Die Geschichte um Hass und Hetze im Ahrtal wirft immer neue Fragen auf: Die Staatskanzlei dementierte am Freitag auf Mainz&-Anfrage ein persönliches Treffen von Missy Motown und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) zu einem Konzept namens „KatAid“, sprach aber gleichzeitig davon, es sei „eine Broschüre“ übergeben worden. Derweil betont Motown, man habe „Diffamierungen“ immer verurteilt und genau deshalb die Zusammenarbeit mit der Initiatorin der Seite „Faktencheck Ahrtal“ beendet. Doch die Seite „Faktencheck“ wurde bereits im Januar 2022 von Facebook stillgelegt – trotzdem taucht die Seite auch als Quelle in einem Abfallgutachten auf: Darin fährt die frühere Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne) persönliche Angriffe – gegen einen Landwirt namens Markus Wipperfürth.

Wilhelm Hartmann (links) und Markus Wipperfürth waren mit als erste Helfer am Mittag des 15. Juli 2021 im Ahrtal vor Ort. - Foto: Hartmann
Wilhelm Hartmann (links) und Markus Wipperfürth waren mit als erste Helfer am Mittag des 15. Juli 2021 im Ahrtal vor Ort. – Foto: Hartmann

Ende April hatte Mainz& berichtet, wie Wipperfürth und sein Freund Wilhelm Hartmann als Helfer der ersten Stunde ins Ahrtal kamen, anpackten, die Straßen von meterhohem Müll befreiten, Hilfe organisierten. Und wie die beiden Helfer unbequeme Kritik am Management der Landesregierung per Videos in die Welt streamten – und wie sie dann im Internet und später sogar auch im wahren Leben von einer wahren Kampagne aus Hetze und Diffamierungen überzogen wurden. Das Ziel offenbar: Die unliebsamen „Helfer der ersten Stunde“ mit ihrer öffentlichen Kritik aus dem Ahrtal zu drängen.

Die Hauptakteurin: Roswitha K. aus Bayern, Gründerin einer Facebookseite namens „Faktencheck Ahrtal“, und inzwischen vom Landgericht Weilheim wegen versuchter Nötigung, Beleidigung und schwerer Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten auf Bewährung verurteilt, wie Mainz& berichtete. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, doch der Weilheimer Richter rügte explizit, das Internet sei kein rechtsfreier Raum, auch hier würden Beleidigungen geahndet – es ging dabei um die Seite „Faktencheck Ahrtal“. Zu den Quellen und der ganzen Geschichte bitte hier entlang.

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Kampagne aus Hass und Hatespeech: Weitere Betroffene berichten

Aussteiger aus der Hetzkampagne berichten inzwischen, wie minutiös unliebsame Helfer wie Wipperfürth und Hartmann überwacht und gestalkt wurden, und das über Monate hinweg. Sie waren nicht die einzigen: Auch der Bausachverständige Maik Menke wurde von Roswitha K. und ihrem Netzwerk minutiös verfolgt und als „Nazi“ verleumdet. Verfolgt und unter Druck gesetzt wurde auch die Genuss-Journalistin Beate E. Wimmer – auch sie streamte Live-Videos und Podcasts aus dem Ahrtal. „Man hat eine bestimmte Person auf mich angesetzt, die mich aushorchen sollte“, berichtet Wimmer im Gespräch mit Mainz&: „Während meiner Abwesenheit wurden sogar meine Mülltonnen zuhause durchsucht.“

Pressekonferenz von Wipperfürth, Hartmann und anderen Helfern mit Beate E. Wimmer als Moderatorin. - Screenshot: gik
Pressekonferenz von Wipperfürth, Hartmann und anderen Helfern mit Beate E. Wimmer als Moderatorin. – Screenshot: gik

Die Angriffe gehen bis in persönlichste Bereiche, Belege für die Hassattacken und Verleumdungen gegen Wimmer liegen Mainz& vor, ebenso weitere Zeugenaussagen dazu. Man habe sie massiv beschimpft und verunglimpft, berichtet Wimmer. Ihr Status als Journalistin sei angegriffen und verhöhnt worden, es habe Beschimpfungen gehagelt wie „impertinent, widerlich, ungebildet“. „Ich bin noch nie auf so eine niedere Art beschimpft worden“, sagt Wimmer. Diese letzten Beschimpfungen fielen noch im September 2022, der Beginn der Hetze aber sei bei ihr im Herbst 2021 gewesen, berichtet Wimmer.

Der Anlass womöglich: Wimmer moderierte eine Pressekonferenz der „Zivilen Helfer“ am 6. August 2021 mit Wipperfürth und Hartmann, sowie dem Saarländer Bauunternehmer Markus Zintel und weiteren Ersthelfern. „Wipperfürth und ich kannten uns vorher gar nicht“, betont Wimmer. Kennengelernt habe man sich, weil sie für ihren Podcast über Genussthemen auch Wipperfürth interviewte. In der Pressekonferenz ging es um die Tage nach der Flut, und um Organisatorisches, das schief lief: fehlende Toiletten und Duschen, ausbleibende Unterstützung für die Helfer und ein großflächiges Organisationsversagen, insbesondere von Seiten des Krisenstabs der ADD. Dieses Versagen der ersten Tage haben inzwischen auch diverse Zeugen im Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags beschrieben und bestätigt, auch ADD-Präsident Thomas Linnertz selbst musste einräumen, dass seine Behörde zu Beginn schlecht aufgestellt und wenig effektiv agierte.

„Faktencheck-Initiatorin nicht auf Gehaltslisten“ für Fördergelder

Die Angriffe gegen die Helfer von außen begannen in den Wochen nach der Pressekonferenz, inzwischen ist bekannt: Die Organisatorin der Angriffe, Roswitha K., erhielt 2022 über mehrere Monate hinweg Honorare von Missy Motown, gezahlt über deren Frankfurter Firma „m2a artitude GmbH“, die auch das Personal für den im Herbst 2021 gegründeten Helfer-Stab stellt. „Tatsächlich hat es von März 2022 bis Juni 2022 eine Zusammenarbeit zwischen Missy Motown und Frau K. gegeben“, hatte der Helfer-Stab vor einer Woche in einer Presseerklärung mitgeteilt.

Die Info-Points im Ahrtal sind eine wichtige Anlaufstelle für Flutbetroffene und bieten unter anderem Hilfe bei Antragsverfahren. - Foto: ADD
Die Info-Points im Ahrtal sind eine wichtige Anlaufstelle für Flutbetroffene und bieten unter anderem Hilfe bei Antragsverfahren. – Foto: ADD

Motown ist auch Geschäftsführerin des Helfer-Stabs, dessen Arbeit wiederum erst von der Landesbehörde ADD, dann von der Kreisverwaltung Ahrweiler und heute von der Landesbank ISB mit finanziert wird. Gezahlt wurden die Mittel an Motowns m2A GmbH, und zwar für das Stellen von Personal für den Helfer-Stab, der damit wiederum die Info-Points im Ahrtal besetzt. Für diese Mittel habe es „klar definierte Gehaltslisten“ gegeben, betonte Motown nun diesen Freitag: Darauf seien die Mitarbeiter aufgeführt worden, die mit den zur Verfügung gestellten Fördermittel bezahlt werden durften.

„Die Faktencheck-Initiatorin stand zu keinem Zeitpunkt auf diesen Gehaltslisten und wurde auch nicht aus den Fördermitteln bezahlt“, betont Motown weiter. Die an K. gezahlten Beratungshonorare seien nicht aus Steuergeldern finanziert worden, sondern aus Mitteln der m2a artitude GmbH. „Als Unternehmerin habe ich viele Projekte gleichzeitig, und stehen mir hierfür auch aus verschiedenen Töpfen Mittel zur Verfügung“, betont Motown. Bei den Beratungshonoraren sei es um eine Kommunikationsstrategie für Spontanhilfe und ein Konzept namens „KatAid“ gegangen, das aber „nicht weiterverfolgt“ worden sei, wie es von Seiten des Helferstabes hieß.

