Zweieinhalb Jahre nach der Flut sorgt die Katastrophe im Ahrtal noch immer für politische Erdbeben in Mainz. Nach Innenminister Roger Lewentz (SPD) könnte der Umgang mit der Flutkatastrophe im Ahrtal nun eine weitere Vertraute von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) den Job kosten: Heike Raab, Staatssekretärin in der Mainzer Staatskanzlei und Beauftragte für die Rundfunkpolitik der Länder. Ausgerechnet Raab werden nun ein Einschüchterungsversuch und Drohgebärden gegenüber der Presse vorgeworfen: Raab soll versucht haben, eine unangenehme Berichterstattung eines SWR-Journalisten zu unterbinden – unangenehm für den gerade als SPD-Landeschef wiedergewählten Lewentz.

Wer trägt die Verantwortung für die Fehler in der Flutnacht des 14. Juli 2021 - und für die Toten der Flutnacht? - Foto: gik
Wer trägt die Verantwortung für die Fehler in der Flutnacht des 14. Juli 2021 – und für die Toten der Flutnacht? – Foto: gik

Es war am 11. Mai dieses Jahres, als der SWR-Hauptstadtkorrespondent Georg Link in einem Schaltgespräch mit der SWR-Nachrichtensendung Aktuell Rheinland-Pfalz eine kleine Bilanz in Sachen Folgen der Landesregierung in Mainz mit der Flutkatastrophe im Ahrtal zog. Anlass war der erste Jahrestag eines Rücktritts: Genau am 11. April 2022 war die Grüne Anne Spiegel von ihrem Amt als Bundesfamilienministerin zurückgetreten – es ging um eine wochenlangen Frankreich-Urlaub während der Aufräumarbeiten im Ahrtal, um nicht-besuchte Kabinettssitzungen und ganz allgemein um den verheerenden Umgang der Ex-Umweltministerin mit der Ahrflut und ihrer Rolle in der Nacht und den Wochen danach.

Link aber nahm in dem Schaltgespräch auch zu einer anderen führenden Person in der Mainzer Landespolitik Stellung: Roger Lewentz. Der SPD-Mann hatte im Oktober 2022 ebenfalls wegen Missmanagements bei der Aufklärung der Flutkatastrophe als Innenminister zurücktreten müssen. Lewentz stürzte am Ende über brisante Videos aus einem Polizeihubschrauber in der Flutnacht, und über seine Weigerung, eigene Fehler zuzugeben. Tatsächlich trat Lewentz mit dem Satz zurück, er übernehme „die Verantwortung für die in meinem Bereich gemachten Fehler“ – eigene Fehler räumte er bis zum Schluss nicht ein, schon gar nicht für die 136 Toten in der Flutnacht im Ahrtal.

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Lewentz: Trotz Rücktritt als Innenminister weiter SPD-Landeschef

SPD-Landeschef blieb Lewentz indes auch nach seinem Rücktritt als Innenminister – und im April 2023 stand just die Frage im Raum: Würde Lewentz als SPD-Landeschef sogar noch einmal für zwei weitere Amtsjahre kandidieren – trotz Rücktritt, trotz der katastrophalen Fehler in der Flutnacht? Es war vor diesem Hintergrund, dass Link den Satz sagte: „Es dürfte bundesweit wahrscheinlich einmalig sein, dass ein Landesminister, der die politische Verantwortung für die vielen Toten dieser schrecklichen Ahrkatastrophe übernehmen muss, weiterhin Landesvorsitzender seiner Partei bleibt.“

Innenminister Roger Lewentz im Oktober 2022 kurz vor seinem Rücktritt in einem Fernsehinterview mit dem SWR. - Screenshot: gik
Innenminister Roger Lewentz im Oktober 2022 kurz vor seinem Rücktritt in einem Fernsehinterview mit dem SWR. – Screenshot: gik

