In gut sechs Wochen wählen die Hessen einen neuen Landtag – am Montag startet das Land bereits in die Briefwahl. Doch wie würden sich die Nachbarn rechts des Rheins entscheiden, wohin geht der Trend bei der Wahl, die auch die rechtsrheinischen Mainzer Stadtteile Amöneburg, Kastel und Kostheim betrifft? Eine Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag von FAZ und FFH zeigt nun: Die CDU darf sich voraussichtlich auf eine Wiederwahl freuen – doch mit welchem Koalitionspartner es weiter geht, bleibt offen: Die SPD liegt derzeit knapp vor den Grünen, und das, obwohl SPD-Spitzenkandidatin und Innenministerin Nancy Faeser bei der Beliebtheit in den Keller stürzt.
So würden sich nach derzeitigem Stand der Umfrage 31 Prozent der Wähler in Hessen für die regierende CDU mit Ministerpräsident Boris Rhein entscheiden, die SPD liegt derzeit mit 20 Prozent auf dem zweiten Platz – vor den Grünen, die auf 18 Prozent kommen. Das sind insofern überraschende Werte, als sich die Grünen deutlich mehr ausgerechnet hatten: Die Mit-Regierungspartei zieht mit Tarek Al-Wazir sogar als Ministerpräsidenten-Kandidat in den Wahlkampf.
Der Wirtschafts- und Verkehrsminister war lange der beliebteste Politiker Hessens, und hatte eher mit Werten von zwischen 20 und 22 Prozent geliebäugelt. Das war nicht einmal unrealistisch: Im März dieses Jahres lagen die Grünen tatsächlich in Umfragen noch bei 22 Prozent, und damit gleichauf mit der oppositionellen SPD. Doch damit scheint es erst einmal vorbei: Die Grünen rutschen auf 18 Prozentpunkte ab, und auf den dritten Platz hinter der SPD – das dürfte dem ehrgeizigen Spitzenkandidaten gar nicht schmecken.
Rhein trotz noch geringer Bekanntheit deutlich vorn – Amtsbonus?
Seit 2013 regiert in Hessen die CDU mit den Grünen als Koalitionspartner – die neue Koalition war damals ein politisches Erdbeben: Ausgerechnet im hart umkämpften Hessen schmiedeten die Erzfeinde CDU und Grüne eine der ersten schwarz-grünen Koalitionen – und regierten anschließend erstaunlich geräuschlos und weitgehend erfolgreich. Der Architekt dieser Koalition hieß Volker Bouffier: Der einstige „Schwarze Sheriff“ von Hessen wandelte sich ab 2010 als Nachfolger von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) vom Hardliner zum Brücken bauenden Landesvater, und vollbrachte 2013 sein Meisterstück: Die Koalition mit den Grünen unter Tarek Al-Wazir.
Vor einem Jahr, Ende Mai 2022, trat Bouffier nach 12 Jahren als Ministerpräsident zurück, und übergab sein Amt als Nachfolger Boris Rhein. Der gebürtige Frankfurter regierte sogar noch geräuschloser als sein Vorgänger, und verbrachte die vergangenen Monate vor allem damit, durchs Land zu reisen und sich bekannt zu machen – mit ausbaufähigem Erfolg: Wie FAZ und der Radiosender FFH übereinstimmend berichten, konnte sich Rhein eine echten Amtsbonus bisher nicht erarbeiten.
Zwar seien 56 Prozent der Befragten der Meinung, dass Rhein seine Arbeit gut mache, aber gleichzeitig fühlten sich 22 Prozent nicht in der Lage, die Leistung des Ministerpräsidenten einzuschätzen – weil sie ihn zu wenig kennen, berichtet FFH. Bei Al-Wazir und Faeser seien das jeweils nur 14 Prozent. Doch immerhin: Bei den Beliebtheitswerten liegt Rhein mit einem Wert von 1,1 deutlich vor seinen Mitbewerbern – so viel Zustimmung habe Bouiffier erst nach einem Jahrzehnt als Ministerpräsident erreicht, berichtet die FAZ. Und im direkten Vergleich mit Al-Wazir läge Rhein mit 50 Prozent zu 31 Prozent ebenso vorn wie im Vergleich zu Faeser, die lediglich 28 Prozent lieber als Ministerpräsidentin sähen.
Faeser: Absturz in Beliebtheit, aber SPD vor Grünen
Die Beliebtheit wird auf einer Skala von plus 5 bis minus 5 vergeben, Rhein liegt da mit seinen 1,1 Punkten immerhin vor dem Grünen Al-Wazir, der auf 0,9 Punkte kommt. Vor der letzten Landtagswahl im Oktober 2018 lag der Grüne allerdings noch bei einem Wert von 1,6. Einen regelrechten Absturz muss hingegen SPD-Spitzenkandidatin und Bundesinnenministerin Nancy Faeser hinnehmen: Sie kommt in Sachen Beliebtheit auf gerade einmal -0,2 Punkte – trotz oder vielleicht auch wegen ihrer herausgehobenen Rolle in Berlin.
Tatsächlich hatte die hessische SPD lange ein Geheimnis daraus gemacht, ob sie Faeser tatsächlich zur Spitzenkandidatin küren sollte: Die langjährige SPD-Landtagsabgeordnete und innenpolitische Sprecherin macht wenig Hehl daraus, dass sie ihre künftige Rolle weitaus eher in Berlin als in Wiesbaden sieht. Doch die hessische SPD hatte schlicht das Problem der mangelnden Alternative: ein anderer geeigneter Kandidat war schlicht nicht vorhanden. Faesers Doppelrolle wird nun weithin als unglücklich angesehen, trotzdem hält sie die SPD nun in der jüngsten Umfrage mit 20 Prozent immerhin auf Platz zwei vor den Grünen.
