Alarm, bei den Meenzer Drecksäcken! Die rosa Sau ist getürmt, das fluffige Fastnachtsmaskottchen will jetzt hoch hinaus: OB von Schweinfurt will die Wutz werden, zur Met(t), oder doch lieber Kommissar werden? Ja, sagt Mutter Becker, „die Karrierechancen bei den Drecksäcken sind ja auch nicht so dolle, und so schlecht, wie Ihr sie behandelt habt…“ Mit viel Selbstironie starten die Alternativfastnachter in ihre 24. Spielzeit im Haus der Jugend, wobei: so alternativ ist man eigentlich gar nicht mehr. Da wird hemmungslos im Saal geschunkelt, von der Bühne klingt das „Gelle gern“, und Ady Schmelz ist längst Stammgast und hat „Konfetti in der Blutbahn“. Wie gut, dass die Drecksäcke wenigstens noch politisch sind: Bibelturm, Dieselfahrverbot, MCV, Dezernentenschwund im Rathaus – alle kriegen satt ihr Fett weg. Und OB Michael Ebling setzen die Drecksäck eins ums andere mal eine Krone auf…

Unverzichtbarer Star bei den Meenzer Drecksäcken: die rosa Sau muss einfach durch den Saal tanzen. – Foto: gik

„Ich bin für was Größeres geboren“, schimpft die Sau in der Straßenbahn, klarer Fall: Der Wutz reicht’s, die Zukunft ist nicht rosig, es muss was Besseres her als immer schwindelig durch den Saal getrieben zu werden. Daheim aber verzweifeln sie: Ob der Mainzer Carnevals Verein (MCV) die Sau abgeworben hat? Lag’s am Essen oder am harten Bett im Lager? Und woher kriegt man Ersatz? Also suchen die Drecksäcke die Super-Sau, doch es bewerben sich nur Winzlinge, Maggi Sponheimer oder so ein komischer rosa Flamingo, der irgendwie Ähnlichkeiten mit einem Partybiest namens OB hat…

2018 hatten die Meenzer Drecksäcke mit ihrem furiosen „Haus of Drecksäck“ einen echten Film-Hit gelandet, 2019 kehren sie zu ihren Wurzeln zurück. Der Eröffnungsfilm ist kürzer und Meenzerischer, wenn man so will, und natürlich geht die Eskapade gut aus: Im Schweinemuseum hängt doch tatsächlich ein Foto der im Saal tanzenden Sau, da kehrt das Borstenvieh reumütig ins HdJ zurück. Und so kann auch in diesem Jahr die knuddelige Riesenwutz ausgelassen über die Köpfe der Besucher tanzen, was sie denn auch ausgiebig nach jeder Nummer tut. „Herzlich willkommen im Jahr des Erdschweins!“, ruft Moderator Günter Beck dem Narrenvolk zu, das chinesische Jahreszeichen stehe für „Partybiest, Witze, Lache, Unfug mache – passt doch.“

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Muss jetzt auch noch als Elvis-Double die Stadt retten: Bürgermeister und Moderator Günter Beck, beobachtet von Tochter Melia Pace. – Foto: gik

Dabei heißt das offizielle Motto der Sitzung eigentlich „Wenn die Gondeln Bauern tragen“, es geht natürlich um Verkehr, Fahrverbote und Citybahn und die Frage: Wo ist da noch Luft? Die Deutsche Umwelthilfe verklage jetzt demnächst alle Kinderkarussells, weil da noch Autos mitfahren, lästern die Drecksäcke – und bauen einfach eine Seilbahn von Finthen nach Kastel. Was übrigens – mal abgesehen von der Streckenführung – gar nicht so eine Schnapsidee ist, was Ihr hier nachlesen könnt. Die Zwischenmoderationen von Günter Beck und seiner genialen Partnerin Birgit Schütz, der Frau der tausend Rollen, sind längst eigene Kabarettnummern geworden, und so zelebrieren die zwei in einer Art Harald Schmidt-Nummer auch gleich ihr eigenes Jahresprotokoll von Frankfurter Lufttaxis bis hin zum Denver Clan alias Filzbaden, wo sich Rotkäppchen Gehrig vom bösen Wolf füttern lässt, bis sich das Volk am Ende „König Michael I.“ vom anderen Ufer unterwirft…

Es ist wahrlich nicht das letzte Mal, dass OB Ebling (SPD) sein Fett wegbekommt an diesem Abend:  Bei der Laienspielgruppe hat „der machtbesessene Michael“ gar unterirdisch einen Bibelturm gebaut und plant direkt vor dem Römischen Kaiser ein Triumphdenkmal für die SPD. Da kann nur noch ein Zauberer helfen, und so muss ein stark gealterter Harry Potter gegen den dunklen König antreten, der die Schlussrechnung einfach seinem Nachfolger vor die Füße wirft, denn der Haase hat ja noch drei Millionen von „Schlag den Raab“ übrig… In einer äußerst schrägen Nummer nimmt die bunte Truppe das Bibelturm-Desaster und gleich auch den Absturz der SPD („Sekte politischen Desasters) aufs Korn, mischt auch noch den Zollhafen mit der Schiffsproblematik hinein und streift Chemnitzer Rechtsextreme und arabischen Journalistenmord. Am Ende bleibt der Zuschauer ein wenig ratlos zurück – wie im wahren Leben eben.

Starker Abgesang auf Winter, Jahreszeiten und den Rhein: Die Weather-Girls Karla Martin, Anke Eckhardt und Stephanie Oehler besingen den Klimawandel. – Foto: gik

Doch es ist ja nicht so, als hätte der OB keine Ideen: Ein Elvis-Double muss die Stadt retten – und natürlich muss sein Stellvertreter das Double mimen. „Ich bin Bürgermeister und nicht de King“, sagt der Günter. „Burger-King“, grinst seine Tochter Melia Pace: „Beck the Neck statt Elvis the Pelvis!“ Die Drecksäcke sind am stärksten, wenn sie nicht nur ihre Stadt, sondern sich selbst auf den Arm nehmen, und wo gibt es das schon, dass sich ein veritabler (grüner) Bürgermeister gnadenlos selbst zum Clown macht? Immer gelingt das indes nicht – etwa wenn Beck über die Mitbabbel-wollenden Mainzer herzieht „“Manchmal ist es besser, die babbeln nit mit“) und sich über Bürger mokiert, die die Standuhr am Münsterplatz vermissen….

Für die absolut richtigen Töne sorgen die Weather-Girls: Die stark geschrumpfte Frauentruppe haben Klimawandel und besingen den „Winter adé“ und die verschwundenen Blumen, sitzen am Schiffskai in Finthen oder im rheinhessischen Sand – ein starker, schwungvoller Einstieg in die Sitzung: „Summertime, und kein Platz im Taubersberg, der Rhoi ist fast leer, und keine Brunne am Laufe, der Shoppe wird zum Glühwein“, singen sie und fordern: „Hallelujahr, lass regnen Hirn!“

Großes Narrenkino: Karl Lagerfeld alias Birgit Schütz versucht verzweifelt, Zugmarschall Ady Schmelz alias Günter Beck einzukleiden. – Foto: gik

Große Intonationsprobleme haben dagegen die „Uferlosen“, der schwul-lesbische Chor besingt sehr schräg den grassierenden Wohnungsmangel und sucht herrlich-närrisch nach Abhilfe jenseits der unbezahlbaren Luxusbehausungen. Da wäre etwa Nest-Sharing bei den Flamingos, ein Jahresticket der Mainzelbahn oder die ohnehin leer stehenden Läden – glücklich wird das Finther Bauernpaar am Ende im echt Meenzer Wohnfass und schmettert in den Saal: „Wir erobern uns jetzt die Stadt zurück!“ War da nicht mal eine Partei mit einem ganz ähnlichen Slogan……

Eine musikalische Klasse für sich ist fraglos die Drecksau-Band, die Combo um Frontmann Hans „Ernst“ Becker packt wunderschöne neue Lieder wie den „Mond überm Mainzer Dom“ aus und singen den „MCV Blues“: „Das Geld geht jetzt aus beim MCV, die Kasse ist leer, die Zukunft ganz mau, nie mehr Kappenfahrt mit Pelz im Cabrio…“ Ja, wer den Schaden hat, muss in Mainz auf den Spott nicht lange warten – und Ex-Dezernent Christopher Sitte kriegt es gleich zigfach. „Mainz strahlt in bunter Pracht, wenn Sitte aus Akten Konfetti macht“, lästert Birgit Schütz. „Kann nicht sein“, kontert Beck, „der hat nie eine Akte produziert…“ Bei den Drecksäcken aber gibt’s statt Tusch E-Gitarren-Riffs, da wird die Sitzung zum veritablen Rockkonzert.

Ganz stark in Form: Prediger Peter Eisenhuth hat viel zu tun mit dem Zustand der Welt und hebt damit gleich mal den Saal aus den Angeln. – Foto: gik

Als sprachlich verwirrte Touristin irrt Anke Eckhardt durchs schöne Mainz: „Alles was du so erzählst, hört sich irgendwie nice an“, singt die den komischen Mann mit der roten Nase und der karierten Hose an: „Ich kann kein Meenzerisch, aber bitte red‘ weiter…“ Eine wunderschön gesungene Persiflage auf den Sommerhit 2018. International ist in diesem Jahr Markus Höffer-Mehlmer unterwegs, seine feurige Dolores bricht eine sehr närrische Lanze für die Vielfalt Europas und singt gar am Ende: „Eviva Europa!“ Als Reisende aus Hamburg kommt auch Christine Eckert nach Mainz – als Sextouristin in die Fastnacht, ein wunderbar gespielter Einstand von Christine Eckert bei den Meenzer Drecksäcken. Als martialische Stammeskrieger begeistert die Männertanzgruppe, völlig unverständlich, dass der Saal da nicht geschlossen steht und feiert…

Restlos rockt den Saal schließlich vor allem einer: Prediger Peter Herbert Eisenhuth brennt ein wahres Feuerwerk an bitterbösen Spitzen gegen Gott und die Welt, Kirche, Facebook, Klimawandel und Donald Trump ab, und redet Klartext: „Nationfucker shut up!“ Natürlich beerdigt der Prediger die alte Tante SPD („Beseelt vom eigenen Untergang, so machst du Politik, jetzt hasts du’s bald geschafft…“), besingt Marktfrühstück und Bibelturm und lässt OB Ebling singen: „Und immer wird es Zeit wird zu gehn, hole ich mir noch ein Glas und bleibe steh’n.“ Keine Frage: Der Prediger ist in Hochform, erst Recht wenn er mit Blick nach Chemnitz und Sachsen singt „und immer wieder, dieselben braunen Brüder“ – da gibt es die Ovationen der Drecksäcke schon mitten im Vortrag. „Die Welt geht aus den Fugen, nur eines hat Bestand: einmal im Jahr im HdJ, die Drecksau in der Hand“, reimt der Prediger: „Whoever touched the flying Schwein, der will nie wieder fott.“ Und dann fliegt die rosa Sau wieder…

Info& auf Mainz&: Mehr zum „House of Drecksäck“ des Jahres 2018 gibt es hier bei Mainz&, die Meenzer Drecksäck selbst findet Ihr hier im Internet. Und natürlich darf unsere Fotogalerie 2019 nicht fehlen – bittesehr:

 

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