Skandal in der Landesarchäologie von Rheinland-Pfalz: Ein leitender Mitarbeiter der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) soll „geschichtsträchtige archäologische Funde bewusst manipuliert“ haben, teilte das Mainzer Innenministerium am Freitag mit. Erste Überprüfungen belegten, dass mindestens 21 gefundene menschliche Schädel oder Schädelfragmente falsch datiert wurden. Der Landesbeamte habe vermutlich „möglicherweise bewusst und über Jahre hinweg“ Manipulationen vorgenommen, der Fall soll nun mit Hilfe externer Experten aufgeklärt werden.

Ausgrabungen der Landesarchäologie in Mainz beim Bau des LEIZA. - Foto: gik
Ausgrabungen der Landesarchäologie in Mainz beim Bau des LEIZA. – Foto: gik

Der Skandal kam offenbar durch eine Universität ans Licht, die „um vertrauliche Unterstützung bei der Aufklärung von Fragen zu einer Dissertation“ gebeten habe, teilte das Mainzer Innenministerium am Freitag mit. Die Universität überprüfte wohl eine Dissertation zu bestimmten rheinland-pfälzischen Funden, erste Überprüfungen belegen demnach: Der Archäologe hat „mindestens 21 gefundene menschliche Schädel oder Schädelfragmente falsch datiert.“

Der Mann ist den Angaben zufolge ein leitender Mitarbeiter der GDKE  mit Wirkungskreis in Koblenz, der offenbar Schädelfunde in die Römerzeit datiert hatte – und darüber promovierte. Bei der GDKE stellte man indes nun fest: „Bei lediglich zwei Schädelfragmenten passe zumindest ungefähr die chronologische Einstufung aufgrund einer Datierung ins angegebene 5. Jahrhunderte vor Christus, alle anderen stellten sich als erheblich jünger heraus.“ Demnach stammten die Funde statt aus vorchristlicher Zeit aus dem frühen Mittelalter (7./8. Jh.) oder aus der Neuzeit (1647-1800).

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Archäologe manipulierte womöglich über Jahre hinweg Funde

Die GDKE habe deshalb „aufgrund immer stärker werdender Zweifel Anfang 2024 ein externes Institut einbezogen, um eine naturwissenschaftliche Altersbestimmung und eine unabhängige anthropologische Untersuchung durchzuführen“, sagte Generaldirektorin Heike Otto. Das Innenministerium teilte mit, man habe nun ein ursprünglich bei der GDKE geführtes Disziplinarverfahren erweitert. Es bestehe der Verdacht, dass der Landesbeamte „möglicherweise bewusst und über Jahre hinweg archäologische Funde manipuliert hat.“

Arbeiter der GDKE graben in der Mainzer Oberstadt ein antikes römisches Lagerhaus aus. - Foto: gik
Arbeiter der GDKE graben in der Mainzer Oberstadt ein antikes römisches Lagerhaus aus. – Foto: gik

Wie der SWR berichtet, soll der Archäologe in der Gegend um Koblenz „Sensationsfunde präsentiert haben“, darunter auch einen über 5.000 Jahre alten Schädel, der unter anderem in der Landesausstellung 75 Jahre Rheinland-Pfalz zu sehen gewesen sei. Die GDKE steht aktuell in Mainz in der Kritik, sich nicht ausreichend für die Sicherung von Sensationsfunden aus der Römerzeit auf der TRON-Baustelle in der Mainzer Oberstadt eingesetzt zu haben.

Der Mitarbeiter stehe im Verdacht, „in höchstem Maße unwissenschaftlich gearbeitet zu haben, das steht in völligem Gegensatz zu unserem Anspruch an das wissenschaftliche Arbeiten in unseren Landesbehörden“, kritisierte Innen-Staatssekretärin Simone Schneider. Zwar gelte weiterhin die Unschuldsvermutung und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn, da man aber davon ausgehen müsse, dass andere Wissenschaftler „ihre Forschungsarbeiten auf diesen öffentlichkeitswirksam vorgestellten und publizierten Funden aufbauen, sehen wir uns der Öffentlichkeit gegenüber verpflichtet hierüber zu berichten, um weiteren wissenschaftlichen Schaden abzuwenden.“

Experten aus Köln und Kiel sollen bei Aufklärung helfen

Das bislang bekannte Ausmaß der falschen Datierungen erfordere „dringend weitere Aufklärung, für die wir in dieser Woche weitere externe Beratung und Unterstützung hinzugezogen haben“, teilte Schneider weiter mit. Die Staatssekretärin betonte zudem, die Geschichte von Rheinland-Pfalz müsse nun „nicht neu geschrieben werden.“ Die Funde, um die es gehe, ließen sich „in räumlicher und zeitlicher Sicht klar eingrenzen.“ Sie sehe das Land aber in der Pflicht, das genaue Ausmaß betroffener Funde zu ermitteln und aufzuklären.

Das soll nun mit Hilfe externer Experten geschehen: Unterstützen sollen bei der Aufklärung der Landesarchäologe von Schleswig-Holstein, Ulf Ickerodt, sowie die Professorin Silviane Scharl vom Institut für Ur- und Frühgeschichte der Universität zu Köln.

Info& auf Mainz&: Mehr zu Archäologie und Ausgrabungen in Mainz findet Ihr in unserer Rubrik „Wissen&“ hier auf Mainz&.