Im Mai beschloss der Stadtrat von Mainz mit überwältigender Mehrheit, eine Städtepartnerschaft mit der ukrainischen Stadt Odessa auf den Weg zu bringen, nun soll die Partnerschaft tatsächlich besiegelt werden: Am 13. Oktober 2024 soll der Stadtrat eine Partnerschaftsvereinbarung verabschieden, die anschließend unterzeichnet werden soll. Derweil hat sich ein Partnerschaftsverein gegründet, der die Beziehung mit Leben füllen will – den Auftakt machte am Dienstag eine Veranstaltungsreihe zu Geschichte, Kultur, aber auch der Lage Odessas im Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine.
Der Überfall Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 schockierte Europa, doch er löste zugleich auch eine Welle der Solidarität aus, gerade auch in Deutschland. Im Oktober 2022 richteten Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selensky einen Appell an ihre beiden Nationen, deutsch-ukrainische Städtepartnerschaften einzugehen, als „Grundlage für gelebte Solidarität in Angesicht des Krieges“, wie es damals hieß.
Inzwischen soll es zwischen Städten in Rheinland-Pfalz und Städten der Ukraine 17 solche Städtepartnerschaften geben, die Stadt Mainz ist also spät dran: Im Mai beschloss der Mainzer Stadtrat einstimmig, sich auf den Weg zu einer Städtepartnerschaft zu machen, die auserwählte Stadt: Odessa. Die Stadt gilt als „Perle am Schwarzen Meer“, als Stadt der Liebe und der Schönheit – und sie hat mit Mainz auch den Weinanbau und eine reiche jüdische Kultur gemeinsam.
Odessa am Schwarzen Meer soll 9. Partnerstadt von Mainz werden
Noch ist die Partnerschaft indes nicht besiegelt: Wie Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) Anfang September im Stadtrat auf Anfrage der SPD einräumen musste, sind noch einige Schritte zu gehen. Vor allem ein direktes Gespräch zwischen den beiden Oberbürgermeistern hat noch immer nicht stattgefunden. Man habe mit einem Brief vom 15. April 2024 dem Oberbürgermeister der Stadt Odessa, Hennadij Truchanow, das Anliegen einer Städtepartnerschaft vorgetragen, berichtete die Verwaltung im Stadtrat, am 22. August sei per Mail ein Schreiben mit einem ersten Entwurf für die Begründung der offiziellen Partnerschaft durch Stadtratsbeschluss beigefügt erhalten.
Mainz hat aktuell acht offizielle Partnerschaften mit Städten in Europa, Israel und den USA, darunter Haifa, Zagreb, Valencia und Dijon. „Odessa wird in wenigen Wochen die neunte Partnerstadt von Mainz werden“, sagte am Dienstag der Vorsitzende des Städtepartnerschaftsvereins Mainz-Odessa, Peter Willisch. Der Verein hatte sich bereits im Dezember 2023 gegründet, und ist seit April 2024 im Vereinsregister eingetragen, sein Vereinszweck war genau dies – eine Städtepartnerschaft zwischen Mainz und Odessa auf den Weg zu bringen.
Es sei die erste Städtepartnerschaft, die Mainz seit 30 Jahren schließe, und die erste mit einer Stadt, die sich mitten im Krieg befinde, betonte Willisch: „Wir meinen, dass eine Partnerstadt unter solche schwierigen Umständen einen besonderen Stellenwert hat.“ Die Partnerschaft solle Begegnungen, Verständnis und Freundschaft fördern, aber eben auch „den Menschen in der Ukraine zeigen, dass wir sehen, welchen Preis sie für ihr Streben um Demokratie und Freiheit zahlen“, betonte Willisch: „Sie ist Ausdruck eines gemeinsamen Vertrauens in ein gemeinsame demokratische Zukunft in Europa.“
Veranstaltungsreihe „Streifzüge durch Odessa“ zu Krieg und Kultur
Der Verein hatte am Dienstagabend zu einer Auftaktveranstaltung für eine Informationsreihe ins Mainzer Landesmuseum geladen, Innenminister Michael Ebling (SPD) erinnerte dabei daran, dass Städtepartnerschaften oft Versöhnungsprojekte nach Kriegen waren – allen voran die Partnerschaft mit der französischen Stadt Dijon nach dem Zweiten Weltkrieg. Aber auch die Partnerschaft mit der spanischen Stadt Valenvia sei kurz nach dem Ende der Franco-Diktatur entstanden, mit Zagreb in Kroatien wurde die Partnerschaft in einer Zeit begründet, als es noch den Ostblock gab – Mainz begründete damals die erste Partnerschaft mit einer Stadt im Ostblock.
