Vor fast genau zehn Jahren begannen die Gründungsarbeiten für die neue Schiersteiner Rheinbrücke, nun steht das Großprojekt vor seiner Vollendung: Am Sonntag wird die neue Schiersteiner Brücke feierlich eingeweiht. Für den Verkehr freigegeben wird die Schiersteiner am Montagfrüh um 5.00 Uhr – bis dahin ist noch einmal Vollsperrung angesagt. Und mit der Eröffnung ist auch nicht alles gut: Der Ausbau der anschließenden A643 im Norden von Mainz kommt weiter nicht voran – und bleibt hoch umstritten. Auch am Sonntag soll protestiert werden. FDP und CDU in Mainz-Gonsenheim werfen derweil den Grünen Argumentationen mit falschen Daten vor – und plädieren für eine ehrliche Abwägung.

Die zwei Parallelbrücken der Schiersteiner Rheinbrücke 2018: Nun wird auch die zweite Brücke fertig. - Foto: gik
Die zwei Parallelbrücken der Schiersteiner Rheinbrücke 2018: Nun wird auch die zweite Brücke fertig. – Foto: gik

Vor der Fertigstellung ist Vollsperrung: Die Schiersteiner Brücke ist seit Freitagabend noch einmal für den Verkehr voll gesperrt. Der Grund ist allerdings ein erfreulicher: Es sind die letzten vorbereitenden Arbeiten vor der endgültigen Fertigstellung der neuen, zweiteiligen Rheinbrücke zwischen Wiesbaden und Mainz. Nach zehn Jahren Bauzeit ist es nun endlich so weit: Mit der Fertigstellung auch der zweiten Autobahnbrücke ist die Schiersteiner Brücke nun tatsächlich fertiggestellt.

Es war im September 2013, als die ersten Gründungsarbeiten für den ersten Teil der neuen Rheinbrücke auf Wiesbadener Seite gestartet wurden. Die alte Autobahnbrücke der A643 zwischen Mainz und Wiesbaden war marode, das Bauwerk aus den 1960er Jahren nicht für die modernen Verkehrsmengen ausgerichtet – eine neue Brücke musste her. Wie dringend das war, zeigte sich gut anderthalb Jahre später: In der Nacht vom 10. auf den 11. Februar 2015 sackte auf einmal ein Brückenpfeiler auf Mainzer Seite wegen Baufehlern ab – die Region hatte ihren ersten großen Brückengau.

- Werbung -
Werben auf Mainz&

Vollsperrung nach Brückengau, Neubau der zweiten Brücke seit 2018

Zwei Monate lang musste die Schiersteiner Brücke voll gesperrt bleiben, die Region  versank in einem Verkehrschaos, das seinesgleichen suchte: Pendler vor allem aus Rheinland-Pfalz standen stundenlang auf dem Weg zur Arbeit in Hessen im Stau, auch weil nur zwei Brücken über den Rhein als Ausweg blieben – die Weisenauer Brücke und die Theodor-Heuss-Brücke waren völlig überlastet.

Die gebrochene Schiersteiner Brücke im Februar 2015 nach dem Absacken eines Brückenpfeilers. - Foto: gik
Die gebrochene Schiersteiner Brücke im Februar 2015 nach dem Absacken eines Brückenpfeilers. – Foto: gik

Zwischen Mainz und Wiesbaden ging monatelang fast nicht mehr, die Wirtschaft klagte über Einbußen von rund 1,4 Millionen Euro am Tag – es war der Supergau. Erst im November 2015 wurde die Schiersteiner Brücke wieder für Lkws freigegeben, auch die Bauarbeiten für die neue Rheinbrücke verzögerten sich durch den Unfall. Erleichterung brachte die Fertigstellung der ersten von insgesamt zwei Brückenbauwerken: Im November 2017 dann der erste große Meilenstein: Die erster Hälfte der neuen Rheinbrücke war fertig und wurde für den Verkehr freigegeben, seither rollen die Autos über die neue, nördliche Rheinbrücke.

Unmittelbar danach wurde im Jahr 2018 mit dem Abriss und dem Neubau der zweiten Brücke begonnen – und die ist nun ebenfalls fertig: Am Sonntag wird die fertige Rheinbrücke feierlich eingeweiht, zu dem Ereignis kommt eigens Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) nach Wiesbaden. Die Feierlichkeiten finden in Wiesbaden-Schierstein statt, bis zur Gründung der Autobahn GmbH des Bundes hatten die Hessen die Federführung beim Bau.

