Das Ergebnis wurde lange erwartet, nun soll es endlich vorgestellt werden: Am Donnerstag will die Staatsanwaltschaft Koblenz über die Ergebnisse ihrer Ermittlungen zur Flutkatastrophe im Ahrtal informieren. Damit fällt nun auch die Entscheidung über die Frage: Wird es eine Anklage gegen den früheren Landrat Jürgen Pföhler oder seinen Kreisbrandmeister geben? Die Antwort, ob eine juristische Schuld nachgewiesen werden kann, ist weiter höchst umstritten, mehrere Gutachter sehen unterschiedliche Schuldige auf unterschiedlichen Ebenen: Landrat oder Land. Die Frage der Angehörigen bleibt: Wer trägt die Verantwortung für die 136 Toten der Flutnacht?
Es war am 16. Februar 2024, als die Mitglieder des Untersuchungsausschusses zur Flutkatastrophe im Ahrtal zu einer der letzten Sitzungen des Gremiums nach Mainz kamen. Auf dem Weg in den Plenarsaal mussten sie an diesem Tag an einer Gruppe weißer Gestalten vorbei: 135 „stumme Zeugen“ erwarteten die Politiker, darunter auch eine Jugendliche und drei Kinder. „Große und kleine Menschen, die vielleicht noch unter uns wären, wenn die verantwortlichen Behörden schnell und richtig gehandelt hätten“, hieß es dazu in einem Text.
Die Installation des Aktionskünstlers Dennis Josef Meseg sollte die Politiker und Verantwortlichen gemahnen, derer zu gedenken, die in der Flutkatastrophe im Ahrtal in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 ums Leben gekommen waren: 136 Menschen ließen in jener Nacht ihr Leben, eine Person davon wird bis heute vermisst, ihr Leichnam wurde nie gefunden. 135 Schaufensterpuppen hatte Meseg deshalb in weiße Stoffbahnen gehüllt, die beklemmende Gruppe wurde begleitet von Angehörigen von Flutopfern. Ihre Mahnung: „Es muss eine Art von Gerechtigkeit her.“
Angehörige fordern Gerechtigkeit und (juristische) Konsequenzen
Gerechtigkeit – so sagte es im November 2023 Ralph Orth, Vater der im Ahrtal gestorbenen Konditorin Johanna Orth, im Gespräch mit der Internetzeitung Mainz&. „Wir sind aktiv daran interessiert, dass diese ganzen Opfer nicht umsonst gestorben sind“, sagte Orth damals, und forderte Konsequenzen aus jener Nacht: Es müsse weitere Ermittlungen oder ein öffentliches Verfahren geben, denn das Ergebnis der Aufarbeitung durch Politik und Justiz werde „einen erheblichen Einfluss darauf haben, wie künftig Verantwortliche auf solche Katastrophen reagieren.“
Nun steht eines der wichtigsten Ergebnisse der Aufarbeitung kurz bevor: Am Donnerstag will die Staatsanwaltschaft Koblenz das Ergebnis ihrer Ermittlungen in Sachen Flutkatastrophe Ahrtal bekanntgeben. Zwei Jahre und neun Monate hat sich die Staatsanwaltschaft nun mit der Frage beschäftigt: Wer trägt die juristische Verantwortung für die Toten der Flutnacht? Hätten mehr Menschen gerettet werden können, wenn die Verantwortlichen ihrer gesetzlich festgelegten Aufgabe zu Katastrophenschutz und Warnung der Bevölkerung nachgekommen wären?
Ermittelt wurde seit dem 6. August 2021, und zwar immer nur gegen zwei Personen: den damaligen Landrat Jürgen Pföhler (CDU) und den Brand- und Katastrophenschutzinspekteur (BKI) des Kreises Ahrweiler, Michael Zimmermann. Pföhler war qua Amt als Landrat der oberste Katastrophenschützer des Landkreises Ahrweiler, Zimmermann der Leiter der Technischen Einsatzleitung (TEL), also dem Krisenstab in Ahrweiler. Pföhler hatte seine Aufgabe als oberster Katastrophenschützer des Landkreises an Zimmermann delegiert, Experten für Kommunalrecht sagen: Das durfte der Landrat nicht.