Broschüre zu „KatAid“ in der Staatskanzlei übergeben

Das aber wirft neue Fragen auf: Mach Mainz& vorliegenden Informationen sollte das Konzept „KatAid“ im September 2022 Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) in einem Gespräch in der Mainzer Staatskanzlei vorgestellt worden sein. Auf Anfrage antwortete die Staatskanzlei dazu nun: „Ein gemeinsames Treffen zu diesem Thema gab es nicht.“ Motown habe lediglich „am Rande eines Bürgerempfangs“ mit rund 430 Gästen am 17. September 2022 „eine Broschüre zum Konzept ‚KatAid'“ einem Mitarbeiter aus der Staatskanzlei übergeben, so die Pressestelle der Staatskanzlei: „Gespräche zu dem Konzept mit Missy Motown hat es seitens der Staatskanzlei nicht gegeben, das Projekt wurde von der Landesregierung nicht verfolgt.“

Missy Motown als Sachverständige vor der Enquete-Kommission des Mainzer Landtags. - Screenshot: gik
Missy Motown als Sachverständige vor der Enquete-Kommission des Mainzer Landtags. – Screenshot: gik

Motown selbst hatte das Konzept KatAid noch im April 2022 vor der Enquete-Kommission des Landtags angekündigt, wenn dieses Konzept nicht weiterverfolgt wurde, wozu gab es dann eine Broschüre – und wann wurde diese erstellt? Der Landtag Rheinland-Pfalz hatte noch im Oktober 2022 auf der Seite „Frag den Staat“ mitgeteilt, ein Konzept „KatAid“ liege der Enquete-Kommission des Landtags bis zu diesem Datum weiter nicht vor. Auch eine Broschüre erwähnt der Landtag dabei nicht.

Motown selbst klagte nun in einer Pressmitteilung am Freitag – die wiederum über den Helfer-Stab verbreitet wurde -, über „Falschinformationen“, „Polarisierung und Frontenbildung in sozialen Medien“. Es gebe vor allem viele „Falschinformationen“ über die Info-Points im Ahrtal und deren Arbeit, klagte Motown, und betonte: „Für die Arbeit in den Info-Points haben wir im Rahmen des Dienstleistungsvertrags mit der ADD und später mit der Kreisverwaltung, Menschen angestellt, die im Ahrtal zu Hause sind und dort gearbeitet haben. Niemand ist dafür aus Frankfurt engagiert worden.“ Woher diese angeblichen Falsch-Informationen in den sozialen Medien genau kommen, sagte Motown dabei nicht.

„Die Vehemenz, mit der aktuell rufschädigende Gerüchte über den Helfer-Stab, meine Firma m2a und mich wiederholt und gestreut werden und die Menge der daraus resultierenden negativen Nachrichten ist erschreckend, da habe ich die sozialen Medien unterschätzt“, sagte Motown weiter. Zugleich wies sie „die Unterstellung“ zurück, „dass der Helfer-Stab selbst eine Hetzkampagne auf den sozialen Medien angestoßen, gefördert oder finanziert haben“ solle – „das erscheint der Geschäftsführerin völlig abwegig“, so die Pressmitteilung weiter.