Drei Fahrspuren pro Richtung, weiter Proteste gegen Ausbau A643

Mit der Fertigstellung stehen nun jeweils drei Fahrstreifen pro Fahrtrichtung zur Verfügung, das werde dafür sorgen, „dass die mit der teilweisen Überlastung der A643 im Abschnitt zwischen dem Schiersteiner Kreuz und dem Dreieck Mainz einhergehenden Verkehrsstörungen der Vergangenheit angehören“, teilte man von Seiten der Autobahn GmbH des Bundes mit. Die Einschätzung dürfte allerdings reichlich optimistisch sein: Die sich anschließenden Autobahn A643 durch den Mainzer Sand und den Lennebergwald ist weiter nur zweispurig – der geplante Ausbau auf drei Spuren pro Richtung kommt weiter nicht voran.

Geplanter sechsspuriger Ausbau der A643 durch den Mainzer Sand: Wenige Meter rechts und links mehr. - Grafik: Autobahn GmbH
Geplanter sechsspuriger Ausbau der A643 durch den Mainzer Sand: Wenige Meter rechts und links mehr. – Grafik: Autobahn GmbH

Das liegt auch daran, dass in Mainz Umweltschützer sowie Teile der Stadtpolitik – insbesondere Grüne und SPD – weiterhin vehement gegen den Ausbau protestieren. Das soll auch am Sonntag der Fall sein: Für Sonntagvormittag rufen Umweltinitiativen rund um das Bündnis „Nix in den (Mainzer) Sand setzen“ zwischen 10.000 Uhr und 12.00 Uhr zum Protest am Rande der Feier zur Verkehrsfreigabe der Schiersteiner Brücke auf. Die Aktion richte sich nicht gegen die neue Brücke, betont Bündnis-Sprecher Heinz Hesping, sondern gegen den geplanten sechsspurigen Ausbau der A 643 von der Anschlussstelle Mombach bis zum Dreieck Mainz.

Der Bund hatte eigentlich per oberster Anordnung den sechsspurigen Ausbau der Autobahn nach jahrelangem Streit verfügt, doch dieser Streit war 2022 wieder aufgeflammt: Der damalige Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) hatte einen Brief nach Berlin geschickt und um erneute Prüfung der sogenannten „4+2“-Lösung gebeten, Umweltverbände starteten eine Petition gegen den Ausbau, um das Naturschutzgebiet „Mombacher Sand“ zu schützen. Doch der Bund hielt unverändert an den Ausbauplänen fest: Der Ausbau sei notwendig und werde kommen, betonte noch im Juni 2022 der zuständige Staatssekretär aus dem Bundesverkehrsministerium.

Kowol: „Alles andere als dreispurig wäre ein Treppenwitz“

Zum Aufruhr kam es, als der Wiesbadener Verkehrsdezernent Andreas Kowol (Grüne) beim gleichen Termin sein Unverständnis über die Proteste gegen den Ausbau auf Mainzer Seite kundtat: Angesichts des Wiesbadener Verkehrsgaus seit dem Zusammenbruch der Salzbachtalbrücke, sagte Kowol, er beneide die Mainzer um ihren funktionierenden Autobahnring, der die Pendler eben nicht durch die Innenstadt, sondern auß0en herum führe. Und Kowol sagte im Mainz&-Interview: Der dreispurige Ausbau sei angesichts der steigenden Pendlerzahlen aus dem Rheinhessischen notwendig – alles andere „wäre ein Treppenwitz.“

Monatelanges Verkehrschaos herrschte nach dem Zusammenbruch der Schiersteiner Brücke. - Foto: gik
Monatelanges Verkehrschaos herrschte nach dem Zusammenbruch der Schiersteiner Brücke. – Foto: gik

In Mainz will man davon weiter nichts hören: Verkehrsminister Wissing behindere „beharrlich jeden umwelt- und klimapolitischen Fortschritt in der Verkehrspolitik“, klagte Hesping. Der Bundesminister habe sich zudem geweigert, die mehr als 13.000 Unterschriften der Petition „Kein Ausbau der A 643 im Naturschutzgebiet‘“ entgegenzunehmen und habe auch auf die postalische Einreichung der Unterschriftenliste bislang nicht reagiert. „Unser Protest richtet sich auch gegen Wissings verfehlte Verkehrspolitik, wie etwa das umstrittene Beschleunigungsgesetz, mit dem der Bundesverkehrsminister 144 Autobahnprojekte demnächst noch schneller vorantreiben möchte“, kritisierte Hesping.

Der FDP-Minister habe bislang „erfolgreich alle Maßnahmen für die Umsetzung des Klimaschutzprogramms der Ampel torpediert“, kritisiert das Bündnis weiter: Deutschland habe als einziges EU-Land weiter kein Tempolimit auf Autobahnen, über die Dienstwagenpauschale würden millionenschweren Subventionen teurer Spritfresser subventioniert, und auch in der Luftfahrtindustrie gebe es weiter keine Verkehrsbegrenzungen oder ein Verbot von Kurzstreckenflügen wie etwa in Frankreich.