Schuldfrage für die Folgen der Katastrophe bis heute umstritten
Im Untersuchungsausschuss wurde eine ganze Flut von Gutachtern zu der Frage aufgefahren, wer denn nun die Schuld für die Toten der Katastrophe trägt – die Frage ist bis heute umstritten. Juristisch ermittelte die Staatsanwaltschaft wegen des Vorwurfs der fahrlässigen Körperverletzung im Amt sowie der fahrlässigen Tötung durch Unterlassung. Erschwerend für die Ermittlungen war vor allem, dass Pföhler bis heute von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch macht und zu den Hergängen der Tatnacht schweigt – ebenso wie Zimmermann.
Der Staatsanwaltschaft blieb so nur der Rückgriff auf intensive Ermittlungen: Binnen der ersten zwei Jahre wurden nach Angaben der Staatsanwaltschaft mehr als 200 Zeugen vernommen, zirka 15.000 Notrufe gesichtet und umfangreiche Daten aus dem Einsatzleitsystem und den Einsatzverlaufsdaten der Polizei sowie des Lagezentrums im Mainzer Innenministerium ausgewertet. Zudem wurden Durchsuchungen durchgeführt und zahlreiche Videos gesichtet, Daten bei Verwaltungsbehörden und Feuerwehren sicher gestellt.
Nicht vernommen wurden indes einige hochrangige Politiker, darunter die damalige Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) sowie Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD). Dass die Staatsanwaltschaft nie Ermittlungen gegen zentrale Personen der Landesebene aufnahm, stößt bis heute auf massive Kritik unter Angehörigen von Flutopfern und Betroffenen der Flutkatastrophe im Tal. ADD-Präsident Thomas Linnertz wäre laut Brand- und Katastrophenschutzgesetz (LBKG) des Landes Rheinland-Pfalz für die Gefahrenabwehr zuständig gewesen.
Laut LBKG hat die ADD als Vertreterin des Landes die übergeordnete Einsatzleitung inne, sobald mehrere Kreise betroffen sind und die untergeordnete Kreisebene mit der Einsatzlage überfordert ist – was in der Flutnacht auf den Landkreis Ahrweiler fraglos zutraf. Linnertz hingegen fuhr in der Flutnacht stundenlang durch den Eifelkreis und besichtigte die Landkreise, in denen die Schäden am geringsten war – bis zum Ahrtal kam der ADD-Chef dabei nicht.
Erst nach seiner Rückkehr nach Trier, will Linnertz von der verheerenden Flutwelle im Ahrtal erfahren haben – das war gegen Mitternacht. Die ADD hatte bis zu diesem Zeitpunkt vor allem versucht, Hubschrauber für die Rettung im Ahrtal zu organisieren – mit wenig Erfolg.
Kein Krisenstab der Landesregierung, keine Übernahme durch ADD
Der damalige Innenminister Roger Lewentz (SPD) wiederum war qua seines Amtes der oberster Verantwortliche für den Katastrophenschutz in Rheinland-Pfalz – Lewentz besuchte gegen 19.30 Uhr die Einsatzleitung in Ahrweiler, und fuhr dann in seinen Heimatort Kamp-Bornhofen. Dort war der Minister war erreichbar, wurde in der Flutnacht aber erst gegen 1.00 Uhr morgens aktiv, als er versuchte, die Bundeswehr zu erreichen – Lewentz eilte weder in einen Krisenstab, noch in die Polizeileitstelle in Koblenz oder ins Mainzer Innenministerium. Auch ein Krisenstab der Landesregierung wurde in jener Nacht nicht einberufen.
Der entscheidende Punkt zur Rettung von Menschenleben in jener Nacht wären zwei Faktoren gewesen: eine breite und aufrüttelnde Warnung der Bevölkerung und die Ausrufung der höchsten Krisenwarnstufe samt Evakuierungsanordnung. Beides passierte entweder gar nicht oder viel zu spät oder zu defensiv, wie die Aufarbeitung im Untersuchungsausschuss des Landtags ergab. Die meisten Menschen im Ahrtal gaben im Nachhinein an, am Abend der Flutkatastrophe gar nicht gewarnt zu sein. Medien werden nicht informiert, erst Recht nicht über Radio und Fernsehen gewarnt.
