Die nächtliche Vertreibungsaktion von Besuchern am Mainzer Winterhafen stößt nun auf scharfe Kritik der Stradtratsfraktion von Piraten & Volt: Der Mainzer Winterhafen sowie die Malakoff-Terrassen seien öffentliche Orte, an denen kein generelles nächtliches Aufenthaltsverbot bestehe, teilte die Fraktion am Mittwoch mit: „Pauschal alle Besucher eines öffentlichen Bereiches nach 24.00 Uhr zum Verlassen des Bereiches aufzufordern ist unverhältnismäßig, nicht zielführend und basiert auf einer fragwürdigen Rechtsgrundlage“, kritisieren die Stadtratsmitglieder. In einem Brief an Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) fordern sie Antworten, zudem solle zügig ein Vermittlungsprozess durch den Nachtkulturbeauftragten Timo Filtzinger gestartet werden, schlagen sie vor.

Nächtliche Räumungsaktion der Stadt Mainz am Fort Malakoff, auch friedliche Besucher mussten ab Mitternacht den Bereich verlassen. - Foto: gik
Nächtliche Räumungsaktion der Stadt Mainz am Fort Malakoff, auch friedliche Besucher mussten ab Mitternacht den Bereich verlassen. – Foto: gik

Die Stadt Mainz hatte vergangenes Wochenende die Wiesen am Mainzer Winterhafen sowie die Freitreppe zum Rhein am Fort Malakoff nach 24.00 Uhr komplett räumen lassen, zum Einsatz kamen dabei grelle Schweinwerferanlagen des Technischen Hilfswerks, Lautsprecherdurchsagen sowie ein Aufbot von etwa 30 Polizeibeamten. Alle Besucher des Areals wurden nachdrücklich ab kurz vor Mitternacht zum Gehen aufgefordert, auch wenn sie sich leise verhielten und sich an sämtliche Regeln hielten.

Die Stadt begründete die Aktion mit einer „Partymeile“ entlang des Winterhafens in den vergangenen Wochen, dabei sei es zu erheblichen Lärmbelästigungen der Anwohner gekommen, außerdem zu erheblicher Müllverschmutzung. „Der Rhein und sein Ufer gehört allen“, begründete Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) die Aktion, „richtig ist aber auch: Spielregeln und Grenzen sind zu akzeptieren und der Bogen darf nicht überspannt werden, wie dies teils schon durch Lärm und Müll geschehen ist.“ Allerdings war an den Abenden der Räumungsaktion von Störungen wie Grölen oder lauter Party nichts zu sehen, trotzdem ließ die Stadt das Areal räumen – das sorgte für heftige Kritik bei den Besuchern allen Alters.

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Friedliche Abendstimmung auf den Treppen zum Rhein am Fort Malakoff. - Foto: gik
Friedliche Abendstimmung auf den Treppen zum Rhein am Fort Malakoff. – Foto: gik

Nun schlossen sich Piraten & Volt dieser Kritik an: Die pauschale „Vertreibung“ von Besuchern durch Ordnungsamt und Polizei sowie durch helle Lichtstrahler sei „unverhältnismäßig“ und treffe „zu Unrecht insbesondere Personen, welche keine Ruhestörung begehen.“ Diese stellten aber die große Mehrheit der Besucher am Wochenende. „Wer sich am Winterhafen/Malakoff-Terrasse aufhält, keine Ruhestörung begeht, den eigenen Müll beseitigt sowie die Corona-Beschränkungen akzeptiert, hat das gute Recht die ganze Nacht am Winterhafen zu verbringen“, betonten die Stadträte: „Der Rhein ist für jeden da, die oder der die Regeln akzeptiert.“

Sicherlich gebe es vereinzelt Personen und Gruppen, die Regeln verletzten, diese seien aber nicht die Mehrheit und müssten im Einzelfall vom Ordnungsamt der Stadt bei Kontrollen angesprochen und zur Änderung ihres Verhaltens aufgefordert werden, heißt es weiter: „Alle Anwesenden, unabhängig vom jeweiligen Verhalten, zum Verlassen dieser Bereiche aufzufordern geht eindeutig zu weit!“

Von den Anwohnern der Luxusbebauung am Mainzer Winterhafen kommen vielfache Beschwerden wegen Lärmbelästigung am Winterhafen. - Foto: gik
Von den Anwohnern der Luxusbebauung am Mainzer Winterhafen kommen vielfache Beschwerden wegen Lärmbelästigung am Winterhafen. – Foto: gik

Die Mainzer Piraten wiesen zudem in einem eigenen Statement darauf hin, die hätten „schon vor Jahren zum Beispiel im Rahmen von Nachttanzdemos davor
gewarnt, dass mit der zunehmenden Bebauung des Winterhafens, Menschen mit
dem Argument Lärmschutz vertrieben werden würden.“ Jetzt müsse gelten: „Wer
dort hinzieht, weiß wo er hinzieht, und er kann nicht erwarten, in direkter
Rheinnähe bei offenem Fenster völlig ungestört schlafen zu können.“ Nachtleben am Rhein müsse möglich sein, „es braucht öffentliche Plätze für die Menschen und der Rhein ist für alle da. Auch nach 24 Uhr.“ Die Menschen dürften nicht weiter vom Rheinufer verdrängt werden.

