In Mainz herrscht nun wieder Alarmstufe Rot: Die Landeshauptstadt  übersprang am Freitag erneut die Schwelle der 50-er Inzidenz bei den Coronainfektionen, das Gesundheitsamt meldete erstmals seit Wochen wieder den Wert von 50. Bleibt das so, drohen kommende Woche wieder erneute Einschränkungen und eine neuerliche Schließung der Läden: Die landesweite Inzidenz in Rheinland-Pfalz lag am Freitag am zweiten Tag in Folge ebenfalls über 50 – und die Zahlen steigen weiter. „Die dritte Welle hat schon begonnen“, warnte der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, am Freitag in Berlin – nun gelte es, die Welle so klein wie möglich zu halten. Besorgniserregend nannte Wieler dabei vor allem den Anstieg der Fallzahlen bei Kinder und Jugendlichen.

RKI-Präsident Lothar Wieler bei einer Pressekonferenz in Berlin. - Foto: gik
RKI-Präsident Lothar Wieler bei einer Pressekonferenz in Berlin. – Foto: gik

Lothar Wieler war wieder einmal besorgt, und wieder einmal hatte der RKI-Präsident guten Grund: Genau ein Jahr nach dem Ausbruch der Corona-Pandemie in Deutschland befindet sich das Land am Beginn einer dritten Welle. „Die Pandemie ist nicht vorbei, im Gegenteil“, warnte Wieler am Freitag vor der Bundespressekonferenz, die dritte Welle sei da, jetzt gelte es, den Anstieg der Infektionen so flach zu halten wie möglich. „Wir müssen verhindern, dass die Fallzahlen explodieren“, mahnte Wieler – ansonsten drohe die gleiche Situation wie vor Weihnachten. „Ich bitte Sie: halten Sie sich an die Regeln. Reduzieren Sie weiterhin Ihre Kontakte“, betonte Wieler, und unterstrich: Der Anstieg hänge nicht mit der gestiegenen Anzahl der Tests zusammen.

Grund für die erneut schnell steigenden Corona-Infektionen ist die neue Virus-Mutation B.1.1.7, die sich derzeit rasant ausbreitet und bereits fast zwei Drittel der neuen Infektionen ausmacht. Das Problem dabei: B.1.1.7 ist deutlich ansteckender, von bis zu 75 Prozent gehen Experten aus. Und während die Infektionszahlen und vor allem auch die Todeszahlen bei den älteren Menschen deutlich sinken, steigen sie bei einer anderen Personengruppe stark an: Bei den Kindern und Jugendlichen. „Wir sehen in den Kitas, insbesondere bei den 0-5-Jährigen, einen starken Anstieg“, sagte Wieler – wir zitieren den RKI-Präsidenten nach dem Ticker der Frankfurter Rundschau.

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Die aktuelle Heatmap des Robert-Koch-Instituts zu Infektionen in den verschiedenen Altersgruppen. - Foto: gik
Die aktuelle Heatmap des Robert-Koch-Instituts zu Infektionen in den verschiedenen Altersgruppen. – Foto: gik

So weist die sogenannte Heatmap des RKI aktuell erhebliche Steigerungsraten gerade bei Kindern und Jugendlichen auf: Die Sieben-Tages-Inzidenz bei den 15- bis 19-Jährigen liegt inzwischen bei 81, und damit höher als in allen Gruppen der über 70-Jährigen. Bei den 10- bis 14-Jährigen stieg die Inzidenz von 38 in Woche 6 auf inzwischen 62 an, bei den Kindern zwischen 5 und 9 Jahren im gleichen Zeitraum sogar von 37 auf 72.

