Das Thema der geplanten Schiffsanleger für Binnenschiffe am Mainzer Zollhafen hat vergangene Woche auch den Mainzer Stadtrat beschäftigt: Gleich vier Anfragen von CDU, ÖDP, FDP und der rechten Mainzer Bürgerfraktion wollten Antworten von der Stadtverwaltung zu verschiedenen Aspekten des Themas. Gleichzeitig machte die Stadt Mainz ihre eigene Stellungnahme zum Planfeststellungsverfahren öffentlich. Und darin fordert die Stadt vom Bund konkrete Gutachten zur künftigen Lärmentwicklung sowie zu Schadstoffausstoß und Umweltbelastung. „Wir fordern entsprechende Untersuchungen, und wir wollen einen Nachweis, dass das am Ende auch umwelt- und gesundheitsverträglich ist“, sagte Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) im Stadtrat. Dazu fordert die Stadt die Bundesbehörde auf, „sicher zu stellen“, dass der an den Anlegestellen vorgesehene Landstrom auch tatsächlich von den Binnenschiffern genutzt wird – das wirft die Frage auf: Wie verbindlich ist die Nutzung des Landstroms?

Drei bis vier Schiffsanleger plant die WSV des Bundes vor der Mainzer Nordmole des Zollhafens, dazu ein Autoabsetzplatz auf Höhe des Feldbergplatzes. – Foto: gik

Die Wasserstraßen- und Schifffahrtsverwaltung (WSV) des Bundes plant entlang der Nordmole des Zollhafens, unmittelbar vor neu gebauten Luxuswohnungen, insgesamt vier Schiffsanlegestellen, hier könnten in Stoßzeiten bis zu 16 Schiffe ankern. Bisher hatte die WSV stets versprochen, an den Schiffsanlegestellen werde den Schiffern Landstrom zur Verfügung gestellt, damit gebe es keine Schadstoffbelastungen für die Anwohner. Offenbar ist die Nutzung des Landstroms bislang aber in den Planunterlagen nicht verbindlich vorgeschrieben: Man fordere die WSV auf, durch Einsatz von Tafelzeichen „sicher zu stellen, dass die Stromtankstellen von den Binnenschiffern auch genutzt werden“, schreibt die Stadt Mainz nun in ihrer offiziellen Stellungnahme zu dem Vorhaben. Ist die Stromnutzung nicht verbindlich, könnten die Schiffe auch ihre Dieselaggregate nutzen – die Abgase würden den Anwohner dann direkt in ihre Wohnungen ziehen, insbesondere am Wohngebäude „Rheinkai 500“.

Anwohner des Zollhafens, des Rheinkais sowie der Taunusstraße und weiterer Straßen der Mainzer Neustadt protestieren seit Wochen gegen die Schiffsanleger. Sie befürchten, dass durch die Dieselmotoren erhebliche Mengen an Schadstoffen in das Wohngebiet geweht werden und fordern die Prüfung alternativer Anleger im Stadtgebiet sowie Umweltverträglichkeitsuntersuchungen und Schadstoffmessungen. Die bisherigen Untersuchungen im Planfeststellungsverfahren sind offenbar alles andere als detailliert: Die Stadt Mainz veröffentlichte nun ihre eigene Stellungnahme, die sie Ende Oktober an die WSV schickte. Und darin heißt es etwa: Zwar berücksichtige ein Gutachten zur Lufthygiene auch die Emissionen der Schiffsanlegestellen – aber das Gutachten ende an der Straße am Zollhafen.

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Genau hier vor der Caponniere (rechts), vor der jetzigen Treppe zum Rheinufer soll die neue Autoabsetzanlage für Binnenschiffe entstehen. – Foto: gik

Auswirkungen der Anliegestellen für den kompletten Wohnbereich der Mainzer Neustadt entlang der Taunusstraße und dem Feldbergplatz wurden also nicht untersucht, auch nicht für die dortige Grünanlage und den Kinderspielplatz. Genau vor dieser Grünanlage plant die WSV eine Autoabsetzanlage, und genau für diese wurden bislang wohl keinerlei Gutachten zu Lärm oder Schadstoffen erstellt. „Die Beurteilungen der Auswirkungen durch den Betrieb der Anlage auf die Nachbarschaft wurde in den Planunterlagen noch nicht ausreichend berücksichtigt“, schreibt die Stadt nun selbst in ihrer Stellungnahme. Immissionsrichtwerte müssten eingehalten und „etwaige Belastungen der angrenzenden Bebauung durch Luftschadstoffe“ per Gutachten untersucht werden.

Wie viele Schadstoffe Binnenschiffe ausstoßen, ist umstritten. Das Umweltbundesamt spricht von „erheblichen Mengen“ an Stickoxiden und Feinstaub, die Binnenschiffer argumentieren, ein Schiff ersetze bis zu 90 Lkws und sei damit erheblich sauberer. „Die Emissionen des Binnenschiffsverkehrs können in Städten wie Bonn oder Düsseldorf mit bis zu 30 Prozent zu den gesamten lokalen Stickoxid-Emissionen beitragen“, heißt es hingegen beim Umweltbundesamt. Allerdings seien „die zum Teil hohen Emissionen stark auf die Flussnähe beschränkt. An Uferpromenaden sei aber „davon auszugehen, dass die Binnenschiffe dort erheblich zur NO2-Belastung beitragen“. An typischen innerstädtischen verkehrsnahen Messstationen komme das aber meist schon nicht mehr an.