Gonsenheimer: Ausbau notwendig, Grünbrücke, Lärmschutzwand

Dass Wissing aber auch der Architekt des 49-Euro-Tickets in Deutschland ist, das als großer Erfolg gilt, unterschlägt das Bündnis in seiner Aufzählung. Der Bund hatte stets argumentiert, der sechsspurige Ausbau der A643 sei als Anschluss an die sechsspurige Brücke unbedingt notwendig, dazu werde der Ausbau nur wenige Meter zusätzlich verbrauchen, eine Grünbrücke für Tiere und Pflanzen sowie umfangreicher Lärmschutz für Anwohner entstehen. Die Sperrung an diesem Wochenende werde man denn auch „bereits für vorbereitende Arbeiten zur Instandsetzung der A643-Vorlandbrücke Lenneberg“ nutzen.

Pläne für den Ausbau der A543 mit Grünbrücke und Lärmschutzwand für Gonsenheim. - Grafik: Autobahn GmbH
Pläne für den Ausbau der A543 mit Grünbrücke und Lärmschutzwand für Gonsenheim. – Grafik: Autobahn GmbH

CDU und FDP im Mainzer Stadtteil Gonsenheim plädierten denn auch für „eine ehrliche Debatte“ um den Ausbau: „Der Autobahnring aus A60 und A643 um Mainz hat die originäre Aufgabe, den Verkehr in Richtung Rhein-Main-Gebiet um Mainz herumzuleiten und aus der Innenstadt herauszuhalten“, sagte Wolfgang Oepen, FDP- Ortschef von Mainz-Gonsenheim, und erinnerte daran: Auch für die Bewohner der Stadtteile um den Mainzer Innenstadtkern herum erfülle der Autobahnring diese wichtige Funktion.

„Das scheint jedoch weder die ehemalige Mainzer Verkehrsdezernentin und jetzige Umweltministerin Katrin Eder, noch deren Nachfolgerin Janina Steinkrüger (beides Grüne) erkannt zu haben“, klagte Oepen weiter: Beide stimmten bis heute in den Chor derer ein, „die der automobilen Mobilität den Kampf angesagt haben.“ Dabei würden „Fakten aus dem Zusammenhang gerissen und ein falsches Bild gezeichnet – ein beliebter Trick“, kritisierte der FDP-Vertre6ter weiter: So werde einfach behauptet, es ginge um 10,9 Hektar Naturschutzgebiet, die wegfielen, dabei würden davon schon 7,8 Hektar von der heutigen Autobahn in Anspruch genommen werden.

Wichtige Verbindung zwischen Mainz und Wiesbaden: Die Schiersteiner Brücke vom Wasser aus. - Foto: gik
Wichtige Verbindung zwischen Mainz und Wiesbaden: Die Schiersteiner Brücke vom Wasser aus. – Foto: gik

Ein vierspuriger Ausbau samt befahrbarem Seitenstreifen würden aber bereits weitere 2,8 Hektar verschlingen, „für einen weiteren sechsspurigen Ausbau würden lediglich zusätzliche 0,3 Hektar in Anspruch genommen“, rechnete Oepen weiter vor. Mit dem Ausbau werde aber die Leistungsfähigkeit der Strecke deutlich erhöht – und das sei dringend notwendig, stünden doch „die absehbare und umfassende Sanierungsarbeiten der Weisenauer Brücke“ bevor. Nur ein leistungsfähiger Autobahnring um Mainz herum könne auch bei Störungen wie Unfällen oder einer Fehlmeldung im Hechtsheimer Tunnel für Aufrechterhaltung des Alltagsverkehrs sorgen.

„Sicherlich muss Umweltbelangen ein hoher Stellenwert eingeräumt werden“, betonte auch der stellvertretende Gonsenheimer Ortsvorsteher Mathias Huber (CDU). Doch für die Lebensqualität der Mainzer sei es eben auch wichtig, den Nah- und Fernverkehr möglichst an der Innenstadt vorbeizuführen anstatt ihn sich auf der Suche nach Ausweichmöglichkeiten  durch die Innenstadt pressen zu lassen. „Wer mit teilweise unredlichen Mitteln gegen den Ausbau kämpft“, kritisierte Huber, „der sollte den Gonsenheimern auch gleich sagen: Ohne den Ausbau fallen eine geplante Grünbrücke und Lärmschutzwände weg.“

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Ausbauplänen des Bundes für die A643 und den „Treppenwitz“-Ausspruch von Andreas Kowol lest Ihr hier bei Mainz&. Wie eine solche Rioesenbrücke übrigens von innen aussieht, könnt Ihr in unserer Mainz&-Reportage „Moderne Kathedrale aus Stahl und Beton“.könnt Ihr in unserer Mainz&-Reportage „Moderne Kathedrale aus Stahl und Beton“ nachlesen.