Studie Sachsen: Verdreifachung der Fallzahlen bei Schülern

Den gleichen Trend der Zahlen bestätigt auch der Leipziger Epidemiologe Markus Scholz: Während die Infektionen bei allen Erwachsenengruppen stagnierten oder sogar sänken, „steigen sie bei allen Altersbereichen zwischen 0 und 15 Jahren rapide an“, sagte Scholz im Gespräch mit Mainz& – und zog einen Zusammenhang mit den kürzlich erfolgten Schulöffnungen. Sachsen habe Mitte Februar die Grundschulen wieder geöffnet, und zwar ohne Maskenzwang, berichtete der Leipziger Universitätsprofessor, vier Wochen danach „sehen wir, dass die Fallzahlen bei Kinder und Jugendlichen explodieren – da ist eine Verdreifachung der Fallzahlen zu beobachten.“

Infektionen in Sachsen mit starkem Anstieg der Fallzahlen bei Kindern zwischen 5 und 14 Jahren. - Grafik: Scholz
Infektionen in Sachsen mit starkem Anstieg der Fallzahlen bei Kindern zwischen 5 und 14 Jahren. – Grafik: Scholz

Sachsen begleitet seine Schulöffnungen mit einer flankierenden wissenschaftlichen Studie, Scholz gehörte zu den wissenschaftlichen Experten, die im Dezember von Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) zu einem Expertengespräch geladen war, schon damals hatte er der Darstellung der Ministerin, Schulen seien „keine Treiber der Pandemie“ vehement widersprochen. Schulen seien genauso Teil des Infektionsgeschehens wie andere Bereiche der Gesellschaft auch, betonte Scholz, die neuesten Zahlen bestätigten dies aus seiner Sicht: Die steigenden Zahlen seien „ein ganz klarer Hinweis, dass dies auf die Schulöffnungen zurückzuführen ist“, betonte Scholz: „Die Kinder stecken sich in Zusammenhang mit Schule an – ob in der Klasse, auf dem Weg dahin oder auf dem Schulhof.“

In Rheinland-Pfalz betonte das Landesuntersuchungsamt (LUA) Rheinland-Pfalz noch Anfang März hingegen, das Infektionsrisiko gerade in Schulen sei sehr gering, Schulen seien kaum Infektionsherde. Das LUA hatte Daten der Gesundheitsämter zu Infektionsgeschehen in Schulen ausgewertet, Scholz sagte dazu nun, die Analyse des LUA sei „nicht zu beanstanden“, beruhe aber auf einer „problematischen Datenlage“: Ausgewertet worden seien nur die den Ämtern gemeldeten positiven Tests, doch Personen ohne Krankheitssymptome seien im vergangenen Herbst gar nicht mehr getestet worden – das führe zu einer Verzerrung der Datengrundlage.

In vielen Klassenzimmern fehlen weiter Lüftungsanlagen wie diese hier des Mainzer MPI Chemie. - Foto: MPIC
In vielen Klassenzimmern fehlen weiter Lüftungsanlagen wie diese hier des Mainzer MPI Chemie. – Foto: MPIC

Tatsächlich hatte Rheinland-Pfalz im November 2020 die Regeln für Quarantäne und Tests in den Schulklassen geändert: Nach der Einführung einer Maskenpflicht in den weiterführenden Schulen wies das Mainzer Bildungsministerium die Schulen an, im Fall einer Infektion nur noch die betroffenen Schüler selbst sowie ihre unmittelbaren Sitznachbarn in Quarantäne zu schicken – nicht aber mehr die gesamte Klasse. Getestet wurden die Sitznachbarn aber nicht, sofern sie selbst keine Symptome zeigten, inwiefern sich also Infektionsketten in den Schulklassen verbreiteten, wurde gar nicht erfasst. Gerade bei Kindern und Jugendliche gebe es aber sehr viele asymptomatische, sagte Scholz: „Wir wissen, dass bei Kindern eine um den Faktor sechs höhere Dunkelziffer vorliegt.“

Die LUA-Untersuchung wertete zudem Daten bis Dezember 2020 aus – die neue Virusmutation B.1.1.7 war da in Deutschland noch gar nicht erfasst worden und noch kaum aufgetreten. Durch die Mutation müsse aber mit einer 75 Prozent höheren Ansteckungsquote gerechnet werden, sagte Scholz. Dass die Infektionen jetzt in Zusammenhang mit den Schulöffnungen stiegen, „ist ein Alarmsignal“, betonte er.

