Entgegen dem anhaltenden Zögern der Ständigen Impfkommission (Stiko) können sich nun doch Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren in den Impfzentren gegen das Coronavirus impfen lassen. Die Gesundheitsminister der Länder beschlossen Montagabend ein flächendeckendes Impfangebot für Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren, und das, obwohl die Stiko weiter zögert, eine allgemeine Impfempfehlung auszusprechen. Ab Mittwoch können sich Jugendliche gemeinsam mit ihren Eltern zu einer Impfung in die Impfzentren des Landes begeben – auch in Mainz. Dafür ist weder ein Termin, noch eine Registrierung notwendig, die verpflichtende Impfaufklärung erfolgt durch Ärzte vor Ort. Dazu gibt es Impfbusse, Impfungen ohne Termin für alle und Auffrischungsimpfungen ab Herbst.
Bereits Ende Mai hatte die Europäische Arzneimittelagentur EMA den Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech auch für Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren zugelassen. Der Impfstoff sei sicher, die Erfahrungen in anderen Ländern seien gut, Nebenwirkungen gebe es nur geringe, betonte die EMA – die Ständige Impfkommission (Stiko) zögert trotzdem bis heute, die Impfung für alle Kinder und Jugendlichen ab 12 Jahren zu empfehlen. Obwohl besonders in den USA, aber auch in Israel bereits mehrere Millionen Kinder und Jugendliche mit dem Biontech-Impfstoff geimpft wurden, empfiehlt die Stiko bis heute die Impfung nur für Kinder und Jugendliche mit schweren Vorerkrankungen – das sorgte dafür, dass Kinder un Jugendliche, die sich gerne impfen lassen wollten, kaum eine Möglichkeit dazu fanden: Viele Ärzte winkten ab, weil ihnen die Empfehlung zu unsicher war, auch die Impfzentren der Länder boten keine Impfungen für Kinder und Jugendliche an.
Das Ergebnis: In Rheinland-Pfalz liegt die Impfquote bei den rund 240.000 Personen dieser Altersgruppe nach Angaben des Landes gerade einmal bei 17 Prozent Erstimpfungen und knapp 10 Prozent Zweitimpfungen. Die neue Delta-Variante breitet sich aber gerade auch unter den Jüngeren stark, Experten warnen seit Wochen: Wer nicht geimpft sei, werde sich unweigerlich infizieren. Virologen, Mitglieder des Ethikrates sowie Kinder- und Jugendärzte kritisierten zudem, die Stiko ignoriere das Problem von Long Covid und dem PIMS-Syndrom, die auch Kinder nach einer Coroninfektion treffen und schwer krank machen könnten, auch wenn sie bei der Infektion selbst keine Symptome gezeigt hätten.
Ende vergangener Woche änderte dann die Sächsische Impfkommission ihre Empfehlung und empfahl nun die Impfung für alle Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren. Es gebe inzwischen genügend Daten aus anderen Ländern, insbesondere den USA, die zeigten, dass Cominarty für Kinder gut verträglich sei und dass der individuelle Nutzen einer Impfung für die Kinder deutlich höher sei, argumentierten die Sachsen – auch ein klarer Seitenhieb auf die Stiko.
Am Montagabend beschloss die Konferenz der Gesundheitsminister nun ebenfalls die Kehrtwende: Ab Mittwoch können sich nun auch Kinder und Jugendliche ab 12 Jahren in Deutschland in den offiziellen Impfzentren flächendeckend impfen lassen. Der rheinland-pfälzische Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) begründete das damit, dass inzwischen ausreichend Impfstoff vorhanden sei. „Wir sind in eine neue Phase der Impfkampagne eingetreten, in der der Impfstoff keine Mangelware mehr ist, und ein großer Teil der Menschen, die bisher eine Impfung erhalten wollten, bereits ein entsprechendes Angebot erhalten hat“, sagte Hoch am Dienstag: „Das eröffnet uns neue Möglichkeiten, die wir konsequent nutzen.“
So schickt das Land seit Montag Impfbusse ins Land, die auf Parkplätzen vor Supermärkten einfach und direkt Corona-Impfungen anbieten, auch Stadtteilimpfungen seien geplant. Zudem könne „die dazugewonnene Zeit in den Impfzentren“ nun dafür genutzt werden, um dort die notwendigen individuellen Aufklärungsgespräche für Impfungen von Kindern und Jugendlichen anzubieten, sagte Hoch weiter. Tatsächlich herrscht in den Impfzentren bereits seit Wochen vielfach gähnende Leere, weil die Impfbereitschaft rapide gesunken ist, und viele Menschen offenbar eher den Sommer genießen und in den Urlaub fahren, anstatt Impftermine wahrzunehmen.
