Die Freien Wähler (FW) weisen Behauptungen entschieden zurück, in irgendeiner Form in die Geschehnisse rund um den Streit um Hass, Hetze und Fluthelfer im Ahrtal „verwickelt“ zu sein. Es habe nie eine vertragliche Beziehung zwischen den Freien Wählern Rheinland-Pfalz und der umstrittenen Politikberaterin Roswitha K. gegeben, betonte am Donnerstagabend der Landeschef der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid. Auch FW-Generalsekretär Christian Zöpfchen unterstrich, es habe „zu keinem Zeitpunkt vertragliche Beziehungen zu Frau K.“ gegeben. Stattdessen habe K. die Freien Wähler wiederholt bedrängt, unter Druck gesetzt und sogar mit Strafanzeigen bedroht – völlig unbegründet, wie Zöpfchen betont.

Der Fuldaer Wilhelm Hartmann war einer der ersten Fluthelfer nach der Flutkatastrophe im Ahrtal. - Foto: Hartmann
Der Fuldaer Wilhelm Hartmann war einer der ersten Fluthelfer nach der Flutkatastrophe im Ahrtal. – Foto: Hartmann

Die „Allgemeine Zeitung“ in Mainz hatte am Donnerstagabend einen Artikel veröffentlicht mit der Überschrift „Fluthelfer-Streit: Die Verwicklungen der Freien Wähler“. Darin spricht die Zeitung von „Verstrickungen“ der Freien Wähler in den Streit, der um die Fluthelfer im Ahrtal tobe. Als Gründe nennt die Zeitung nun vor allem zwei Vorwürfe: Die Tatsache, dass der frühere Fluthelfer Wilhelm Hartmann vor vier Tagen einem Kreisverband der Freien Wähler in Fulda beitrat – und dass die umstrittene Politikberaterin Roswitha K. „im Jahr 2021 auch für die Freien Wähler in Rheinland-Pfalz“ gearbeitet habe.

Tatsache ist: Der Chef des Landesverbands der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid, hatte in seiner Eigenschaft als Landtagsabgeordneter in Mainz mit kritischen Fragen über die Vertragsbeziehungen zwischen der Dienstaufsichtsbehörde des Landes Rheinland-Pfalz ADD und der Firma der Frankfurter Eventmanagerin Missy Motown alias Nicole Schober eine Flut von Fragen und Fragezeichen über die Auftragsvergabe an Schobers m2a artitude Betriebs GmbH ausgelöst – inzwischen sind rund ein halbes Dutzend weiterer Kleiner Anfragen im Mainzer Landtag zu dem Thema anhängig, nicht nur von den Freien Wählern, sondern auch von Seiten der CDU. Am Freitag sind die Vertragsbeziehungen auch Thema der Fragestunde im Mainzer Landtag.

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Wefelscheid: Kritische Fragen zu Verträgen zwischen Land und m2a

Wefelscheid, der auch Obmann seiner Partei im Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags zur Flutkatastrophe im Ahrtal ist, hatte zu den Vertragsvergaben Aufklärung gefordert, auch weil die ADD sowie auch die Investitions- und Strukturbank des Landes (ISB) millionenschwere Aufträge an Motowns Firma vergaben – und zwar ohne Ausschreibung. Die m2a erhielt die Aufträge, um Personal an den Helfer-Stab auszuleihen, damit dieser die Info-Points des Landes im Ahrtal besetzten, dort beim Ausfüllen der komplizierten Fluthilfe-Anträge helfen und ab April 2022 auch „Aufsuchende Hilfe“ bei den Bewohnern des Ahrtals leisten konnte.

Stephan Wefelscheid, Landevorsitzender der Freien Wähler in Rheinland-Pfalz. - Foto: FW RLP
Stephan Wefelscheid, Landevorsitzender der Freien Wähler in Rheinland-Pfalz. – Foto: FW RLP

Seither klagt die Landesregierung, es würden der Helfer-Stab und seine Mitarbeiter vor Ort angegriffen, eine Behauptung, für die es bislang keinerlei Belege gibt, wie man auf Nachfrage bei ADD und Innenministerium einräumen muss. Wefelscheid selbst hatte stets betont, es gehe ihm bei seinen Fragen „nicht um die gute Arbeit der Fluthelfer, das stellt ja niemand in Abrede.“ Es gehe vielmehr darum, „mit welcher Methodik die ADD bei der Krisenbewältigung vorgegangen ist“, betonte Wefelscheid im Gespräch mit Mainz&.

Pikant wurde die Sache, als Anfang Mai auch durch Recherchen von Mainz& bekannt wurde, dass Motowns m2a zeitgleich mit den Verträgen zu den Info-Points auch eine dubiose Politikberaterin aus Bayern beschäftigte – Roswitha K. Die wiederum wurde am 18. April 2023 vor dem Amtsgericht Weilheim wegen schwerer Körperverletzung, Beleidigung, versuchter Nötigung und auch wegen massiver Hetze im Internet zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt – das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Kampagnen der Bedrohung, Beleidigung, Einschüchterung

Bei dem Verfahren, in dem mehrere Sammelklagen gemeinsam verhandelt wurden, ging es auch um eine Facebookseite mit dem Titel „Faktencheck Ahrtal“, die bereits im Januar 2022 wegen massiver Hetze aus dem Netz genommen worden war. Motown räumte nach den ersten Berichten eine Zusammenarbeit mit Roswitha K. ein: Die Helfer-Stab gGmbH bestätigte eine Zusammenarbeit zwischen Motown und K. „von März 2022 bis Juni 2022“, Schobers Anwalt sogar Zahlungen an K. bis Mitte Juli 2022.

Die Geschäftsführerin des Helfer-Stabs und der Firma m2a artitude Betriebs GmbH, Missy Motown, vor einigen Wochen im SWR-Interview. - Screenshot: gik
Die Geschäftsführerin des Helfer-Stabs und der Firma m2a artitude Betriebs GmbH, Missy Motown, vor einigen Wochen im SWR-Interview. – Screenshot: gik

Bei der Zusammenarbeit sei es aber „zu keinem Zeitpunkt“ um die Arbeit des Helfer-Stabs im Ahrtal gegangen, sondern vielmehr um eine Kommunikationsstrategie für die Spontanhilfe mit Namen „KatAid“ sowie um eine Kommunikationsstrategie für eine Seite namens „U are Welcome“ auf Facebook gegangen, hieß es vom Helfer-Stab weiter. Unter der Bezeichnung „U are Welcome“ findet sich auf Facebookseite eine Seite mit zwei Fotos und ohne jegliche Beiträge, auch andere Aktivitäten sind nicht zu erkennen.

Gleichzeitig berichten immer mehr Zeugen von einer massiven Hass- und Hetzkampagne gegen freiwillige Helfer im Ahrtal, die direkt nach der Flutkatastrophe im Juli 2021 zum Helfen ins Tal kamen. Mainz& liegen Berichte von einem halben Dutzend Betroffener vor, die übereinstimmend von Kampagnen der Bedrohung, Beleidigung, des versuchten Rufmords und der Einschüchterung berichten – Angriffe, die bis ins Private hineinreichen, und oft auch zum Ziel haben, die Reputation des Angegriffenen nachhaltig zu beschädigen.

Hartmann trat Kreisverband der Freien Wähler bei – in Hessen

Einer der Betroffenen ist weiterhin der Gartenbauunternehmer Wilhelm Hartmann aus Fulda, er hatte in der BILD-Zeitung sowie gegenüber Mainz& die Hasskampagne sowie die Angriffe geschildert, die seit Herbst 2021 auf ihn einprasselten. Hartmann wurde massiv angefeindet, seine Firma beim Gesundheitsamt angeschwärzt, seine Hilfsprojekte im Ahrtal mit Vorwürfen von Bereicherung und angeblich überhöhten Rechnungen überzogen. Mainz&-Recherchen belegen inzwischen: Die Vorwürfe aus den Internet-Kampagnen lassen sich im wahren Leben nicht erhärten.

Banner der Freien Wähler in Hessen. - Foto: Hartmann/FW
Banner der Freien Wähler in Hessen. – Foto: Hartmann/FW

Tatsache ist auch: Hartmann, der in Fulda lebt, trat kürzlich den Freien Wählern bei – im Landesverband Hessen. Hartmann habe „nach einer Teilnahme als Gast an einem Parteitag in Gießen vergangenen Samstag seinen Wunsch zur Mitgliedschaft bekundet“, sagte der Vorsitzende des Landesverbandes Hessen der Freien Wähler, Engin Eroglu, am Donnerstagabend, und betonte: „Kontakt mit Herrn Hartmann besteht erst seit einer Woche, an der anstehenden Landtagswahl nimmt er weder als Kandidat noch in sonstiger Funktion teil.“