Das unterstreicht auch die Stadt Mainz in ihren Antworten an die Fraktionen: An den nächst gelegenen Messpunkten des Landesamtes für Umwelt – am Konrad-Adenauer-Ufer und am Feldbergplatz – lägen die gemessenen Jahresmittelwerte für Stickoxide bei etwa 30 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft, teilte die Stadt nun mit, das seit weit unter dem Grenzwert von 40 Mikrogramm. Das aber sind nur die Werte für Stickoxide, wie sie auch Dieselautos ausstoßen.

Die Caponniere am Ende des Feldbergplatzes ist ein alter Teil der Rheinbefestigung der Stadt Mainz, erbaut 1887 von Stadtbaumeister Eduard Kreyßig. – Foto: gik

Gleichzeitig spricht sich Oberbürgermeister Michael Ebling in dem Schreiben aber auch explizit für die Anlegestellen aus: Die Stadt sei sich „der außerordentlichen Bedeutung der Binnenschifffahrt für Industrie und Handel bewusst“, seit „Jahrhunderten ist es ein vertrautes Bild, dass Binnenschiffer in Mainz festmachen und Güter umschlagen.“ Die für die Schiffer so notwendige Infrastruktur müsse eingerichtet oder modernisiert werden, man stimme dem Vorhaben deshalb unter den genannten Auflagen zu.

Die Stadt erteilte in dem Schreiben auch die erforderliche denkmalschutzrechtliche Genehmigung für den Bau, das Vorhaben finde „vor und am Rande“ der Denkmalschutzzonen Zoll- und Binnenhafen und Feldbergplatz sowie „in der Umgebung“ der Einzeldenkmäler Caponniere und Taunusstraße 59 statt. Erheblich Auswirkungen auf Bestand, Erscheinungsbild noch oder städtebauliche Wirkung erwarte man nicht. Einzige Bedingung des Denkmalschutzes: Der Durchmesser der Dalben – das sind die Säulen im Rhein, an denen die Schiffe festmachen – sei zu minimieren, die Farbgebung aller Bauteile mit der Denkmalschutzbehörde abzustimmen.

Die Stadt drängt unterdessen auch darauf, dass der Autoabsetzplatz am Feldbergplatz keine Dauer-Liegestelle werde und tatsächlich nur zum Auf- und Abladen von Autos dient. Auf Fragen der Fraktionen teilte sie ferner mit, die WSV gehe „von maximal 6 Autoabsetzvorgängen pro Tag aus“, ein Vorgang werde zirka 30 Minuten dauern. Die Liegestelle werde zudem nicht als Gefahrgutliegestelle ausgewiesen, damit dürften dort liegende Schiffe keine gefährlichen Güter geladen haben. „In einem Havariefall können dort nur kleinere Reparaturarbeiten durchgeführt werden, wodurch es jedoch nicht zu einer größeren Lärmbelastung kommt“, heißt es weiter.

Eine größere Lärmbelastung müssen die Anwohner hingegen wohl in der Bauphase erwarten: Man habe der WSV „lärmmindernde Maßnahmen“ wie den Einsatz lärmarmer Baugeräte sowie die Verwendung von Schallschürzen und Schallschutzwänden vorgeschlagen, teilte die Stadt mit: „Um die Dalben und Auflagerpfähle möglichst erschütterungsarm einzubringen, ist eine besondere Bauweise vorgesehen.“ Die wesentlichen Arbeiten würden mit schwimmenden Geräten vom Wasser aus durchgeführt. „Durch die landseitigen Anlagenteile wird es voraussichtlich nicht zu Auswirkungen auf bestehende Gebäude kommen“, heißt es in der Antwort der Stadtverwaltung weiter.

Entlang dieses Ufers und direkt vor dem Haus Rheinkai 500 sollen künftig Binnenschiffe ankern. – Foto: gik

Die Bürgerinitiative Neustadt-Ufer äußerte sich enttäuscht über die Stellungnahme der Stadt: Eine echte Umweltverträglichkeitsprüfung werde nicht gefordert, Ebling sowie Bürgermeister Günter Beck (Grüne) „haben anscheinend nicht den politischen Willen, die sachlichen Argumente der Neustadt-Bewohner ernsthaft zu prüfen“, kritisierte die BI auf Mainz&-Anfrage. Die Stadt könne sich als Betroffene sehr wohl gegen den Bau in der Neustadt aussprechen und bei der Planfeststellungsbehörde Alternativen vorschlagen, genau das aber geschehe nicht. Es sei aber zu befürchten, dass beim Absetzen der Autos die ganze Zeit über, also die vollen 30 Minuten lang, die Dieselmotoren laufen müssten, um das Schiff vor Ort zu halten.

Weiter kritisiert die BI, dass die Stadt selbst weder eine Bürgerinformation noch eine Bürgerbeteiligung durchgeführt habe und dies auch nicht plane. Die Stadt delegiere die Verantwortung an die Baubehörde, die WSV – die aber habe 2015 mitten in den Sommerferien eine Bürgerinformation durchgeführt, als noch niemand im Zollhafen wohnte. Die CDU-Opposition hatte am Mittwoch im Stadtrat auch gefragt, wie die Verwaltung in den vergangenen Wochen „auf die Sorgen und Fragen der Betroffenen reagiert und was sie konkret unternommen hat, um die angespannte Situation zu verbessern?“ Antwort der Stadtverwaltung: „Schriftliche Eingaben wurden individuell beantwortet, Einwendungen an die Planfeststellungsbehörde weitergeleitet.“

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Plänen für die Schiffsanleger am Mainzer Zollhafen sowie zum Protest der Anwohner lest Ihr hier bei Mainz&. Die Nöte der Binnenschiffer auf dem Rhein wegen fehlender Anlegestellen schildern wir hier.

 

 

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