Paukenschlag in Wiesbaden und Mainz: Ab kommendem Montag fahren die Busse in Wiesbaden dauerhaft nur noch nach Samstagsfahrplan, in Mainz verkehren mehrere Linien weiter wie in den Ferien – und das, obwohl am 5. September die Sommerferien enden. Pünktlich zur Rückkehr in den Vollbetrieb reduziert die Wiesbadener ESWE ihr Angebot deutlich und gibt als Grund das massive Fehlen von Busfahrern an. Auch bei der Mainzer Mobilität werden Busfahrpläne ausgedünnt, fahren manche Linien weiter nur nach Ferienfahrplan.
Am Mittwoch lief das 9-Euro-Ticket aus, am Montag ist Schulstart in Rheinland-Pfalz und Hessen – auf die Urlaubsrückkehrer wartet dann ein wahrer Realitätsschock: An den Ticketautomaten gelten nicht nur die alten Ticketpreise, sondern die zum 1. Juli noch einmal um 3,9 Prozent gestiegenen Tarife im Rhein-Main-Verkehrsverbund. Doch den gestiegenen Preisen steht nun noch nicht einmal das volle Angebot der Verkehrsbetriebe zur Verfügung.
Man werde vom kommenden Montag an das Fahrplanangebot deutlich reduzieren, teilte die Wiesbadener ESWE am Mittwoch überraschend mit: Vom 5. September an fahren alle Linien montags bis freitags grundsätzlich nach dem Samstags-Fahrplan. Als Grund gibt das Wiesbadener Unternehmen massiven Personalmangel an: ESWE Verkehr leide unter dem bundesweiten Fachkräftemangel in der ÖPNV-Branche. „Derzeit fehlen täglich etwa 50 Busfahrer“, rechnete ESWE Verkehr vor. Das habe bereits in den vergangenen Wochen „zu einzelnen Fahrtausfällen im Liniennetz geführt“ und „zurecht für Verärgerung bei den Fahrgästen“ gesorgt.
Tatsächlich leidet ESWR Verkehr seit Monaten unter erheblichem Busfahrermangel – ein Grund dafür war ein hoher Krankenstand durch die Corona-Wellen im Winter und im Frühjahr. Schon zweimal, im Januar und im März, hatte das Wiesbadener Verkehrsunternehmen deshalb seinen Busbetrieb reduzieren müssen, auch die Corona-Sommerwelle sorgte für hohe Krankenstände. Bei keinem anderen Verkehrsunternehmen in der Region waren die Probleme so groß – zuletzt waren in Wiesbaden wiederholt Fahrten einfach ausgefallen, der Ärger war riesig.
Dazu aber kommt hausgemachter Ärger: Im März musste ESWE-Ko-Geschäftsführer Jörg Gerhard wegen massiver Vorwürfe gehen, von „Günstlingswirtschaft“ und einem „gekauften Betriebsrat“ ist die Rede – der Magistrat zeigte sich entsetzt, die Staatsanwaltschaft ermittelt. Der Ruf des Wiesbadener Verkehrsunternehmens ist schwer angeschlagen, auch das könnte dazu beitragen, dass ESWE Verkehr einfach keine neuen Busfahrer findet.
Seit Jahresbeginn hätten 58 Fahrer das Unternehmen auf eigenen Wunsch hin verlassen, zwölf weitere seien in die Rente gegangen, berichtete ESWE Verkehr nun selbst. Zur gleichen Zeit seien 42 Mitarbeiter, darunter fünf Rückkehrer, ins Unternehmen gekommen, damit habe man derzeit 750 Busfahrer – das reiche aber „in der aktuellen Phase nicht, um das volle Fahrplanangebot zuverlässig anbieten zu können.“
„Um dieser Entwicklung entgegenzutreten, hat ESWE Verkehr beschlossen, das Fahrplanangebot zu reduzieren“, teilte das Unternehmen nun mit: Das wichtigste Ziel laute, den Fahrgästen wieder einen verlässlichen Fahrplan anbieten zu können. „Wir drücken den Reset-Knopf und fahren das System langsam wieder hoch”, erklärte der verbliebene ESWE-Verkehr-Geschäftsführer Jan Görnemann, und betonte: „Wir sind uns bewusst, dass die Einschränkungen für unsere Fahrgäste gerade zum Schulstart ziemlich erheblich sind, aber wir müssen jetzt die Reißleine ziehen.“
Das Hauptziel laute, wieder Verlässlichkeit in den Fahrplan zu bekommen. „Alle Fahrgäste sollen sicher wissen, dass der Bus, auf den sie sich verlassen, auch wirklich kommt“, betonte Görnemann. Die Fahrplananpassung versetzte das Unternehmen in die Lage, wieder genug Reservefahrer vorzuhalten, um gezielt auf Strecken mit hoher Auslastung Zusatzfahrten anzubieten. Damit könnten Fahrer und Fahrzeuge wesentlich flexibler am tatsächlichen Bedarf orientiert eingesetzt werden. ESWE Verkehr werde außerdem ganztägig auf allen Linien alle verfügbaren Gelenkbusse einsetzen.