Der Satz stieß ganz offensichtlich einigen Personen übel auf, denn eine Verantwortung für die Toten der Flutnacht hatte Lewentz ja gerade nicht übernommen – und bis heute auch kein weiteres Mitglied der Landesregierung. Drei Wochen später jedenfalls, am 2. Mai 2023, verschickte Heike Raab, langjährige SPD-Politikerin aus Cochem an der Mosel einen Brief an den Südwestrundfunk in Mainz. Ein öffentlich-rechtlicher Sender wie der SWR dürfe „aus meiner Sicht nicht so leichtfertig falsche Behauptungen in die Welt setzen, die einen direkten Zusammenhang konstruieren, der so nicht besteht“, beschwerte sich Raab mit Bezug auf Links Aussage – der Brief ging unmittelbar an die Landessenderdirektorin Ulla Fiebig beim SWR in Mainz.

„Natürlich“ sei es „legitim, solche Fragen aufzuwerfen“, wie Link es in seinem Gespräch getan habe, schrieb Raab weiter. Links Satz über Lewentz und die Ahr-Toten aber sei „objektiv falsch“, der Zuschauer werde „durch die falsche Tatsachenbehauptung von Herrn Link in die Irre geführt.“ Und schließlich fügte Raab noch hinzu: „Ich erwarte Ihre Antwort mit großem Interesse und werde danach entscheiden, ob wir auch noch im Programmausschuss sprechen sollten.“

„Angriff auf Pressefreiheit“, „Einflussnahme auf SWR“

Öffentlich wurde das Schreiben am 3. November 2023 durch einen Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) – genau einen Tag vor Lewentz Wiederwahl als SPD-Parteichef. Der Brief schlug ein wie eine Bombe, die Opposition schäumt seither, spricht von einem handfesten Skandal, einem Angriff auf die Pressefreiheit und von versuchter Einflussnahme der regierenden SPD auf den SWR: „Wenn sich eine Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz im SWR ganz oben über ohne Zweifel journalistisch saubere Beiträge beschwert, weil ihr die Berichterstattung nicht genehm ist, lässt das tief blicken auf das Selbstverständnis und das Machtverständnis dieser Landesregierung“, schimpfte CDU-Generalsekretär Gordon Schnieder.

Staatssekretärin Heike Raab im Medienausschuss des Mainzer Landtags. - Screenshot: gik
Staatssekretärin Heike Raab im Medienausschuss des Mainzer Landtags. – Screenshot: gik

Raab verteidigte sich im Medienausschuss des Mainzer Landtags, es sei doch „ein Jedermannsrecht“, sich über das Programm zu beschweren, es sei auch „ein normaler Vorgang, einen Gegenstand im Programmausschuss zu behandeln.“ Seit über 20 Jahren setze sie sich für die Rundfunkfreiheit ein, die Unabhängigkeit der Medien sei für sie ein hohes Gut, unterstrich Raab: „Das Verbot politischer und wirtschaftlicher Einflussnahme auf Medieninhalte ist für mich eine Grundvoraussetzung und ein Wert in der Demokratie.“

Nur dass Raab eben nicht „Jedermann“ sei, hielt ihr daraufhin die Opposition vor: „Eine Staatssekretärin, die den SWR mit einem solchen Briefkopf anschreibt, ist nicht ‚Jedermann‘ – sie handelt bewusst als Repräsentantin der Regierung“, schimpfte der AfD-Abgeordnete Joachim Paul: Die Staatssekretärin habe versucht, „eine bestimmte Berichterstattung von Seiten des SWR einzufordern, ihr Brief stellt die Staatsferne ad absurdum.“

Beschwerdebrief an SWR – mit amtlichem Briefkopf

Tatsächlich ist Heike Raab alles andere als ein „Jedermann“: Die 58-Jährige ist seit 2015 Staatssekretärin in der Staatskanzlei in Mainz und dort als Beauftragte für Medien und Digitales für die zentrale Koordinierung der der Rundfunkkommission der Länder zuständig. Vorsitzende der Kommission ist Ministerpräsidentin Malu Dreyer, Raab koordiniert die Medienpolitik der Länder in ihrem Auftrag, zudem ist die Staatssekretärin stellvertretende Vorsitzende des Verwaltungsrats des SWR, Mitglied im Landesrundfunkrat und – ausgerechnet – stellvertretende Chefin des Finanzausschusses im SWR.