Sollte also tatsächlich Boris Rhein am Abend des 8. Oktober als Sieger dastehen, stellt sich daher die Frage: Mit wem will der Hesse weiter regieren? Mit SPD und Grünen hätte Rhein nun zwei Optionen – und die Koalition mit den Grünen ist trotz der zehn Jahre Dauer weiterhin umstritten: Nur 34 Prozent finden sie gut, 41 Prozent aber schlecht.
Wichtigste Probleme in Hessen: Energie, Klima, Schule
Als wichtigste Probleme im Land nannten die Hessen denn auch an erster Stelle „Energie und Klima“, gefolgt von „Bildung und Schule“ sowie „Ausländer und Integration“ – womöglich kommen hier auch die schlechten Werte für Faeser her, hatte die Bundesinnenministerin bisher doch wenig Unterstützung für Kommunen bei der Aufnahme von Flüchtlingen gezeigt. Die AfD würde nach derzeitigem Stand denn auch noch einmal in der Wählergunst zulegen: Nach 13,1 Prozent bei der letzten Landtagswahl, geben nun 15 Prozent an, für die Partei stimmen zu wollen – hauptsächlich wohl aus Protest gegen andere Parteien.
Nicht mehr im Landtag vertreten sein dürfte hingegen nach dem 8. Oktober die Linke: Kam sie 2018 noch auf 6,1 Prozent, stürzte die Partei nach dem Abgang ihrer Frontfrau Janine Wissler nach Berlin, und im Zuge der Querelen um eine Spaltung der Partei regelrecht ab. Seit Oktober 2022 liegt die Linke in den Umfragen in Hessen nur noch bei 3 Prozent, und bleibt dort auch in der aktuellen Umfrage. Die hessischen Liberalen hingegen halten sich derzeit bei 6 Prozent, sind damit aber weiter von einstigen Höhenflügen wie 16,2 Prozent entfernt – bei der Wahl 2009 konnte die FDP im Zuge der „hessischen Verhältnisse“ einmalig in solche Höhen vorstoßen.
Bei der CDU zeigt man sich denn auch zufrieden: Die Umfrage sei „eine Bestätigung für unseren Kandidaten, unseren Kurs und unsere Kampagne“, sagte CDU-Generalsekretär Manfred Pentz. Man sei mit Boris Rhein „auf dem richtigen Weg“, die Hessen-CDU biete „ein klares Kontrastprogramm zur Streit-Ampel in Berlin“, betonte Pentz: „Klarer Kurs, statt Ampel-Chaos.“ Nicht erwähnt bleibt dabei, dass die aktuelle Hessen-Regierung unter massivem Minister-Schwund leiden wird: Mit Innenminister Peter Beuth (CDU), Sozialminister Kai Klose sowie Umweltministerin Priska Hinz (beide Grüne) wollen gleich drei Kabinettsmitglieder nach dem 8. Oktober nicht mehr weiter machen.
Grüne: „Spannender Dreikampf um die Staatskanzlei“
Bei den Grünen spricht man indes forsch von einem „spannenden Dreikampf um die Staatskanzlei“ in Wiesbaden. „Genau darum wird es bei der Landtagswahl am 8. Oktober gehen: Wem trauen die Menschen in Hessen zu, das Land als Ministerpräsident voranzubringen?“, betont man in der Partei. Die Ergebnisse gäben „Auftrieb“, die Menschen wollten jemanden, „der mit beiden Beinen und ganzem Herzen in Hessen ist, und nicht schon eine Rückfahrkarte nach Berlin hat.“
Bei der SPD verweist man dagegen süffisant darauf, dass die SPD in der sogenannten „Sonntagsfrage“ weiter konstant vor den Grünen liege – damit laufe alles auf einen Zweikampf zwischen Nancy Faeser und dem amtierenden Ministerpräsidenten hinaus. Überhaupt habe sich „die Präferenz der Hessen in der Sommerpause kaum bewegt“, betonte SPD-Generalsekretär Christoph Degen – und werde weiter stark von der Bundespolitik beeinflusst. „Die heiße Phase des Wahlkampfes steht erst noch bevor“, betonte Degen, die Entscheidung über einen Regierungswechsel sei „noch lange nicht gefallen.“
In der Tat gaben in der Umfrage auch rund 44 Prozent an, sie wüssten noch nicht, wen sie wählen wollten – in Hessen enden die Sommerferien ebenso wie Rheinland-Pfalz erst am 4. September. Bereits ab dem kommenden Montag, den 28. August, können die Hessen derweil in die Briefwahl starten, derweil die Wahlbenachrichtigungen erst noch auf dem Weg zu ihnen sind: Bis zum 17. September sollen sie eintreffen. Anträge auf Briefwahl können aber auch schon vorher per E-Mail oder Brief gestellt werden, heißt es beim Landeswahlleiter in Hessen.
Zur Landtagswahl in Hessen treten übrigens insgesamt 21 Listen an, darunter auch Piraten, ÖDP, eine Klimaliste Hessen oder auch eine „Partei für schulmedizinische Verjüngungsforschung“. Die Freien Wähler, die in Mainz im Landtag vertreten sind, kamen in der aktuellen Umfrage lediglich auf drei Prozent.
Info& auf Mainz&: Alles zur Landtagswahl in Hessen findet Ihr hier beim Landeswahlleiter im Internet. Die aktuelle Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen wurde im Auftrag von FFH und FAZ durchgeführt – den Artikel von FFH mit allen Ergebnisse findet Ihr hier im Netz, den von den Kollegen der FAZ hier.