Er ist der jüngste in der Riege der OB-Kandidaten: Marc Engelmann, 32 Jahre, Rechtsanwalt und Kandidat der FDP. Die Liberalen regieren seit 12 Jahren mit SPD und Grünen in einer Ampel-Koalition im Stadtrat, trotzdem schickten sie einen eigenen Kandidaten in die OB-Wahl. Engelmann ist ausgewiesener Verkehrsexperte, zuständig bei der Deutschen Bahn-Tochter DB Connect für Rad-Sharing. Das Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen in Mainz hält er für rechtswidrig, die größte Baustelle sieht er in der Digitalisierung der Verwaltung – und im Steinbruch in Weisenau würde er einen White Water-Freizeit-Park errichten.
Am Sonntag wählt Mainz ein neues Stadtoberhaupt, in den vergangenen 74 Jahren stellten stets die Sozialdemokraten den Mainzer Oberbürgermeister. Doch mit dem Abgang von Michael Ebling (SPD) in Richtung Innenministerium wurden die Karten neu gemischt – der Ausgang der Wahl ist offen wie nie. Stärkste Kraft im Stadtrat sind allerdings seit der Kommunalwahl 2019 die Grünen, die seit 12 Jahren mit SPD und FDP in einer Ampel-Koalition regieren.
Trotzdem schickte die FDP einen eigenen Kandidaten in die OB-Wahl, Marc Engelmann hat indes nur geringe Chancen auf den OB-Sessel. „So aussichtslos finde ich es gar nicht“, sagte der Jurist trotzdem im Mainz&-Interview: „Ich finde die Wahl sehr offen und spannend“ – und auch die anderen Kandidaten seien nicht so bekannt und aussichtsreich. Er selbst sagt von sich, er habe das Verwaltungsrecht „schätzen und lieben gelernt“ und wolle den Menschen in Mainz ein Angebot machen.
Ortsbeiräte stärken, Verharren auf politische Lager: überholt
Der FDP-Mann bezeichnet sich selbst als typischen Liberalen, der Angebote und Anreize vor Verboten setzt – und dem das Thema Freiheit ausgesprochen wichtig ist. Ihm sei aber auch der soziale Bereich wichtig, betont der 32-Jährigem, der auch Mitglied b3ei Amnesty International ist. Das Verharren in politischen Lagern und Gräben hält er für überholt und gerade in einer Kommune nicht für zeitgemäß – und zeigt auch keine Berührungspunkte mit Kandidaten aus einem ganz anderen Lager, vor allem gegenüber dem Linken-Kandidaten Martin Malcherek.
„Wir brauchen keine ideologische, sondern eine sachorientierte Politik“, betont er. Auch die Ortsbeiräte würde er wieder mehr stärken – sie waren vom bisherigen Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) in ihrem Fragerecht an die Verwaltung deutlich beschnitten worden. Den Schritt kritisiert Engelmann und kündigt an: „Den würde ich wieder zurücknehmen.“
Der promovierte Jurist wurde in Mainz geboren und studierte auch hier Jura, bevor er für seine Dissertation nach Niedersachsen ging. Im Referendariat absolvierte er unter anderem Stationen bei der Deutschen Lufthansa und im Bundesverkehrsministerium, als Syndikus-Rechtsanwalt ist er für die Deutsche Bahn-Tochter DB Connect tätig, Hauptsächlich im Bereich Bikesharing. In Mainz sei „überall Stau“, kritisiert er, Lösungen gebe es zu wenige – und eine Rechtsprüfung der Tempo 30-Schilder auf Kaiserstraße und Rheinschiene hält er für dringend geboten. Tatsächlich untersagt die Straßenverkehrsordnung eigentlich Tempo 30 auf Bundesstraßen, beide Straßen gehören genau in diese Kategorie.
Tempo 30 überprüfen, verrottete Radwege erneuern
Der Treibhausgasausstoß sei tatsächlich bei Tempo 30 höher als bei Tempo 50, betont Engelmann mit Verweis auf Studien, das sage sogar das Umweltbundesamt. „Wenn man überall Tempo 30 hat, kann man Verkehre ja nicht mehr lenken“, erklärt Engelmann – man müsse klug abwägen, wo man Tempo 30 haben wolle, etwa in Wohngebieten, und wo man Verkehre um die Wohngebiete herumleite, dann auch mit Tempo 50. „Stau ist nun wirklich die dümmste Version“, sagt er, der Verkehr müsse fließen.