Offizielles Portrait von Heike Raab als Staatssekretärin und Bevollmächtigte der Ministerpräsidentin. - Foto: Heike Raab
Offizielles Portrait von Heike Raab als Staatssekretärin und Bevollmächtigte der Ministerpräsidentin. – Foto: Heike Raab

Pikant zudem: Ihre Protestnote verschickte Raab keineswegs auf privaten Briefpapier – sondern mit dem offiziellen Briefkopf ihres Regierungsamtes in der Staatskanzlei. „Glauben Sie allen Ernstes, ein Schreiben mit dem Briefkopf Ihrer öffentlichen Funktion werde als ganz normale Programmbeschwerde oder ganz normales Schreiben angesehen?“, hielt ihr denn auch CDU-Landeschef Christian Baldauf im Medienausschuss vor, und merkte süffisant an: „Haben Sie vier Tage lang keinen anderen Briefbogen gefunden?“

Tatsächlich hatte Raab im Ausschuss angegeben, sie habe den Brief „Ende April“ verfasst, und zwar in ihrem Homeoffice in Cochem – sogar die Briefmarke habe sie von einem Spender von der Fensterbank gepflückt. An der Darstellung gibt es inzwischen handfeste Zweifel, Raab musste sich korrigieren: Der Brief selbst nämlich trägt das Datum vom 2. Mai – eingetragen in der Staatskanzlei in Mainz, wo der Brief auch auf offiziellem Wege für die Akten eingescannt und dann verschickt wurde.

Zu enge Verflechtungen zwischen Staatskanzlei und SWR?

Wo bleibe denn da „Neutralität und sensible Trennung zwischen Amt, Mandat und Beschwerde?“, schimpfte Baldauf und orakelte: Von den „zu engen Verflechtungen“ zwischen Staatskanzlei und SWR schrieben inzwischen offen die Medien in Rheinland-Pfalz, „wie kommen die denn darauf?“ Die Opposition fährt deshalb inzwischen die ganz großen Geschütze auf, spricht von Einschüchterungsversuch und Angriff auf die Pressefreiheit.

Das Landesfunkhaus des SWR in Mainz: Debatte um Staatsferne und Neutralität. - Foto: SWR
Das Landesfunkhaus des SWR in Mainz: Debatte um Staatsferne und Neutralität. – Foto: SWR

Aber auch bei der Landespressekonferenz Rheinland-Pfalz wertet man das Schreiben als klaren Einschüchterungsversuch: Raab wende sich via Staatskanzlei direkt an die höchste Hierarchiestufe im Mainzer SWR und bringe auch noch den Programmausschuss ins Spiel, das sei als „klare Machtdemonstration und Drohgebärde“ zu werten, heißt es in einer Stellungnahme der Vereinigung der Landeskorrespondenten im rheinland-pfälzischen Landtag.

Beim SWR reagierte man kühl auf Raabs Schreiben: Man habe die Beschwerde über das Schaltgespräch „sorgfältig geprüft“, die Aussage des Korrespondenten bewege sich aber in dem völlig legitimen Bereich „einer journalistisch-wertenden Einordnung und Einschätzung“, antwortete Senderdirektorin Ulla Fiebig in ihrem Antwortschreiben – beide Briefe liegen Mainz& vor. Links Meinungsäußerung sei zwar „in ihrer Aussage sehr pointiert“, es müsse aber „im Wege der journalistischen Aufarbeitung erlaubt sein, Umstände und Beweggründe kritisch zu hinterfragen und zu interpretieren“, betont Fiebig weiter – und setzt doch den Satz hinzu: „Soweit wir das überblicken können, hat er die Formulierung nur in diesem einen Moment verwendet.“

„Geheimer Hinweisgeber“ auf Sendung: War es Roger Lewentz?

