Eigentlich wollte das Land Rheinland-Pfalz umgehend Masken, Desinfektionsmittel und andere Hilfsgüter auf die griechische Insel Lesbos schicken, doch bislang ist daraus nichts geworden: Der Transport steckt fest, der Flug nach Lesbos kann vorerst nicht stattfinden, das bestätigten am Montagabend das Land Rheinland-Pfalz sowie die Fluglinie Condor. Der Grund: die griechischen Behörden blockieren offenbar derzeit Hilfslieferungen.

Der Condor-Flieger mit den Hilfsgütern aus Rheinland-Pfalz kann derzeit nicht nach Lesbos starten, die griechischen Behörden blockieren die Lieferung. - Foto: Condor / Flughafen Düsseldorf
Der Condor-Flieger mit den Hilfsgütern aus Rheinland-Pfalz kann derzeit nicht nach Lesbos starten, die griechischen Behörden blockieren die Lieferung. – Foto: Condor / Flughafen Düsseldorf

Die rheinland-pfälzische Landesregierung hatte am Freitag angekündigt, einen Hilfstransport mit 125.000 Mund-Nasen-Schutz-Masken, 12.500 Litern Desinfektionsmitteln sowie weiteren Hilfsgütern wie Windeln nach Lesbos schicken zu wollen, man habe dafür eigens einen Charterflug der Linie Condor gebucht, den die Airline dem Land zum Selbstkostenpreis zur Verfügung stellte. Doch bislang wurde daraus nichts: Der Mainzer Arzt Gerhard Trabert berichtete am Montag gegenüber Mainz&, der Flug habe noch immer keine Landeerlaubnis auf Lesbos.

„Ich frage mich auch, warum die Hilfe so behindert wird“, sagte Trabert in einem Telefonat mit Mainz&. Die Arbeit vor Ort sei schwierig, es gebe überall Polizeikontrollen, die auch Helfer nicht einfach so passieren könnten. Er habe ganz persönlich den Eindruck, dass die griechischen Behörden „die Situation noch etwas eskalieren lassen möchten“, sagte Trabert.

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Die Hilfsgüter für Lesbos werden nach dem verheerenden Brand des Flüchtlingslagers Moria dringend benötigt. - Foto: Trabert
Die Hilfsgüter für Lesbos werden nach dem verheerenden Brand des Flüchtlingslagers Moria dringend benötigt. – Foto: Trabert

Das Mainzer Sozialministerium bestätigte am Abend, man habe bis jetzt „keine regierungsseitige Bestätigung über die Lieferung“ für einen Transport per Flugzeug nach Lesbos erhalten können. Deshalb würden nun aktuell „andere Lieferwege geprüft.“ Sobald alle organisatorischen Fragen geklärt seien, würden die Hilfsgüter umgehend auf den Weg gebracht, sagte eine Ministeriumssprecherin dieser Zeitung: „Wir sind zuversichtlich, dass die Hilfsgüter in den kommenden Tagen geliefert werden können.“

Bei der Fluglinie Condor hieß es am Abend, für den Flug sei „derzeit noch kein finales Datum avisiert.“ Die Hilfsorganisationen, die derzeit die Verteilung der Hilfsgüter auf Lesbos organisierten, würden „noch auf die regierungsseitige Bestätigung dieser Verteilung warten“, teilte eine Sprecherin auf Mainz&-Anfrage mit. Condor habe dem Land Rheinland-Pfalz einen Vollcharterflug zum Selbstkostenpreis angeboten, „um die Menschen vor Ort in ihrer furchtbaren Notlage zu unterstützen.“ Man könne den Flug auch kurzfristig durchführen, versicherte die Airline.

Der Mainzer Arzt Gerhard Trabert auf Lesbos mit dem querschnittsgelähmten Syrer Abdulkarim. - Foto: Trabert
Der Mainzer Arzt Gerhard Trabert auf Lesbos mit dem querschnittsgelähmten Syrer Abdulkarim. – Foto: Trabert

Der Mainzer Arzt Gerhard Trabert ist seit Samstagabend auf Lesbos, im Gespräch mit Mainz& berichtete er von unfassbaren Zuständen: Die Menschen campierten überall am Straßenrand, oft auf dem nackten Beton, sagte der Arzt: „Es ist unvorstellbar.“ Eine Versorgung mit Nahrung und Trinkwasser gebe es nicht, er und andere Helfer würden ständig angesprochen: „Habt Ihr was zu Essen, habt Ihr was zu Trinken?“ Auch eine medizinische Versorgung sei „überhaupt nicht vorhanden, es ist wirklich unglaublich“, sagte Trabert.

Er organisiere derzeit medizinische Versorgung für besonders hilfsbedürftige Personen in einer Barracke, berichtete Trabert weiter. Die Menschen hätten Wundinfektionen und auch Brandverletzungen durch das Feuer, das vergangenen Mittwoch das Flüchtlingscamp Moria komplett zerstört hatte. Viele hätten auch Magen-Darm-Erkrankungen oder Erkrankungen der Atemwege, berichtete Trabert weiter, viele Ältere litten unter chronischen Erkrankungen wie Zucker oder Bluthochdruck. „Es gibt hier keine medizinische Versorgung, da sind keine Ärzte tätig, es gibt auch keine Medikamente“, sagte Trabert.

„Viele, gerade Frauen und Kinder, sind erschöpft, depressiv“, erzählte der Mainzer weiter. Er habe gestern den jungen, querschnittsgelähmten Syrer getroffen, und Abdulkarim habe ihm „ganz klar signalisiert: Doktor, ich kann nicht mehr, wenn ich hier weiter bleiben muss“, berichtete Trabert. Das habe die Qualität einer erhöhten Selbstmordgefährdung: „Er hat das auch durch eine Geste angedeutet, dass er, wenn jetzt nichts passiert, er keinen Sinn mehr in seinem Leben hier sieht“, schilderte Trabert: „Die Menschen können einfach nicht mehr, sie brauchen jetzt – endlich! – Hilfe.“ Ein vollständige Evakuierung der rund 12,500 Flüchtlinge sei die einzig sinnvolle und humane Lösung.

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Schilderungen der Zustände auf Lesbos sowie über den Streit um die europäische Flüchtlingspolitik lest Ihr hier auf Mainz&. Einen ersten Bericht über die Brandkatastrophe in Moria könnt Ihr hier nachlesen. Warum wir darüber so intensiv berichten? Die Katastrophe auf Lesbos hat eine neue Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingen ausgelöst, die auch Mainz betrifft – die Stadt erklärte sich mit einer Abstimmung im Stadtrat Ende 2019 zum sogenannten „Sicheren Hafen“ und erklärte damit generell ihre Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen. Der Mainzer „Obdachlosenarzt“ Gerhard Trabert setzt sich zudem stark für die Geflüchteten ein und ist als einer der wenigen Ärzte derzeit überhaupt auf Lesbos aktiv.

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