Geht der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal doch noch einmal in eine Verlängerung? Fest steht: Die letzte Zeugenbefragung von ADD-Präsident Thomas Linnertz hat nun ein juristisches Nachspiel – und sie könnte noch einmal neue Zeugenvernehmungen nach sich ziehen. Der Obmann der CDU-Landtagsfraktion, Dirk Herber, stellte am Dienstag in Mainz Strafanzeige gegen Linnertz wegen falscher uneidlicher Aussage. Es geht um die Angaben Linnertz zum Urlaub seiner früheren Vizepräsidentin Begoña Hermann kurz nach der Flut – die Freien Wähler erwägen deshalb sogar eine erneute Zeugenvernehmung.

ADD-Präsident Thomas Linnertz (links) am 27.04.2023 auf dem Weg zum Untersuchungsausschuss. - Foto: gik
ADD-Präsident Thomas Linnertz (links) am 27.04.2023 auf dem Weg zum Untersuchungsausschuss. – Foto: gik

Der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal hatte eigentlich am 27. April 2023 formell seine Beweisaufnahme geschlossen, der letzte Zeuge war ADD-Präsident Thomas Linnertz. Ihm hatten die Oppositionsfraktionen in der Sitzung noch einmal bohrende Fragen zum USA-Urlaub seiner damaligen Vizepräsidentin Begoña Hermann gestellt. Tatsächlich waren bei anderen leitenden Beamten der ADD in dem Zeitraum nach der Flutkatastrophe Urlaube storniert und sogar offiziell widerrufen worden, weil der Beamte bei der Bewältigung der Flutkatastrophe unabkömmlich war – nicht jedoch im Fall der Vizepräsidentin.

Hermann war am 31. Juli 2021 eigenen Angaben zufolge zu einem privaten Familienbesuch in die USA gereist, doch Anfang dieses Jahres kam heraus: Hermann hatte dafür ein spezielles Dienstreisevisum für die USA beantragt und auch erhalten – das Innenministerium führt deshalb ein Disziplinarverfahren wegen Vortäuschen einer Dienstreise gegen Hermann . Ungeklärt ist auch bis heute die Frage, wie Hermann bereits am 31. Juli in die USA einreisen konnte, wurde die Einreiseerlaubnis des US-Konsulats doch erst am 3. August erteilt.

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„Es gab gewichtige private Gründe“ für Urlaub Hermanns

Linnertz hatte nun stets betont, er habe sich um die Reiseangelegenheiten seiner Vize-Präsidentin nicht gekümmert, aber sehr wohl gewusst, wohin sie reiste – nämlich in die USA. „Mich interessiert nicht, wohin die Leute fahren, und wie sie da hinkommen, das geht mich nichts an“, sagte Linnertz dazu wörtlich im Untersuchungsausschuss. Die Frage, ob jemand in Urlaub gehen dürfe, beruhe rein „auf dienstlichen Gründen, und nicht auf dem Urlaubsort“, fügte Linnertz hinzu.

ADD-Präsident Thomas Linnertz am 27.04.2023 nach dem Untersuchungsausschuss im Interview mit Journalisten. - Foto: gik
ADD-Präsident Thomas Linnertz am 27.04.2023 nach dem Untersuchungsausschuss im Interview mit Journalisten. – Foto: gik

Doch in Interviews mit Journalisten nach Ende seiner Zeugenvernehmung vor der Tür, sagte Linnertz auf einmal etwas anderes: „Aber es gab private Gründe, die gewichtig waren, zu denen ich hier nichts sagen kann und die letztlich auch eine Rolle gespielt haben.“ Damit habe Linnertz „vor laufender Kamera und vollkommen abweichend von seiner Aussage im Untersuchungsausschuss, dass ihm die privaten Beweggründe der Vizepräsidentin nicht nur bekannt waren, sondern seine Entscheidung beeinflusst haben“, sagte CDU-Obmann Dirk Herber..

Damit aber habe Linnertz „gegen seine Verpflichtung, vor dem Ausschuss die Wahrheit zu sagen und nichts zu verschweigen“ verstoßen, betonte Herber – und zitierte damit die Belehrungsformel, die jedem Zeugen vor seiner Aussage im Untersuchungsausschuss von dem Vorsitzenden vorgehalten wird. Der ADD-Präsident habe aber ganz offensichtlich doch etwas verschwiegen, betonte Herber weiter: „In seiner Antwort nannte Herr Linnertz ausschließlich dienstliche Gründe, die ihn bewogen haben, dem Erholungsurlaub zuzustimmen bzw. ihn nicht zu widerrufen. Von privaten Gründen war während seiner Befragung zu keinem Zeitpunkt die Rede.“

CDU: Strafanzeige gegen Linnertz wegen uneidlicher Falschaussage

Die Aussage von Linnertz sei damit „in zentralen Punkten unvollständig und damit unwahr“ gewesen, betonte Herber weiter – er habe deshalb am Dienstagnachmittag „Strafanzeige gegen den Präsidenten der ADD, Thomas Linnertz, wegen falscher uneidlicher Aussage im Untersuchungsausschuss bei der Staatsanwaltschaft in Mainz gestellt.“ Eine solche Falschaussage ist strafbar, auch wenn der Zeuge nicht vereidigt wurde, und kann eine Freiheitsstrafe zwischen drei Monaten und fünf Jahren nach sich ziehen.