Facebook-Seite „Faktencheck Ahrtal“ als #HatePage abgeschaltet

Wie es dann aber zu ihrer Zusammenarbeit mit Roswitha K. kam, dazu gab Motown bisher keine Auskunft. Tatsache ist: Die Seite „Faktencheck Ahrtal“ wurde bereits im Herbst 2021 ins Leben gerufen, und schnell zum Ausgangspunkt für fragwürdige Kommentare und hasserfüllte Angriffe gegen Wipperfürth, Hartmann und deren Follower. Offenbar waren diese so massiv, dass bereits Mitte Januar Facebook von der Anwaltskanzlei Höcker bewegt werden konnte, die Seite stillzulegen. „Schlag gegen #HatePage: Faktencheck Ahrtal gelöscht!“, meldet die Kanzlei am 25. Januar 2022 auf ihrer Facebookseite: Man habe „erfolgreich außergerichtlich auf eine komplette Löschung der Facebook-Seite ‚Faktencheck Ahrtal‘ hingewirkt.“

Hatespeech der Seite "FCA Redaktionsnetzwerk" auf Facebook. - Screenshots: gik
Hatespeech der Seite „FCA Redaktionsnetzwerk“ auf Facebook. – Screenshots: gik

Gleichzeitig skizziert die Kanzlei in ihrer Pressemitteilung das Phänomen der „Hate Pages“ so: „Ihr Ziel sind Diffamierungskampagnen gegen einzelne Personen oder Unternehmen. Die Strategie ist perfide. Um die Zielperson einzuschüchtern, werden in Stasi-Manier alle privaten Hintergründe zusammengetragen und die Drohkulisse wird irgendwann unerträglich.“ Die Seiten gäben oft keinen Verantwortlichen an, „geben die ‚Themen‘ vor und überlassen die Hetze dann ihren Nutzern.“ Viele solcher Seiten seien aber rechtswidrig, die Betreiber hafteten auch für die Kommentarspalten, oft fänden sich hier klassische Persönlichkeitsrechtsverletzungen wie Beleidigungen, Diffamierungen oder Hatespeech.

Nach der Löschung von Faktencheck Ahrtal“ zog die Community um Roswitha K. auf die Seite „FCA Redaktionsnetzwerk“ um – die Angriffe gingen nahtlos weiter. Trotzdem ging Motown nach eigenen Angaben im März 2022 eine Zusammenarbeit mit K. als „externe Dienstleisterin“ ein, an diesem Freitag betont Motown: „Diffamierungen von Helfenden und Polemik auf sozialen Medien haben wir immer verurteilt.“

„Wollen Wipperfürth & Co schlachten“

Wusste Motown tatsächlich nicht, mit wem sie da zusammenarbeitete? „Ein respektvoller Umgang miteinander“ sei eine wichtige Voraussetzung, betont Motown, man habe sich „auch von der Initiatorin des Faktencheck Ahrtal aus genau diesem Grund getrennt“. K. erhielt allerdings noch bis Mitte Juli Zahlungen von Motown, wie Motowns Anwalt selbst eingeräumt hat.

Missy Motown in einem offiziellen Video des Helfer-Stabs. - Video: Helfer-Stab, Screenshot: gik
Missy Motown in einem offiziellen Video des Helfer-Stabs. – Video: Helfer-Stab, Screenshot: gik

„Vielleicht haben wir ein bisschen länger gebraucht als andere, um zu verstehen, dass ein konstruktives Miteinander und gemeinsames Engagement für Betroffene, weder im Ahrtal noch in der Ukraine, nicht das Ziel der Faktencheck-Initiatorin waren, doch als wir es verstanden haben, wurde auch ein klarer Schlussstrich gezogen“, betonte Motown nun. Die Beratungshonorare für die Faktencheck-Initiatorin hätten „in keinem Zusammenhang mit den Fluthilfe-Töpfen“ gestanden.

Das Engagement der Faktencheck-Initiatorin stand indes in engem Zusammenhang mit Aktivitäten gegen die Fluthelfer: In einer Sprachnachricht, die Mainz& vorliegt, spricht K. explizit und wörtlich davon, „wir wollen Wipperfürth und Co. schlachten“ – wer „wir“ ist, wird aus der Nachricht nicht deutlich. Wipperfürths Anwalt Niklas Haberkamm von der Kanzlei LHR in Köln wirft K. eine systematische Kampagne gegen seinen Mandanten vor, die zum Ziel habe, ihn als Person zu diffamieren, und „dass versucht wird, seine soziale Reputation und seine Glaubwürdigkeit zu erschüttern“, wie Haberkamm Mainz& sagte.