Die Opposition wertet das als nahezu unterwürfige Geste der Landessenderdirektorin. „Dass sich die Leitungsebene im SWR seit Langem eines gezielten Würgegriffs der roten Staatskanzlei erwehren muss, ist weiß Gott kein Geheimnis“, schrieb der Chefredakteur der Koblenzer Rhein-Zeitung, Lars Hennemann, in einem Kommentar: „‚L’ état c’est nous‘, der Staat sind wir – eine solche deformierte und deformierende Grundhaltung entsteht, wenn eine Partei, egal welche, einfach zu lange an der Regierung ist.“

Versuchte Ex-Innenminister Roger Lewentz eine für ihn unangenehme Berichterstattung im SWR zu unterbinden? - Foto: gik
Versuchte Ex-Innenminister Roger Lewentz eine für ihn unangenehme Berichterstattung im SWR zu unterbinden? – Foto: gik

Denn tatsächlich hatte Raab im Ausschuss angegeben, sie sei „aus ihrem Wahlkreis heraus“ auf die Sendung angesprochen worden: „Jemand“ habe ihr gesagt: „Guck Dir das mal an“, daraufhin habe sie die Sendung in der Mediathek angesehen – und anschließend den Beschwerdebrief verfasst. Der geheime Hinweisgeber aber, so argwöhnt die Opposition, dürfte niemand anderes gewesen sein als Parteichef Roger Lewentz. Tatsächlich schickte Raab eine Kopie ihres Beschwerdebriefes „unmittelbar“ an Roger Lewentz. Warum? „Weil er persönlich betroffen ist“, gab Raab an. Ob sie denn um ihren Brief herum „im Austausch mit Roger Lewentz gewesen sei“, wollte die CDU wissen – Raab wich aus.

„Die Vermutung liegt doch nahe, dass Herr Lewentz der Auftraggeber war“, argwöhnte denn auch Paul. Die Staatskanzlei habe Einfluss nehmen wollen, „dass die Berichterstattung so zu erfolgen hat, dass seine Karriere und sein Comeback gerettet werden kann.“ Einen ernsthaften Widerspruch darauf gab es aus den Reihen der Mainzer Ampel-Koalition nicht, die SPD-Vertreter pochten lediglich darauf, dass Programmkritik „von außen“ doch nicht ungewöhnlich sei und zu „einer freien Medienlandschaft dazu gehört.“

Baldauf: „Raab kann nicht nachweisen, dass es Lewentz nicht war“

„Das ist völlig weltfremd“, bilanzierte Baldauf: „Frau Raab konnte nicht nachweisen, dass Herr Lewentz nicht der Auftraggeber war.“ Die Staatssekretärin sei unbelehrbar und habe keinerlei Unrechtsbewusstsein gezeigt, sie sei im Amt nicht mehr zu halten. Tatsächlich hatte Raab in allen Stellungnahmen immer wieder betont, sie habe den Brief „nach reiflicher Überlegung“ versandt: „Inhaltlich stehe ich auch heute zu dem, was ich vorgetragen habe und zu meiner Kritik“, unterstrich Raab bei ihrer Verteidigungsrede.

Die Opposition fordert vehement die Entlassung von Heike Raab als Staatssekretärin. - Foto: Harald Krichel
Die Opposition fordert vehement die Entlassung von Heike Raab als Staatssekretärin. – Foto: Harald Krichel

Das fehlendes Unrechtsbewusstsein der Staatssekretärin „offenbart tiefgreifende Mängel im staatspolitischen Selbstverständnis der Landesregierung“, kritisierte daraufhin Baldauf – die Opposition fordert längst geschlossen Raabs Rücktritt oder ihre Entlassung durch Malu Dreyer. Raabs Brief „dokumentiert deutlich, wie Frau Raab ihre Macht als Mitglied der Landesregierung von Ministerpräsidentin Dreyer einsetzte, um Einfluss zu nehmen und eine Drohkulisse aufzubauen“, sagte Baldauf: „Dieser Einschüchterungsversuch zugunsten eines Parteifreundes wiegt schwer.“

Und längst nimmt die Opposition nicht mehr nur Raab,. sondern auch ihre Chefin Malu Dreyer ins Visier: Gordon Schnieder, auch Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion in Mainz, forderte Ministerpräsidentin Dreyer in einem Brief auf, Stellung zu beziehen: Man wolle wissen, ob sich Dreyer „die Erklärungen von Frau Raab zu eigen macht“, betonte Schnieder. Gut eine Woche später antwortete Dreyer – nach Angaben der CDU ließ die Ministerpräsidentin dabei „eine ganze Reihe drängender Fragen unbeantwortet.“

Sondersitzung im Landtag: Opposition fordert Erklärung Dreyers

So gehe Dreyer „mit keinem Wort auf die Täuschung des Parlaments, der Presse und damit der Öffentlichkeit durch Staatssekretärin Raab ein“, kritisierte Schnieder: Dadurch mache sich Dreyer „die Argumentation Raabs endgültig zu eigen und stellt ihren Machterhalt über ehrlichen Aufklärungswillen.“ Auch die Freien Wähler werfen Raab vor, sie habe Einfluss auf die Berichterstattung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nehmen wollen – CDU und Freie Wähler beantragten deshalb eine Sondersitzung des Mainzer Landtags, die an diesem Mittwoch stattfinden wird.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (links) und Heike Raab (beide SPD) bei einer Pressekonferenz in der Staatskanzlei. - Foto: rlp.de
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (links) und Heike Raab (beide SPD) bei einer Pressekonferenz in der Staatskanzlei. – Foto: rlp.de

Eine Sondersitzung ist ein scharfes Schwert der Opposition, in der Sitzung muss sich die Regierung vor dem gesamten Plenum und der Öffentlichkeit im Land für den Vorgang rechtfertigen. Damit steht nicht länger nur Raab unter Beschuss, auch Dreyer selbst sitzt damit am Mittwoch auf der Anklagebank: : „Raab ist die Bevollmächtigte des Landes Rheinland-Pfalz beim Bund und für Europa und Medien – und damit auch die Stellvertreterin der Ministerpräsidentin“, betonte der Fraktionschef der Freien Wähler, Joachim Streit: Die Ministerpräsidentin müsse jetzt eine Regierungserklärung zu diesem Thema abgeben.

„Ob Raab freiwillig zurücktritt oder nicht, ist für uns nicht die Frage, uns geht es um eine klare Stellungnahme der Ministerpräsidentin als Chefin der Landesregierung“, betonte Streit: „Jetzt muss sie zeigen, wie es um ihre Einstellung zur Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bestellt ist.“ Sollte Dreyer nicht klar Stellung beziehen, sei sogar die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung der Vorgänge „eine mögliche Konsequenz“, drohte Streit.

AfD fordert Untersuchungsausschuss, Raab entschuldigt sich

Die AfD fordert bereits offen ein solches Untersuchungsgremium, die CDU zögert noch – schließt einen U-Ausschuss aber auch nicht aus. Die Staatskanzlei teilte daraufhin vergangenen Freitag mit, Raab entschuldige sich für ihr Agieren und lege ihr SWR-Mandat nieder. „Aus heutiger Sicht, und in Reflexion der Diskussion der letzten Wochen will ich selbstkritisch einräumen, dass ich statt eines Briefes meine sachliche Kritik an dem SWR-Beitrag vom 11.4. in den dafür zuständigen Rundfunkgremien hätte ansprechen sollen“, sagte Raab: „Es war nie eine Sekunde meine Absicht, Druck auszuüben. Umso mehr bedaure ich zutiefst, dass dieser Eindruck entstehen konnte.“

Laptop auf der Pressetribüne des Mainzer Landtags. - Foto: gik
Laptop auf der Pressetribüne des Mainzer Landtags. – Foto: gik

