Er gehört schon fast zu den „alten Hasen“ in der Mainzer Kommunalpolitik, ist Jurist, Rockmusiker und studierter Philosoph: Martin Malcherek ist der OB-Kandidat der Mainzer Linken. Der 49 Jahre alte Rechtsanwalt mit den Schwerpunkten Verwaltungsrecht und Arbeitsrecht mischt schon länger in der Stadtpolitik mit, ist Stadtrat und sitzt im Aufsichtsrat der Mainzer Wohnbau und der Grundstücksverwaltungsgesellschaft der Stadt Mainz. Wohnen und bezahlbare Mieten sind denn auch ein Kernthema des Linken-Politikers. Im Mainz&-Interview geht es um Ein-Euro-Ticket und Wohntürme, Dachbegrünung – und tiefergelegte Straßen. Und: Wir haben jeden Kandidaten gefragt, wie er oder sie denn Joe Biden in Mainz begrüßen würde, auf Englisch versteht sich…
In einer Woche wählt Mainz ein neues Stadtoberhaupt, bisher stellten die Sozialdemokraten in den vergangenen 74 Jahren stets den Mainzer Oberbürgermeister, doch mit dem Abgang von Michael Ebling (SPD) in Richtung Innenministerium wurden die Karten neu gemischt – der Ausgang der Wahl ist offen wie nie. Die OB-Kür ist eine Personenwahl, deshalb haben wir sechs der sieben Kandidaten zum Interview gebeten: Wir wollen Euch Ideen, Konzepte und Visionen, aber eben auch die Person präsentieren, die sich da um das höchste Amt der Stadt bewirbt. Denn der Mainzer OB ist geschlagene acht Jahre im Amt – da lohnt sich ein genauer Blick.
Im Teil 3 unserer Interview-Serie haben wir den Linken-Politiker Martin Malcherek zum Interview gebeten. Der 49 Jahre alte Rechtsanwalt wurde in München geboren, wuchs aber in Mainz-Kostheim auf und lebt seit 25 Jahren wieder in Mainz. In der Kommunalpolitik mischt er bereits seit Jahren mit, im Stadtrat sitzt er seit der Kommunalwahl 2019. Schon 2019 war Malcherek zudem bei der damaligen OB-Wahl angetreten, kam damals aber nur auf 2,8 Prozent der Stimmen.
Kritik am Biotechnologie-Campus an der Saarstraße
Doch schon 2019 machte Malcherek mit unkonventionellen Ideen und pfiffigen Auftritten von sich reden, in diesem Wahlkampf mischt er so manches Podium auf. Wir haben mit Malcherek über Fragen von Wohnungsbau und Enteignung geredet, und da bekennt er: Ja, bei langem Leerstand würde er durchaus zum Instrument der Enteignung greifen, „aber es geht dabei nicht um der Oma ihr klein‘ Häuschen“, betont er zugleich.
Dem auf den Feldern entlang der Saarstraße geplanten Biotechnologie Campus steht Malcherek skeptisch gegenüber. „Ich habe gerade mit einem Bauern gesprochen, der seine Felder neben der Saarstraße hat“, berichtet Malcherek in unserem Interview: Der Mann habe ihm erzählt, dass Obstbau auf seinen Grundstücken nicht mehr möglich sei – wenn die Felder auf der anderen Seite der Saarstraße versiegelt würden. Denn dann könne die auf seinen Ackern entstehende Kaltluft nicht mehr abfließen, auf seinen Feldern würde es deutlich kälter – und gleichzeitig der Mainzer Innenstadt deutlich weniger Frischluft zugeführt.
„Wir sind immer davon ausgegangen, dass die Felder an der Saarstraße einer der wichtigsten Kaltluft-Entstehungsgebiete für die Mainzer Innenstadt sind“, betonte Malcherek weiter – das habe genau so lange gegolten, bis SPD und Grüne einen Platz für das Biotechnologie-Gelände gesucht und dort gefunden hätten. Nun sei dort eine Bebauung auf stolzen 50 Hektar geplant, das aber würde Klima und Wasserabfluss, Grundwasserspiegel und eben die Landwirtschaft verändern, kritisiert Malcherek.
„Grenzen des Wachstums“ beim Wohnungsbau: gefährlicher Unsinn
„Biotechnologie ist wichtig, gerade auch für Mainz“, betont Malcherek, aber für den Standort des Campus müssten auch andere Gebiete geprüft werden – etwa auf dem Mainzer Lerchenberg. „Die Stadt hat bisher nicht nach Alternativen geprüft, wir haben uns absolut vorschnell auf das Gelände eingeschossen“, kritisiert er: Der Bereich an der Saarstraße müsse „intensiv auf den Prüfstand gestellt“, das Gelände „als letztes bebaut werden.“
Denn die Frage sei, ob so viel Platz in Mainz überhaupt gebraucht werde: „Insider sagen mir, dass schon 17 Hektar womöglich zu viel seien“, sagt Malcherek im Mainz&-Interview. Scharf kritisiert er die Aussage des Grünen-Kandidaten Christian Viering von den „Grenzen des Wachstums“ im Bereich Wohnungsbau: Das sei „gefährlicher Unsinn“, der Bezug zum Ausspruch des Club of Rome „perfide“, schimpft Malcherek: Mainz könne doch den Menschen nicht verbieten, nach Mainz zu ziehen. Wer aber sage, „wir bauen nicht mehr“, schraube die Preise für Mieten und Immobilien weiter in die Höhe.