Wikipedia-Profil von Cornelia Weigand bearbeitet

Ein Herz hatte K. offenbar hingegen für eine politische Akteurin im Ahrtal: Cornelia Weigand (parteilos), die im Februar 2022 zur neuen Landrätin des Kreises Ahrweiler gewählt wurde, als Nachfolgerin des wegen der Flutkatastrophe aus dem Amt geschiedenen Jürgen Pföhler (CDU). Weigands Wikipedia-Profil wurde im Februar 2022 erstellt, der Text stammt zu 41 Prozent aus der Feder einer Autorin namens „NellsPort“ – dahinter verbirgt sich: Roswitha K. – sie selbst postete das auf ihrer Facebookseite.

Übergabe des Abfallwirtschaftsberichts "Lernen nach der Flut" an Landrätin Cornelia Weigand (2.v.links, parteilos) durch die frühere Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne, ganz links). - Foto: Thinking Circular
Übergabe des Abfallwirtschaftsberichts „Lernen nach der Flut“ an Landrätin Cornelia Weigand (2.v.links, parteilos) durch die frühere Wirtschaftsministerin Eveline Lemke (Grüne, ganz links). – Foto: Thinking Circular

Und das Engagement der Politikberaterin reichte noch weiter: Im März 2022 legte die Beratungsagentur „Thinking Circular“ den Bericht „Lernen nach der Flut, Abfallwirtschaft im Fokus“ vor. Der Bericht, der selbst betont, sich auf wissenschaftliche Analysemethoden zu stützen, wird im gleichen Monat an die Landrätin des Kreises Ahrweiler, Cornelia Weigand (parteilos) übergeben. Autorin des Berichts: Eveline Lemke, frühere rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerin von den Grünen und Gründerin von „Thinking Circular“.

Der Bericht nimmt die Müllentsorgung nach der Flutkatastrophe im Ahrtal in den Fokus, er analysiert den Umgang mit den Trümmern und Müllbergen, und zwar in erster Linie aus Sicht der Müllmanager des Kreises Ahrweiler: Des Abfallwirtschaftsbetriebes Ahrweiler (AWB) und seiner Mitarbeiter. Der Bericht beschäftigt sich mit Personalbestand und verfügbaren Müll-Lagerflächen, mit den angelieferten Müllmengen aus dem Ahrtal nach der Flut und ihrer Zusammensetzung – und er zeigt die erheblichen Probleme bei der Entsorgung der ungeheuren Müllmengen sowie Lösungsansätze für die Zukunft auf. So schlägt der Bericht eine eigene Kategorie „Katastrophenabfälle“ für die Abfallwirtschaft sowie bessere Kommunikation mit Ersthelfern und Bevölkerung für die Zukunft vor.

Persönliche Angriffe gegen Wipperfürth – in Bericht Lemkes

Doch mitten in der Analyse finden sich dann auf einmal Sätze wie diese: „Die Manager der Hochwasserabfallströme gaben an, dass die Wirkung der medialen Arbeit von Markus Wipperfürth auch zur Verstärkung von Chaos, und Mehrfachleistungen beim Räumen von Abfällen und Säuberungsarbeiten führte.“ Wipperfürth ist der einzige Katastrophenhelfer, der in dem Bericht mehrfach namentlich genannt – und direkt angegriffen wird: Dem Landwirt aus Köln wird vorgeworfen, „Mehrfachräumarbeiten“ sowie „Zerstörung von Abfällen durch Umladen und Plattfahren mit Räumgeräten“ verursacht zu haben.

