat die Stadt für das Vorhaben nicht, es dürfte spannend werden, ob das reicht. Kultur- und Baudezernentin Marianne Grosse (SPD) betonte, es gehe darum, beide Museen zukunftsfähig zu machen. Angesichts von mehr als 126.000 Besuchern im Gutenberg-Museum 2015 und von rund 42.000 im Naturhistorischen Museum seien die Haushaltsmittel für die Erweiterung der beiden Häuser „gut investiertes Geld.“

Dazu muss sich die Dezernentin 2017 um die weitere Renovierung des Kurfürstlichen Schlosses, die Fertigstellung des Archäologischen Zentrums am Südbahnhof sowie den Erhalt des Römischen Mainz kümmern: das Römische Bühnentheater, den Drusus-Stein und die Römersteine nannte Grosse hier als Schwerpunkte. Große Sprünge wird es aber vor allem am Römischen Theater nicht geben: Für 95.000 Euro gab es gerade einen neuen Zaun, 2017 könnte die erste Sitzreihe restauriert werden – mehr ist nicht drin. Ein professionelles Planungsbüro soll ab Sommer Ideen für die Entwicklung des Theaters erstellen, Materialien für die Sitze vorschlagen und auch das Thema Überdachung angehen.

Mainz& Fazit: Es bleibt viel zu tun in Mainz. Das Jahr 2017 wird weiter bestimmt werden von Baustellen im ganzen Stadtgebiet. Doch das ist auch nötig: Die Stadt hat massiven Nachholbedarf in Sachen Wohnungsbau und laboriert an vielen Ecken noch mit dem Erbe der Nachkriegszeit. Der Münsterplatz ist ein bislang völlig ungelöstes städtebauliches Problem, das Einkaufszentrum an der Ludwigsstraße noch immer nicht auf dem Gleis – doch wenn es kommt, wird es das Gesicht der LU für immer verändern. Und Mainz muss weiter Lösungen für den wachsenden Verkehr finden, Probleme wie die marode Hochbrücke lösen – und mit der Megabaustelle Schiersteiner Brücke leben.

Und nicht zuletzt brauchen die Verantwortlichen in der Stadtspitze endlich ein Konzept für eine lebendige Mainzer Innenstadt und die Ansiedlung neuer Unternehmen – mit dem Zentrenkonzept leistet man sich einen wenig zukunftsträchtigen Betonklotz, im Wirtschaftspark Hechtsheim eine wenig hilfreiche Blockadepolitik. Mainz braucht Lösungen für einen attraktiven Handel – und offene Türen und Ohren dafür in der Stadtspitze. Sich selbst auf die Schulter zu klopfen wird auf Dauer nicht reichen – während Hessen mit fertigen Verträgen winkt. Es bleibt spannend in Mainz…

 

 

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Rolf Brauns Brille, Negers Schürze, Kamel-Orden von 1837 – Mainzer Fastnachtsmuseum zeigt Schätze in neuem Gewand

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Vier Monate lang war das Mainzer Fastnachtsmuseum geschlossen, rechtzeitig zur fünften Jahreszeit haben die Fans und Interessierten es nun wieder: Am Freitag – natürlich pünktlich um 11.11 Uhr – wurde das kleine Museum im Proviantamt wieder eröffnet. Und die Frischzellenkur hat sich gelohnt: Aus einem doch ziemlich verstaubten Vitrinen-Museum wurde ein modernes Mitmach-Haus. Aufgeräumt, hell und mit Hunderten spannender Objekte – das neue Fastnachtsmuseum könnte ein echter Besuchermagnet werden. Rolf Brauns Brille könnt Ihr hier ebenso bestaunen wie Herbert Bonewitz‘ Büttenreden oder Ernst Negers Lederschürze. Dazu Orden, Gardeuniformen, aber auch jede Menge historischer Originale wie Illustrationen oder den ältesten Mainzer Orden von 1837 – ein Kamel-Orden. Ein Museum zum Staunen und Schmunzeln, natürlich.

