Das ist eine heftige Größenordnung: 400 Schweißnähte der neuen Mainzelbahnstrecke sind defekt und müssen nachgebessert werden, dazu Weichen, Räder, Rasengleise – die Mainzer Verkehrsgesellschaft (MVG) hat einiges nachzuarbeiten. Am Freitag stellte MVG-Geschäftsführer Jochen Erlhof den Zeitplan dafür vor: Ab Anfang März soll es mit den Gleisarbeiten losgehen, die größten Schäden sollen bis Ostern beseitigt sein. Danach wird die MVG Messungen in sieben Anliegerhäusern wegen Erschütterungen vornehmen – das sicherte die MVG den Bretzenheimer Anwohnern am Donnerstagabend zu. Die Anwohner zeigen sich vorerst versöhnt, eine Klage wollen sie erst einmal nicht anstrengen.
Seit der Einweihung des Millionenprojekts am 11. Dezember 2016 hatte es Beschwerden von Anwohnern vor allem im Mainzer Ortsteil Bretzenheim gehagelt: Die Bahnen sorgen für so starke Erschütterungen in den Häusern, dass Betten wackeln, Gläser und Schränke scheppern und Putz von den Wänden rieselt. Von keiner Nacht ungestörten Schlafs, sogar von Rissen in Wänden, berichteten die Anwohner. Die MVG suchte lange zu beschwichtigen – am Donnerstagabend traf sie nun erstmals Anwohner zum Austausch. Das Treffen sei in konstruktiver Atmosphäre vor sich gegangen, sagte Erlhof, man habe gemeinsam nach Lösungen gesucht.
Dazu trug offenbar auch bei, dass die MVG erstmals konkrete Zeitpläne und Maßnahmen vorlegte. Problem Nummer eins: Die Schweißnähte. 19 Kilometer Gleise verlegte die MVG auf der Strecke zwischen Hauptbahnhof und Lerchenberg, rund 1.200 Schweißnähte verbinden die einzelnen Gleisstücke miteinander. Und rund 400 davon seien mängelbehaftet, räumte Erlhof am Freitag vor der Presse ein: „Es ist im Ausmaß in den letzten Wochen etwas schlimmer geworden, es sind noch mehr fehlerhafte Nähte aufgetreten.“ Entweder seien kleine Buckel entstanden oder sogar kleine Dellen, vor allem Letztere verursachten die heftigen Schläge, die zu Lärm und Erschütterungen führten.
„Damit sind wir auch nicht zufrieden, hier muss die Firma nacharbeiten“, betonte Erlhof, das sei nicht die Qualität, die man bestellt habe. Die beiden mit den Arbeiten beauftragten Firmen hätten aber eine längere Winterpause gehabt, nun habe eine Firma zugesagt, die Arbeiten Anfang März aufzunehmen. „Wir gehen davon aus, dass die in drei Wochen abgeschlossen sind“, sagte Erlhof, „und dass dann eine deutliche Verbesserung eintritt.“ Brennpunkt Nummer eins sei dann die Marienborner Straße, wo die Gleise in Asphalt verlegt sind. Auch an der Weiche am Südring gebe es eine Kuhle, weil hier aber härterer Stahl verwendet worden sei, müssten die Außentemperaturen höher liegen. „Auch das soll aber bis Ende März erledigt sein“, versprach Erlhof.
Parallel dazu will die MVG ab dem 13. März mit den vorbereitenden Arbeiten für die Rasengleise beginnen, die eigentlich laut Planfeststellungsbeschluss schon vor Start der Strecke hätten liegen sollen. Die MVG argumentiert, die Strecke müsse sich dafür erst setzen, die nötige Maschine könne erst nach acht bis zehn Wochen zum Einsatz kommen. Nun soll die Stopfmaschine vom 13. bis 18. März in Aktion treten, sie rüttelt den Schotter im Gleisbett zurecht, verdichtet und glättet ihn, „so dass das Gleis millimetergenau in der richtigen Lage ist“, erklärte Erlhof. Die Arbeiten würden allerdings nachts stattfinden müssen und noch einmal neuen Lärm verursachen, warnte er zugleich. In den fünf Tagen werde die Maschine jeweils eine bis zwei Stunden vor Ort sein, und zwar zwischen 21.00 Uhr und 5.00 Uhr nachts – anders sei das durch den Fahrplan nicht möglich.