In Bad Neuenahr-Ahrweiler warnte die Feuerwehr zwar die Anwohner vor Hochwasser und Überflutungen, doch die Warnungen beschränkten sich darauf, nicht in den Keller zu gehen und Autos in Sicherheit zu bringen. Um 20.17 Uhr schloss daraus die junge Konditorin Johanna Orth in Bad Neuenahr, sie könne getrost zu Bett gehen – Johanna ertrank in ihrer Erdgeschosswohnung, gut 300 Meter von der Ahr entfernt. An der unteren Ahr starben in jener Nacht zwischen 22.00 Uhr und 2.00 Uhr morgens etwa 85 der 136 Opfer – besonders von ihnen hätten wohl viele gerettet werden können.
Warnungen in der Flutnacht: Zu spät, zu sporadisch
Warnungen erfolgten in der Flutnacht nur sporadisch über die Warnapp Katwarn, die Warnungen wurden aber nicht – wie eigentlich vorgesehen – auf die Warnapp Nina ausgespielt. Eine technische Panne war Schuld, die erst Wochen später auffiel. Um 14.34 Uhr hatte die Kreisverwaltung Ahrweiler eine Hochwasser-Warnmeldung herausgegeben, es sei örtlich mit Überschwemmungen zu rechnen, die Leute sollten Keller und Tiefgaragen meiden. Doch die Warnung der höchsten Warnstufe 5 blieb aus – obwohl sich die Meldungen aus dem Ahrtal häufen, obwohl die damalige Bürgermeisterin Cornelia Weigand hartnäckig telefoniert und warnt.
Das Problem des Katastrophenschutzes: Die oberste Warnstufe kann nur der Landrat selbst auslösen, doch Pföhler ist in der Flutnacht über Stunden nicht greifbar. Ganze zwei Mal, so sagen es die Ermittler des Landeskriminalamtes vor dem Untersuchungsausschuss aus, schlägt der Landrat an jenem Schicksalstag in der Kreisverwaltung auf: das erste Mal irgendwann zwischen 17.00 Uhr und 18.00 Uhr. Pföhler habe da die Technische Einsatzleitung besucht und mit deren Leiter Zimmermann geredet.
Ab 17.00 Uhr habe der Landrat gewusst, dass ein Hochwasser von mehr als fünf Metern drohte, so berichtet es der leitende LKA-Ermittler Uwe Gebert im Juli 2022 dem Ausschuss. Das schlimmste Hochwasser der vergangenen 100 Jahre hatte es 2016 gegeben, damals stieg die Ahr auf 3,70 Meter. Pföhler hätte alarmiert sein müssen, schließen die Ermittler, zumal bereits seit 17.00 Uhr an der oberen Ahr Menschen mit Hubschraubern aus den Fluten gerettet werden müssen. Doch der Landrat hat offenbar anders zu tun: Gegen 18.50 Uhr warnt Pföhler seine Einsatzleitung vor, gleich komme der Innenminister zu Besuch.
Wo genau hielt sich Landrat Pföhler in der Flutnacht auf?
Innenminister Roger Lewentz (SPD) trifft um 19.20 Uhr zum Kurzbesuch in Ahrweiler ein und wird von Pföhler in der Tiefgarage in Empfang genommen – es ist das zweite Mal, dass Pföhler die TEL in dieser Nacht betritt. Es wird auch das letzte Mal sein – danach taucht der Landrat über Stunden hinweg ab. Wo er sich aufhält, was genau der Landrat tut, vieles bleibt ein Rätsel. Pföhler gibt noch eine Pressemitteilung zum Besuch des Ministers frei – und danach? „Nach 20.00 Uhr wurde Pföhler in der Kreisverwaltung nicht mehr gesehen“, vermerkt der Ermittler.
In seiner Stadt wird Pföhler an dem Abend hingegen mehrfach gesehen: Er geht mit seinem Hund spazieren, redet mit Nachbarn, bringt wohl auch seinen Porsche in Sicherheit, evakuiert sein eigenes Haus. Gegen kurz vor 22.00 Uhr warnt Pföhler Hausnachbarn, die Gegend müsse evakuiert werden. Tatsächlich hatte Pföhler da wohl gerade die höchste Warnstufe samt Evakuierung rund um die Ahr frei gegeben, die Warnung wird von der Einsatzleitung um 22.04 Uhr veranlasst – doch an die Bevölkerung wird sie erst um 23.09 Uhr verschickt. In der Einsatzleitung fehlt die eine Person, die das MOWAS-Warnsystem bedienen kann, so wird noch einmal eine wichtige Stunde des Alarms versäumt.