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Rosenmontagszug zum Nachlaufen, Narrenkappen, Gutenberg: Kuratorin Marianne Jacoby und Innenarchitekt Peter Kneip im neu gestalteten Fastnachtsmuseum – Foto: gik

Gleich am Anfang steht der Besucher mitten in der Straßenfastnacht: „Gutenberg mit Narrenkappe vor dem Dom“, schwärmt Marianne Jacoby, „da haben sie schon alles drin.“ Im September schloss das kleine Museum seine Pforten, seither hat Kuratorin Jacoby gemeinsam mit dem Innenarchitekten Peter Kneip intensiv die Ausstellung umgearbeitet und neu geordnet. Aus den früheren Durchgängen wurden Schaufenster der Fastnacht, die sich um insgesamt fünf Themengruppen ranken: Die Straßenfastnacht natürlich, dazu die Kinderfastnacht, Saalfastnacht, die Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ und natürlich die Garden, Schwellköppe und der Rosenmontagszug. Mehr als 25.000 Exponate hütet das kleine Museum samt angeschlossenem Fastnachtsarchiv, auf 400 Quadratmetern werden die spannendsten Stücke nun in moderner Form präsentiert.

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Die Original-Lederschürze des singenden Dachdeckers Ernst Neger – Foto: gik

Es sei „nicht das größte Museum“ von Mainz, dafür aber „allemal das lustigste“, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) am Freitag bei der Wiedereröffnung. „Auf Rosen gebettet“ sei das kleine Haus nicht gerade, räumte er ein – die Stadt gibt für den Unterhalt des von einem privaten Verein getragenen Hauses keinen müden Cent. Nun aber gebe es „eine neue Epoche“ mit einer „unglaublich schönen, veränderten Ausrichtung, die mehr Besucher anziehen soll“, sagte Ebling.

In der Tat lädt das neu gestaltete Museum nun zum Mitmachen ein: Da kann man gleich zu Beginn den Mainzer Rosenmontagszug nachschreiten, auf einem Stadtplan auf dem Boden und in nur 30 Sekunden. Daneben präsentieren die Macher die Geschichte der Narrenkappe von den allerersten Anfängen bis heute. In den 1820er Jahren sei die Narrenkappe von einem preußischen General in Köln erfunden worden, berichtet Jacoby, und zwar als Eintrittskarte für die dortigen Veranstaltungen. „Am Anfang waren die Kappen aus Papier und wurden an Aschermittwoch verbrannt“, weiß die Kuratorin. Heute wäre das ein Alptraum für Fastnachter, sind Narrenkappen doch innig gehegte und stolz getragene Rangesabzeichen. Die alten Narrenkappen und Orden zeigten die uralte Tradition der Fastnacht, sagt Jacoby. Und so ist denn auch in einem Schaufenster der älteste Orden von Mainz zu sehen: Ein Kamel-Orden aus Papier aus dem Jahr 1837.

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Der älteste Mainzer Orden von 1838 und ein Carnevals-Almanach von 1839 – Foto: gik

1837, da wurde in Mainz der „Krähwinkler Landsturm“ ins Leben gerufen, es war die Geburtsstunde des Rosenmontagszuges, der ab 1838 unter diesem Namen durch Mainz zog. Ein kleines Büchlein erinnert stolz an die Tradition im 19. Jahrhundert: Das Leporello aus dem Jahr 1857 bildet den kompletten Zug als Malerei ab, ausgestreckt misst das Werk 6,40 Meter. „Das ging in den alten Vitrinen komplett unter“, sagt Jacoby. Für die neue Ausstellung wurde das Werk digitalisiert, nun kann sich der Besucher mit einer Kurbel durch das ganze Leporello blättern.

Andere kleine Kästen verbergen Tafeln zum Herausziehen, dort erfährt der Besucher dann etwa, dass Carl Zuckmayer einst als Klepperbub durch Mainz schritt, woher das Zugplakettche kommt, und wie der Fastnachter Seppel Glückert in seinen Büttenreden den Nazis trotzte. Glückert, Sohn eines Schreibwarenhändlers aus der Augustinerstraße, wurde zum großen Virtuosen der politisch-literarischen Fastnacht und traute sich gar, in seinen Reden selbst an den Nazis Kritik zu üben, wenn auch versteckt. 1838 gab aber auch er notgedrungen auf, an einer Hörstation kann man Glückerts Reden noch einmal lauschen. Um die Ecke zeigt ein Fernseher Büttenreden von Fastnachtsgrößen wie Herbert Bonewitz – die großen Redner von „Mainz bleibt Mainz“ spielen natürlich eine zentrale Rolle im Fastnachtsmuseum.

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Rolf Brauns Brille, die weißen Handschuhe von Roth und die Gans vom Bonewitz – das Mainzer Fastnachtsmuseum hat tolle Objekte – Foto: gik

Da ist die berühmte Hornbrille des legendären Sitzungspräsidenten Rolf Braun, aber auch die Lederschürze des singenden Dachdeckermeisters Ernst Neger samt seinem Klavier und den Noten des berühmten „Heile Gänsje“, des Liedes, das im Nachkriegsdeutschland Mainz und die Republik zu Tränen rührte. Das „Heile Gänsje“ wurde zu DEM Identifikationslied in Mainz, aber natürlich dürfen in dem Schaufenster auch Margit Sponheimer und ihre unvergessenen Hits oder die Mainzer Hofsänger nicht fehlen. Die Fastnacht sei eben auch ein wichtiges Stück Mainzer Stadtgeschichte, sagte  der Vizepräsident des Bundes Deutscher Karneval, Peter Krawietz. Und das Fastnachtsmuseum beherberge eben „keinen dumpfen Mief und auch keinen alten Krempel“, sondern sei „DIE Mainzer Bildungsstätte schlechthin.“

„Wenn de Määnz meenst, meenste Määnzer Fastnacht“, sagte Krawietz und erinnerte mit Goethe daran, dass „das närrische Spiel eigentlich nur als begrenztes Spiel Sinn macht.“ Krawietz erinnerte auch an Carl Zuckmayer und dessen Fastnachtsbeichte und berichtete, wie fasziniert der Schriftsteller von der „völligen Freiheit der Maskenzeit“ war, deren „Grazie“ (sic!) als volksnahes Fest ihn an klassisch-römische Heiterkeit erinnerte. „Die Fastnacht ist nicht durchgehend laut, brüllend und lachend“, unterstrich Krawietz, „sie macht nicht nur besoffen und ausgelassen, sie hat auch einen deutlich spürbaren melancholischen Bezug.“

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Leporello vom Mainzer Rosenmontagszug von 1857 im Original (rechts) und digital zum Blättern (links) – Foto: gik

Nachdenklich, eulenspiegelhaft der Gesellschaft den Spiegel vorhaltend, auch das ist eben Fastnacht, wenn sie auf Meenzer Art gefeiert wird. „Wenn’s endlich wieder Fastnacht ist, und freundlich uns die Muse küsst“, reimte Krawietz, „dann scheuen wir nicht Müh‘ und Plag für einen Mainzer Sitzungstag.“ Gehaltvoll und auch kritisch – „und die, die ohne Meinung sind, ihr Fähnchen hängen nach dem Wind, sind ganz, ganz arme Deifel.“

Zur Ironie der Mainzer Fastnachtsgeschichte gehört natürlich auch, dass der einst als Nestbeschmutzer geschmähte Bonewitz heute mit seinem Prinz Bibi zu den Stars des Museums und zu den Erneuerern der Mainzer Fastnacht zählt. Seine Gänsje-Parodie hängt gleich neben den weißen Handschuhen von Norbert Roth und den Kostümen der berühmtesten Putzfrauen der Fastnachtsgeschichte: Fraa Babbisch und Fraa Struwwelisch. „Steigen Sie in die Bütt“, empfiehlt Innenarchitekt Peter Kneip, der die Ausstellung gestaltete, „wenn Sie gut sind, gibt’s auch den Narren-Tusch.“ Die Original-Eulen-Bütt stammt aus der Fernsehsitzung, eingebaute Knöpfe lassen Tusch, Narhallamarsch oder Uiuiui erklingen. Das Einzigartige an der Mainzer Fastnacht? „Dass ihre Form mit der Fernsehsitzung heute in ganz Deutschland verbreitet ist“, sagt Jacoby: „Wenn man irgendwo Fastnacht feiert, dann auf Mainzer Art.“

Info& auf Mainz&: Das neu gestaltete Mainzer Fastnachtsmuseum ist seit heute immer dienstags bis sonntags von 11.00 Uhr bis 17.00 Uhr geöffnet. Ihr findet es im Proviantamt in der Schillerstraße, der Eingang ist auf der Rückseite, dort, wo ein Bajazz die Laterne hebt. Infos unter www.mainzer-fastnachtsmuseum.de.

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Frohes neues Jahr 2017 Euch allen! – Mainz feierte mit viel Feuerwerk, viele Schlägereien in Innenstadt

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Tolle Raketen gab’s an Silvester in Hechtsheim – Foto: gik

Mit gaaaanz viel Feuerwerk und Qualm und Rauch hat Mainz das neue Jahr 2017 begrüßt – und Mainz& wünscht Euch allen, dass es ein frohes, glückliches, erfolgreiches und vor allem friedliches Jahr wird. Nimmt man die Silvesternacht, stehen die Zeichen dafür nicht gut: Die Polizei musste zu zahlreichen Einsätzen wegen Schlägereien, Körperverletzungen und viel Aggressivität ausrücken, auch kam es zu mehreren kleinen Bränden im Stadtgebiet. Im Großen und Ganzen wurde aber offenbar friedlich und lautstark in das neue Jahr hineingefeiert: ein Video vom großartigen Feuerwerk in Hechtsheim seht Ihr unten. Leider wurde die Sicht wegen Inversionswetterlage schnell vernebelt, auch war es eisig kalt. Macht nix: gefeiert wurde trotzdem ausgelassen. Mainz& macht jetzt noch einige Tage Pause und rüstet sich für den Ansturm von 2017 😉

Schon die Tage vorher waren Supermärkte und andere Verkaufsstellen von Feuerwerkskörpern geradezu geräubert worden. Und um Mitternacht ging es dann los: ganze Raketenschwärme, Böller und Leuchtfackeln machten die Nacht zum Tage und verscheuchten das doch arg gruselige Jahr 2016. Der wohl am meisten geäußerte Wunsch zum Start 2017 lautete denn wohl auch: Frieden, bitte! Weniger Konflikte, weniger Kriege, mehr friedliches Miteinander, bitte! Damit aber könnt Ihr direkt bei Euch vor der Haustür anfangen – buchstäblich.

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Beeidruckende Feuershow zum Start 2017 – Foto: gik

Denn in der Silvesternacht verzeichnete die Polizei zahlreiche Schlägereien, Raufereien und aggressive Auseinandersetzungen. Auf der Domplatte wurde ein 34 Jahre alter Wiesbadener zusammengeschlagen, auf der Fort Malakoff-Terrasse wurde ein Wiesbadener, 18 Jahre alt, ins Gesicht geschlagen und beleidigt. Auch bei einer dritten Schlägerei am Bahnhof war ein Wiesbadener involviert und Opfer einer Attacke, hier mit einer abgebrochenen Glasflasche. Und in einer Diskothek wurde eine stark alkoholisierte Langenerin so ausfällig, dass die Polizei sie in Gewahrsam nehmen musste – obwohl die Frau ihre 4-jährige Tochter dabei hatte.

In der Mombacher Straße gerieten drei Mainzer beim Abschießen von Feuerwerk miteinander in Streit, was dazu führte, dass zwei von ihnen auf einen 18-Jährigen losgingen – der ging zu Boden und erlitt eine Kopfwunde. Der 43-jährige Haupttäter war so aggressiv, dass ihn auch die Polizei nicht beruhigen konnte – die fand zudem zwei Messer bei ihm. Das scheint denn auch ein neuer Trend zu sein: Auf der Fort Malakoff-Terrasse soll am Silvesterabend ein Mann mit einer Pistole rumgefuchtelt haben, der Inhaber eines Dönerladens ging mit seinem Dönerspieß auf einen Gast los, der sich mit einem Taschenmesser wehrte – na toll.

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Happy New Year im Hechtsheimer Kirchenstück – Foto: gik

Und drei Mainzer, die in der Wormser Straße ihren allein lebenden Nachbarn einfach nur zur Party einladen wollten, wurden erst einmal Opfer des um sich schlagenden Mannes und dann von ihm im Treppenhaus mit Messern tödlich bedroht – vielen Dank auch. Man fragt sich wirklich, woher all die Aggressivität kommt…. Die Polizei ist in der gesamten Silvesternacht mit starken Einsatzkräften unterwegs gewesen, Übergriffe gegen Frauen oder vermehrte Belästigungen meldete sie keine einzige. In Gonsenheim brannte ein Bungalow völlig aus, in der Zanggasse setzte eine Rakete auf einem Balkon Müll in Brand, und einige betrunkene Autofahrer fielen auf.

Wir hoffen eindringlich, dass sich 2017 alle mal ein bisschen zusammenreißen 😉 Im Ernst: Frieden beginnt vor unserer eigenen Haustür, also lasst uns Konflikte lösen statt um uns zu schlagen. Und keine Sorge, das heißt nicht, dass wir Konflikte verschweigen oder Fehlentwicklungen nicht anprangern werden. Aber wie immer werden wir Fake-News entschieden bekämpfen und Euch spannende Geschichten basierend auf echten Fakten und recherchierten Informationen bieten. Wir freuen uns schon drauf!

Und hier unser Video vom Feuerwerk zum Jahreswechsel, aufgenommen im Hechtsheimer Kirchenstück.

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