Der frühere Mainzer Oberbürgermeister Jens Beutel ist tot. Der SPD-Politiker ist nach Mainz&-Informationen völlig überraschend verstorben, die Nachricht machte am Donnerstag in Mainz die Runde. Beutel war von 1997 bis 2011 Oberbürgermeister von Mainz, der SPD-Politiker musste wegen einer Serie von Affären und Vorwürfen über Vorteilsnahmen im Amt am Ende wegen drei Gläsern Rotwein zurücktreten. Beutel begann seine Karriere als Jurist, Ansehen erwarb er sich mit den Wormser Missbrauchsprozessen, die er als Richter leitete. Sein Tod kommt völlig überraschend, ersten Informationen zufolge starb er an einem Herzinfarkt. Beutel wurde 72 Jahre alt. „Die Stadt Mainz trauert um Jens Beutel, sein Lebenswerk verdient höchste Anerkennung“, teilte am Nachmittag Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD), Beutels Nachfolger, mit: „Unser Mitgefühl gilt seiner Frau und der ganzen Familie und allen Freunden.“

Der frühere Oberbürgermeister Jens Beutel (SPD) im Jahr 2007. – Foto: Kandschwar via Wikimedia Commons

„Die Nachricht vom viel zu frühen Tod Jens Beutels hat mich tief berührt“, sagte Ebling. Beutel habe fast 15 Jahre lang als erster direkt gewählter Oberbürgermeister die Geschicke von Mainz bestimmt und „in vielen Bereichen wegweisende Weichen für die Stadt“. Beutel habe sich fast 40 Jahre lang „mit Leib und Seele“ in das öffentliche und politische Leben seiner Wahlheimat Mainz eingebracht. „Wir danken ihm für seine bleibenden Verdienste um unsere Stadt und blicken mit großem Respekt auf seine Lebensleistung“, sagte Ebling. „Was Mainz heute ist, das verdankt es auch zu einem guten Teil seiner Arbeit und seinem Einsatz“, betonte Ebling.

Geboren wurde Beutel am 12. Juli 1946 im westfälischen Lünen, nach Mainz kam er zum Jurastudium 1968, nach Abschluss wurde Beutel Richter in Frankenthal, Koblenz und Mainz. Als Vorsitzender Richter der Jugendschutzkammer am Landgericht Mainz leitete Beutel den ersten der sogenannten Wormser Missbrauchsprozesse in den Jahren 1993 bis 1996, in denen es um angeblich massenhaften Missbrauch von Kindern durch ihre Eltern ging. Die Prozesse standen später stark in der Kritik, da die Missbrauchsvorwürfe nie bewiesen werden konnten und am Ende als haltlos abgewiesen wurden.

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Während seines Studiums war Beutel in die SPD eingetreten, 1989 wurde er in den Stadtrat gewählt. 1995 wurde Beutel Fraktionschef der SPD – die geeignete Ausgangsposition für die Oberbürgermeister-Wahl 1996. Beutel gewann den Urnengang in der Stichwahl gegen seinen CDU-Kontrahenten Norbert Schüler, die SPD jubelte über die Verteidigung ihrer Hochburg Mainz. Von 1997 an lenkte Beutel die Geschicke der Landeshauptstadt.

Beutels erste Amtszeit verlief durchaus erfolgreich, in seine Zeit fiel die Umgestaltung des Mainzer Rheinufers und der Bau der Kunsthalle im Zollhafen, die Sanierung des Staatstheaters, der Neubau der Mainzer Synagoge, der Bau der heutigen Opel-Arena, die Einrichtung der Hechtsheimer Messe oder die Aufnahme von Mainz in die Runde der Great Wine Capitals. Auch wichtige Neubauten wie die Römerpassage, der Südbahnhof und die erste Neugestaltung der Ludwigsstraße fielen in seine Amtszeit. Die Auszeichnung von Mainz als Stadt der Wissenschaft 2011 war ein Projekt, das Beutel maßgeblich vorantrieb – der Richter war selbst passionierter Schachspieler und holte für fast zehn Jahre das große Schachturnier Chess Classics nach Mainz.