Ohnehin wird eine Evakuierung lediglich für 50 Meter rechts und links der Ahr ausgesprochen – viel zu wenig und viel zu spät, um eine große Evakuierung noch in Gang zu bringen. Dabei hatte das Landesamt für Umwelt schon um 17.17 Uhr die höchste Warnstufe Lila für die Ahr ausgelöst, mehr noch: Schon ab 14.22 Uhr hätten „die prognostizierten Pegelstände gereicht, um von einem Hochwasser größer als 2016 auszugehen“, konstatierte der Bonner Geographieprofessor Thomas Roggenkamp im September 2022. Und spätestens ab 20.22 Uhr habe sogar „ein nochmals deutlich größeres Hochwasser als 2016 angenommen werden müssen.“
Hydrologisches Gutachten: Pegelstände gaben frühzeitig Alarm
Roggenkamps Expertise stammt aus einem Gutachten, das die Staatsanwaltschaft in Koblenz selbst in Auftrag gegeben hatte, und darin heißt es explizit: Ab diesem Zeitpunkt habe sich nach den derzeitigen Erkenntnissen „das tatsächliche Hochwassergeschehen prognostizieren lassen.“ Mehr noch: Die Ermittler erklärten zudem das Fanal der eingestürzten Häuser in Schuld zum entscheidenden Wendepunkt, an dem die Verantwortlichen hätten sehen können, dass dieses Hochwasser kein „normales“ mehr war – die ersten Häuser stürzten in Schuld zwischen 19.00 Uhr und 20.00 Uhr ein.
Die Flutwelle erreichte Bad Neuenahr-Ahrweiler aber erst nach 23.00 Uhr, wie das hydrologische Gutachten ebenfalls vorrechnete – damit wären mehrere Stunden Zeit gewesen, die Menschen an der unteren Ahr zu warnen und zu evakuieren. Man wolle das Gutachten gerade auch auf die Frage hin auswerten, „ob frühere Warnungen zu einer Vermeidung von Todesfällen geführt hätten“, teilte die Staatsanwaltschaft 2022 mit – genau das ist nun die entscheidende Frage: Kann mit hinreichender Wahrscheinlichkeit belegt werden, dass Menschenleben hätten gerettet werden können – falls Pföhler rechtzeitig gewarnt hätte?
Bei der Staatsanwaltschaft tat man sich zwei Jahre lang schwer mit der Bewertung, im Juli 2023 gab die Staatsanwaltschaft dann völlig überraschend ein neues Gutachten in Auftrag: Dominic Gißler, Professor für Professur für Führung im Bevölkerungsschutz an der Akkon-Hochschule für Humanwissenschaften in Berlin, sollte klären, „welche konkreten Handlungsoptionen“ Pföhler und sein BKI überhaupt noch hatten, um Schaden abzuwenden. Der Hydrologie-Experte Jörg Dietrich, Privatdozent an der Leibniz-Universität Hannover, hatte dazu etwa im Untersuchungsausschuss gesagt, es hätten zweifellos Leben gerettet werden können: Es habe eine Reaktionszeit von mehreren Stunden gegeben, „der Zeitverzug am 14.7. war lebensrelevant.“
Gutachten von Gißler: Systemversagen oder Systemsprenger?
Doch Gißler tat sich in seinem Gutachten schwer: Der Experte zeigte zwar minutiös auf, wie schlecht der Krisenstab in Ahrweiler aufgestellt war, wie schwer das Fehlen eines Verwaltungsstabes wog, und wie miserabel die Krisenretter für ihren Einsatz ausgebildet waren. Gleichzeitig aber betonte Gißler, es handele sich weniger um ein individuelles Versagen, als um ein Versagen des Systems Katastrophenschutz: Das Land Rheinland-Pfalz sei seiner Aufgabe, für einen ausreichend ausgestatteten und gut aufgestellten Katastrophenschutz zu sorgen, nicht nachgekommen – der Staat habe sein Schutzversprechen gegenüber dem Bürger gebrochen.
Und Gißler betonte auch: „Ja, theoretisch wäre es möglich gewesen, Personenschäden abzuwenden“ – doch mit welcher Wahrscheinlichkeit, oder in welcher Anzahl, darauf mochte sich Gißler nicht festlegen. Das sorgte umgehend für scharfe Kritik, der Kieler Krisenforscher Frank Roselieb warf Gißler in einer Anhörung vor dem Ausschuss gar Unvermögen und einen falschen Ansatz beim Gutachten vor. Roselieb selbst sah die Verantwortung hauptsächlich bei Landrat Pföhler, den er als „Systemsprenger“ bezeichnete – dabei hatte Roselieb in seiner ersten Anhörung vor dem U-Ausschuss im April 2022 noch klare Versäumnisse vor allem bei Umweltministerin Spiegel gesehen, der er unter anderem „kommunikatives Chaos“ bescheinigte.