Auch gegen sie wird wegen uneidlicher Falschaussage vor dem UA ermittelt: ADD-Vize Begona Hermann. - Foto: gik
Auch gegen sie wird wegen uneidlicher Falschaussage vor dem UA ermittelt: ADD-Vize Begona Hermann. – Foto: gik

Es ist schon die zweite Anzeige wegen uneidlicher Falschaussage vor diesem Untersuchungsausschuss: Ende Februar hatte der Obmann der AfD-Fraktion, Michael Frisch, bereits Strafanzeige gegen ADD-Vize Hermann gestellt. Hermann habe „den Ausschuss über ihre Anwesenheit in der Einsatzleitung in Ahrweiler offensichtlich belogen“, begründete Frisch seine Anzeige, die Staatsanwaltschaft bejahte einen Anfangsverdacht, und leitete Ermittlungen ein.

Zum Fall Linnertz teilte Frisch nun schon am Montag, also einen Tag vor der CDU mit, auch aus seiner Sicht habe Linnertz „dem Ausschuss wesentliche Tatsachen vorenthalten“, indem er vor der Tür des Ausschusses auf einmal von „gewichtigen privaten Gründen“ gesprochen habe, die ihn mit bewogen hätten, an der Genehmigung ihres Urlaubs festzuhalten.

Verschwieg Linnertz dem Ausschuss „entscheidungsrelevante Motive“?

„Offensichtlich hat also Herr Linnertz dem Ausschuss für ihn entscheidungsrelevante Motive trotz entsprechender Fragen verschwiegen“, kritisierte Frisch: „Da die Beweisaufnahme unmittelbar nach seiner Vernehmung geschlossen wurde, hat er damit den Obleuten jede Möglichkeit genommen, ihn zu diesen Gründen näher zu befragen.“ Das aber wäre „im Hinblick auf die Bewertung seiner damaligen Entscheidung von erheblicher Bedeutung gewesen“, betonte Frisch weiter – Linnertz müsse sich umgehend zu diesem Vorgang erklären.

Doch noch kein Ende für den Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe? - Foto: gik
Doch noch kein Ende für den Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe? Hier das Gremium in einer Sitzungspause im Plenarsaal des Mainzer Landtags. – Foto: gik

Den Freien Wählern reicht das womöglich nicht aus: „Hier ist die Frage zu stellen, ob Herr Linnertz nochmal in den Zeugenstand muss, und die Beweisaufnahme nochmal eröffnet wird“, sagte der Obmann der Freien Wähler, Stephan Wefelscheid am Dienstagabend. Wenn er Linnertz‘ Aussagen aus dem U-Ausschuss mit denen aus dem Interview im Nachhinein vergleiche, „dann fühle ich mich ehrlich gesagt veräppelt“, schimpfte Wefelscheid.

An diesem Tag sei im Ausschluss „schließlich nichts Anderes beleuchtet worden“, als die Frage, was den ADD-Präsidenten letztlich dazu veranlasst habe, Hermann in den Urlaub fahren zu lassen – trotz der Katastrophe. Linnertz habe ganz offensichtlich im Ausschuss auf die ihm gestellten Fragen „nicht umfassend geantwortet“, kritisierte Wefelscheid: „Dieser Widerspruch muss aufgeklärt werden.“ Das sei auch im Interesse des gesamten Untersuchungsausschusses. Er werde deshalb nun Rücksprache mit dem Ausschussvorsitzenden Martin Haller (SPD) suchen, kündigte Wefelscheid an.

Wefelscheid forderte zudem erneut Innenminister Michael Ebling (SPD), „und letzten Endes auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD)“ seien „gehalten, ihren Laden aufzuräumen und endlich Konsequenzen zu ziehen“ – Linnertz müsse umgehend entlassen werden.“

Info& auf Mainz&: Alle Berichte über den Untersuchungsausschuss Ahrtal sowie die Flutkatastrophe und ihre Folgen findet Ihr hier in unserem Mainz&-Dossier zur Flutkatastrophe.