Das Robert-Koch-Institut warnt bereits seit Wochen, dass diese Fahrlässigkeit das Land im Herbst teuer zu stehen kommen könnte: Ohne eine Herdenimmunität von mehr als 85 Prozent doppelt Geimpfter werde die Pandemie nicht in den Griff zu kriegen sein, nach dem Ende der Sommerferien drohe eine neue Corona-Welle durch die Delta-Mutante mit erheblichen Infektionsmengen und auch wieder steigender Einweisungen von Schwerkranken auf die Intensivstationen. Derzeit sind in Deutschland gerade einmal 52,6 Prozent der Bevölkerung doppelt geimpft und damit gegen das Coronavirus geschützt – neueste Daten zeigen, dass die Rate der Infektionen gerade unter den Menschen steigt, die nur einmal gegen das Coronavirus geimpft sind. Virologen und Kinderärzte fordern deshalb schon seit Wochen, auch Kinder und Jugendliche zu impfen, um sie selbst, aber auch ihre Familien sowie die Schulgemeinschaften vor dem Coronavirus zu schützen.
In Mainz wird es nun bereits ab Mittwoch die Möglichkeit dazu geben: Die Impfung könne ohne vorherige Anmeldung oder Registrierung erfolgen, geimpft werde täglich zwischen 8.00 Uhr und 16.00 Uhr mit dem Impfstoff Comirnaty von BioNTech,teilte die Stadt Mainz mit. Vorab finde eine Einzelaufklärung für die Kinder und deren Erziehungsberechtigte durch einen Impfarzt statt. Minister Hoch räumte ein, diese Möglichkeit hätten „sich viele Eltern und Jugendliche gewünscht.“
Seit vergangener Woche ist zudem die Notwendigkeit zu einer Anmeldung für die Impfung für alle gefallen: Impfwillige können ohne Registrierung im Impfzentrum vorbeikommen, so soll der Impfschutz für die Menschen schneller, unkomplizierter und weniger aufwändig zu haben sein. Interessierte ab 18 Jahren mit Wohnsitz in Mainz könnten sich so von montags bis samstags jeweils zwischen 8.00 Uhr und 16.00 Uhr beim Impfzentrum impfen lassen.
Dazu plant das Land Rheinland-Pfalz, wie ebenfalls von der Gesundheitsministerkonferenz beschlossen, von September an Auffrischungsimpfungen für bestimmte Personengruppen: Risikopatienten sowie vollständig mit Vektorimpfstoffen geimpfte Personen soll dann eine dritte Impfung zur Auffrischung der Antikörper angeboten werden. Diese Impfungen sollen allerdingsin den Arztpraxen geleistet werden, sagte Hoch, dort bestehe „ein großes Wissen über die jeweilige Zielgruppe sowie ein dichtes Netz an Praxen.“ Bei besonderem Bedarf könne dieses System jederzeit von mobilen Impfteams unterstützt werden.
Die Stadt Mainz verlängert darüber hinaus die Sonderimpfaktion mit dem Impfstoff des Herstellers Johnson & Johnson bis auf Weiteres. Für diese Aktion können sich alle Personen ab 18 Jahren mit Wohnsitz in der Landeshauptstadt Mainz für einen Termin unter impfzentrum@stadt.mainz.de melden. Das Impfzentrum Mainz werde sich dann bei den impfwilligen Personen mit einem konkreten Termin in Form einer Bestätigungsmail zurückmelden, hieß es weiter. Beim Impfstoff von Johnson & Johnson muss nur eine Impfdosis für den vollen Schutz verabreicht werden, der Impfschutz werde bereits nach zwei Wochen international akzeptiert, betonte die Stadt weiter – das bringe auch mit Blick auf einen möglichen Sommerurlaub große Erleichterungen mit sich.
Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Text über das Impfen bei Kindern findet Ihr hier bei Mainz&. Grundlegende Erklärungen, wie die neuen Corona-Impfstoffe wirken, findet Ihr in diesem Text über den Corona-Impf-Comic der Mainzer Universitätsmedizin.