UPDATE& — Mainz& exklusiv: Am 19. Oktober meldete die Mainzer Baufirma Karrié überraschend Insolvenz an, davon massiv betroffen: Das Mainzer Taubertsbergbad. Beim Umbau des städtischen Bades gibt es seither einen Baustopp, wie es weitergeht, ist bislang unklar. Und das hat massive Folgen für weitere Unternehmen: Nach Mainz&-Informationen haben bereits mehrere Subunternehmer Insolvenz anmelden müssen, weitere sind vom Aus bedroht. Nun klagen zwei Firmen aus Mainz und Wöllstein: Man habe sich auf die Stadt Mainz als vertrauenswürdige Auftraggeberin verlassen – nun werde man im Stich gelassen. Inzwischen gibt es auch dazu eine Rückmeldung aus dem OB-Büro.

Inga Skudiene in ihrer Schreinerei Informo in Mainz-Hechtsheim: Ende des Jahres gehen hier die Lichter aus. - Foto: gik
Inga Skudiene in ihrer Schreinerei Informo in Mainz-Hechtsheim: Ende des Jahres gehen hier die Lichter aus. – Foto: gik

Am 7. Oktober präsentierte der Mainzer Bürgermeister Günter Beck (Grüne) stolz der Presse die Fortschritte beim Bau des Mainzer Taubertsbergbades: Der Umbau sei „sehr weit gediehen“, der Sportbereich „so gut wie startbereit“, auch der Wellness und Spa-Bereich würden im Dezember fertig. 12 Tage später meldete der Generalunternehmer, die Karrié Bau GmbH überraschend Insolvenz an – seither herrscht Baustopp im Bad und große Verunsicherung bei den beteiligten Baufirmen.

„Ich mache morgen oder übermorgen hier die Tür zu – und dann war’s das mit meiner Firma“, sagt Inga Skudiene, und man merkt wie schwer ihr das fällt. Vor vier Jahren gründete die heute 42-jährige gebürtige Litauerin die Schreinerei Informo, die sich auf die Herstellung hochwertiger Möbel in Maßarbeit spezialisiert hat. Die junge Firma hat bereits eine Reihe beeindruckender Projekte in Mainz realisiert: Informo baute den neuen Hofladen des Pankratiushofes in Mainz-Hechtsheim und gestaltete die Sakristei der Kirche St. Peter neu.

- Werbung -
Werben auf Mainz&
Werbung

 

Informo, Rheinhessenmöbel: Unverschuldet in die Insolvenz?

Skudiene hat Projekte in Litauen und Italien umgesetzt, für Lufthansa und Boehringer Ingelheimer gearbeitet – doch jetzt ist die Ingenieurin in Holzverarbeitungstechnologie und ausgebildeter Master in Marketing am Ende. „Meine Nerven liegen blank, ich kann nicht mehr“, sagt Skudiene: „Ich probiere die Firma zu retten, aber niemand redet mit uns.“ Sie bekomme einfach keine Ansage, wie es weitergehe – und am Jahresende gehen bei ihrem Betrieb in Mainz-Hechtsheim die Lichter aus.

Die von Skudienes Firma Informo neu gestaltete Sakristei der Mainzer Kirche St. Peter. - Foto: Informo
Die von Skudienes Firma Informo neu gestaltete Sakristei der Mainzer Kirche St. Peter. – Foto: Informo

Skudienes Problem heißt Taubertsbergbad: Die Insolvenz des Generalunternehmers Karrié Bau und dem Baustopp am Taubertsbergbad stand über Nacht ihr eigenes Unternehmen völlig unverschuldet mit auf der Kippe – und sie ist nicht die Einzige. Rund zwei Dutzend Subunternehmer könnten von der Pleite der Mainzer Baufirma betroffen sein, mehrere mit in den Abgrund gerissen werden. „Am 29. Oktober haben wir den Anruf bekommen: bitte alle Arbeiten stoppen, Karrié ist insolvent“, sagt Tobias Schaaf, Gründer und Geschäftsführer von Rheinhessenmöbel: „Kurz zuvor wurden uns noch Zahlungen zugesagt, am Montag hieß es noch: Ihr müsst liefern – doch statt der Zahlung kam die Insolvenz.“

Schaafs Firma Rheinhessenmöbel steht für hochwertige Möbelfertigung und Holzhandel, gemeinsam mit einer angeschlossenen Schreinerei „sind wir der größte holzverarbeitende Betrieb in der Region“, sagt Schaaf. Seine Firma fertigte im Auftrag von Informo die hochwertigen Holzmöbel für den Saunabereich des Taubertsbergbades, dazu gehöre die ganze Saulandschaft mit Poolbar und Außenküche, jede Menge Bänke, Regale sowie Betten im Ruhebereich, alles Spezialanfertigungen.

