Nach dem dramatischen Hilferuf des privaten Testcenterbetreibers CoviMedical will die Politik offenbar den Betreibern unter die Arme greifen: In Mainz teilte das Land Rheinland-Pfalz mit, man werde kommende Woche beim Bund auf eine beschleunigte Auszahlung der Erstattungsgelder drängen – das Land reagierte damit auch auf die Berichterstattung auf Mainz&. Auch CoviMedical berichtete, Dank der Presseberichterstattung habe es zahlreiche Hilfsangebote gegeben, man hoffe, nächste Woche die Durchführung der kostenlosen Schnelltests wieder aufnehmen zu können. „Wir sind nicht insolvent, die Stationen sind weiter offen“, sagte ein Sprecher gegenüber Mainz&, man habe aber schlicht nicht die finanziellen Mittel, weitere kostenlose Tests vorzufinanzieren. Notwendig sei eine dauerhafte Lösung: Die Gelder des Bundes müssten schlicht schneller fließen.
Am Donnerstag hatte das hessische Startup CoviMedical Alarm geschlagen: Nach der Durchführung von rund 350.000 Corona-Schnelltests habe man inzwischen Kosten von 7,8 Millionen Euro – aber bislang werde eine Kostenerstattung oder auch nur eine verbindliche Zusage dafür. CoviMedical sei bisher „für sämtliche Kosten für die Bürgertests in Vorleistung gegangen“, schrieb Geschäftsführer und Mitgründer Christoph Neumeier vergangene Woche in einem Offenen Brief an die Politik, doch eine Refinanzierung sei nicht in Sicht: „Bis heute haben wir allerdings weder eine schriftliche Zusage der Kostenübernahme erhalten, die uns helfen würde, kurzfristige Zwischenfinanzierungen oder Kredite zu erhalten, noch eine konkrete Information, von wem wir wann die Kosten erstattet bekommen.“
CoviMedical wurde gerade erst Ende Dezember 2020 gegründet, das Startup von Personen aus der Veranstaltungsbranche baute inzwischen 69 Testzentren bundesweit auf – zwei davon auch in Mainz: am Alten Postlager neben dem Hauptbahnhof sowie in Mainz-Gonsenheim. Mehr als 133.000 Tests führen die insgesamt rund 1100 Mitarbeiter bundesweit pro Woche durch – an Ostern erlebten die Testzentren einen zusätzlichen Ansturm. Die Folge: Die Mittel des Startups waren ausgeschöpft – CoviMedical musste die Durchführung der kostenlosen Bürgertests stoppen. „Wir sind sind gezwungen, den Betrieb unserer Stationen bis zur Abrechnung zu schließen“, teilte Neumann am Donnerstag mit.
„Wir bräuchten ganz schnell liquide Mittel, um weiter Tests anbieten zu können“, sagte CoviMedical-Sprecher Oliver Gerhardt am Freitag gegenüber Mainz&. Die für das Wochenende ausgemachten Termine – rund 500 allein in Mainz – könne man zwar noch weiter abarbeiten, doch neue Termine konnten die Mainzer erst einmal nicht vereinbaren. Die Politik reagierte derweil ausgesprochen schnell: Nach der Berichterstattung auf Mainz&, teilte Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) mit, man werde die Abrechnungen zum Thema der Sozialministerkonferenz kommenden Dienstag machen.
Die lange Refinanzierungsdauer für die privaten Betreiber „wird nun zum Anlass genommen, das Verfahren zu hinterfragen und möglichst zu beschleunigen“, teilte das Landesamt für Soziales, Jugend und Beschaffung (LSJV) aufgrund der Mainz&-Berichterstattung mit: LSJV-Präsident Detlef Placzek stehe bereits in Kontakt mit den Betreibern von CoviMedical, um nach kurzfristigen Lösungen zur Überbrückung zu suchen. „Um positiv auf das Pandemiegeschehen Einfluss zu nehmen, sind wir auf jede helfende Hand angewiesen“, betonte Platzeck.
Für die Kostenerstattung ist eigentlich die Bundesregierung zuständig, die Abrechnung der Testkosten sollten die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) für den Bund übernehmen. Mit der zuständigen KV Hessen sei man auch seit vergangener Woche in Kontakt, sagte Gerhardt gegenüber Mainz& weiter, das Problem: Abschlagszahlungen habe es bisher aber nicht gegeben. „Die bräuchten wir aber, um unmittelbar weitermachen zu können“, betonte Gerhardt. Das Thema kam am Freitag sogar in der Bundespresskonferenz zur Sprache, Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) musste sich fragen lassen, ob seine Teststrategie nicht zusammenzubrechen drohe, wenn die privaten Testcenter aus Geldmangel schließen müssten.