„In diese Linie passt eine Städtepartnerschaft mit einer Stadt wie Odessa hinein“, sagte Ebling, und dankte den Mainzern ausdrücklich für ihre Initiative, auch im Namen von Ministerpräsident Alexander Schweitzer. Die Unterstützung für die Ukraine sei „nicht (nur) eine Frage der Barmherzigkeit“, betonte Ebling zugleich, „es ist letztlich auch ein Kampf, den Russland gegen unsere Werte führt, einen Kampf gegen Demokratie und Freiheit – und nebenbei gemerkt: er hat uns längst erreicht.“
Deutschland sei längst „Teil dieses Kampfes“, das erlebe man durch Angriffe auf Infrastruktur oder Verteidigungssysteme, aber auch durch Angriffe auf die Gesellschaft wie das Auslösen einer Energiekrise oder „durch Belastungsproben wie die Inflation“, mahnte der Innenminister: „In Wahrheit sind wir Teil dieser Auseinandersetzung geworden.“ Eine Partnerschaft sei ein Zeichen für ein Land, „das in einem Ausdauerkampf steht, und dass sich so unglaublich tapfer wehrt“, dass es nicht allein stehe, vielleicht könne die Ukraine daraus Stärke ziehen. Und im Übrigen sei Odessa auch „die Hauptstadt des Humors – wenn das mal keine Verbindung zu der Stadt des Frohsinns der fünften Jahreszeit ist“, schmunzelte Ebling.
Reiche Geschichte Odessas sowie Lage in Russlands Angriffskrieg
Professor Jan Kusber von der Universität Mainz erinnerte in seinem Vortrag im Abschluss an die reiche Geschichte Odessas, und führte einen Streifzug durch „Die Stadt der Träume und der leiden“ – Kusber hatte selbst 1988 in Odessa Slavistik studiert. Die 1794 von der russischen Zarin Katharina II. gegründete Stadt am Schwarzen Meer gilt als architektonisches Ensemble von Weltgeltung mit seiner reichen Fülle an klassizistischen, modernen und Jugendstil-Gebäuden. Erst 2023 wurde die historische Innenstadt zum UNESCO-Weltkulturerbe der Menschheit erklärt – und ist seither durch den Beschuss russischer Truppen perman4ent ein „Welterbe in Gefahr“.
Kusbers „Streifzug“ ist der erste von insgesamt sieben geplanten Terminen, bei denen im Monatsrhythmus verschiedene Vortragende Eindrücke von der Stadt am Schwarzen Meer, ihrer Geschichte und Kultur sowie ihrem multikulturellen Charakter vermitteln sollen. Da wird etwa am 28. November 2024 die Journalistin und Autorin Ira Peters den jüdischen und deutschen Spuren in Odessa nachspüren – Peters war 2021 für fünf Monate Stadtschreiberin von Odessa.
Im Januar wird sich die Düsseldorfer Professorin Anke Hilbrenner unter dem Thema „Pogrome und Politik“ mit dem Leben der Juden in Odessa befassen, und im Februar wird die ukrainische Autorin und Ärztin Iryna Fingerova erwartet. „Die Lage Odessas im russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine“ wiederum wird am 17. Oktober der Politikwissenschaftler und Ukrainekriegsexperte Nico Lange beleuchten, einer der besten deutschen Kenner der militärischen Situation in der Ukraine, Autor des Zeitenwende-Podcasts und regelmäßiger Gast etwa im ZDF.
Bevor die Städtepartnerschaft nun offiziell unterzeichnet werden kann, sind erst noch formale Beschlüsse beider Stadträte fällig: In Mainz soll in der Stadtratssitzung vom 13. Oktober 2024 per Verwaltungsvorlage eine Partnerschaftsvereinbarung dem Rat vorgelegt und sodann unterzeichnet werden, wie die Stadtverwaltung Anfang September informierte: „Gleiches muss sodann oder parallel von Seiten der Stadt Odessa in die Wege geleitet werden.“ Die genaue Terminierung solle bei dem persönlichen Treffen zwischen den beiden Stadtoberhäuptern erfolgen – dafür suche man derzeit einen Termin für eine Videokonferenz.
Info& auf Mainz&: Mehr zum Städtepartnerschaftsverein Mainz-Odessa, seinen Aktivitäten und Projekten findet Ihr hier im Internet. Mehr zur Resolution im Mainzer Stadtrat vom Mai könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen.