Die Corona-Impfungen in Deutschland stocken weiter, die Probleme mit den Impfstofflieferungen nehmen weiter zu – nun hakt es auch beim dritten Impfstoffhersteller AstraZeneca. Das wirft den Impffortschritt in Deutschland weiter zurück: Rheinland-Pfalz hat sich inzwischen zwar mit einer Impfquote von 3,3 in die Spitze der Bundesländer geschoben, doch in den Impfzentren des Landes werden seit heute nur noch Zweitimpfungen durchgeführt – es fehlt schlicht an Impfstoff. Derweil wird der Kampf um den Impfstoff härter: Nach einem Präzedenzfall im Norden von Rheinland-Pfalz melden sich nun offenbar immer mehr Schwerstkranke beim Land, die bisher kein Anrecht auf eine frühe Impfung haben – das Land hat nun ein förmliches Verfahren für Einzelfallentscheidungen entwickelt.

Die Corona Impfungen bei Älteren stocken weiter, es ist nicht genügend Impfstoff da. - Foto: Stadt Wiesbaden
Die Corona Impfungen bei Älteren stocken weiter, es ist nicht genügend Impfstoff da. – Foto: Stadt Wiesbaden

Bis zum 27. Januar haben mittlerweile 139.626 Rheinland-Pfälzer eine Impfung gegen das Coronavirus erhalten, Rheinland-Pfalz liegt damit bei der Impfquote inzwischen mit 3,3 Prozent gemeinsam mit Mecklenburg-Vorpommern auf Platz eins im Bundesvergleich. Allerdings erreicht das Land diesen Fortschritt aufgrund einer anderen Entscheidung als andere Bundesländer: In Rheinland-Pfalz setzt man auf das rollierende System, nach dem die eintreffenden Impfdosen sofort verimpft werden. Andere Länder wie Baden-Württemberg hingegen halten die zweite Impfdose zurück, um in jedem Fall genügend Impfstoff für die zweite Immunisierung vorrätig zu haben, dadurch sinkt aber naturgemäß die Quote der Erstimpfungen.

Trotzdem stockt der Impfprozess auch in Rheinland-Pfalz erheblich: Am Mittwoch stoppte das Land wie angekündigt alle Erstimpfungen in den Impfzentren des Landes, rund 30.000 Termine wurden um drei Wochen nach hinten verschoben. Grund seien ausbleibende Impfstofflieferungen der Produktionsfirmen Pfizer und Moderna, hatte  Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) bereits vergangene Woche berichtet: Pfizer musste wegen des Umbaus eines Werks in Belgien seine Produktionskapazitäten kurzfristig reduzieren, auch Moderna liefert nicht die eigentlich angekündigten Mengen.

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Der Impfstoff des schwedisch-britischen Konzerns AstraZeneca wird sehnsüchtig erwartet. - Foto: AstraZeneca
Der Impfstoff des schwedisch-britischen Konzerns AstraZeneca wird sehnsüchtig erwartet. – Foto: AstraZeneca

Inzwischen gibt es nun auch massiv Ärger mit dem dritten Impfstoffkandidaten: Das Produkt des schwedisch-britischen Konzerns AstraZeneca soll eigentlich am 29. Januar in der EU zugelassen werden, doch schon jetzt kündigte das Unternehmen gegenüber der EU an, seine Lieferungen reduzieren zu wollen. Die EU reagierte hochgradig verärgert: AstraZeneca habe offenbar keine Probleme, andere Länder außerhalb der EU zu beliefern, darunter auch Großbritannien, seine angeblichen Lieferengpässe habe das Unternehmen nicht ausreichend erklären können, kritisierte die EU-Kommission scharf.

AstraZeneca hätte eigentlich bis Ende März rund 80 Millionen Dosen seines Vakzins an die EU liefern sollen – nun stehen auch diese Lieferungen in den Sternen. Dazu gibt es inzwischen Zweifel an der Wirksamkeit des Impfstoffs für Ältere, denn die Gruppe hochbetagter Personen über 70 Jahre war in den Probandentests nicht ausreichend vertreten gewesen. So ist derzeit unklar, ob das auf der Grundlage klassischer Impfstoffe hergestellte AstraZeneca-Produkt genauso gut bei Älteren wirkt wie bei Jüngeren – im Raum steht auch, dass die EU dem Impfstoff womöglich nur eine Zulassung für Menschen unter 65 Jahren erteilen könnte. Auch das würde den Impffortschritt gerade bei den vulnerablen älteren Menschen zurückwerfen.

Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) und Impfkoordinator Alexander Wilhelm vergangene Woche bei einer Pressekonferenz. - Foto: gik
Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) und Impfkoordinator Alexander Wilhelm vergangene Woche bei einer Pressekonferenz. – Foto: gik

In Rheinland-Pfalz warten derweil nach Angaben der Ministerin inzwischen rund 124.000 Menschen immer noch auf einen ersten Impftermin. Diese 124.000 sind die Personen der Prioritätengruppe 1, die sich mittlerweile bei der Impfhotline des Landes registriert haben, denen aber noch kein Impftermin zugewiesen werden konnte. „Uns fehlt die Sicherheit für die kommenden Impfungen, wir wissen nicht, wie es weiter geht“, sagte Bätzing-Lichtenthäler am Mittwoch. Vom Bund gebe es immer noch keine verlässlichen Angaben über die kommenden Impfstoffmengen, klagte die Ministerin weiter. Immerhin: Das Ziel, bis Ende Januar 100.000 Menschen zu impfen, habe man schon jetzt erreicht.

Den Angaben zufolge wurden in Rheinland-Pfalz bislang 59.623 Impfungen in Alten- und Pflegeheimen durchgeführt, dabei wurden 31.970 Bewohner und 28.244 Mitarbeiter geimpft. In Krankenhäusern haben inzwischen 16.650 Mitarbeiter eine Impfung bekommen – allerdings in der großen Mehrheit Erstimpfungen: In Heimen erhielten bisher 4052 Menschen eine Zweitimpfung, in Krankenhäusern waren es 787 Personen. Einen vollen Impfschutz haben damit vier Wochen nach dem Start der Impfkampagne in Rheinland-Pfalz erst 4.839 Personen erreicht. Von den Alten- und Pflegeheimen haben immerhin inzwischen Impfungen in 416 Einrichtungen stattgefunden, bei weiteren 33 stehen die Termine noch bevor.

Deutschland wartet auf den Impfstoff - und hat bei immer mehr Produzenten das Nachsehen. Zeichnete schon vor Wochen der Karikaturist Ralf Böhme. - Copyright: RABE Cartoon
Deutschland wartet auf den Impfstoff – und hat bei immer mehr Produzenten das Nachsehen. Zeichnete schon vor Wochen der Karikaturist Ralf Böhme. – Copyright: RABE Cartoon

Aktuell bereiten massive Ausbrüche in Altenheimen Sorge, rund 15 Einrichtungen sind allein in Mainz und dem Landkreis Mainz-Bingen betroffen. Bätzing-Lichtenthäler bestätigte nun, es gebe auch Infektionswellen in Einrichtungen, in denen die erste Impfung bereits stattgefunden habe: „Wir haben Ausbrüche in Einrichtungen, die noch nicht geimpft sind, aber auch in solchen, wo es schon Impfungen gab“, sagte die Ministerin. Es gebe aber die Rückmeldung, dass wer eine Erstimpfung schon habe, und sich dann infiziere, „dass dann der Krankheitsverlauf in der Regel abgeschwächter ist“, betonte sie zugleich: „Es gibt also schon einen ersten Schutz.“

Dem Hersteller BionTech zufolge wird ein vollständiger Impfschutz erst nach dem Verabreichen der zweiten Impfdosis erreicht, die Wirksamkeit nach der ersten Impfung wird aber mit rund 70 Prozent angegeben – danach soll der neu entwickelte Impfstoff eine Wirksamkeit bei mehr als 95 Prozent entfalten. Der Impfstoff soll vor allem schweren Covid-19-Verläufen vorbeugen, unklar ist derweil noch, wie infektiös bereits geimpfte Menschen im Fall einer Covid-19-Infektion sind – und inwieweit sie andere Menschen noch anstecken können.

Der hochsensible BionTech-Impfstoff kann nun wohl doch transportiert werden. - Foto: BionTech
Der hochsensible BionTech-Impfstoff kann nun wohl doch transportiert werden. – Foto: BionTech

Die gute Nachricht: BionTech habe am 16. Januar mitgeteilt, dass der Impfstoff unter bestimmten Bedingungen doch transportiert werden könne, sagte der Impfkoordinator des Landes, Staatssekretär Alexander Wilhelm. Das würde dann auch ein Impfen von bettlägerigen Älteren ermöglichen, die zuhause gepflegt werden. „Wir erarbeiten gerade gemeinsam mit dem Hausärzteverband ein Impfkonzept, um dezentrale Impfungen im häuslichen Bereich zu ermöglichen“, sagte Wilhelm. Aufgrund der aktuellen Lieferengpässe werde auch das aber nicht vor Mitte oder sogar erst Ende Februar umgesetzt werden können.

Der knappe Impfstoff führt unterdessen zu immer neuen Kämpfen um die Frage, wer zuerst geimpft wird: Für die Entscheidung über eine frühe Impfung seien auch Einzelfallentscheidungen möglich, sagte Bätzing-Lichtenthäler nun: Das Land habe dafür nun ein förmliches Antragsverfahren entwickelt, gemeinsam mit dem früheren langjährigen Präsidenten des Landessozialgerichtes Rheinland-Pfalz, Ernst Merz. Dabei sollen Personen mit seltenen, schweren Vorerkrankungen, die bislang aber nicht explizit in der Empfehlung der Ständigen Impfkommission genannt sind, einen Antrag auf vorgezogene Impfung stellen können.

Wer wird zuerst geimpft und damit vor dem Coronavirus geschützt? Die Debatte wird angesichts des knappen Impfstoffs schärfer. - Foto: AOK Mediendienst
Wer wird zuerst geimpft und damit vor dem Coronavirus geschützt? Die Debatte wird angesichts des knappen Impfstoffs schärfer. – Foto: AOK Mediendienst

Hintergrund dürfte der Fall des schwerbehinderten Benni Over sein: Der 30-Jährige aus Niederbreitbach im Westerwald gilt als Hochrisikopatient und befindet sich deshalb seit Monaten in Quarantäne bei seiner Familie – doch laut der Priorisierung der Bundesregierung wäre Over erst in der Gruppe 3 zur Impfung an der Reihe gewesen. Der Fall machte bundesweit Schlagzeilen, weil sich Bennis Eltern massiv für eine frühere Impfung einsetzten – schließlich nahm sich Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) der Sache an, Benni Over wurde Mitte Januar tatsächlich geimpft: „Wir haben schlussendlich mit Malu Dreyer telefoniert. Das hat sie bewegt, eine sofortige Impfung zu veranlassen“, berichtete Overs Vater Klaus gegenüber dem SWR.

In der Staatskanzlei beruft man sich darauf, dass Einzelfallentscheidungen zur Impfung für Menschen mit seltenen, schweren Vorerkrankungen jetzt möglich seien – das neue Verfahren soll dies nun formell regeln. Nach Angaben Wilhelms liegen dem Land bereits „20 bis 30“ weitere Appelle auf vorzeitige Impfung vor. Nun sollen in einigen Tagen Personen mit seltenen, schweren Vorerkrankungen formelle Anträge stellen können, die Anträge würden dann unter Einbeziehung des rheinland-pfälzischen Ethikbeirats geprüft und entschieden, sagte Bätzing-Lichtenthäler weiter. Das gelte für Krankheiten, für die bisher zwar keine ausreichende wissenschaftliche Evidenz hinsichtlich des Verlaufes einer COVID-19-Erkrankung vorlägen, „für die aber ein erhöhtes Risiko angenommen werden kann“, sagte die Ministerin.

Das Land appelliert derweil weiter, sich trotz der Impfstoffknappheit weiter für einen Impftermin zu registrieren: Registrierte Personen erhielten automatisch einen Termin zugewiesen, sobald wieder Impfstoff verfügbar sei, betonte Wilhelm. Derzeit sei die Terminvergabe auch über die Telefonhotline gut möglich – vor allem an Wochenenden sowie den Randstunden am Abend.

Info& auf Mainz&: Für einen Impftermin in Rheinland-Pfalz kann man sich via Internet unter www.impftermin.rlp.de registrieren, oder telefonisch unter der Rufnummer 0800 – 57 58 100, die Hotline ist montags bis freitags von 7.00 Uhr bis 23.00 Uhr und an den Wochenenden zwischen 10.00 Uhr und 18.00 Uhr erreichbar. Mehr zur Verschiebung der Impftermine lest Ihr hier bei Mainz&.

 

 

 

 

 

 

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