Mainz brauche mehr Wohnungen in städtischer Hand mit gedeckelten Mieten, die nicht erhöht würden, fordert Malcherek – als Beispiel nennt er die Fuggerei in Augsburg. Bauen will Malcherek „nach oben“, das Beispiel eines Wohnturms über der Anna Seghers-Bibliothek gehört zu seinen Lieblingsvisionen. „Wenn wir nach oben bauen, haben wir eine viel bessere ökologische Bilanz“, betont er, es brauche Grünflächen auf den Dächern wie in Singapur – und notfalls auch neue Baugebiete in den Stadtteilen.
Ein-Euro-Ticket, Flächen für Autos, Gastronomie am Rheinufer
Gut 40 Minuten haben wir mit Martin Malcherek über Stadtentwicklung und Verkehr, über Dachbegrünung und mehr Bäume gesprochen – und über eine tiefergelegte Kaiserstraße. „Den wenigen Raum, den wir in Mainz haben, nutzen wir auch noch schlecht“, kritisiert Malcherek. Der Verkehr müsse besser gelenkt werden, damit Flächen für mehr Grün frei würden. Mehr Busse, mehr Straßenbahnen, besserer ÖPN? „Ja, Ja und Ja“, sagt Malcherek – aber alles das dauere. Schneller gehe es mit einem billigen ÖPNV-Ticket.
Malcherek will für jeden Mainzer aus dem kommenden 49-Euro-Ticket ein 9-Euro-Ticket machen, die Differenz soll der Käufer beim Kauf bar zurück bekommen. „Das kostet uns schätzungsweise 30 Millionen Euro im Jahr“, rechnet er vor, bringe aber „eine enorme Entlastung“ im Stadtverkehr. „Ein Mobilitätskonzept müsse aber auch das Auto berücksichtigen“, betont Malcherek – es gebe eben Menschen, die seien aus verschiedenen Gründen auf das Auto angewiesen.
Das Mainzer Rheinufer nennt er „eine peinliche, unattraktive Wüste“, es brauche Spielbereiche, Gastronomie „und Bereiche, wo Jugendliche Quatsch machen können“. Die Idee eines Stadtschwimmbads im Mainzer Zollhafen, die „Heilige Makrele“, findet er attraktiv, das Thema Wein würde er mit dem Thema Museen verknüpfen, in der Gastronomie würde er gerne die kleinen Weinkneipen stärken: „Es darf kein Hochrisiko-Sport sein, in Mainz eine Kneipe zu eröffnen.“
Plädoyer für überparteiliche Arbeit: „Machen die Stadt kaputt“
Zur Zusammenarbeit im Stadtrat mit den anderen Parteien kritisiert Malcherek, die Lagerbildung zwischen den Ampel-Fraktionen auf der einen, und den Oppositionsfraktionen auf der anderen Seite, sei nicht mehr zeitgemäß: „Es zeigt, dass es im Wesentlichen um Macht und Machterhalt geht, und nicht um die Projekte“, kritisiert Malcherek, „und das ist einfach bei den Herausforderungen, die wir heute haben, ein Riesenproblem: Wir machen unsere Stadt kaputt, wenn wir nicht endlich Konzepte entwickeln.“ Das betreffe das Umwelt-, ebenso wie das Wohnthema und den Verkehr.
„Wir müssen die Probleme parteiübergreifen lösen“, plädiert Malcherek – und das erlebe er auch in diesem Wahlkampf: „Die gemeinsamen Nenner sind erstaunlich groß“, betont er, doch stattdessen werde „eine ungesunde Konkurrenz aufgemacht – das sollten Wählerinnen und Wähler durchbrechen.“ Die können sich im Mainz&-Interview auch ansehen, wie Martin Malcherek den US-Präsidenten Joe Biden begrüßen würde – auf Englisch natürlich.
Und natürlich haben wir auch hier die Frage gestellt: Wie sieht ein Mainz in acht Jahren unter einem OB Martin Malcherek aus? Die Antworten findet Ihr hier im Mainz&-Vide-Interview auf Youtube.
Info& auf Mainz&: Das Gespräch mit Martin Malcherek fand am 03. Februar 2023 in der Rechtsanwaltskanzlei von Martin Malcherek in der Rheinallee statt, die Fragen stellte Mainz&-Chefredakteurin Gisela Kirschstein. Das ganze Interview könnt Ihr hier auf unserem Mainz&-Youtube-Kanal ansehen. Mehr zu Martin Malcherek und seinem Programm lest Ihr hier bei Mainz&, oder hier auf seiner Internetseite. Mit Martin Malcherek haben wir übrigens schon 2019 ein Interview zur OB-Wahl geführt, mehr dazu findet Ihr hier. Alles rund um die OB-Wahl in Mainz mit dem ersten Wahlgang am 12. Februar 2023, findet Ihr hier in unserem Mainz&-Wahldossier.
Interview& zur OB-Wahl: Mainz& hat sechs der sieben OB-Kandidaten zum Interview geladen, Lukas Haker von „Die Partei“ haben wir nicht gefragt – der Kandidat ließ sich zuletzt im Wahlkampf so gut wie nicht mehr blicken. Die Interviews mit den anderen Kandidaten findet Ihr hier:
- Vol.1: Interview mit Manuela Matz, OB-Kandidatin der CDU
- Vol.2: Interview mit Marc Engelmann, OB-Kandidat der FDP
- Vol. 4: Interview mit Mareike von Jungenfeld, OB-Kandidatin der SPD
- Vol. 5: Interview mit Nino Haase, parteiloser OB-Kandidat
- Vol. 6: Interview mit Christian Viering, OB-Kandidat der Grünen