Er selbst wolle den Menschen das Auto nicht verbieten, „es muss auch das Recht geben, ein Leben mit Auto zu führen“, betont Engelmann. Es brauche Anreize zum Umsteigen, Verbote würden aber nur dazu führen, dass die Menschen „sich ins Auto setzen und nach Ingelheim oder ins Main-Taunus-Zentrum fahren – aber nicht nach Mainz.“ Es wolle halt nicht jeder sieben Kilometer mit dem Rad in die Stadt fahren, auch für die brauche es Lösungen. „Mit Blick auf die innenstädtische Entwicklung sollte man klug überlegen, ob man die Kaufkraft aus der Stadt draußen hält – ich halte das nicht für klug.“
Die „verrotteten Radwege“ will er ertüchtigen, Radrouten durch die Stadt neu erschließen – und ganze Straßen wie die Uferstraße oder die Hintere Bleiche komplett zu Fahrradstraßen machen: „Man sollte Alternativen schaffen, und beruhigtere Nebenstraßen umwandeln“, sagt Engelmann. In Sachen Energiewende würde er „überall Photovoltaik draufsetzen, wo es geht“, die energetische Sanierung vorantreiben und den städtischen Fuhrpark auf E-Mobilität und Wasserstoff umstellen.
Städtisches Grün ökologischer, White-Water-Park im Steinbruch
„Wir müssen mehr tun bei städtischem Grün“, sagt Engelmann weiter – Plätze wie der Münsterplatz seine „ja nicht gerade eine Oase geworden.“ Auch seien viele Rasenflächen ökologisch nicht gerade diverse Ökoflächen, „ich bin selbst Hobbygärtner“, betont Engelmann. Auch das Rheinufer würde er mit mehr Gastronomie beleben wollen – und aus dem Steinbruch in Weisenau würde er gerne ein tolles Freizeitgelände machen.
„Ich könnte mir dort ein White Water-Freizeit-Center vorstellen“, sagte er, so etwas habe er mal in Charlotte, North Carolina gesehen: Dort gab es ein Gelände mit Rafting, Wanderwegen, aber auch Gelände zum Klettern, Boldern und für Mountainebike-Trails. „Ich fand das ziemlich cool“, sagt Engelmann, „das wäre eine schöne Sache.“ Und mit einer geschliffenen Begrüßung auf Englisch hatte Engelmann auf keine Probleme.
Die größte Baustelle sieht er in der Digitalisierung der Verwaltung, gegen die horrenden Mieten würde er mit „Bauen, Bauen, Bauen“ angehen – und hält auch Einfamilienhaussiedlungen nicht für ausgeschlossen: Auch solche Gebiete könne man sehr umweltfreundlich und mit Erneuerbaren Energien umsetzen. Die 50 Hektar für ein Biotechnologie Cluster hält er für alternativlos, wo man sie errichte, sieht er flexibel: „Wer sie nicht an der Saarstraße haben will, muss sagen, wo er sie stattdessen hinsetzen will“, sagt Engelmann.
Info& auf Mainz&: Das Interview mit Marc Engelmann wurde am 02. Februar 2023 in der Landesgeschäftsstelle der FDP Rheinland-Pfalz geführt. Das ganze Interview könnt Ihr hier auf dem Mainz&-Youtube-Kanal ansehen. Mehr zu Marc Engelmann lest Ihr hier auf Mainz& – und natürlich hier auf seiner Homepage im Internet.
Interviews& zur OB-Wahl: Mainz& hat sechs der sieben OB-Kandidaten zum Interview geladen, Lukas Haker von „Die Partei“ haben wir nicht gefragt – der Kandidat ließ sich zuletzt im Wahlkampf so gut wie nicht mehr blicken. Mehr zu den Interviews hier:
- Vol.1: Interview mit Manuela Matz, OB-Kandidatin der CDU
- Vol. 3: Interview mit Martin Malcherek, OB-Kandidat der Linken
- Vol. 4: Interview mit Mareike von Jungenfeld, OB-Kandidatin der SPD
- Vol. 5: Interview mit Nino Haase, parteiloser OB-Kandidat
- Vol. 6: Interview mit Christian Viering, OB-Kandidat der Grünen