Gleichzeitig versichert das Unternehmen: man stelle zwar das Fahrplan-Grundgerüst unter der Woche auf den Samstags-Fahrplan um, wolle aber „trotzdem deutlich mehr Fahrten anbieten.“ So soll der morgendliche Schülerverkehr innerhalb Wiesbadens „auch weiterhin in vollem Umfang gewährleistet“ werden, betonte Görnemann – der Schülerverkehr soll ganz normal und ohne Einschränkungen laufen. Auf manchen Linien werden zudem Verstärkerfahrten zusätzlich zum Samstagsfahrplan geplant, man wolle „jeden verfügbaren Fahrer im Liniennetz einsetzen und für Entlastung sorgen“, sagte Görnemann.
„Die leider deutliche Fahrplanreduzierung hilft uns dabei, den Druck auf unsere Personalplanung und unser Personal rauszunehmen“, sagte ESWE-Geschäftsbereichsleiter Busbetrieb Martin Pächer. Die Kollegen arbeiteten „seit Monaten über dem Limit“ und bräuchten dringend Entlastung. Nun könnten Fahrer endlich Überstunden abbauen oder ihren verdienten Urlaub nehmen. „Wir haben als Arbeitgeber die Fürsorgepflicht, unsere Mitarbeiter zu schützen und ihnen wieder Luft zum Atmen zu geben“, betonte Pächer.
Die Fahrplanreduzierung in Wiesbaden hat aber auch Auswirkungen auf den Mainzer Busbetrieb, schließlich werden die Buslinien 6, 28 und 33 gemeinsam betrieben. Ausgerechnet die wichtige Verbindungslinie 6 wird nun ebenfalls auf den Samstagsfahrplan reduziert, ebenso die Linie 28. Die Linie 9 fährt in Mainz weiter nach dem Ferienfahrplan und nur zwischen Wiesbaden-Schierstein und dem Mainzer Hauptbahnhof.
Auch in Mainz hieß es am Mittwoch, die Personalsituation im Fahrdienst sei „weiterhin angespannt“, dazu kommt die andauernde Gleissanierung bei der Straßenbahntrasse in Mainz-Finthen. Die Gleissanierungen in Finthen würden „bis voraussichtlich Mitte Dezember andauern“, teilte die Mainzer Mobilität nun mit, in Gonsenheim dagegen werde die Gleissanierung bis zum Ende der Sommerferien abgeschlossen sein. Die Straßenbahnlinien 50 und 51 können dann zwar grundsätzlich wieder durch Gonsenheim von und bis Finthen fahren, jedoch nur bis zur Poststraße und nicht bis zur Römerquelle, die weiter nur per Bus angefahren wird.
Das führt auch in Mainz zu einer Ausdünnung des Busverkehrs, manche Linien wie die 63, die 69 und die 71 verkehren weiter nur wie zu Ferienzeiten. Schnell wird sich daran vorerst nichts ändern: Alle Neuerungen gelten auf Seiten der Mainzer Mobilität bis zum 1. November 2022.
Info& auf Mainz&: Alle Sonderfahrpläne findet Ihr auf der Internetseite der ESWE Wiesbaden und hier bei der Mainzer Mobilität, die wichtigsten Änderungen auf Mainzer Seite jetzt hier im Überblick:
- Linie 6: fährt montags bis freitags grundsätzlich bis ca. 22.30 Uhr nach dem Samstag-Fahrplan, danach nach dem normalen Montag-Freitag-Fahrplan. Zusätzliche Fahrten zwischen Gonsenheim und dem Mainzer Hauptbahnhof zwischen ca. 4:30 und 8:30 Uhr.,
- Linie 9: fährt wie in den Sommerferien und nur zwischen Wiesbaden-Schierstein und Mainz/Hauptbahnhof
- Linie 28: fährt nach Samstags-Fahrplan, alle Fahrten gehen aber bis zum Mainzer Bismarckplatz
- Linie 33: fährt nach Samstags-Fahrplan
- Linie 59: Fährt tagsüber nur noch bis ca. 12.00 Uhr.
- Linie 63: fährt weitgehend nach Ferienfahrplan und grundsätzlich nur zwischen Weisenau und Hauptbahnhof; Ausnahme: Montags bis freitags morgens finden Fahrten ab Mombach statt.
- Linie 69: fährt weitgehend nach Ferienfahrplan und nur zwischen Bodenheim und Hechtsheim/Mühldreieck (mit Straßenbahnanschluss).
- Linie 71: fährt nahezu nach Ferienfahrplan und nur zwischen Finthen und Neustadt/Straßenbahnamt; Ausnahme: Montags bis freitags findet die Fahrt um 7.21 Uhr ab Gonsenheim/Wildpark statt.
- Straßenbahn-Linien 50, 51, 52, 53 und 78: Sämtliche Straßenbahnen der Linie 50 fahren bis Mitte Dezember 2022 in Finthen bis zur Poststraße. Auf der Linie 78 werden alle Fahrten, bis zur Römerquelle verlängert , zusätzlich fahren Ersatzbusse auf der Strecke der Linie 50, allerdings hat nur jede zweite Straßenbahn direkten Anschluss an diese Busse.