Anschließend könnten dann die Rasengleise auf den Schotter eingebracht werden, mehr als ein Drittel der gesamten Neubaustrecke erhält die dämpfende grüne Oberfläche. 3,3 Kilometer seien es insgesamt, sagte Erlhof, das geschehe überall dort, wo es beidseitige Bebauung entlang der Strecke gebe und kein Asphalt liege. „Wir gehen davon aus, dass die Arbeiten Mitte bis Ende April abgeschlossen sind“, versprach er. Auf den asphaltierten Strecken seien hingegen elastisch gelagerte Gleistragplatten eingebracht, die auf Dämmmatten lägen und mit Fugen abgegrenzt seien, so sollen Lärm und Erschütterungen aufgefangen werden.
Teilnehmer des Treffens mit der MVG am Donnerstagabend berichteten Mainz& zudem, die MVG wolle auch die Räder der neuen Straßenbahnen nachschleifen: „Die Räder sollen Bahn für Bahn geprüft und nachgearbeitet werden“, berichtete Architekt Andreas Horn, Sprecher der Interessengemeinschaft der Bretzenheimer Anwohner. Die Anwohner berichteten der MVG auch, dass das eingeführte Tempolimit von 30 Stundenkilometer für die Bahnen im Bretzenheimer Ortskern nicht eingehalten werde. „Wir haben zugesagt, dass wir das überwachen werden“, sagte Erlhof: „Es gibt klare Vorgaben und eine Dienstanweisung, dass hier 30 gefahren werden muss, das werden wir auch kontrollieren.“
Was den Lärm angeht, stützt sich hier die MVG beim Schall auf die rechtlichen Vorgaben und die vorgegebenen Grenzwerte. Es sei klar vorgegeben, welche Häuser für Schallschutz infrage kämen, sagte Erlhof, das betreffe 53 Häuser entlang der gesamten Strecke. „Wir werden die Leute gezielt anschreiben und auf die Regelungen hinweisen“, sagte er, gegebenenfalls komme ein Gutachter ins Haus, der sich die Situation ansehe. Dabei gehe es in der Regel um zu wenig dichte Fenster oder dünne Heizkörper-Nischen, hier werde die MVG ihren Verpflichtungen nachkommen. Auch die aufgetretenen Risse würden natürlich untersucht.
Zusätzlich sagte die MVG aber auch zu, in sieben Häusern Erschütterungen durch Körperschall messen zu lassen, die jeweils an Brennpunkten lägen. Dazu sei man nicht verpflichtet, betonte Erlhof: „Wir nehmen aber die Beschwerden ernst und wollen es jetzt auch selbst wissen.“ Komme es tatsächlich zu „gravierenden Überschreitungen“, wolle die MVG das auch abstellen. „Wir sind die MVG, ein kommunales Unternehmen, wir legen besonderen Wert auf Akzeptanz und auch auf Kulanz“, betonte Erlhof .
Beginnen sollen die Messungen nun Ende April, Anfang Mai – also nach Abschluss der Nachbesserungsarbeiten. „Es macht keinen Sinn zu messen, bevor die anstehenden Arbeiten nicht passiert sind“, sagte Erlhof. Die MVG will allerdings weiter ihren eigenen Gutachter einsetzen, die Anwohner hatten hingegen einen neutralen Experten gefordert. Die MVG arbeite mit einem bundesweit renommierten Büro zusammen, die Messungen würden aufgrund einer standardisierten Methode erfolgen – „egal, wer misst, es kommt dasselbe raus“, sagte Erlhof. Die MVG wolle die Messungen offen und transparent vornehmen, die Ergebnisse würden selbstverständlich dem betroffenen Kreis vorgestellt.
Drei Wochen lang würden die Messungen dauern, jeweils mehrere Stunden an einem Tag. „Interessant ist: Wie wirkt sich eine Straßenbahn tatsächlich aus“, sagte Erlhof, die Auswertungen würden einige Wochen dauern. Zugleich räumte er ein, es habe auch Kritik daran gegeben, dass die MVG sich erst jetzt mit den Anwohnern getroffen habe. „Wir wollten erst einmal die Probleme eruieren und es machen, wenn wir etwas Konkretes sagen können“, verteidigte Erlhof das Vorgehen. Auch die MVG wolle „eine vernünftige Straßenbahn“, betonte er: „Wir wissen auch, dass das Ganze noch nicht in allen Belangen rund läuft, wir wissen aber jetzt auch, woran es liegt.“
„Sie haben gemerkt, dass sie etwas tun müssen“, sagte Horn dazu gegenüber Mainz&. Das Treffen sei aber duchaus konstruktiv gewesen, die Anwohner wollten nun erst einmal die Nachbesserungen abwarten. Eine Klage gegen das Unternehmen sei erst einmal auf Eis gelegt, sagte Horn. Kritik übte er indes an der Kommunikationspolitik des Unternehmens: „Die MVG hat das erste Mal vermitteln können, dass sie sich um die Probleme kümmert“, sagte Horn, „das hätte man viel früher haben können.“