Sie habe „die Wirkung aufgrund meiner besonderen Rolle in der Medienpolitik unterschätzt.“, sagte Raab weiter: „Dass ich den Briefbogen ‚Bevollmächtigte‘ verwendet habe, beurteile ich rückwirkend als einen Fehler. Dafür will ich mich entschuldigen.“ Sie habe deshalb ihr Mandat im SWR-Verwaltungsrat niedergelegt. Der Opposition reicht das indes nicht: „Die Rückgabe des Mandates ändert nichts an dem Tatbestand der versuchten Einflussnahme“, sagte Streit – und konstatierte: Mit der Niederlegung des SWR-Mandates werde „die Verpflichtung der Ministerpräsidentin in der Briefaffäre nur noch größer, da Frau Raab als Bevollmächtigte die Landesregierung vertreten hat, als sie den Brief schrieb.“

Bei der AfD wertete man den Teilrückzug als „verzweifelter Versuch, sich freizuschwimmen“: „Das kommt viel zu spät und ist nicht überzeugend“, kritisierte AfD-Fraktionschef Jan Bollinger. Die AfD sehe weiter „ein systemisches Problem und deutlichen Aufklärungsbedarf der Rolle von Ministerpräsidentin Dreyer in dieser Angelegenheit“, man halte deshalb an der Forderung nach einem Untersuchungsausschuss fest. Zudem sei eine Strukturreform im öffentlich-rechtlichen Rundfunk unumgänglich, es brauche eine „nachhaltige Entflechtung zwischen Politik und Sendehäusern.“

CDU: Raab im Amt „auf keinen Fall länger tragbar“

Auch der CDU reicht Raabs Fehlereingeständnis und Rückzug aus dem SWR nicht: „Raabs heutige Einlassung ist bestenfalls ein halbherziges Schuldeingeständnis und ein weiterer Beleg für ihr fehlendes Unrechtsbewusstsein und die Führungsschwäche von Ministerpräsidentin Dreyer“, schimpfte Schnieder: Raab habe schließlich erst durch den hohen medialen Druck reagiert, sie sei in ihrem Amt ohnehin auf keinen Fall länger tragbar. Der Titel der Sondersitzung lautet denn auch: „Rolle und Verantwortung von Ministerpräsidentin und Staatskanzlei bei der Einflussnahme auf die Berichterstattung unabhängiger Medien.“

Man habe die feste Erwartung, betonte Schnieder noch, „dass die Ministerpräsidentin in der Plenarsondersitzung persönlich Stellung beziehen und Antworten liefern muss.“ Am Ende könnte die Affäre eine weitere langjährige Vertraute Dreyers nun das Amt kosten – findet die Sondersitzung tatsächlich statt, wäre zudem ein enormer Imageschaden für Dreyer selbst möglich: Ausgerechnet die Ministerpräsidentin, die für die Rundfunkpolitik in der Republik die koordinierende Stelle ist, müsste sich öffentlich eines massiven Trommelfeuers von Vorwürfen über eine Einflussnahme auf freie Presse erwehren.

Sollte die Affäre tatsächlich Raab das Amt kosten, würde das aber noch ein weiteres, tieferes Problem offen legen: Es wäre erneut die Weigerung der Landesregierung, und insbesondere auch Dreyers selbst, Verantwortung für die Toten der Flutkatastrophe und die Fehler in der Flutnacht zu übernehmen, die einmal mehr ein Mitglied der Regierung aus dem Amt fegen würde. Die Opposition will Antworten, wie etwa Streit fordert: „Frau Dreyer kann sich nicht mehr wegducken, wie sie es schon bei der Flutkatastrophe getan hat.“

Info& auf Mainz&: Die Sondersitzung des Mainzer Landtags zur Causa Raab findet am Mittwoch, den 6. Dezember 2023 ab 13.00 Uhr statt. Der Landtag überträgt die Plenarsitzung auf seiner Website unter www.landtag.rlp.de, auch der SWR will live berichten.