Wenn heute der Bundestag die Corona-Notbremse des Bundes beschließt, wird das auch deutlich Auswirkungen auf die Vorgaben in Rheinland-Pfalz haben: Schulen schon ab einer Inzidenz von 165 im Fernunterricht, echte Kita-Schließungen und Bußgelder bei Verstößen in Privatwohnungen – das Bundesgesetz verschärft eine ganze Reihe von Corona-Regeln, gegen die sich Rheinland-Pfalz bei der Corona-Bekämpfung lange sträubte. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) kündigte dennoch am Dienstag in Mainz an, Rheinland-Pfalz werde kein Veto gegen die Bundes-Notbremse einlegen. Auch die nächtliche Ausgangssperre wird durch das Bundesgesetz neu geregelt – welche Auswirkungen das auf Mainz hat, ist aber noch unklar. Womöglich tritt die gerade gekippte Ausgangssperre dann wieder in Kraft.

Für Schulen und Kitas heißt es Dank Bundes-Notbremse nun: früher in die Schließung. - Foto: gik
Für Schulen und Kitas heißt es Dank Bundes-Notbremse nun: früher in die Schließung. – Foto: gik

Bislang hatte sich Rheinland-Pfalz vor allem beim Thema Schulen und Kitas vehement gegen einen schärferen Kurs gewehrt: Noch bis zu einer Inzidenz von 200 beharrt das Land darauf, die Schulen im Wechselunterricht geöffnet zu lassen – obwohl in den vergangenen Wochen die Zahl der Corona-Infektionen gerade auch in Schulen sprunghaft anstieg. Gewerkschaften, Lehrer und Erzieherinnen laufen deshalb schon seit Wochen gegen die aus ihrer Sicht viel zu lockere Corona-Politik vor allem von Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) Sturm.

Auch Experten wie SPD-Epidemiologe Karl Lauterbach warnen bereits seit Wochen, Schulen und Kitas drohten zu den neuen Hotspots der dritten Corona-Welle zu werden – genau das scheint gerade zu passieren. Die neue Virus-Mutation B.1.1.7 sorgt nun, im Gegensatz zur ersten Welle, in der dritten Welle für ein erhebliches Infektionsgeschehen gerade auch im Schulbereich: Mittlerweile stieg die Zahl der mit dem Coronavirus infizierten Schüler auf 1.487, die der Lehrkräfte auf 97 – deutlich mehr als noch vergangene Woche. 80 Schulen sind vollständig geschlossen, an 156 Schulen befinden sich ganze Klassen in Quarantäne.

- Werbung -
Werben auf Mainz&
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bei der Pressekonferenz zum Thema Bundes-Notbremse am Dienstag in Mainz. - Foto: gik
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bei der Pressekonferenz zum Thema Bundes-Notbremse am Dienstag in Mainz. – Foto: gik

Nun wird die Schwelle für Schulschließungen von Bundesseite in Rheinland-Pfalz gesenkt: Mit der neuen Bundes-Notbremse müssen Schulen künftig schon ab einer Inzidenz von 165 in den Fernunterricht. Dazu verordnet der Bund den Ländern eine Testpflicht in den Schulen, auch die werde man umsetzen, sagte Dreyer weiter – bisher hatte sich Rheinland-Pfalz auch bei diesem Punkt geweigert. Noch einschneidender sind die Änderungen des Bundesgesetzes bei den Kitas: Rheinland-Pfalz hatte sich bisher vehement geweigert, seine Kitas zu schließen, egal wie hoch das Infektionsgeschehen sich auch entwickelte. Für die Kita-Eltern gab es bei hohen Inzidenzen über 200 lediglich einen Appell, ihre Kinder bitte nicht in die Kitas zu schicken – berichten von Erzieherinnen zufolge gelang das mal mehr mal weniger gut: Die Quote der trotzdem gebrachten Kinder reichte von 30 bis 80 Prozent.

Rheinland-Pfalz wird damit nun zu Kita-Schließungen gezwungen: „Wie werden die Kitas bei einer Inzidenz von 165 schließen und dann eine Notbetreuung einrichten“, kündigte der Chef des Landesamt für Soziales, Jugend und Versorgung, Detlev Platzeck, am Dienstag in der Pressekonferenz des Landes an. Das sei durchaus „eine Umkehr des bisherigen Betriebes“, räumte Platzeck ein. Experten forderten das schon lange, hat doch gerade die Variante B.1.1.7 unter kleinen Kindern für eine ganz neue Infektionsdynamik gesorgt -. im Gesundheitsamt Mainz-Bingen sprechen sie sogar von ganzen Infektionsclustern und einem ausgesprochen dynamischen Infektionsgeschehen, sowohl unter den Kindern, als auch unter den Erzieherinnen.

Lehnte bislang Schul- und Kitaschließungen vehement ab: Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD). - Foto: gik
Lehnte bislang Schul- und Kitaschließungen vehement ab: Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD). – Foto: gik

Bislang hatte aber besonders Hubig alle Forderungen nach Kita-Schließungen zurückgewiesen – nun kommen sie doch. Zum Thema Schule und Bildung gebe es „eine Auseinandersetzung seit dem ersten Tag der Pandemie“, sagte Ministerpräsidentin Dreyer dazu am Dienstag eher schmallippig. Eine Absenkung der Schließungsgrenze von 200 auf 165 sei aber aus ihrer Sicht „kein Grund, das Verfahren aufzuhalten.“ Die Bundes-Notbremse ist in der Länderkammer Bundesrat nicht zustimmungspflichtig, die Länder hätten also allenfalls den Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat anrufen können – die Blöße, als Verhinderer einer bundesweiten Corona-Bekämpfung dazustehen, wollte sich aber wohl niemand geben.