Schlammüberzogene Trümmer in Dernau nach der Flutkatastrophe. - Foto: gik
Schlammüberzogene Trümmer in Dernau nach der Flutkatastrophe. – Foto: gik

In einem Kapitel namens „Negatives Feedback“ heißt es dann weiter: „Zunächst hilfreiche Handlungen, wie z. B. das Schieben von Sperrmüll mit schweren Räumgeräten hat vorsichtige Handhabung und Rückgewinnung von Stoffen unmöglich gemacht. Zudem wurden so gefährliche Stoffe unter den Sperrmüll gemischt.“ Weiter klagt der Bericht mehrfach, das Trennen des Mülls sei unmöglich gemacht worden – auch durch angeblich unsachgemäßen Umgang mit dem Müll durch die Ersthelfer.

„Man hätte da gar nichts trennen können, es war alles eine Schlamm-Masse – und es war alles Sondermüll“, sagt Wipperfürth dazu auf Mainz&-Anfrage. Tatsächlich waren gerade in den ersten Tagen nach der Flutkatastrophe sämtliche Gegenstände von einer klebrigen Schlammschicht überzogen – und zwar sowohl auf den Straßen, als auch in den Häusern. Die ersten Helfer wie Wipperfürth standen in Walporzheim und anderen Orten buchstäblich vor einer Trümmerlandschaft, die aus Wänden von Holz bestanden, vermischt mit ausgelaufenen Öltanks, Weinfässern, Autos, Wohnwagen und vielem mehr.

Gemisch aus Schlamm, Chemikalien, Ölrückständen

Vor dem Untersuchungsausschuss in Mainz hatte Wipperfürth im Januar berichtet, wie die ersten Bauunternehmer und Landwirte von Feuerwehrleuten den Auftrag bekamen, diese Wände aus Trümmern und Schlamm aus den Straßen zu räumen. „Wir mussten alles rausräumen, damit die Rettungsdienste durchkamen, und die Leute aus ihren Häusern“, berichtet Wipperfürth auf Mainz&-Nachfrage. Die Räumenden seien „alles Fachleute“ gewesen mit eigenem schweren Gerät – nur: Hilfe von den Behörden, wohin man den Müll räumen sollte, habe man nicht bekommen.

Müllberge auf der Bundesstraße bei Ahrweiler in den Tagen nach der Flut. - Foto: gik
Müllberge auf der Bundesstraße bei Ahrweiler in den Tagen nach der Flut. – Foto: gik

„Wir haben uns binnen fünf Minuten in einer Runde Fachleute verständigt, dass wir es aus Logistikgründen nur auf die Bundesstraße kippen können“, berichtet Wipperfürth weiter – nur mit kleinen Baggern und Fuhrwerken habe der Müll aus den engen Straßen geholt werden können. Entlang der Bundesstraße entstanden in den Folgetagen riesige Müllhalden, erst rund zehn Tage später stand beim Abfallwirtschaftsbetrieb des Kreises in Zusammenarbeit mit der ADD fest, wohin die Mengen mit Großlastern abtransportiert werden konnten.

„Wenn wir das alles in den Straßen hätten liegen lassen, wäre das Tal nach fünf bis sechs Tagen wegen Seuchengefahr geschlossen worden“, sagt Wipperfürth heute – tatsächlich warnte das Land am 23. Juli, gut eine Woche nach der Katastrophe, vor Seuchengefahr im Tal wegen Chemikalien, Ölrückständen und Tierkadavern. Trotzdem wirft Lemkes Bericht gerade Wipperfürth Agieren nach dem „Muster ‚Wilder Westen'“ vor, spricht von einem „Netzwerk um die Herren Wipperfürth und Hartmann“ (sic!), denen sich die Manager der Abfallwirtschaft ausgesetzt gesehen hätten.