In Hessen wird im Herbst ein neuer Landtag gewählt, Hartmann hatte auf seinem Facebookprofil stolz seinen Beitritt verkündet und dies mit dem Slogan „Gesunder Menschenverstand braucht unser Land“ versehen. Die Kampagne der Freien Wähler richtet sich stark an Landwirte, zu den Logos gehören Gummistiefel auf Stäben, auch Hartmann posierte damit schon. Eroglu äußerte zudem Unverständnis gegenüber dem Zeitungsbericht der AZ: Er habe diese Informationen schriftlich der Zeitung mitgeteilt, „dass dies keinen Niederschlag in dem Artikel findet, verwundert mich sehr“, sagte Eroglu: „Eine Absprache mit meinen Kollegen aus Rheinland-Pfalz fand zu der Person Hartmann zu keiner Zeit statt.“

„Zusammenarbeit“ der Freien Wähler mit Politikberaterin K.?

Schwerer wiegt indes der Vorwurf, „die Freien Wähler in Rheinland-Pfalz“ hätten auch mit Roswitha K. als Politikberaterin zusammengearbeitet. „Es hat nie eine vertragliche Beziehung zwischen den Freien Wählern in Rheinland-Pfalz und Roswitha K gegeben, diese Frau ist mir persönlich gänzlich unbekannt“, betonte Landesvorsitzender Stephan Wefelscheid am Donnerstagabend. Das unterstreicht ausdrücklich auch FW-Generalsekretär Christian Zöpfchen, der auch Kreisvorsitzender der Freien Wähler Trier-Saarburg ist: „Die Freien Wähler Trier-Saarburg hatten zu keinem Zeitpunkt vertragliche Beziehungen zu Frau K.“

Die Kreisvereinigung der FW in Trier Saarburg bei ihrer Gründung im Juni 2021. - Foto: FW
0 Die Kreisvereinigung der FW in Trier Saarburg bei ihrer Gründung im Juni 2021. – Foto: FW

Zutreffend sei vielmehr, dass die Freien Wähler Trier-Saarburg im Landratswahlkampf 2021 den Freien Wähler Tim Kohley unterstützt hätten, der aber als unabhängiger Kandidat bei der Wahl antrat. „Kohley war Mitglied in der Partei, aber er wollte nicht unter der Flagge der Freien Wähler antreten“, bestätigte auch Marc Fischer, Bezirkschef der FW  Eifel-Mosel-Hunsrück und Schriftführer in Trier-Saarburg, im Gespräch mit Mainz&, und berichtete: Ein Teil der FW-Gruppe habe sich dann bereit erklärt, Kohley im Wahlkampf zu unterstützen – Aufträge hätten die Freien Wähler in dem Wahlkampf aber gar nicht vergeben.

„Ob Kohley vertragliche Beziehungen zu Roswitha K. hatte, vermag ich nicht zu beurteilen, da mir dazu keinerlei Verträge vorliegen“, betonte auch Zöpfchen. Frau K. habe sich ihm – Zöpfchen – auf Twitter als Politikberaterin angeboten, weil man damals wenig Personal gehabt habe. „Ob da ein Angebot oder eine Beauftragung vorgelegen hat, ist mir nicht bekannt“, sagte auch Fischer, und berichtete weiter: K. habe dann im Wesentlichen „eine WhatsApp-Gruppe erstellt“, der das Wahlkampfteam beigetreten sei.

Drohungen mit Klagen und Negativ-Imagekampagnen

In der Gruppe sei aber nicht viel Produktives passiert, berichten Zöpfchen und Fischer übereinstimmend: „Sie hat hauptsächlich alles kritisiert und sich beschwert, dass man auf sie nicht hört“, sagt Fischer. Bereits nach zwei oder drei Wochen habe sich Kohley von K. „distanziert, weil das nur Zeitverschwendung war“, berichtet Fischer weiter. Danach sei K. rabiat geworden, schildert er: „Sie hat uns allen nur noch gedroht mit Klagen und mit Imagekampagnen gegen alles möglich: gegen uns, gegen unsere Firma, das wollte sie alles gezielt in den Schmutz ziehen und uns niedermachen“, berichtet Fischer.

Stephan Wefelscheid und Christian Zöpfchen in der Landtagsfraktion der Freien Wähler in Mainz. - Foto: FW
Stephan Wefelscheid und Christian Zöpfchen in der Landtagsfraktion der Freien Wähler in Mainz. – Foto: FW

Auch Zöpfchen spricht von wiederholten Drohungen von K. mit Strafanzeigen gegen die Freien Wähler, sowie von einem Dauerfeuer von Anrufen. „Ich habe mich massiv unter Druck gesetzt gefühlt, das war sehr stressbeladen und belastend“, sagt Zöpfchen im Gespräch mit Mainz&. K. habe erhebliche Geldforderungen gestellt, auch an die Freien Wählern – obwohl sie mit dem Kreisverband oder der Partei nie einen Vertrag oder eine Vereinbarung gehabt habe. „Sie hat Pauschalrechnungen gestellt, die jeder Grundlage entbehrten und ohne Leistungsnachweise und Steuernummer daher kamen“, berichtet Zöpfchen. Eine prüffähige Rechnung sei nie eingegangen.

Der Bericht der „Allgemeinen Zeitung“ erschien am Donnerstagabend zunächst online, die Freien Wähler verschickten daraufhin um 19.49 Uhr eine Gegendarstellung – keine der ausführlichen Erläuterungen aus dieser Gegendarstellung fand sich in der Nacht in dem Bericht im E-Paper der AZ wieder.

System aus Hass, Hetze und Nachstellungen

Welcher Wortwahl sich K. in dem gemeinsamen Chat mit dem Wahlkampfteam von Kohley befleißigte, belegen derweil Chatprotokolle, die Mainz& zugespielt wurden. Darin heißt es unter anderem, über Fischers Firma würden „Betrugsgeschichten abgewickelt“ und „betrügerische Leistungserschleichungen“ begangen, es wird mit Anzeigen, Gerichtsverfahren und öffentlichen Blogbeiträgen gedroht. Die Hasstirade schließt mit den Worten: „Und nun überlegen Sie mal, ob Sie immer noch so entspannt sind, wenn Ihre Firma jetzt in den Dreck gezogen wird.“

Steht bis heute im Mittelpunkt einer Hass- und Hetzkampagne: Der Landwirt Markus Wipperfürth. - Foto: Wipperfürth
Steht bis heute im Mittelpunkt einer Hass- und Hetzkampagne: Der Landwirt Markus Wipperfürth. – Foto: Wipperfürth

Ganz Ähnliches hatte auch Ahrtal-Helfer Markus Wipperfürth berichtet: Er sei mit Beschimpfungen und Verleumdungen überzogen worden, die Hasstiraden seien auch an seine Frau gerichtet worden – und rufschädigende Briefe an Lieferanten, berichtete der Landwirt aus der Nähe von Köln gegenüber Mainz&: „Man hat probiert, mich komplett kaputt zu machen – um mich in Glaubwürdigkeit und Ansehen zu schädigen.“

Wipperfürths Anwalt Niklas Haberkamm von der Kanzlei LHR in Köln spricht deshalb weiterhin von einem „System“ aus Verleumdung und Beleidigung, Nachstellung und Cyberstalking mit einem Ziel, Wipperfürth „als Person zu diffamieren, seine soziale Reputation und seine Glaubwürdigkeit zu erschüttern.“ Die nächste Gerichtsverhandlung dazu steht im Juli in München an.

Korrektur&: Wir hatten versehentlich den Landesschatzmeister der Freien Wähler, Marco Degen, mit Marc Fischer verwechselt – tut uns Leid. Gesprochen hatten wir mit Marc Fischer – wir haben die Passagen korrigiert.

Info& auf Mainz&: Mainz& hat wie immer alle Vorwürfe und Gegenvorwürfe nachrecherchiert und auf Belegen und Unterlagen bestanden – wir haben sie bekommen. Die ganze Geschichte rund um ein Geflecht von Hass und Hetze im Ahrtal, zur Spaltung der Helferszene nach der Flut und um Vertragsverflechtungen könnt – nein: müsst Ihr bitte en Detail selbst nachlesen. Wir können nicht alle Details in jedem Artikel wieder verarbeiten. Deshalb hier die Artikel, die bisher zum Thema erschienen sind:

— Neue Fragen um KatAid, Faktencheck Ahrtal und ein Abfallgutachten – Missy Motown: „Habe soziale Medien unterschätzt“

Hetzkampagne gegen Helfer im Ahrtal: Zusammenarbeit und Honorare von Missy Motown mit vorbestrafter Beraterin bestätigt

Ärger um Helfer-Stab im Ahrtal – Freie Wähler kritisieren Auftrag an Eventagentur von Missy Motown aus Frankfurt

Mainz& exklusiv: Hass und Hetze im Ahrtal – Floss Geld für eine Hetzkampagne gegen Helfer im Ahrtal? 

Mainz& exklusiv: Hass und Hetze im Ahrtal – Floss Geld für eine Hetzkampagne gegen Helfer im Ahrtal?