Die große Hitzewelle dieses Sommers ist erst einmal vorbei, da legt Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) Pläne für einen Hitzeschutzplan für Deutschland vor. „Die zunehmenden Hitzewellen in Deutschland erfordern sofortige Maßnahmen“, betonte der Minister in Berlin. Dumm nur: Deutschland ist weiter bei der Hitzevorsorge nur mangelhaft gerüstet, Warnsysteme gibt es so gut wie nicht, oder sie werden so gut wie nicht wahrgenommen. In Mainz kündigte die zuständige grüne Dezernentin nun eine Strategie samt neuer Trinkwasserbrunnen an – Umsetzung: Bis Ende 2024.
Mainz könnte längst viel weiter sein, und bereits einen Hitzeaktionsplan haben, „hätte die Stadtratsmehrheit aus Ampel und CDU nicht 2018 einen entsprechenden Antrag der ÖDP unter teils abenteuerlichen Begründungen abgelehnt“, klagte Ingrid Pannhorst, Mitglied der ÖDP im Bauausschuss, vergangene Woche in Mainz. Tatsächlich hatte die ÖDP bereits im September 2018 einen Antrag auf Erarbeitung eines Hitzeaktionsplans in den Mainzer Stadtrat eingebracht, das Ziel: eine Art „Masterplan“ für Hitzewellen, mit dem Menschen und ihre Gesundheit bei lang anhaltenden hohen sommerlichen Temperaturen besser geschützt werden können.
Tatsächlich wird das immer nötiger: Die Hitzewellen mit Temperaturen von weit jenseits der 30 Grad sind für den menschlichen Organismus eine erhebliche Belastung. Gerade Kinder, Alte, Schwangere, aber auch Menschen mit Erkrankungen von Diabetes bis hin zu Herz-Kreislauf-Problemen können durch Hitzewellen in ernsthafte Gefahren geraten: Mehr als 60.000 Menschen starben allein im Jahr 2022 europaweit an Hitzefolgen, schätzen Experten – in Deutschland waren es allein rund 8.100. Die Zahl dehyrierter Personen in Krankenhäusern steige bereits seit Jahren – insgesamt um rund ein Viertel, warnen Krankenkassen wie die IKK Südwest.
ÖDP Mainz legte bereits 2018 Bausteine für Hitzeaktionsplan vor
Die ÖDP hatte deshalb schon 2018 in ihrem Antrag auf einen Leitfaden des Umweltbundesamtes (UBA) mit Handlungsempfehlungen bei Hitzewellen verwiesen, und wollte genau diese Maßnahmen auch auf Mainz angewendet sehen: Warnsysteme mit Informationen, Tipps und Verhaltenshinweisen für die Bevölkerung, die Einrichtung von Nachbarschaftsgruppen, um Risikogruppen aktiv zu unterstützen, Bereitstellung von Trinkwasserbrunnen und die Reduzierung von Hitze im öffentlichen Nahverkehr waren einige der Punkte des Hitze-Aktionsplans.
Fünf Jahre später, im Sommer 2023, steht Mainz noch immer ohne Hitzeaktionsplan da, ÖDP-Fraktionschef Claudius Moseler warf nun der Stadtspitze vor, „sich aus der Pflicht zur Fürsorge zu stehlen.“ Vom zuständigen Umweltdezernat kämen lediglich „Absichtserklärungen“, weder gebe es einen Hitzeaktionsplan, noch Trinkbrunnen oder ausreichende Wand- und Dachbegrünung, geschweige denn eine hitzeangepasste Bauweise. „Stattdessen wurden seither in der Stadt weitere Plätze bei der Neugestaltung großflächig versiegelt“, kritisierte Moseler – im Zollhafen sei gar ein Wettbewerb für ein „steinernes Ufer“ ausgeschrieben worden, klagt er.
Auch die CDU – die 2018 noch gegen einen Hitzeaktionsplan gestimmt hatte – kritisierte nun die Verzögerung eines im September 2022 gefassten Stadtratsbeschluss als „völlig inakzeptabel“: „Es kann nicht sein, dass die Verwaltung erst im Mai mit der Erstellung des Hitzeaktionsplans begonnen hat und mitten in der Sommerzeit immer noch keinen vorzuweisen hat“, schimpfte CDU-Fraktionschef Ludwig Holle. Mainz hinke anderen Städten „deutlich hinterher“, betonte Holle, und verwies als Beispiel auf das Thema Trinkwasserbrunnen: „Bis heute gibt es keinen einzigen Trinkwasserbrunnen in Mainz“, kritisierte Holle – in anderen Städten sei die Installation von Trinkwasserbrunnen hingegen überhaupt kein Problem.
Bewegung bei Trinkwasserbrunnen: Mögliche Brunnen 2024
Tatsächlich hatte bislang Umweltdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) stets darauf verwiesen, wie schwierig die Installation von Trinkwasserbrunnen sei – bislang waren keine großen Anstalten gemacht worden, solche Brunnen zu installieren. Im vergangenen Stadtrat Mitte Juli informierte Steinkrüger nun: Aktuell laufe die Beauftragung für einen neuen Trinkbrunnen auf dem Rebstockplatz, dem kleinen Platz am Durchgang vom Marktplatz zum Brand-Zentrum. Hier hatte es bis vor einigen Jahren auch den einzigen Mainzer Trinkwasserbrunnen gegeben, der aber wegen nicht näher benannter „technischer Probleme“ abgebaut worden war.
Steinkrüger kündigte nun überraschend an, es gebe von den Mainzer Netzen „erste mögliche Standortvorschläge für mehrere weitere Standorte im Innenstadtbereich, die die Wasserleitungsverläufe berücksichtigen.“ Diese Ideen müssten nun verwaltungsintern durch verschiedene Fachämter auf Machbarkeit geprüft werden. „Voraussichtlich kann in diesem Jahr der erste Trinkwasserbrunnen aufgestellt werden, weitere werden dann 2024 im Innenstadtbereich folgen“, teilte die Dezernentin weiter mit.
Auch weitere Maßnahmen eines Hitzeaktionsplan werden noch auf sich warten lassen – und wohl nicht einmal im Sommer 2024 den Mainzern zugute kommen: Das Thema „Hitze und Gesundheit“ sei ein Schwerpunkt bei „einer gesamtstädtischen Strategie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels“, betonte Steinkrüger – der Haken: Diese Strategie muss erst einmal erarbeitet werden. Im Mai 2023 habe man das Vorhaben einer Erarbeitung gestartete, teilte die Dezernentin weiter mit, „auf Grundlage vorhandener, aktualisierter und neu erhobener Daten“ werde dabei „eine umfassende Klimarisikoanalyse durchgeführt.“
Hitzetipps im Internet, Hinweise auf kühlere Orte, Kirchen, Brunnen
In dieser Analyse sollten dann „Räume und Personen identifiziert und verortet werden, die von den Folgen des Klimawandels besonders betroffen sind“, heißt es weiter: „Die Folgen umfassen neben dem Thema Hitze auch Gesundheitsaspekte und Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Starkregenereignisse und Stürme.“ Als sofortige Reaktion sei eine Hitzeinformationskampagne gestartet, Tipps zum Umgang mit Hitze mit Plakaten im Umweltladen ausgestellt und Flyer verteilt worden. Zudem habe die Stadt online Hitzetipps auf ihrer Homepage veröffentlicht.
Im Mittelpunkt der Internetseite stehen Tipps zu richtiger Kleidung und richtigem Essen bei Hitze, sowie Hinweise auf „kühlere Orte in Mainz“ – wie etwa Parks, Schwimmbäder oder Waldstücke rund um Mainz. Die Liste der „schattigen Plätze“ fällt mit ganzen sieben Nennungen eher übersichtlich aus, und auch bei der Liste der Brunnen sind auch solche aufgeführt, die derzeit gar nicht in Betrieb sind – wie etwa der abgebaute Drei-Mädchen-Brunnen auf dem Mainzer Ballplatz. Auch hatte es zuletzt Ärger in den Stadtteilen gegeben, weil die Stadtverwaltung bis weit in den Juni hinein gebraucht hatte, um Brunnen in Mombach oder der Mainzer Neustadt überhaupt anzuschalten.
Interessant ist dagegen der Unterpunkt „Kirchen“: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte von einem Besuch in Italien per Kurznachrichtendienst Twitter gelobt, im Süden verwenden man Kirchen als Oasen der Kühle – das sei auch eine gute Idee für Deutschland. Die Deutsche Bischofskonferenz teilte prompt mit, wer Schutz vor Hitze suche, sei jederzeit in den Kirchen im Land willkommen – Hinweise zu den Öffnungszeiten der Kirchen gibt die Internetseite der Stadt Mainz derweil aber nicht.
Mainzer Strategie zur Klimaanpassung nicht vor Ende 2024
„Welchen Stellenwert habe der Hitzeaktionsplan denn nun bei der Stadt?“, wollte die ÖDP denn auch in der vergangenen Stadtratssitzung wissen. Die Antwort legt nahe. Schnell wird es jedenfalls nicht gehen. „Die Strategie soll bis Ende 2024 erstellt werden“, teilte Steinkrüger mit. „Die Datenanalyse sowie die Sichtung und Synthese bestehender Fachgrundlagen“ werde voraussichtlich im Dezember 2023 abgeschlossen, die Klimarisikoanalyse dann im April 2024. Die Verschneidung mit sozialen Daten und Erstellung von Themenkarten sei bis Juni 2024 geplant.
Dabei hatte Gesundheitsminister Lauterbach gerade noch einmal gemahnt: Die aktuellen Hitzewellen erforderten „sofortige Maßnahmen“. Allerdings legte auch der Minister selbst vergangene Woche keine konkreten Schritte wie Hitzewarnungen oder die Einrichtung von Rückzugsräumen vor, wie es sie etwa in Frankreich bereits seit 2003 gibt – das französische System hat Lauterbach explizit zum Vorbild erklärt. Der Schwerpunkt der derzeitigen Initiativen liege „vor allem auf der Kommunikation und der Sensibilisierung“ der Bevölkerung, erklärte Lauterbach: Das sei wichtig, um kurzfristig wirksam Hitzeschutz zu betreiben.
Langfristig wolle sich Deutschland aber auch strukturell besser aufstellen, kündigte der Minister an: „Dafür werden wir uns im Herbst zu einer Statuskonferenz zusammenfinden, um uns für den Sommer 2024 zu rüsten.“ So beschränkt sich in diesem Jahr die Bundesregierung ebenfalls auf Plakate und Internetseiten, Lauterbach startete zudem eine Initiative mit dem Hausärzteverband, die ihren Patienten Hitzehinweise geben sollen. Wichtig ist das auch, weil manche Medikamente wie etwa bei Diabetes, bei Hitze anders dosiert werden müssen – was in Deutschland kaum ein Patient wissen dürfte.
Lauterbach: Hitzewarnstufen des DWD weiterentwickeln
Lauterbach kündigte zudem an, zukünftig sollten auch die Hitzewarnstufen des Deutschen Wetterdienstes bekannter gemacht und weiterentwickelt werden. „Im digitalen Bereich könnte die Bevölkerung über Apps oder SMS-Warnungen geschützt werden“, sagte der Minister. Dafür würden bereits Gespräche mit Mobilfunkanbietern und Behörden, in deren Zuständigkeit die staatlichen Warn-Apps liegen, geführt.
Immerhin: Lauterbach ist der erste Bundesgesundheitsminister, der sich überhaupt des Themas Hitze und Gesundheit aktiv und intensiv annimmt. Die von seinem Haus gestartete Internetseite „Hitzeservice.de“ bietet zudem Kommunen Tipps für Maßnahmen zur Verbesserung des Hitzeschutzes bei ihnen vor Ort an – zu den Maßnahmen gehören unter anderem Trinkwasserbrunnen, Hitzeschutz für Obdachlose, Nachbarschaftsbesuche und Hausbesuche bei Älteren und Kranken, eine Anpassung des Schulbetriebs oder auch die Kommunikation von Hitzewarnungen sowie ein Hitzetelefon.
Derweil kündigte nun auch die rheinland-pfälzische Landesregierung am 13. Juli an: Man arbeite nun auch an einem Hitzeaktionsplan. Dieser solle „die Gefahren für Leib und Leben bei Extremhitze skizzieren, Verantwortlichkeiten und Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung festlegen und die Kommunikation aller Akteure im Falle einer Hitzewarnung durch den Deutschen Wetterdienst (DWD) regeln“, sagten Gesundheitsminister Clemens Hoch und Sozialminister Alexander Schweitzer (beide SPD).
Man wolle sich dabei maßgeblich auf die Handlungsempfehlungen des Bundesumweltministeriums stützen, „und sich eng an einem Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) orientieren“, teilten die Minister weiter mit. Der Beschluss der Konferenz besagt in der Tat, Hitzeaktionspläne zu erstellen – bis zum Jahr 2025. „Vor Ort muss schnell gehandelt werden, wenn hohe Temperaturen zu enormen Belastungen führen“, fügten die Minister Hoch und Schweitzer hinzu.
Info& auf Mainz&: Auch das Land Rheinland-Pfalz hat nun eine Webseite mit Hitzetipps ins Leben gerufen – Ihr findet sie unter https://hitze.rlp.de/ Die nächste Hitzewelle kommt bestimmt – vermutlich deutlich vor 2025… Die Ankündigungen aus dem Bundesgesundheitsministerium findet ihr hier im Internet, in dem umfassenden Maßnahmenkatalog für Kommunen könnt Ihr hier im Internet stöbern.
Anmerkung&: Auch wenn wir kritisch über die Verzögerungen in der Politik berichten: Bitte nehmt das Thema Ernst! Der Umgang mit langen Hitzeperioden ist in Deutschland kaum gelernt, und mit Warnungen sind wir hierzulande ja ohnehin nicht besonders gut…