„Faktencheck Ahrtal“ als Quelle für Angriffe in einem Gutachten

Wie kommen solche Sätze in ein Gutachten, das ansonsten seinen wissenschaftlichen Anspruch betont? Die Antwort findet sich im Gutachten selbst: „Dies wurde durch
eine Gruppe mit Namen ‚Faktencheck Ahrtal‘ beobachtet“, heißt es dort wörtlich. Damit also zitiert ein wissenschaftlicher Bericht noch im März 2022 eine als „Haterpage“ im Januar 2022 geschlossene Facebookseite. Auf Nachfrage heißt es dazu in Lemkes Firma: „Die Quelle hat Thinking Circular® kontaktiert. Die Hinweise wurden aufgenommen. Das Interview wurde im Jahr 2021 geführt.“

Trümmerberge vor einem Haus in Dernau, sechs Tage nach der Flut: Müll nicht korrekt sortiert... - Foto: gik
Trümmerberge vor einem Haus in Dernau, sechs Tage nach der Flut: Müll nicht korrekt sortiert… – Foto: gik

Woher wusste der „Faktencheck Ahrtal“ von Lemkes Bericht, und wieso kontaktierte man die frühere Ministerin, um explizit Hinweise über den Landwirt Wipperfürth einfließen zu lassen – Hinweise, die ihn zudem in einem äußerst negativen Licht dastehen lassen? Denn in dem Bericht heißt es unter Berufung auf „Faktencheck Ahrtal“ wörtlich: „Diese Gruppe fordert daher Transparenz zu Einnahmen der Netzwerkunternehmen von Herrn Wipperfürth. Sie heben hervor, dass die Unternehmen eigennützig gehandelt hätten.“

Was haben solche unbelegten Vorwürfe über angebliche Bereicherungsabsichten in einem Gutachten zu suchen, das sich mit der Bewältigung von Abfallströmen nach einer Großkatastrophe beschäftigt? Wipperfürth hat stets jede Bereicherungsabsicht bestritten, vehement und öffentlich. Mit Wipperfürth persönlich sei vor Abfassen des Berichts nicht gesprochen worden, räumt Lemkes Büro weiter ein.

Ein Bagger räumt in Dernau sechs Tage nach der Flut in einer engen Straße das Gemisch aus Trümmern und Schlamm. - Foto: gik
Ein Bagger räumt in Dernau sechs Tage nach der Flut in einer engen Straße das Gemisch aus Trümmern und Schlamm. – Foto: gik

Man habe vielmehr „eine ausführliche Medienbeobachtung durchgeführt“ und dabei auch die Videos des Landwirts gesichtet. Die Formulierungen seien aber „kein Angriff gegen die Person Wipperfürth, sondern eine Beschreibung der Wirkung seiner Kommunikation“, betont man bei „Thinking Circular“ weiter. Lediglich nach Erscheinen des Berichts habe es ein Gespräch zwischen Wipperfürth und Lemke gegeben.

Bleibt die Tatsache: Roswitha K. mischte offenbar bei erheblich mehr Themen im Ahrtal mit, als lediglich bei „KatAid“ – und in einem deutlich längeren Zeitraum. Chatprotokolle und Zeugenaussagen, die Mainz& vorliegen, deuten an, dass sich K. dafür in einem Auftragsverhältnis sah, das früher begann als bisher bekannt, und bis in den Herbst desselben Jahres hinein angedauert haben könnte. Die Angaben konnten noch nicht verifiziert werden – wir bleiben dran.

Info& auf Mainz&: Die große Hintergrundgeschichte zu dem Thema „Hass und Hetze im Ahrtal“ lest Ihr hier auf Mainz&. Mehr zum Thema Finanzierung Helferstab haben wir ausführlich hier auf Mainz& berichtet. Was Missy Motown, die ADD und das Mainzer Innenministerium bisher zu dem Thema gesagt haben, lest Ihr hier bei Mainz&lest Ihr hier bei Mainz&.

Obacht&: Da offenbar oft überlesen wird, dass dies NICHT der erste Artikel zum Thema ist, sondern bereits der vierte, listen wir Euch hier jetzt noch einmal auf, was wir bisher dazu berichtet haben – bitte lest unbedingt auch die Vorgängerartikel dazu! Das Thema ist schlicht zu komplex für einen Artikel…

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Hetzkampagne gegen Helfer im Ahrtal: Zusammenarbeit und Honorare von Missy Motown mit vorbestrafter Beraterin bestätigt

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