Seit dieser Woche können sich alle Bürger kostenlos auf das Coronavirus testen lassen. - Foto: gik
Seit dieser Woche können sich alle Bürger kostenlos auf das Coronavirus testen lassen. – Foto: gik

Die CDU-Opposition forderte deshalb nun kurz vor der Landtagswahl am Sonntag noch einmal das Land dürfe nicht nur die Grundschullehrer und Erzieherinnen, sondern müsse umgehend auch die Lehrer der weiterführenden Schulen impfen – so, wie Baden-Württemberg das bereits tut. Die Mainzer CDU forderte nun, es brauche dringend eine Teststrategie für die Schulen. „Angesichts der zahlreichen Kontakte in der Schule, wäre es dringend erforderlich, flächendeckend Tests durchzuführen“, forderte der Mainzer CDU-Fraktionsvorsitzende Hannsgeorg Schönig: „Wir müssen den Unterricht in den Mainzer Schulen so gut wie möglich sicherstellen und unsere Kinder schützen.“

Nach Vorstellung der CDU sollten Ärzteteams zwei Mal pro Woche an allen rheinland-pfälzischen Schulen Lehrer und Schüler testen. Stattdessen habe die Landesregierung gerade ein Testprojekt der Landrätin Bettina Dickes (CDU) im Kreis Bad Kreuznach gestoppt, kritisierte Schönig. Dickes hatte in den Kitas ihres Landkreises mit systematischen Tests begonnen, eine infizierte Erzieherin und eine Köchin habe man so frühzeitig ausfindig machen können, berichtete Dickes in einem Schreiben, das Mainz& vorliegt. Doch das Land habe ihr nun eine Fortführung untersagt – mit Hinweis auf eine Teststrategie des Landes, „die irgendwann im April umgesetzt werden soll“, kritisierte Dickes. Wie wolle man denn Infektionsgeschehen erkennen, „wenn ich nicht teste“, kritisierte die CDU-Bildungsexpertin im Landtag, Anke Beilstein: „Dieser Kurs ist gesundheitsgefährdend.“

Müssen Läden kommende Woche wieder schließen?

Wegen des Anstiegs der Infektionen droht nun den Geschäften wieder die Schließung. - Foto: gik
Wegen des Anstiegs der Infektionen droht nun den Geschäften wieder die Schließung. – Foto: gik

Öffnungsgefährdend ist nun die Entwicklung der Neuinfektionen in Rheinland-Pfalz: In Mainz kletterte die Sieben-Tages-Inzidenz am Freitag nun wieder auf 50, Mainz erreicht damit wieder die Alarmstufe Rot. Schlimmer noch: Die Inzidenz im Land Rheinland-Pfalz lag am Freitag bei 53,8, und damit den zweiten Tag in Folge über der 50er-Marke. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte dazu am Donnerstagabend in der Runde der Spitzenkandidaten im SWR wörtlich, das sei „nicht so schön“ – den Einzelhändlern drohen nun aber wieder erhebliche Einschnitte: Dreyer selbst hatte bei ihrer Pressekonferenz zur Öffnung der Läden betont, wenn die Inzidenz an drei Tagen in Folge im Land über die 50 steige, müsse reagiert werden. Regionen, die dann ebenfalls über 50 lägen, müssten die Geschäfte wieder schließen und zurück zum Terminshopping.

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Öffnungen der Läden und was das für die Einzelhändler bedeutet lest Ihr hier bei Mainz&. Seit dieser Woche gibt es kostenlose Schnelltests für alle Bürger, wo man diese in Mainz bekommt, und wie es funktioniert, lest Ihr hier bei Mainz&.

 

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