Wiederholt Kritik an Ermittlungen der Staatsanwaltschaft
Was die Staatsanwaltschaft nun aus all dem schlussfolgert, wird mit großer Spannung erwartet. Immer wieder zog die Behörde Kritik zu ihren Ermittlungen auf sich – so führte etwa die Tatsache der späten vergabe des Gutachtens an Gißler dazu, dass der Untersuchungsausschuss in die Verlängerung gehen musste. „Die große Frage ist doch: wieso gibt man so ein Gutachtern erst nach zwei Jahren in Auftrag“, kritisierte damals der Obmann der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid, gegenüber Mainz&.
Auch die Tatsache, dass die Staatsanwaltschaft die Videos eines Polizeihubschraubers aus der Flutnacht nicht kannte, und davon erst aus dem U-Ausschuss erfuhr, warf Fragen auf: Wie gründlich hatten die Ermittler eigentlich wirklich recherchiert? Konsequenzen aus den gesichteten Videos wurden ebenfalls nie bekannt. Dabei belegten die Videos aus einem Polizeihubschrauber, dass das Mainzer Innenministerium ab spätestens 21.20 Uhr von der gigantischen Flutwelle im Ahrtal wusste, und zur Aufklärung einen Hubschrauber losschickte, der ab 22.15 Uhr das gesamte Ahrtal abflog.
Neue Ermittlungen löste das indes nicht aus – obwohl auch danach keine breit angelegte Warnung der Bevölkerung durch das Innenministerium erfolgte. Die letzten Opfer in der Flutnacht starben um 2.00 Uhr morgens in einem Behindertenheim in Sinzig, hauptsächlich wohl, weil den Warnungen der Feuerwehr nicht rechtzeitig Glauben geschenkt wurde. Eine Warnung über Medien wie Fernsehen oder Radio hätte genau das ändern können – und so mit großer Wahrscheinlichkeit Menschenleben gerettet.
Anwalt der Nebenkläger lädt ebenfalls zu Pressekonferenz
Der Rechtsanwalt von fünf Nebenklägern – darunter den Eltern von Johanna Orth – hatte nach Gißlers Aussage vor dem Ausschuss einen Befangenheitsantrag gegen Gißler angekündigt. Aus Sicht von Anwalt Christian Hecken hatte Gißler zu wenig Zeit, zu wenig Zugang zu wichtigen Daten und sei deshalb „in großen Teilen nicht nachvollziehbar und widersprüchlich.“ Hecken hat nun für Mittwochmittag zu einer eigenen Pressekonferenz eingeladen, die mit Blick auf den Termin am Donnerstag stattfindet.
Teilnehmen werden an der Pressekonferenz am Mittwoch auch die Angehörigen von Flutopfern, für sie ist die Entscheidung der Staatsanwaltschaft ein Meilenstein: „Die Menschen dürfen nicht umsonst gestorben sein“, sagte Tamara Kopelke vom „Team Gedenken“ im November 2023. Die Fehler der Flutnacht könnten nicht ungeschehen gemacht, die Toten nicht zurückgeholt werden. Aber Konsequenzen – die fordern sie im Ahrtal: „Es muss eine Art von Gerechtigkeit her.“ Sollte es aber zu keiner Anklage kommen, dann werde die Botschaft zurückbleiben: „Wenn ich nichts tue, passiert mir nichts“, sagte Ralf Orth: „Das aber kann und darf nicht sein.“
Info& auf Mainz&: Mehr zu der Frage, wo Landrat Jürgen Pföhler in der Flutnacht war, lest Ihr ausführlich hier bei Mainz&. Ausführliche Hintergründe zur Katastrophe im Ahrtal und zu der Frage, wo die Verantwortlichen in der Flutnacht waren, hat Mainz&-Chefin Gisela Kirschstein in ihrem Buch „Flutkatastrophe Ahrtal – Chronik eines Staatsversagens“ aufgearbeitet. Das Buch ist im FAZ Buchverlag erschienen, mehr dazu hier: