Nach langer Wartefrist soll die Erörterung zu dem Bau der Schiffsanleger vor dem Mainzer Zollhafen nun doch noch in diesem Jahr kommen – allerdings in einer völlig anderen Form als üblich: Die Erörterung werde in Form einer „Online-Konsultation“ stattfinden, teilte die Generaldirektion Wasserstraße und Schifffahrt am 9. November auf ihrer Homepage mit. Die Online-Konsultation soll wegen der Coronakrise den öffentlichen Erörterungstermin ersetzen und vom 23. November bis 8. Januar stattfinden – also auch über die Weihnachtsferien hinweg. Pikant dabei auch: Der Austausch in der Erörterung soll ausschließlich digital und passwortgeschützt erfolgen, die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen. Scharfe Kritik kommt deshalb von der BI Neustadt-Ufer sowie von der CDU Mainz-Neustadt.
Die Generaldirektion Wasserstraße und Schifffahrt (GDWS) des Bundes will vor der Südmole des neuen Wohngebiets „Mainzer Zollhafen“ vier Schiffsanlegestellen für bis zu 16 Binnenschiffe sowie eine Autoabsetzanlage vor dem Ufer der Mainzer Neustadt errichten. Gegen das Vorhaben gibt es heftige Proteste der Anwohner aus dem gesamten Neustadtufer-Bereich von der neuen Zollhafen-Bebauung bis zum Feldbergplatz: Die Anwohner befürchten massive Belastungen durch Schadstoffe aus den Dieselmotoren der an- und ablegenden Schiffe, dazu erhebliche Lärmbelastungen vor allem auch durch die Autoabsetzanlage. Die BI Neustadt-Ufer warnt zudem: Die Abgase der Binnenschiffe, gerade beim Rangieren, würden die Stickoxidemissionen in der Mainzer Innenstadt wieder deutlich steigen lassen – und wahrscheinlich erneut über den EU-Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft treiben.
Die Autoabsetzanlage soll den Plänen der Bundesbehörde zufolge ein rund zwanzig Meter langer und 7,5 Meter breiter Stahlsteg mit drei Spuren werden und unmittelbar vor der denkmalgeschützte Caponniere entstehen. Dagegen protestieren auch Alt-Einwohner der Mainzer Neustadt, gerade auch weil das Ufer ein wichtiger Naherholungsort mit vielen Kinderspielplätzen ist. Dazu sollen an der Südmole des neuen Mainzer Zollhafens sieben Landstege errichtet werden, die zwischen 15 und 20 Meter weit in den Rhein reichen und nachts beleuchtet werden sollen. Die Liegeplätze würden damit unmittelbar vor dem neuen Wohngebiet entstehen, zum Teil keine 20 Meter von den Wohnungen entfernt, so etwa im Gebäude Rheinkai 500.
Geplant wurden die Liegeplätze 2013 nach dem Start der Verlagerung des Mainzer Zollhafens, sie wurden als Ersatz für den aufgegebenen alten Binnenhafen vorgesehen. Die Binnenschiffer bräuchten diese Ankerplätze dringend, um Ruhezeiten einhalten und Personal neu an Bord nehmen zu können, betont die GDWS, tatsächlich gibt es entlang des Rheins nicht genügend sichere Liegeplätze für die Binnenschiffer. Die Anlieger befürchten indes, hier würden nicht zwei, drei Schiffe pro Tag anlegen, sondern es werde zu „massiven Schiffsbewegungen“ kommen – schließlich würden die Anleger für bis zu 16 Binnenschiffe geplant.
Im April 2018 formierte sich deshalb massiver Widerstand gegen die Pläne, die Bürgerinitiative Neustadt-Ufer hält das Vorhaben bis heute für nicht genehmigungsfähig. Die Stadt Mainz verteidigte die Schiffsanleger hingegen stets, hatte sie doch 2012 mit einer Vereinbarung mit dem Bund und der Zollhafen GmbH den Weg dafür erst frei gemacht. Die für die Schiffer so notwendige Infrastruktur müsse eingerichtet oder modernisiert werden, man stimme dem Vorhaben deshalb unter den genannten Auflagen zu, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) in einer Stellungnahme der Stadt im Planfeststellungsverfahren für die Schiffsanleger. Gleichzeitig forderte Ebling konkrete Gutachten zur künftigen Lärmentwicklung sowie zu Schadstoffausstoß und Umweltbelastung – ein Umweltbelastungsgutachten gibt es für die Anlage bis heute nicht.
Gegen die Schiffsanleger und die Autoabsetzanlage gingen denn auch mehr als 500 Einwendungen der Anlieger ein, seit einem Jahr warteten die auf den im Verfahren vorgesehenen Erörterungstermin – der normalerweise öffentlich in Mainz stattgefunden hätte. Doch das soll es in diesem Fall nicht geben: Die GDSW kündigte am 9. November eine Onliner-Erörterung an, das Verfahren wurde im Mai wegen der Corona-Pandemie durch eine Änderung des Planungssicherstellungsgesetzes möglich gemacht.
Erfahrungen gibt es mit dem Verfahren indes noch nicht: In Mainz wäre es die erste Online-Erörterung überhaupt. „Bei der Online-Konsultation handelt es sich nicht um ein öffentliches Anhörungsverfahren“, stellt die Bundesbehörde in ihrer Ankündigung klar, der Zugang werde nur online erfolgen. Die zu behandelnden Informationen würden ab dem 23. November über eine Internetseite zugänglich gemacht – allerdings nur „den zur Teilnahme Berechtigten.“ Der Zugriff auf die nur digital zur Verfügung gestellten Unterlagen werde zudem passwortgeschützt sein. „Es wird darauf hingewiesen, dass die Weitergabe oder Veröffentlichung des Passwortes nicht gestattet ist“, heißt es weiter.
Den an der Teilnahme Berechtigten werde dann „die Gelegenheit gegeben, sich
bis einschließlich 08. Januar 2021 schriftlich bei der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt dazu zu äußern“, heißt es weiter. Behörden, Vorhabensträger sowie diejenigen, die Einwendungen gemacht hätten, würden von der Online-Konsultation „individuell berücksichtigt“, wer wegen einer fehlenden oder unleserlichen Adressangaben nicht individuell angeschrieben werden könne, könne sich schriftlich an die GDWS wenden, um die Zugangsdaten zu erhalten. Veröffentlicht wurde die Bekanntmachung vergangenen Freitag im Amtsblatt der Stadt Mainz.
„Das entspricht nicht unserem Verständnis eines Erörterungsverfahrens, das ja ein Austausch sein soll“, kritisiert deshalb Torsten Kirchmann von der BI Neustadt-Ufer auf Mainz&-Anfrage: „Wir kritisieren, dass hier der Austausch mit den Anwohnern überhaupt nicht gesucht wird.“ Die GDWS wolle offenbar „eine Entscheidung treffen, ohne den Beteiligten in die Augen blicken zu müssen“, sagte Kirchmann. Das Vorgehen passe zu dem gesamten bisherigen Verlauf des Projektes, der alles andere als transparent gelaufen sei: „Man will die Öffentlichkeit ausschließen und nicht beteiligen.“
Überhaupt werfe aus Sicht der BI das gesamte Verfahren zahlreiche Fragen auf, sagte Kirchmann weiter: „Was machen Leute, die kein Internet haben?“, fragte Kirchmann – schließlich könnten die wegen der derzeitigen Kontaktbeschränkungen in der Corona-Pandemie ja auch gerade nicht zu Bekannten gehen und dort das Internet nutzen. „Gerade für ältere Anwohner ist das Verfahren alles andere als selbsterklärend“, kritisiert Kirchmann weiter, und was sei mit Neu-Hinzugezogenen, mit der Presse und mit neu hinzugekommenen Fakten? Es sei völlig unklar, ob die Online-Konsultation barrierefrei auch für Menschen mit Behinderungen zu nutzen sei, vor allem aber: „Wie soll der Austausch funktionieren?“ sagte Kirchmann und kündigte an: Die BI werde das Verfahren juristisch von Anwälten überprüfen lassen.
CDU-Stadtrat Karsten Lange kritisierte zudem, es sei doch „befremdlich“, dass die Konsultation ausgerechnet in die Zeit zwischen dem ersten Advent und Heilige Drei Könige fallen solle. „Das ist traditionell eine Zeit der Besinnung und Ruhe, aber Anwohner und andere Einwender sollen sich nun in dieser Zeit mit einem Verfahren befassen“, sagte Lange: „Es liegt auf der Hand, dass hier die Behörde darauf setzt, dass sie in diesem Zeitraum weniger Widerstand erfährt als beispielsweise im Februar.“
Auch der Vorsitzende der CDU Mainz-Neustadt, Torsten Rohe, kritisierte, die Online-Konsulation bedeute „einen erheblichen Qualitätsverlust“ in Sachen Bürgerbeteiligung: „Das ist nur noch ein Austausch schriftlicher Stellungnahmen“, kritisierte Rohe, „scheinbar hat die Generaldirektion kein Interesse an einem Dialog und möchte nur ihre Planung stur durchziehen.“ Denn die rechtlich zulässige Alternative einer Video- oder Telefonkonferenz werde von der GDWS nicht angeboten, „dort wäre ein Dialog zwischen der Behörde und den Einwendern möglich gewesen“, betonte Rohe: „Gerade eine Bundesbehörde müsste während der Corona-Pandemie beispielhaft zeigen, dass auch in solch einer schwierigen Situation mit einer Videokonferenz ein Maximum an Bürgerbeteiligung sichergestellt werden kann.“
Info& auf Mainz&: Mainz& hat ausführlich über die Pläne für die Schiffsanleger und die Autoabsetzanlage berichtet, einen grundlegenden Text dazu findet Ihr hier: „Habt Ihr denn keinen Plan?“ Ausführliche technische Details der Pläne haben wir hier aufbereitet, über die Sorgen und Nöte der Binnenschiffer haben wir hier berichtet. Die BI Neustadt-Ufer, ein Runder Tisch, und am Ende sogar der Mainzer Stadtrat haben eine intensive Suche nach Alternativstandorten im Stadtgebiet gefordert und dafür auch Vorschläge unterbreitet – alle Alternativen wurden von der GDWS abgelehnt. Die Ankündigung der Online-Konsultation könnt Ihr hier im Internet bei der GDWS herunterladen, es ist der Link ganz unten auf der Seite.