Am letzten Tag des Jahres 2022 verabschiedete sich einer der alten Kirchenväter: Der emeritierte Papst Benedikt XVI. starb am frühen Silvestermorgen im Alter von 95 Jahren in Rom. Benedikt, geboren als Joseph Ratzinger, war der erste deutsche auf dem Papstthron seit rund 480 Jahren. Auch in Mainz gedachten Bischof und Gläubige des „deutschen Papstes“, Vertreter der Politik erinnerten an sein Wirken. Das Bistum Mainz plant für den 7. Januar 2023 ein Requiem. An dem 2013 von seinem Amt zurückgetretenen Papst entzündete sich aber auch massive Kritik an der katholischen Kirche und seinem Wirken.

Der frühere Papst Benedikt XVI., Joseph Ratzinger, ist tot. - Foto Deutsche Bischofskonferenz
Der frühere Papst Benedikt XVI., Joseph Ratzinger, ist tot. – Foto Deutsche Bischofskonferenz

Um 12.00 Uhr Mittags schlugen die Kirchenglocken in ganz Mainz, am Mainzer Dom läuteten sie gar für volle 30 Minuten. Die Botschaft, die sie in die Welt hinaus trugen: Papst Benedikt XVI. ist tot. Der emeritierte Papst war am Silvestermorgen mit 95 Jahren in Rom nach langer Krankheit gestorben, sein Tod war seit Tagen erwartet worden. Vertreter aller Kirchen sowie der Politik würdigten am Samstag den Verstorbenen als großen Theologen, der die katholische Kirche maßgeblich geprägt habe.

Benedikt XVI. wurde am 16. April 1927 als Joseph Ratzinger in Marktl in Bayern geboren und 1951 zum Priester geweiht. Ratzinger etablierte sich schnell als ausgewiesener Theologe, er wurde Theologieprofessor und 1977 Erzbischof von München und Freising, obwohl er wenig pastorale Erfahrung hatte. Ratzinger blieb Zeit seines Lebens eher Gelehrter als Seelsorger, ab 1982 leitete er die Glaubenskongregation im Vatikan in Rom – und galt als ehern-konservativer Verfechter der katholischen Kirche.

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„Wir sind Papst“ – Rückkehr der Ultrakonservativen

Am 19. April 2015 wurde Ratzinger im Konklave nach dem Tod von Papst Johannes Paul II. überraschend zum 265. Papst der Katholischen Kirche gewählt – als erster deutscher Papst seit 480 Jahren. „Wir sind Papst“, titelte die Bildzeitung – doch für alle, die die Kirche mode5rnisieren und reformieren wollten, war Ratzingers Wahl ein Schock.

"Lasset die Kindlein zu mir kommen": Ein Motivwagen der Mainzer Narren an Rosenmontag 2019 geißelte die Missbrauchsfälle in der Katholischen Kirche. - Foto: gik
„Lasset die Kindlein zu mir kommen“: Ein Motivwagen der Mainzer Narren an Rosenmontag 2019 geißelte die Missbrauchsfälle in der Katholischen Kirche. – Foto: gik

Mit Papst Benedikt XVI. trat nach dem eher liberaleren Johannes Paul II: wieder ein Vertreter der stark konservativen Linie das höchste Amt in Rom an. Benedikt förderte alte Traditionen wie die lateinische Messe und traditionelle päpstliche Gewänder, er rückte die Kurie wieder näher an erzkonservative Gruppierungen wie Opus Dei oder die Piusbruderschaft. Er stand stets gegen Abtreibung und zugleich gegen Schwangerschaftsverhütung, Reformen der Kirche lehnte er ab.

Benedikts Pontifikat stand im Zeichen von Skandalen und großen Problemen: 2011 und 2012 erschütterte der „Vatileaks“-Skandal den Vatikan, als der päpstliche Kammerdiener Paolo Gabriele geheime Unterlagen an die Medien weitergab, die erschütternde Einblicke in Korruption, Missmanagement und Günstlingswirtschaft im Vatikan enthüllten. Der Spiegel sprach von „Verrätern und Vertuschern“, und einem Geflecht von Intrigen um Macht und Einfluss. 2015 folgte ein Finanzskandal, Vatileaks 2.0.

Umgang mit Missbrauchsfällen als schwere Hypothek

Zur schwersten Krise aber wurde Benedikts Umgang mit den immer häufiger zutage tretenden Missbrauchsskandalen in der Katholischen Kirche. Es war in seiner Amtszeit, dass die Ausmaße der jahrzehntelangen Missbrauchsfälle in Deutschland, aber auch weltweit bekannt wurden. Benedikt traf sich mit Opfern und kündigte hartes Durchgreifen an – das aber nie geschah. Zwar setzte Benedikt rund 400 Bischöfe wegen sexueller Verfehlungen ab, doch wirkliche Aufklärung und Offenlegung von Unterlagen blockierte der Vatikan unter Benedikt weiterhin. Auch gegen ihn selbst wurden vertuschungsvorwürfe aus seiner Zeit als Erzbischof laut.

Andacht für den verstorbenen Papst Benedikt em. im Mainzer Dom am Samstagmittag. - Foto: Bistum Mainz
Andacht für den verstorbenen Papst Benedikt em. im Mainzer Dom am Samstagmittag. – Foto: Bistum Mainz

Historisch wurde das Ende seines Pontifikats: Am 11. Februar 2013 verkündete Benedikt XVI. seinen Rücktritt vom Papstamt, und trat am 28. Februar 2013 tatsächlich zurück – als erster Papst seit dem Mittelalter. Seine letzten Jahre verbrachte er zurückgezogen in Rom. „Sein überraschender Rücktritt als Papst hat viele Menschen bewegt und beeindruckt“, sagte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf am Samstag in Mainz. Benedikt habe „als Papst, Professor, Bischof und Präfekt der Glaubenskongregation die theologische Welt und die Kirche geprägt und inspiriert“, würdigte Kohlgraf den Verstorbenen bei einer kurzfristig angesetzten Andacht im Mainzer Dom.

„Mit abschließenden Einordnungen eines derart vielfältigen Lebenswerks sollten wir uns jetzt zurückhalten“, sagte Kohlgraf weiter: „Jetzt ist die Zeit des Gebets.“ Als ursprünglich Kölner Priester sei er Benedikt wiederholt persönlich begegnet. „Gerade seine Beziehung zu Bonn, wo ich jahrelang tätig war, hat uns verbunden“, sagte Kohlgraf, „der Höhepunkt war für mich der Weltjugendtag 2005 in Köln.“ Er denke „in Dankbarkeit an das, was mir Joseph Ratzinger in den letzten Jahrzehnten auch für mein priesterliches Wirken gegeben hat“, betonte der Mainzer Bischof. Viele theologische Veröffentlichungen von Papst Benedikt XVI./Joseph Ratzinger „haben mich gefördert oder herausgefordert.“

 

„Lebenswerk im Licht offenkundiger Probleme“

Wenn er an diese Jahre zurückdenke, sei es jedoch, „als würde ich in eine andere Epoche der Kirchengeschichte eintauchen“, räumte Kohlgraf zugleich ein: „Mittlerweile liegen Themen auf dem Tisch, die weit in diese Zeit hineinreichen. Dennoch ist es zu kurz gegriffen, ein Lebenswerk im Licht jetzt offenkundiger Probleme zu sehen. Ich überlasse dieses Urteil dem großen Gott, an den wir glauben.“

Im Mainzer Dom läuteten am Samstagmittag die Glocken zu Ehren des verstorbenen Ex-Papstes. - Foto: gik
Im Mainzer Dom läuteten am Samstagmittag die Glocken zu Ehren des verstorbenen Ex-Papstes. – Foto: gik

Auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPSD) äußerte „große Anteilnahme“ im Angesichts des Todes des emeritierten Papstes: „Nach einem sehr langen und erfüllten Leben ist der Diener im Weinberg des Herrn, wie sich Papst Benedikt XVI. nach seiner Wahl selbst bezeichnete, heimgegangen“, sagte Dreyer: „Allen, die um ihn trauern, spreche ich mein Mitgefühl aus.“ Für Deutschland sei es „ein herausragendes Ereignis“ gewesen, dass nach Jahrhunderten wieder ein Deutscher zum Papst gewählt wurde.

„Und wie immer man sein Lebenswerk einschätzt: Papst Benedikt hat zweifellos die katholische Kirche über Jahrzehnte maßgeblich geprägt“, betonte Dreyer. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) bekundete in einem Kondolenzschreiben an den Vatikan Trauer und Mitgefühl. Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN), Volker Jung, würdigte Benedikt als „Theologe von Weltgeltung“.

„Mit dem Tod von Papst em. Benedikt XVI. verlässt uns ein beeindruckender Theologe und erfahrener Hirte“, sagte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing: „Wir trauern um eine Persönlichkeit, die der Kirche auch in schwierigen Zeiten Hoffnung und Richtung vermittelt hat. Papst Benedikt hat die Stimme des Evangeliums – gelegen oder ungelegen – hörbar gemacht.“

Im Bistum Mainz wird es am Samstag, den 7. Januar 2023, um 10.30 Uhr im Mainzer Dom ein Requiem für den Verstorbenen geben, das von Bischof Kohlgraf persönlich gefeiert wird.

Info& auf Mainz&: Ausführliche Stellungnahmen und Infos findet Ihr auch hier auf der Internetseite des Bistums Mainz.