Für die kommende Stadtratsfraktion reichte die Fraktion von Piraten & Volt deshalb einen Antrag mit zehn Fragen ein, so wollen die Stadträte wissen, auf welcher gesetzlichen Grundlage die getroffenen Maßnahmen beruhen. Ob die Stadt im Vorfeld mit Anwohnern und Besuchern in Kontakt getreten sei, und ob es Versuche gegeben habe, den Konflikt anders zu lösen und wenn ja welche, gehört zu den gestellten Fragen.

Mit Scheinwerferlicht und massivem Polizeiaufgebot wurden die Wiesen am Winterhafen vergangenes Wochenende nach Mitternacht geräumt. - Foto: gikAuch wollen Piraten & Volt wissen, ob der kürzlich installierte Nachtkulturbeauftragte Timo Filtzinger hinzugezogen worden sei – schließlich sei Filtzinger genau „als Mittler solcher Konflikte“ engagiert worden. Sollte Filtzinger nicht hinzugezogen worden sein, wolle man wissen, warum nicht – Piraten & Volt fordern zudem Ebling auf, „einen zügigen Vermittlungsprozess durch den Nachtkulturbeauftragten zu starten, dies wäre ein Zeichen des guten Willens und der Deeskalation“, heißt es weiter. Die Stadt solle zudem sagen, welche alternativen Aufenthaltsorte und Angebote im Freien sie für Besucher öffentlicher Plätze zu schaffen gedenke, so dass die Menschen nicht in geschlossene Räumlichkeiten gedrängt würden, in denen die Coronaregeln schwer einzuhalten seien und die Belastung mit virenbelasteten Aerosolen hoch sei.

Piraten & Volt fragen aber zudem auch, ob die Lautstärkebelastung am Wohnort der Personen gemessen wurde, die sich über eine zu hohe Lautstärke beschwerten? „Wenn ja, wie hoch war die Belastung“, will die Fraktion wissen – und ob an der Schwelle des Neubaugebietes die gesetzlichen Grenzwerte für Lautstärke überschritten wurden, und wenn ja wie oft. Tatsächlich wurden nach Mainz&-Informationen eine Woche vor der Räumungsaktion Lärmmessungen am Winterhafen in Höhe der Neubauten entlang des Hafenbeckens durchgeführt.

Mitarbeiter des Mainzer Ordnungsamtes auf Streife am Mainzer Winterhafen. - Foto: gik
Mitarbeiter des Mainzer Ordnungsamtes auf Streife am Mainzer Winterhafen. – Foto: gik

Gegenüber Mainz& bestätigte die Stadt inzwischen, wegen der Vielzahl der Anwohnerbeschwerden sei am 7. August „eine stichprobenartige Messung“ durchgeführt worden. Es sei dabei insbesondere versucht worden, „die besonders auffälligen Lärmquellen zu identifizieren und zu lokalisieren, damit gegen diese zielgenauer vorgegangen werden kann.“ Dabei hätten sich die aufgestellten Beer-Pong-Tische und die mitgebrachten mobilen Musikboxen herauskristallisiert. Ein Durchschnittwert für die Nachtzeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr morgens sei „nicht gemessen bzw. ermittelt“ worden. Der Einsatz vom vergangenen Wochenende werde ausgewertet, teilte ein Sprecher weiter mit, ob die Aktion fortgesetzt werde, werde im Laufe der Woche entschieden.

Die nächste Stadtratssitzung findet in Mainz allerdings erst am 23. September statt, man habe die Fragen deshalb auch an Oberbürgermeister Michael Ebling gesendet, teilten Piraten & Volt weiter mit: „Wir fordern Herrn Ebling auf, die Fragen zeitnah und vor der nächsten Ratssitzung zu beantworten.“

Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Bericht von der Räumungsaktion vergangenen Freitag könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen, die Begründung der Stadtspitze haben wir ausführlich hier aufgeschrieben. Was wir am 7. August bei einem Rundgang mit dem Mainzer Ordnungsamt am Winterhafen erlebt haben, haben wir in dieser Mainz&-Reportage aufgeschrieben.

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