„Das Problem beschäftigt uns schon seit einigen Tagen“, sagte Spahn auf Journalistenfragen in der Bundespressekonferenz, der Bund habe seine Verordnung bereits angepasst, die Zahlungsweise sei von quartalsweise auf monatlich geändert worden. Dazu könnten die KVen Abschlagszahlungen zur Vorfinanzierung leisten, betonte Spahn. „Das sieht die KV in Hessen noch anders“, berichtete CovidMedical-Sprecher Gerhardt am Freitag gegenüber Mainz&: Die KV sage, bei ihnen seien noch keine Gelder des Bundes angekommen.
Am Freitagnachmittag berichtete Gerhardt dann, es gebe inzwischen weitere Hilfsangebote zur Zwischenfinanzierung. Rheinland-Pfalz habe CoviMedical auch angeboten, übergangsweise eigene Testkits zur Verfügung zu stellen, verriet eine Sprecherin des LSJV zudem unserer Zeitung, bei CoviMedical hieß es dazu: Sollten sich andere Optionen nicht realisieren lassen, werde man darauf gerne zurückgreifen. Der Aufwand für CoviMedical sei allerdings enorm, sagte Gerhardt: Das Land Rheinland-Pfalz verwende andere Testkits als CoviMedical, deshalb müssten dann alle rund 1.100 Mitarbeitern neu geschult werden – das koste Zeit und ebenfalls Geld.
Vom Land Hessen, das für das junge hessische Startup eigentlich zuständig wäre, hieß es am Freitag derweil nur schmallippig: „Die Einschätzung eines vielerorts drohenden Teststopps wird seitens des Landes Hessen nicht geteilt.“ Der Bund habe nun nun ja mitgeteilt, dass Abschlagszahlungen möglich seien, und zudem Zahlungen für die kommende Woche angekündigt. Am 15. April sollen die ersten Refinanzierungszahlungen für die Kosten fließen. Zudem prüfe man „zurzeit weitere Möglichkeiten der Unterstützung und steht dazu in engem Austausch u.a. mit der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen“, teilte die „Geschäftsstelle Presse-Corona“ im Hessischen Sozialministerium mit.
Bei CoviMedical drängen sie derweil auf eine grundlegendere Lösung des Problems: „Ziel muss aber eigentlich sein, dass wir eine einheitliche und langfristige Lösung für alle Standorte bundesweit bekommen“, betonte Gerhardt, denn das Problem bestehe ja weiter: Selbst mit der Abrechnung vom März könne CoviMedical nicht die Tests bis Mitte Mai vorfinanzieren. „Wir haben nicht das Finanzvolumen, 100.000 neue Tests zu kaufen“, sagte Gerhardt, „es sei denn wir würden die Kapazitäten limitieren – aber damit ist niemandem geholfen.“
Auch der Wiesbadener Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende (SPD) forderte derweil eine verlässliche Finanzierung für die Betreiber der Schnelltest-Center: „Um die beabsichtigte Teststrategie wirksam umsetzen zu können, brauchen die Anbieter eine verlässliche, zeitnahe Erstattung ihrer Aufwendungen“, sagte Mende am Freitag, und kritisierte: „Leider scheint diese Verlässlichkeit noch nicht gesichert.“ Gleich mehrere Testcenter-Betreiber hätten sich inzwischen an die Stadt Wiesbaden gewandt, mit ihrer Hilfe habe man schnell ein gut funktionierendes System von Teststationen etablieren können.
„Es muss die verlässliche Finanzierung der kostenlosen Bürgertests sichergestellt sein, bevor möglicherweise ersten Anbietern die notwendigen Mittel ausgehen“, forderte Mende: „Ein ‚Rückbau‘ von Testkapazitäten wäre absolut kontraproduktiv und exakt das Gegenteil des Notwendigen – wir wollen, dass mehr Bürger die Test wahrnehmen, nicht weniger.“
Info& auf Mainz&: Unseren ersten Bericht über den Hilferuf von CoviMedical könnt Ihr hier auf Mainz& noch einmal nachlesen. Bei den Testcentern von CoviMedical in Mainz, die unter dem Namen „15minutentest“ firmieren, könnt Ihr derzeit nur PCR-Tests buchen, die kostenlosen Bürgertests werden zurzeit nicht angeboten. Wir halten Euch auf dem Laufenden, wie das weitergeht