„Wir haben in Rheinland-Pfalz nicht auf das Infektionsschutzgesetz des Bundes gewartet“, betonte Dreyer zugleich, die Notbremse werde ja schon jetzt umgesetzt. Rheinland-Pfalz liege bei den Infektionszahlen weiter unter dem Bundesschnitt, trotzdem sei die Lage ernst: Die landesweite Sieben-Tages-Inzidenz stieg am Dienstag auf knapp 140, in Mainz sank sie allerdings ganz leicht auf 196,3 – ob sich dieser Trend verfestigt, müssen die nächsten Tage zeigen.

Die Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen auch in Mainz stiegt und steigt. - Foto: OP-Saal Mainzer Universitätsmedizin
Die Zahl der Corona-Patienten auf den Intensivstationen auch in Mainz stiegt und steigt. – Foto: OP-Saal Mainzer Universitätsmedizin

Sorgen bereiten Medizinern und Politik aber vor allem die Lage auf den Intensivstationen: Die aktuellen Belegungszahlen überträfen schon jetzt das Maximum der ersten Welle, Stand Dienstag zähle man 673 Covid-Fälle in den Kliniken des Landes, sagte Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD). Davon lägen 188 Covid-Patienten auf den Intensivstationen, 152 müssten invasiv beatmet werden. „Wir haben die Krankenhäuser gebeten, planbare Behandlungen zurückzustellen“, sagte die Ministerin.

Die Lage sei ausgesprochen angespannt, sagte der Leiter der Mainzer Universitätsmedizin, Norbert Pfeiffer: „Wir haben zunehmend junge Patienten, das ist eine neue Klientel, und wir haben eine relativ lange Verweildauer“, betonte er. Derzeit liege in der Mainzer Uniklinik lediglich ein Covid-19-Patient auf der Intensivstation, der älter sei als 60 Jahre – alle anderen seien jünger. 5 bis 7 Tage dauere es derzeit im Schnitt zwischen einer Infektion und der Erkrankung, weitere drei bis vier Tage, um schwer zu erkranken. „Es gibt junge Menschen, die sind zuhause, und denken: so krank bin ich gar nicht, und dann kommen sie auf einmal nicht mehr bis zur Eingangstür“, beschrieb Pfeiffer die Verläufe.

Dazu komme eine zunehmende Erschöpfung des Personals in den Kliniken: „Wir haben seit einem Jahr Pandemie, die Mitarbeitenden in den Krankenhäusern sind zunehmen erschöpft“, sagte Pfeiffer. Auch deshalb sei es so wichtig, „dass wir alle als Gesellschaft uns so konzentriert und diszipliniert verhalten wie möglich“, appellierte er: „Helfen sie uns, helfen sie den Krankenhäusern und den vielen Mitarbeitenden“, indem man sich weiter an die Corona-Regeln halte.

Illegale Corona-Parties werden künftig auch in Rheinland-Pfalz in Privatwohnungen schärfer verfolgt und geahndet. - Foto: gik
Illegale Corona-Parties werden künftig auch in Rheinland-Pfalz in Privatwohnungen schärfer verfolgt und geahndet. – Foto: gik

Die sollen nun auch durch das Bundesgesetz schärfer kontrolliert werden: Künftig nämlich können nun auch bei Verstößen gegen die Corona-Regeln in Privatwohnungen – etwa bei illegalen Parties – Bußgelder verhängt werden, Dreyer räumte ein: Das sei in Rheinland-Pfalz bisher nicht der Fall gewesen. Auch müssen durch das Bundesgesetz Arbeitgeber künftig ihren Arbeitnehmern verpflichtend zwei Corona-Tests pro Woche anbieten, Dreyer behauptete dazu: „Ich weiß, dass die allermeisten Arbeitgeber in unserem Bundesland das schon tun.“ Auch die Pflicht zum Homeoffice fasst das Bundesgesetz schärfer – insgesamt also eine deutliche Verschärfung der Corona-Regeln.

Flexibler hingegen wird die nächtliche Ausgangssperre: Nach dem Bundesgesetz soll sie nun erst ab 22.00 Uhr greifen, Spaziergänge oder Joggen allein bis Mitternacht erlaubt bleiben. Das Verwaltungsgericht Mainz hatte gerade vergangene Woche die alte Ausgangssperre zwischen 21.00 Uhr und 5.00 Uhr morgens als unverhältnismäßig gekippt, das Land will daraus aber vorerst keine Konsequenzen für die zugrunde liegende Landesregel ziehen: Das Oberverwaltungsgericht werde sich nun „damit beschäftigen müssen“, da verschiedene Verwaltungsgerichte zu unterschiedlichen Auffassungen gelangt seien, sagte Dreyer auf Mainz&-Nachfrage lediglich.

Trotz des Mainzer Gerichtsurteils wird ab Mittwoch eine nächtliche Ausgangssperre im Kreis Bad Kreuznach verhängt – unverändert ab 21.00 Uhr, nach alter Landesregel. Derweil bleibt die Ausgangssperre in Mainz ausgesetzt – ob das Bundesgesetz nun eine Wiedereinführung bedeutet, ist bislang noch unklar. Möglich aber: Da Bundesrecht Landesrecht bricht, könnte die Verabschiedung am Mittwoch dafür sorgen, dass ab kommenden Woche in Mainz wieder eine Ausgangssperre in Kraft tritt.

Info& auf Mainz&: Mehr zum Urteil des Verwaltungsgerichts Mainz gegen die nächtliche Ausgangssperre in Mainz und die detaillierte Argumentation des Gerichts lest Ihr hier bei Mainz&. Unseren Leitartikel zur Ausgangssperre könnt Ihr hier nachlesen. Mehr zum Infektionsgeschehen in Schulen und Kitas gibt es hier bei Mainz&.

 

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein