Der verschärfte Corona-Lockdown zeigt bisher nur wenig Wirkung: Die Zahl der Corona-Infektionen steigt seit Tagen weiter deutlich. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete am Sonntag rund 22.700 neue Corona-Infektionen – für einen Sonntag ein Rekordwert. Vergangene Woche wurden gleich an mehreren Tagen hintereinander mehr als 30.000 Neuinfektionen gezählt – Deutschland bekommt die zweite Coronawelle nicht in den Griff. Und die Menschen haben ihre Mobilität kaum verringert – trotz Lockdown. Und nun sorgt auch noch eine neue, hochansteckende Corona-Variante aus Südengland für Unruhe: „Die Mutation sorgt uns sehr“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Abend im ZDF. Die Bundesregierung stoppt ab Mitternacht den gesamten Flugverkehr aus Großbritannien und Nordirland.
Seit dem 16. Dezember gilt in Deutschland ein verschärfter Lockdown: die meisten Geschäfte sind geschlossen, der Betrieb in Schulen und Kitas zumindest deutlich reduziert. Trotzdem hat die Mobilität der Deutschen kaum abgenommen: Der vom Robert-Koch-Institut und der Berliner Humboldt-Universität entwickelte Mobilitätsmonitor zeigte vergangene Woche gerade einmal zwischen 6 und 11 Prozent weniger Trips in Deutschland an – das ist ein bundesweiter Durchschnittswerte aller geleisteten Fahrten. Zum Vergleich: Im ersten Lockdown Ende März reduzierte sich die Zahl der Trips bundesweit in manchen Wochen um 38 Prozent und sogar auf bis zu 55 Prozent.
Im Dezember 2020 werden solche Werte lediglich an Sonntagen erreicht, so reduzierte sich die Mobilität etwa am 13. Dezember um 32 Prozent im Vergleich zu 2019 – in der Woche darauf waren es aber nur noch minus 6 oder minus 9 Prozent. Dazu korreliert die verringerte Mobilität keineswegs mit extremen Corona-Hotspots: In extremen Corona-Regionen wie Sachsen oder dem Rhein-Pfalz-Kreis vermerkte der Mobilitätsmonitor gerade einmal 10-12 Prozent weniger Fahrten – die meisten vermiedenen Fahrten von bis zu einem Drittel gibt es hingegen aktuell in den größeren Städten.
So zählt der Mobilitätsmonitor aktuell in Mainz 28 Prozent weniger Fahrten, in Frankfurt sind es sogar 33 Prozent – da dürften sich Weihnachtsferien, Homeoffice und die Geschäftsschließungen bemerkbar machen. Im Umkehrschluss heißt das aber auch: zwei Drittel der Menschen sind genauso viel unterwegs wie im Vor-Corona-Jahr 2019 – trotz verschärften Lockdowns, und obwohl die Politik mehr oder weniger eindringlich mahnt, die Kontakte unbedingt zu reduzieren.
Das schlägt sich denn auch in den Zahlen nieder: Die Corona-Infektionen sind weiter auf Rekordhoch, die Zahl der Neuinfektionen steigt noch immer weiter an – ein Brechen der Zweiten Coronawelle ist bislang nicht ansatzweise in Sicht. Am Sonntag meldete das RKI sogar 22.771 Neuinfektionen, für einen Sonntag, an dem wegen des Wochenendes deutlich weniger Ergebnisse der Testzentren und Gesundheitsämter gemeldet werden, ist das ein erschreckend hoher Wert. Vergangene Woche war die Zahl der Neuinfektionen gar auf mehr als 30.000 pro Tag geklettert – und das an mehreren Tagen hintereinander.
Das Ergebnis: Die Zahl der freien Intensivbetten schrumpft derzeit in den Krankenhäusern drastisch. Besonders dramatisch ist die Lage derzeit in Sachsen und dem südlichen Brandenburg, hier müssen bereits Patienten in andere Kliniken in Deutschland ausgeflogen werden – und das zu Dutzenden. Vergangene Woche sprach der Ärztliche Direktor des Oberlausitzer Bergland-Klinikums, Mathias Mengel, in einem Online-Forum sogar von „Triage“: Man sei bereits „mehrere Male in der Situation gewesen, dass wir entscheiden mussten, wer Sauerstoff bekommt und wer nicht“, sagte der Mediziner dem Nachrichtenportal t-online, wie die Tagesschau berichtet.
Politik und Fachverbände dementierten umgehend: Die Lage im Gesundheitssystem sei zwar höchst angespannt, „wir stehen aber derzeit NICHT an dem Punkt, Priorisierungen von Patienten vornehmen zu müssen“, betonten in einer gemeinsamen Stellungnahme die Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und die Fachgruppe COVRIIN beim Robert-Koch-Institut (RKI). Dennoch: die zahl der freien Intensivbetten und Beatmungsgeräte sinkt, bundesweit sind derzeit noch 4.105 von knapp 24.000 Intensivbetten frei, eine Reserve von rund 10.000 Betten kann allerdings laut DIVI-Intensivregister kurzfristig bereitgestellt werden.
In Sachsen ist die Corona-Pandemie derzeit jedoch außer Kontrolle, sieben Landkreise rund um Dresden weisen hier zwischen 500 und 600 Neuinfektionen pro 100.00 Einwohner im 7-Tages-Schnitt auf, oder liegen sogar deutlich darüber. Auffällig dabei: Die Werte korrelieren hier genau mit hohen Zustimmungswerten zur rechtspopulistischen AfD, deren Politiker mit Coronaleugnern und Maskenverweigerern sympathisieren – politische Beobachter sehen einen klaren Zusammenhang zwischen hohen Fallzahlen und einem hohen Anteil von AfD-Anhängerschaft und Corona-Leugnern.
Auch in Rheinland-Pfalz färbt sich die Infektionskarte wieder zunehmend rot, in Mainz gab es vergangene Woche zuletzt wieder zwischen 50 und 82 Neuinfektionen pro Tag, die 7-Tages-Inzidenz stieg am Donnerstag wieder auf 184 und näherte sich damit wieder bedrohlich der 20ß0er-Marke, ab der noch einmal verschärfte Lockdown-Regeln gelten. Auch im Landkreis Mainz-Bingen lag die 7-Tages-Inzidenz am Donnerstag bei 153, sank aber am Freitag auf 141. Allerdings wurden im Landkreis am Freitag zwei neue Todesfälle wegen einer Covid-19-Erkrankung gemeldet – in Mainz starben sogar vier Menschen an den Folgen der Krankheit.
Damit sind in Mainz bislang 81 Menschen durch das Coronavirus SARS-CoV-2 gestorben, im Landkreis Mainz-Bingen 74. Bundesweit zählt Deutschland inzwischen mehr als 26.000 Covid-19-Tote, Statistiker stellen nun wieder eine deutliche Übersterblichkeit fest – gerade in extremen Hotspots wie Sachsen. Und nun schockt auch noch die Nachricht von Virus-Mutationen die Menschen: Am Wochenende bestätigte der britische Premier Boris Johnson, in Südengland sei eine neue Variante des Coronavirus aufgetaucht: Das Virus mit der N501Y-Mutation breite sich deutlich schneller aus und sei bis 70 Prozent ansteckender als die bisher bekannte Form. Die Virus-Mutation weite sich vor allem in London und Südostengland rasant aus, England verhängte deshalb einen scharfen Shutdown mit Ausgangsverboten und Reisesperren.
Mutationen eines Virus sind zunächst einmal nichts ungewöhnliches, auch die Grippeviren mutieren jeden Winter neu, weswegen die Grippeschutzimpfung jedes Jahr erneuert werden muss. Auch bei SARS-CoV-2 waren bereits einzelne Mutationen beobachtet worden, doch diese neue Variante alarmiert die Forscher wegen ihrer enormen Ansteckungsfähigkeit. Die neue Variante sei derzeit außer Kontrolle“, räumte die britische Regierung ein, auch der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zeigte sich am Abend in den Heute-Nachrichten besorgt – eine hoch ansteckende Variante wäre ein erheblicher Rückschlag in dem Bemühen, die zweite Coronawelle einzudämmen und zu stoppen.
Die gute Nachricht: Die neue Variante löse nicht schwerere Krankheitsverläufe aus oder verursache gar mehr Todesfälle, betonen Virologen, auch eine negative Auswirkung auf die Wirksamkeit des neuen Corona-Impfstoffs sei bisher nicht zu erkennen. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach betonte am Abend zudem, die britische Virus-Mutation sei bislang in Deutschland nicht nachgewiesen worden – eine Garantie ist das aber nicht. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO ist diese neue Variante aber bereits neun Mal in Dänemark ein Mal in den Niederlanden und ein Mal in Australien aufgetreten – auch in Brasilien und den USA sei die Mutation im Sommer schon gesichtet worden. Auch in Südafrika entdeckten Forscherteams in ihren Proben kürzlich eine ähnliche Mutation des Coronavirus, wie die Heute-Nachrichten berichten: Die 501.V2 genannte Variante könnte hinter der raschen Ausbreitung der zweiten Corona-Welle im Land stecken.
Deutschland stoppt deshalb ab Mitternacht jeden Flugverkehr mit Großbritannien: Von 0.00 Uhr an seien alle Flüge von Großbritannien und Nordirland nach Deutschland verboten, teilte das Bundesverkehrsministerium am Abend auf seiner Internetseite mit. Die Virusvariante sei hochansteckend und habe eine um 0,4 Punkte höhere Reproduktionsrate (R-Wert) im Vergleich zur bisher bekannten Variante von SARS-CoV-2, heißt es in der Allgemeinverfügung des Bundes weiter – damit könnte die Mutation auch in Deutschland zu einer schnelleren Verbreitung des Virus mit beitragen. Das Flugverbot sei deshalb daher erforderlich, um das Risiko einer Einschleppung des mutierten COVID-19-Virus in die Bundesrepublik Deutschland auf dem Luftweg zu begrenzen. Eine Regelung für sämtliche andere Reisewege sei in Arbeit, hieß es bei ZDF-Heute.
Info& auf Mainz&: Den Mobilitätsmonitor mit allen detaillierten Daten seit März 2020 findet Ihr hier im Internet, eine Erklärung, wie das Tool arbeitet, und welche Daten dabei verwendet werden, könnt Ihr hier nachlesen. Ausführliche und fundierte Informationen zu der neuen Mutation des Coronavirus könnt Ihr hier beim ZDF nachlesen, Informationen zum Stopp des Reiseverkehrs nach Großbritannien gibt es hier.