Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) lässt Fragen zur Flutnacht im Ahrtal weiter unbeantwortet. Vor einem Monat hatte die CDU-Opposition einen Brief an Dreyer geschickt und um die Beantwortung von 15 Fragen gebeten, nun kam die Antwort: „Lautes Schweigen“ – so nennt es CDU-Landeschef Christian Baldauf, und kritisiert: Dreyer versuche „einmal mehr, einer klaren Stellungnahme auszuweichen“ und „den Eindruck zu erwecken, als ob sie mit der Katastrophe nichts zu schaffen hätte.“

Brief von CDU-Chef Christian Baldauf an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) im Oktober 2022. - Screenshot: gik
Brief von CDU-Chef Christian Baldauf an Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) im Oktober 2022. – Screenshot: gik

Am 19. Oktober 2022 hatte die CDU ihr Schreiben an die Staatskanzlei in Mainz geschickt, der Inhalt: 15 bohrende Fragen an die Ministerpräsidentin, zu ihrer Rolle in der Flutnacht des 14. Juli 2021 sowie danach. „Hätte die Landesregierung in der Flutkatastrophennacht konkret einen Beitrag leisten können, um Menschenleben zu retten“, wollte die CDU da etwa wissen. Oder auch, welche Überlegungen die Ministerpräsidentin selbst in der Flutnacht anstellte – etwa, den Krisenstab des Landes einzuberufen oder die Bevölkerung zu warnen.

Warum habe sich Dreyer am Abend der Flutkatastrophe nicht mit der damaligen Umweltministerium Anne Spiegel (Grüne) in Verbindung gesetzt, obwohl sie doch wusste, dass ihr Innenminister nicht mit dem für Hochwasserschutz zuständigen Ministerium in Kontakt war? Warum habe sie nicht dafür gesorgt, dass der Informationsaustausch funktionierte – und sei sie weiterhin der Auffassung, dass der damaliger Innenminister Roger Lewentz (SPD) sie in der Flutnacht ausreichend informiert habe?

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Tatsächlich hatte Dreyer am Abend des 14. Juli 2021 wiederholt in engem Austausch mit Lewentz gestanden, der letzte bislang bekannte Kontakt verlief gegen 21.45 Uhr, als Dreyer und Lewentz eine Reihe von SMS austauschten. Darin fragte Dreyer unter anderem bei Lewentz nach, ob denn Anne Spiegel, auch informiert sei, Lewentz antwortete: „Das weiß ich gar nicht, sie hat ein eigenes Lagesystem.“

Geflutete Häuser, verzweifelte Menschen, die mit Taschenlampen um Hilfe morsen - Polizeivideo aus der Flutnacht des 14. Juli 2021 im Ahrtal. - Video:: Polizei RLP, Screenshot: gik
Geflutete Häuser, verzweifelte Menschen, die mit Taschenlampen um Hilfe morsen – Polizeivideo aus der Flutnacht des 14. Juli 2021 im Ahrtal. – Video:: Polizei RLP, Screenshot: gik

Dreyer habe daraufhin dann keineswegs nachgehakt oder dafür gesorgt, dass der Informationsfluss zwischen Innen- und Umweltministerium funktioniere, kritisiert die CDU – Dreyer verabschiedete sich lediglich von Lewentz mit den Worten: „Ok. Schönen Abend noch.“ Als Ministerpräsidentin trage Dreyer aber „die politische Verantwortung dafür, dass Innen- und Umweltministerium am 14. Juli nicht ausreichend kommunizierten“, kritisiert Baldauf: „So verstrichen Chancen, Menschen frühzeitig zu warnen und zu retten.“

Landesregierung lagen handfeste Beweise für Katastrophe vor

Bislang hatte Dreyer stets nur wiederholt, sie sei in der Flutnacht „von einem Hochwasser“ ausgegangen, auf das alle Stellen gut vorbereitet und gerüstet seien: „Es gab für mich zu diesem Zeitpunkt keinen Hinweis, dass es zu so einer Flutkatstrophe kommen würde, und dass die Stellen nicht in gebotener Weise tätig werden würden.“ Inzwischen ergab die Arbeit des Untersuchungsausschusses zur Flutkatastrophe aber: Der Landesregierung und auch dem Innenminister persönlich lagen in der Flutnacht handfeste Beweise vor, dass sich im Ahrtal eine Katastrophe nie gekannten Ausmaßes abspielte – erfuhr die Ministerpräsidentin davon wirklich nichts?

 

Die CDU hatte in ihrem Schreiben Dreyer aufgefordert, zu den offenen Fragen Stellung zu nehmen: „Nicht nur gegenüber den Opfern, ihren Hinterbliebenen, den vielen Verletzten und Geschädigten, sondern auch der Öffentlichkeit besteht die Verpflichtung zur Aufklärung“, heißt es in dem Brief. Auf Anfrage von Mainz& antwortete die Staatskanzlei im Oktober: „Grundsätzlich beantworten wir Briefe, die an die Ministerpräsidentin gesendet werden, nicht über die Medien“ – Herr Baldauf werde „eine Antwort der Staatskanzlei erhalten.“

Dreyer beantwortete keine einzige Frage

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) vor Beginn ihrer Vernehmung im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal im April 2022. – Foto: gik
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) vor Beginn ihrer Vernehmung im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal im April 2022. – Foto: gik

Die kam nun auch an, den Inhalt nannte Baldauf aber: Enttäuschend. „Mittlerweile liegt ein Schreiben der Ministerpräsidentin vor“, teilte Baldauf diese Woche mit: „Leider beantwortet sie darin keine unserer Fragen.“ Dreyer verweise dabei auf eine weitere Vernehmung ihrer Person im Untersuchungsausschuss. Die AfD hatte eine zweite Vernehmung der Ministerpräsidentin vor zwei Wochen im Ausschuss beantragt, ihren Antrag aber vorerst wieder zurückgezogen, weil erneut neue Unterlagen und unbekannte Videos zur Flutnacht aufgetreten waren.

Eine Vernehmung Dreyers könnte nun nach Mainz&-Informationen im Januar 2023 stattfinden – bislang hatte die Ministerpräsidentin nur ein einziges Mal vor dem Ausschuss ausgesagt: im April 2022. Seither aber hat der Ausschuss eine Vielzahl neuer Erkenntnisse und Versäumnisse aufgedeckt: Videos von Hubschrauberpiloten aus der Flutnacht selbst, die klar die Katastrophe im Ahrtal mit meterhoch unter Wasser stehenden Häusern und verzweifelten Menschen auf Hausdächern dokumentierten, dazu verschiedene Warnungen und Einsatzberichte von Polizeidienststellen, die dem U-Ausschuss monatelang vorenthalten wurden.

 

Die Enthüllungen führten schließlich zum Rücktritt von Innenminister Lewentz Mitte Oktober – Dreyer hat zu den neuen Erkenntnissen und Entwicklungen bisher aber kein einziges Mal Stellung genommen. Auch in ihrer Antwort an die CDU gebe es jetzt nun „kein Wort zu den Vorgängen am Flutabend und in der Flutnacht“, kritisiert Baldauf – Dreyer habe keine einzige der 15 Fragen beantwortet.

Dreyer: keine Antwort zu Polizeivideos und verspäteter Lieferung

CDU-Landeschef Christian Baldauf: Bohrende Fragen an Malu Dreyer. - Foto: gik
CDU-Landeschef Christian Baldauf: Bohrende Fragen an Malu Dreyer. – Foto: gik

„Warum Frau Dreyer nicht wenigstens einzelne Fragen beantwortet, bleibt schleierhaft“, sagte Baldauf weiter. Dreyer hätte als Regierungschefin doch wenigstens antworten können, warum sie Lewentz bis zu seinem Rücktritt das Vertrauen ausgesprochen habe, oder welche Maßnahmen sie nach Bekanntwerden der Hubschraubervideos als Regierungschefin zur Aufklärung über deren Verbleib sowie über die verspäteten Aktenlieferungen an den Untersuchungsausschuss ergriffen habe

„Schließlich betreffen diese Fragen keine Ereignisse während des Untersuchungszeitraums bis zum 6. August 2021“, betonte Baldauf – der Untersuchungsausschuss kann und darf nur Ereignisse bis zu diesem Datum beleuchten. Dreyer könne mithin durchaus Stellung zu Vorkommnissen beziehen, die nach dem 6. August 2021 stattfanden, unterstrich Baldauf: „Der Verweis auf die UA-Vorladung kann somit nicht als Rechtfertigung für die Nichtbeantwortung dienen.“

Baldauf: keine Entschuldigung, keine Transparenz

Dreyer versuche offensichtlich „einmal mehr, einer klaren Stellungnahme auszuweichen.“, kritisierte der CDU-Chef weiter: „Von Transparenz, die sich die Ministerpräsidentin öffentlich gerne auf die Fahne schreibt, keine Spur.“ Dreyer versuche weiter, „den Eindruck zu erwecken, als ob sie mit der Katastrophe nichts zu schaffen hätte“, und was noch gravierender und erschreckender sei: Noch immer komme der Ministerpräsidentin „kein Wort der Entschuldigung über die Lippen“, klagte Baldauf: „Die Kette des folgenschweren Versagens ihrer Regierung führt jedoch unmittelbar zur Frage der politischen Verantwortung der Ministerpräsidentin.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum Brief an Malu Dreyer lest Ihr auch hier bei Mainz&. Alle Berichte, Enthüllungen und Hintergründe zur Flutkatastrophe im Ahrtal findet Ihr hier in unserem großen Ahrflut-Dossier. Mehr zum Krimi „Ahrtal-Aufklärung“, zu verschwundenen Videos und nicht vorgelegten Emails lest Ihr auch hier auf Mainz&:

Krimi Ahrflut: Gingen Videos vom Einsatz des Polizeihubschraubers im Ahrtal doch früher ans Mainzer Innenministerium? – Piloten berichten aus der Flutnacht