Offizielles Foto von Jens Beutel als Oberbürgermeister von Mainz. – Foto: Landeshauptstadt Mainz

„Sport war seine große Leidenschaft“, sagte Ebling weiter. Beutel habe selbst bei seiner Eintracht Mombach Handball gespielt, sei Fußballfan gewesen und am Schachbrett „ein begnadeter Stratege.“ Aber auch im Kampf gegen den Fluglärm habe er sich stark engagiert, der Ausbau der Beziehungen zu den Partnerstädten sei ihm ein wichtiges Anliegen gewesen. Beutel habe sich dabei „nie als Einzelkämpfer verstanden“, sondern sei „ein engagierter Teamplayer“ gewesen, der Stadtverwaltung, Stadtratsfraktionen, Vereine, Institutionen und Bürgerinitiativen einzubinden verstanden habe, sagte Ebling weiter: Beutel habe das Rathaus zum „Ort der Begegnung gemacht“, den Dialog gesucht und das Gemeinschaftliche in der Stadt betont.

2004 schaffte Beutel die Wiederwahl als Oberbürgermeister, seine zweite Amtszeit war jedoch zunehmend von Vorwürfen des Filzes und der Vorteilsnahmen geprägt. Vergünstigungen für sein Eigenheim in Mombach, Luxusreisen nach Capri, zu den Bregenzer Festspielen und an den Tegernsee – Beutel geriet immer mehr in die Kritik, weil er sich auf Reisen einladen ließ, unter anderem von dem damaligen Wohnbau-Geschäftsführer Rainer Laub. Als die Wohnbau 2009 tief in den roten Zahlen stand und beinahe in die Pleite glitt, ermittelte die Staatsanwaltschaft auch gegen Beutel wegen Untreue und Vorteilsnamen im Amt.

Wegen der Capri-Reise kassierte Beutel einen Strafbefehl wegen Untreue und musste 9.600 Euro Strafe zahlen, vorbestraft war er aber nicht. Was die Mainzer aber schockierte, war die Uneinsichtigkeit des OBs. Beutel schloss einen Rücktritt kategorisch aus, aber als er im Wohnbau-Prozess vor Gericht gar Erinnerungslücken geltend machte, wurde er zunehmend zu einer Belastung für seine Partei. Am Ende stürzte Beutel über drei Gläser Wein auf einer Ruanda-Reise, die er nicht bezahlt hatte – Beutel musste gehen. Sein Rücktritt im Herbst 2011 wurde selbst von seinen Parteifreunden mit Erleichterung aufgenommen.

Seine letzten Lebensjahre verbrachte Beutel zurückgezogen als Privatier in Mainz-Mombach, am Donnerstag machte überraschend die Nachricht von seinem Tod die Runde. Jens Beutel wurde 72 Jahre alt.

Update: In der Mainzer SPD herrschte am Nachmittag Trauer und Betroffenheit über den plötzlichen Tod des Alt-OBs. „Mit Jens Beutel verliert Mainz eine Persönlichkeit, die das Wohlergehen der Menschen und der Stadt Mainz stets in den Mittelpunkt seines Handelns gestellt hat“, sagte der Mainzer SPD-Vorsitzende Marc Bleicher. Beutel sei 50 Jahre Mitglied der SPD gewesen und habe stets „als Sozialdemokrat gehandelt, der die Grundsätze unserer Partei entschieden vertreten hat“, sagte Bleicher: „Er hat auf der Basis der sozialdemokratischen Werte praktisch gehandelt.“ Mainz und die Mainzer SPD hätten Jens Beutel viel zu verdanken. „Voller Mitgefühl stehen wir daher in diesen Tagen an der Seite der trauernden Familie sowie den Wegbegleitern“, fügte Bleicher hinzu.

Auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) würdigte Beutel als aktiven Politiker, der für seine Heimatstadt viel erreicht habe. Unter Beutel habe die Landeshauptstadt „eine sehr dynamische und entwicklungsreiche Zeit durchlaufen“, in der viele wegweisende Projekte realisiert worden seien. „Das hat das Stadtbild positiv verändert und die Landeshauptstadt als Wissenschafts-, Medien-, Kultur- und Wirtschaftsstandort gestärkt – ohne dass die Stadt ihren Charme und ihr besonderes Lebensgefühl verloren habe“, betonte Dreyer.

Die Nachricht vom Tod Beutels habe sie „sehr erschüttert“ und tief betroffen gemacht“, betonte die Ministerpräsidentin zudem – Dreyer wurde 1997 unter Beutel Mainzer Sozialdezernentin. Sie trauere deshalb auch „ganz persönlich um ihren damaligen Vorgesetzten Jens Beutel“, fügte Dreyer hinzu.

Info& auf Mainz&: Im Mainzer Rathaus und in der Ortsverwaltung Mombach wird ab Montag, 13. Mai 2019, ein Kondolenzbuch für Jens Beutel ausgelegt.

 

 

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