Werbung

 

„Uns fehlt das Gehör, jegliche Rückmeldung, auch von OB Haase“

Das gesamte Auftragsvolumen für die beiden Firmen beträgt rund 700.000 Euro, „für uns war das ein Vorzeigeprojekt“, sagt Skudiene. Im Mai sei Karrié Bau auf sie zugekommen, inzwischen seien ihre Leistungen zu 88 Prozent fertig produziert, bei Schaaf sind es sogar 95 Prozent. Doch Probleme habe es fast von Anfang an gegeben: Karrié habe nie Rechnungen vollständig bezahlt, Zahlungsziele seien nie eingehalten worden, kritisiert Schaaf – jetzt ist auch seine Firma von der Insolvenz bedroht.

Hochwertige Regale und Bänke der Firma Informo im Mainzer Taubertsbergbad, gefertigt von Rheinhessenmöbel. - Foto: Informo
Hochwertige Regale und Bänke der Firma Informo im Mainzer Taubertsbergbad, gefertigt von Rheinhessenmöbel. – Foto: Informo

„Wir sind breit aufgestellt, arbeiten bundesweit und haben etwas Reserven“, sagt Schaaf im Gespräch mit Mainz&: „Aber wenn ich eine Viertelmillion nicht kriege, wird es auch bei uns eng.“ Seine Belegschaft müsse er deshalb Anfang 2026 in Kurzarbeit schicken, „ich muss von einer Wirtschaftskrise sprechen: Im nächsten Frühjahr droht auch uns das Aus“, sagt er. Sein Problem: „Es gibt keinerlei Information“, kritisiert er: „Uns fehlt das Gehör, jegliche Rückmeldung, alle Versuche waren erfolglos – und ich denke, dass es den anderen Firmen auch so geht.“

Ihre Forderung: Die Stadt Mainz und deren Stadtwerke müssten endlich sagen, wie es mit dem Taubertsbergbad weiter gehe. „Bauherr ist am Ende ist die Stadt Mainz“, betont Skudiene, „die müssen doch irgendwas sagen.“ Briefe habe sie geschrieben, reihenweise, an die Stadtwerke Mainz, an den Mainzer Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos), nichts habe geholfen. „Es kam einfach keine Reaktion“, klagt sie – lediglich aus dem Wirtschaftsdezernat habe sie Anfang Dezember einen Anruf bekommen.

Werbung

 

„Wir haben gedacht, städtisches Projekt – was soll da passieren?“

„Es gibt keine Informationen von Seiten der Stadt, es gibt keine schnelle Entscheidung“, kritisiert auch Schaaf: „Wir haben immer gedacht, Karrié, große Baufirma, ein städtisches Projekt, was soll da passieren?“ Bis Februar, spätestens März müsse er wissen, wie es weiter gehe. Der Insolvenzverwalter sage zwar, das Projekt werde „irgendwann weitergehen – aber das Problem für und ist: es kommt keine richtige Information“, sagt Schaaf. Es sei völlig unklar, welche Variante in Zukunft bei Karrié greife, „mit einer neuen Firma sind aber alle unsere Verträge hinfällig.“

Startschuss für den großen Umbau des Taubertsbergbades im Oktober 2023 mit OB Nino Haase und Generalunternehmer Karrié. - Foto: Stadt Mainz
Startschuss für den großen Umbau des Taubertsbergbades im Oktober 2023 mit OB Nino Haase und Generalunternehmer Karrié. – Foto: Stadt Mainz

Erwartet hätten sie, „dass die Stadt Mainz einspringt“, sagt Schaaf, dass es eine bessere Kommunikation von Seiten der Stadt mit den betroffenen Subunternehmern gebe – „und dass regionale Unternehmen unterstützt würden. „Ich wäre auch jederzeit für einen Deal bereit gewesen, irgendeinen Vorschlag, irgendeine Lösung“, sagt Schaaf – aber mit ihnen werde einfach nicht geredet. Die Stadtwerke Mainz sagten lediglich, sie seien ja auch betroffen, „aber die sitzen eben nicht im selben Boot wie wir – bei uns geht es um die Existenz“, kritisiert Schaaf: „Wir fühlen uns da verhoben, gerade auch von Karrié.“

Für Informo sieht es ganz düster aus, Skudiene stellte am 31. Oktober Insolvenzantrag, schon die Gehälter für Oktober habe sie nicht bezahlen können. Von sieben Mitarbeitern zu Jahresbeginn seien noch zwei übrig, sie habe Schulden bei ihren Lieferanten, brauche eine schriftliche Bestätigung, dass es irgendwie weiter gehe. „Wenn ich bis nächste Woche nichts höre, hole ich meine Möbel wieder raus“, sagt sie – dann stehe das Taubertsbergbad kurz vor der geplanten Eröffnung ohne Inneneinrichtung da.

Werbung

Stadtwerke: Insolvenz von Subunternehmern „höchst bedauerlich“

Bei den Mainzer Stadtwerken heißt es auf Mainz&-Anfrage, es sei „höchst bedauerlich, wenn die Insolvenz des Generalunternehmers Folgeinsolvenzen bei Subunternehmen auslöst.“ Gleichwohl wolle man darauf hinweisen, dass der Mainzer Stadtwerke Unternehmensgruppe durch die verzögerte Fertigstellung der Anlage selbst erhebliche Schäden entstanden seien, „wir also gleichfalls Geschädigte sind.“

Die Stadtwerke Mainz sind seit 2018 Besitzer des Mainzer Taubertsbergbades. - Foto: gik
Die Stadtwerke Mainz sind seit 2018 Besitzer des Mainzer Taubertsbergbades. – Foto: gik

Die nach dem Generalunternehmervertrag geschuldeten Vergütungen seien von Seiten der Mainzer Stadtwerke Unternehmensgruppe an die Karrié Bau GmbH „stets ordnungsgemäß und pünktlich geleistet worden“, ob und wann die Karrié BauGmbH ihre Subunternehmen vergütet habe, könne man nicht beurteilen. „Das gilt auch für die Frage nach der Kommunikation zwischen der Karrié Bau GmbH, dem für diese bestellten vorläufigen Insolvenzverwalter und den Subunternehmen“, betonten die Stadtwerke weiter. Weil man mit Subunternehmern wie Informo keine vertraglichen Beziehungen habe, habe man mit ihnen auch keine Verhandlungen aufgenommen.

„Wir haben uns jedoch mit Nachdruck darum bemüht, auf jegliche Kontaktanfrage von Subunternehmen umgehend zu reagieren“, so die Stellungnahme der Stadtwerke weiter – es habe auch Austausch zwischen dem vorläufigen Insolvenzverwalter der Informo GmbH sowie dem anwaltlichen Vertreter der Mainzer Stadtwerke gegeben. Derzeit werde weiterhin die Möglichkeit einer Fertigstellung des Bauprojekts am Taubertsberg geprüft, weitere Fragen müssten an den vorläufigen Insolvenzverwalter der Karrié Bau GmbH gerichtet werden.

Werbung

Matz: Karrié muss Verhältnis zu Subunternehmern klären

Rechtsanwalt Götz Lautenbach wiederum antwortete auf Mainz&-Anfrage, es würden „weiterhin Gespräche mit allen Beteiligten geführt, um das Bauvorhaben möglichst schnell fertigzustellen.“ Er stehe „in aussichtsreichen Verhandlungen mit einem Investor“, der den operativen Geschäftsbetrieb der Karrié Bau sowie das Projekt Taubertsbergbad fortführen wolle. Das Insolvenzverfahren diene dazu, „die Ansprüche von Gläubigern bestmöglich zu befriedigen“, betonte Lautenbach weiter. Wie hoch eine mögliche Quote ausfallen werde, könne aber zum jetzigen Zeitpunkt „naturgemäß nicht beurteilt werden.“

Die Mainzer Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU). - Foto: Matz
Die Mainzer Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU). – Foto: Matz

Die Mainzer Wirtschaftsdezernentin Manuela Matz (CDU) betont derweil im Gespräch mit Mainz&, die Lage der Subunternehmer sei „sehr, sehr bedauerlich, das tut mir auch Leid. Es ist mir sehr wichtig, dass wir da ein offenes Ohr für Unternehmen der Stadt Mainz haben und uns kümmern, gerade wenn sie in Schieflage geraten“, unterstrich Matz.

Bei dem Insolvenzverfahren müsse aber nun einmal erst eine Sachverhaltsaufklärung stattfinden sowie eine Wertermittlung. Es müsse geklärt werden, welche Zahlungen zwischen Stadtwerken und Karrié geflossen seien, „und Karrié muss das Verhältnis zu den Subunternehmern klären“, so die Dezernentin weiter. Viel Hoffnung machen, was die Rolle der Stadt angeht, kann sie indes nicht: „Wir haben keine Möglichkeit, finanziell unter die Arme zu greifen“, sagte Matz.

UPDATE&: Inzwischen äußerte sich die städtische Pressestelle auch zu den Briefen an OB Haase persönlich: Das Schreiben der Geschäftsführerin der Informo GmbH an den Oberbürgermeister sei „zur Beantwortung an die Mainzer Stadtwerke weitergeleitet“ worden, teilte die städtische Pressestelle mit. Denn die Stadt stehe „in keiner geschäftlichen Beziehung zum Generalunternehmer oder gar zu den einzelnen Subunternehmen.“ Man gehe davon aus, dass die Stadtwerke der Informo GmbH geantwortet hätten -, was die Stadtwerke dazu geantwortet hatten, steht oben.

Werbung

 

Wieso agieren die Überlandwerke Groß-Gerau als Bauherr?

UPDATE&: Doch Aufklärung wird womöglich nicht nur in Sachen Karrié fällig, auch an die Mainzer Stadtwerke könnte es weitere Fragen geben: Nach Mainz&-Recherchen traten die Stadtwerke Mainz beim Taubertsbergbad gar nicht als Bauherr auf – sondern die Überlandwerke Groß Gerau. Das bestätigte Karrié Bau schriftlich gegenüber Mainz& am Freitagmittag, in der Email ist explizit von „unser Bauherr, die ÜWG Groß-Gerau GmbH“ (sic!) die Rede. Die aber ist eigentlich ein Energieversorger und Spezialist für Stromanschlüsse, Photovoltaik und Straßenbeleuchtung – und eine 95-prozentige Tochter der Mainzer Stadtwerke.

So soll einmal ein Teil des neuen Erlebnisbades, die Fasssauna laut der Pläne aus 2023 aussehen. - Grafik: Mainzer Stadtwerke
So soll einmal ein Teil des neuen Erlebnisbades, die Fasssauna laut der Pläne aus 2023 aussehen. – Grafik: Mainzer Stadtwerke

Warum die ÜWG als Bauherr am Taubertsberg tätig wurde und nicht die Stadtwerke selbst – dazu teilten die Stadtwerke am Abend mit: „Auftraggeber für den Generalunternehmer Karrié ist die Mainzer Stadtbad GmbH.“ mit der ÜWG sei wohl „die ÜWG Engineering GmbH gemeint“, diese sei eine 100-prozentige Tochter der Überlandwerke Groß-Gerau GmbH und steuere und koordiniere stadtwerkeintern das Projekt Umbau Taubertsbergbad. Die ÜWG Engineering sei aber „ist kein Auftraggeber für Karrié“ -wo sie aber uns gegenüber genauso benannt wurde.

Die Stadtwerke Mainz hatten nach der Pleite des Vorbesitzers Deyle zum 1. Januar 2018 das Taubertsbergbad wieder übernommen, und dafür die Mainzer Stadtbad GmbH gegründet. Die Generalsanierung des maroden Bades hat ein Gesamtvolumen von rund 29 Millionen Euro, Wiedereröffnung sollte Mitte Dezember  2025 sein. Dazu hieß es nun von Seiten der Stadtwerke: Es werde „weiterhin die Möglichkeit einer Fertigstellung des Bauprojekts geprüft“, die Gespräche mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter dauerten an. Einen neuen Zeitplan gebe es vorerst nicht.

Info& auf Mainz&:  Mehr zum großen Umbau des Mainzer Taubersbergbades lest Ihr hier auf Mainz&. Und hier beim Taubertsbergbad selbst.