Der sechsspurige Ausbau der Autobahn A643 in der Verlängerung der Schiersteiner Brücke wird kommen: Das Bundesverkehrsministerium lehnt eine Änderung der Pläne kategorisch ab. Der Ausbau sei auch „verkehrlich notwendig“, sagte nun der Parlamentarische Staatssekretär aus dem Bundes-Verkehrsministerium, Oliver Luksic, bei einem Termin in Wiesbaden: „Wir können nicht jeder Situation wieder von vorne anfangen.“ Unterstützung erhält der Bund von der Autobahn GmbH West – und vom Wiesbadener Verkehrsdezernenten Andreas Kowol (Grüne): Der dreispurige Ausbau sei notwendig, sagte Kowol der Internetzeitung Mainz&: „Sonst wäre es ein Treppenwitz.“

Die A643 führt von der Schiersteiner Brücke durch den Mainzer Sand - sie soll sechsspurig ausgebaut werden. - Foto: Andreas Undeutsch
Die A643 führt von der Schiersteiner Brücke durch den Mainzer Sand – sie soll sechsspurig ausgebaut werden. – Foto: Andreas Undeutsch

Der Ausbau der A643 auf sechs Spuren plus Standstreifen zwischen dem Autobahndreieck Mainz und der Schiersteiner Brücke ist seit Jahren in Mainz heftig umstritten, denn die Autobahn führt durch das europaweit einmalige Naturschutzgebiet „Mainzer Sand“. Naturschützer stemmen sich seit Jahren gegen den Ausbau und argumentieren, bereits jetzt sei das Naturschutzgebiet durch den Klimawandel stark geschädigt, der einzigartige Naturraum dürfe durch einen Autobahnausbau nicht weiter zerstört werden – es drohe der Verlust vieler seltener Arten.

Im März hatte ein Bündnis von zwölf Umweltorganisationen und Verkehrsverbänden eine Petition gegen den Ausbau gestartet: Die Initiatoren fordern von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) den sofortigen Stopp des Planfeststellungsverfahrens und mehr Einsatz für die Verkehrswende. Bereits im Februar hatte sich der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) gemeinsam mit der Mainzer Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) in einem Brief an Wissing gewandt und gebeten, den Ausbau zu überdenken – in Mainz präferiere man weiter die “4+2”-Lösung.

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Doch daraus wird wohl nichts: Das Bundesverkehrsministerium lehnt ein Wiederaufschnüren der Ausbaupläne strikt ab. „Wir können nicht jede Situation wieder von vorne anfangen“, sagte der Parlamentarische Staatssekretär aus dem Bundes-Verkehrsministerium, Oliver Luksic, am Montag auf Frage von Mainz&. Luksic war in Wiesbaden, um den Baufortschritt bei der Salzbachtalbrücke zu begutachten und betonte dabei: Gerade um die A66, die Salzbachtalbrücke und die Schiersteiner brücke herum „müssen wir einiges an Engpässen beseitigen.“

Der Parlamentarische Staatssekretär aus dem Bundes-Verkehrsministerium, Oliver Luksic (ganz links) am Montag bei der Pressekonferenz an der Salzbachtalbrücke. - Foto: gik
Der Parlamentarische Staatssekretär aus dem Bundes-Verkehrsministerium, Oliver Luksic (ganz links) am Montag bei der Pressekonferenz an der Salzbachtalbrücke. – Foto: gik

Das gelte auch für den Ausbau der A643, betonte Luksic auf Mainz&-Nachfrage: Die Region sei verkehrlich hoch belastet, der Ausbau der A643 auch verkehrlich notwendig. Bei der Autobahn GmbH des Bundes, warnt man zudem: „Wenn man alles auf Stopp setzen will, muss man sich klarmachen: dann fangen wir wieder von vorne an“, sagte Ulrich Neuroth, Chef der Niederlassung West der Autobahn GmbH: „Dann dauert der Ausbau weitere zehn Jahre.“

Notwendig sei der Ausbau in jedem Fall, betont man bei der Autobahn GmbH: Auf der Schiersteiner Brücke sei der Verkehr „drastisch angestiegen“, rund 90.000 Fahrzeuge passierten die Brücke jeden Tag – und diese Zahl stammt noch aus dem Jahr 2012. Inzwischen sind die Pendlerströme weiter angestiegen, gerade aus dem Rheinhessischen gebe es inzwischen viele Pendler, die über die Schiersteiner Brücke ins westliche Rhein-Main-Gebiet zur Arbeit pendelten.

 

Erst Ende 2018 hatte Volker Wissing, damals Verkehrsminister in Rheinland-Pfalz, nach Jahren der Verzögerung das Planfeststellungsverfahren für den sechsspurigen Ausbau der A643 gestartet, der Beschluss selbst und damit Baurecht sollten eigentlich 2021 stehen – doch daraus wurde nichts: Das Verfahren läuft noch immer, die Planer mussten mehrfach neue Gutachten und Pläne beibringen. Auch 2022 werde man das Verfahren nicht abschließen können, sagte Neuroth nun auf Mainz&-Nachfrage: „Die Dinge sind im Fluss.“

Visualisierung der Ausbaupläne für die A643 durch den Mainzer Sand. - Grafik: Autobahn GmbH /LBB
Visualisierung der Ausbaupläne für die A643 durch den Mainzer Sand. – Grafik: Autobahn GmbH /LBB

Es habe neue Auflagen der EU gegeben, man brauche eine Ausnahmegenehmigung wegen der Eingriffe in das Naturschutzgebiet, räumte Neuroth ein. Den Widerstand könne er trotzdem nicht ganz nachvollziehen, sagte Neuroth noch: Das meiste der Bauarbeiten werde „in der Höhe passieren“ und damit das Naturschutzgebiet weniger beeinträchtigen. Tatsächlich steht die Vorlandbrücke in der Verlängerung der Schiersteiner Brücke auf Stelzen, die Autobahn soll im Vollausbau zudem lediglich sieben Meter breiter werden als vorher.

Zudem wird die Autobahn in Höhe des Mainzer Sands eine breite Grünbrücke für Tiere und Pflanzen sowie erstmals überhaupt Lärmschutzwände bekommen. Das sei aber nur mit einem sechsspurigen Ausbau möglich, argumentieren die Planer – die vor Jahren in Mainz entwickelte Kompromisslösung einer „4+2“-Lösung lehnen sie ab. Seitdem der Neubau der Schiersteiner Brücke als sechsspuriger Ausbau konzipiert wurde, malles alles andere als ein sechsspuriger Ausbau im Anschluss keinen Sinn – auch, um das massiv gestiegene Verkehrsaufkommen auch in Zukunft noch bewältigen zu können.

 

Unterstützung für den Ausbau k0ommt nun von unerwarteter Seite: Andreas Kowol, Verkehrsdezernent der Grünen in Wiesbaden, sprach sich im Gespräch mit Mainz& deutlich für den sechsspurigen Ausbau aus. „Wir haben auf der A66 relativ viel Verkehr aus Rheinland-Pfalz und Rheinhessen“, sagte Kowol, darunter seien viele Berufspendler, aber auch viel Handelsverkehr und Tourismus.

Der Wiesbadener Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Grüne) bei einer Pressekonferenz an der Salzbachtalbrücke im Juni 2021. - Foto: gik
Der Wiesbadener Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Grüne) bei einer Pressekonferenz an der Salzbachtalbrücke im Juni 2021. – Foto: gik

„Wir sind ein sehr stark wachsender Ballungsraum, das wird nun einmal weiter ein starkes Autoaufkommen zur Folge haben“, sagte Kowol. Egal, wie sehr man sich wünsche, dass die Leute auf die Bahn umstiegen, „man muss mit dem Umland rechen, das ist einfach die Realität“, betonte er. Kowol erlebt gerade in Wiesbaden hautnah, was geschieht, wenn man eine Haupt-Verkehrsader kappt: Seit der Havarie der Salzbachtalbrücke vor genau einem Jahr quälen sich die Pendlerströme jeden Tag durch Wiesbaden.

Der Schleichverkehr betreffe dabei auch die Wohngebiete, sagte Kowol, auch die seien „stark belastet, aber da können wir derzeit nicht eingreifen, das ist einfach so.“ Im Herbst werde sich die Lage erneut verschärfen, weil dann viele Pendler wieder von dem Fahrrad auf das Auto umstiegen, das werde „erhebliche Belastungen für Wiesbaden“ bedeuten, betonte Kowol.

 

Blick auf die Schiersteiner Brücke vom Mainzer Sand aus. - Foto: gik
Blick auf die Schiersteiner Brücke vom Mainzer Sand aus. – Foto: gik

Die Überlastung der Wiesbadener Straßen durch 70.000 bis 90.000 Fahrzeuge pro Tag, die sonst auf der A66 an Wiesbaden vorbeirollen, hat offenbar auch die Perspektiven des Verkehrsdezernenten verändert: „Man sollte wünschen, dass Menschen auch für kurze Wege die Autobahn nutzen, anstatt durch die Stadt zu fahren“, sagte Kowol – Mainz habe „den großen Vorteil“, einen Autobahnring zu besitzen. Der sechsspurige Ausbau der A643 sei in der Verlängerung der künftig sechsspurigen Schiersteiner deshalb notwendig, betonte Kowol: „Sonst wäre es ein Treppenwitz.“

Die Schiersteiner Brücke selbst ist übrigens kurz vor der Fertigstellung: Im Frühjahr 2023 soll nun auch der zweite Brückenteil fertig werden. Entgegen ursprünglicher Pläne soll die zweite Brücke dann auch schon zumindest teilweise in Betrieb gehen, sagte Neuroth nun. Weil es aber noch einen Höhenunterschied von einem Meter zwischen Brücke und Vorlandbrücke gebe, werde es in den Sommerferien 2023 eine Vollsperrung geben müssen, um den Unterschied auszugleichen. „Dann wäre die Brücke aber fertig und befahrbar“, sagte Neuroth, und warnte zugleich: „Dann können wir zwar über die Brücke fahren – aber auf der anderen Seite stockt es weiter.“

Info& auf Mainz&: Alle offiziellen Infos zum Neubau der Schiersteiner Brücke findet Ihr hier im Internet. Mehr zum wiederaufgeflammten Streit um den sechsspurigen Ausbau der A643 lest Ihr hier auf Mainz& und hier könnt Ihr noch einmal alles zur Petition gegen den Ausbau nachlesen. Was es Neues zum Neubau der Salzbachtalbrücke gibt, lest Ihr hier:

Salzbachtalbrücke: Erstes Brückenstück soll Ende 2023 fertig sein – 226 Stahlbauteile bilden neue Brücke