Die Mombacher Straße führte lange ein Stiefkind-Dasein in Mainz, das soll sich nun ändern: Die Stadtverwaltung will die Straße grundlegend neu gestalten, den Verkehr deutlich verlangsamen und einen durchgehenden Radweg schaffen. Der Haken: Für die Neugestaltung sollen von den bisher 54 alten Bäumen der Straße 27 fallen – und von rund 200 Parkplätzen im öffentlichen Straßenraum sollen ganze 23 erhalten bleiben. Anwohner waren deshalb Sturm gelaufen. Nun versprach Umweltdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) Nachbesserungen in Sachen Bäume zu prüfen – hielt aber grundsätzlich am Konzept fest. Die SPD HaMü ist skeptisch – und lädt für Sonntag zum Rundgang.
Die Mombacher Straße ist eine der wichtigsten Einfallsstraßen für die Mainzer Innenstadt: Vom Norden kommend, führt die Straße in der Verlängerung der alten Mombacher Hochbrücke entlang der Bahngleise in Richtung Hauptbahnhof und mündet dort in die Hochbrücke über die Alicenstraße, die dann weiter hinauf zur Mainzer Uniklinik führt. Damit ist die Mombacher Straße ein wichtiger Bypass für die Mainzer Neustadt – und seit dem Ausbremsen des Verkehrs in der Boppstraße die letzte flüssige Alternativtrasse zur völlig überlasteten Rheinallee.
Doch die „Mombacher“ ist in die Jahre gekommen, die Oberfläche eine einzige Buckelpiste, die Umgebung alles andere als ansprechend. Mit der zunehmenden Bebauung der Straße durch neue Bürogebäude, Hotels und auch Wohnblocks und zuletzt vor allem durch die Anerkennung des Alten Jüdischen Friedhofs als Unesco-Weltkulturerbe, rückte die Mombacher Straße in den Fokus der Stadtplaner.
Umgestaltung Mombacher Straße: Radwege, weniger Parkplätze
Mitte Juli stellte die Mainzer Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) erstmals der Öffentlichkeit Pläne für die Umgestaltung der Mombacher Straße vor. Steinkrüger legt den Schwerpunkt dabei auf die Verkehrswende: „Die Mombacher Straße ist heute stark sanierungsbedürftig. Sie ist nicht nur für den Radverkehr unzureichend, sondern insbesondere auch für die Belange der Barrierefreiheit und Verkehrssicherheit“, betonte Steinkrüger an diesem Freitag noch einmal. Eine komfortable Fortbewegung oder gar ein Aufenthalt entlang der Straße sei „in dem derzeitigen Zustand nur schwer möglich.“
Der Umbau soll denn auch vor allem den Straßenraum zugunsten von Fußgängern und Radfahrern neu ordnen, Autos sollen erheblich zurückgedrängt werden, Neben breiten Gehwegen sieht der Entwurf der Stadtverwaltung auf jeder Straßenseite einen breiten Radweg vor, der aber nur durch weiße Markierungen von den Autos abgetrennt werden soll. Für die Autos sind weiter eine Fahrspur pro Richtung vorgesehen, an wichtigen Kreuzungen wie zum Goethetunnel oder an der Fritz-Kohl-Straße sind aber auch zwei Spuren pro Richtung vorgesehen.
Eine massive Änderung betrifft vor allem den Parkraum: Derzeit dient die Mombacher Straße in hohem Maße als eine Art Parkrückzugsraum für die Mainzer Neustadt. Aber auch alte und neue Anwohner, Mitarbeiter der neuen Bürokomplexe, Hotelbesucher und Pendler suchen hier einen der letzten nicht-bewirtschafteten Parkräume. Der Stadt ist das offenbar ein Dorn im Auge: Die Parkplätze zwischen den Bäumen seien insbesondere vor dem Alten Jüdischen Friedhof „illegal“, betonte Steinkrüger: Dort werde „in einer Grünanlage“ geparkt, das schade zudem den Bäumen.
Von derzeit rund 200 Parkmöglichkeiten sollen 23 bleiben
Die derzeit sich dort findenden 46 Parkplätze sollen denn auch in Zukunft ersatzlos wegfallen, und stattdessen einem Grünstreifen sowie einem Radweg Platz machen. Auf die Frage, welche Alternative denn Anwohnern und Pendlern angeboten werden solle, zuckte die Dezernentin lediglich mit den Schultern: Diese müssten sich dann eben „anderweitig Parkplätze“ suchen, oder aber im Parkhaus Cityport am Hauptbahnhof Platz finden. Gleichzeitig kündigte Steinkrüger an, für die Mombacher Straße, die Fritz-Kohl-Straße sowie weitere Nebenstraßen werde derzeit ein Anwohnerparkbereich geprüft.
Aber auch für den Alten Jüdischen Friedhof soll es keine Parkplätze für Privat-Pkws geben, sagte Steinkrüger auf Nachfrage weiter – dabei plant die Stadt Mainz hier im Bereich oberhalb des Friedhofs ein neues Besucherzentrum samt Ausstellung. Für Reisebusse seien vor dem Zentrum Haltemöglichkkeiten vorgesehen, sagte Steinkrüger, nicht aber für Pkws. „Auch Touristen können zu Fuß oder mit dem Rad kommen“, fügte die Dezernentin noch hinzu.
Aber auch entlang des weiteren Straßenverlaufs, sowie auf der gegenüberliegenden Seite des Friedhofs sollen entlang der Mombacher Straße weitere Parkplätze wegfallen: Von derzeit 62 Stellplätzen sollen lediglich 23 erhalten bleiben. Alle Bürogebäude und Hotels entlang der Straße verfügten über Tiefgaragen, betonte der Leiter des Stadtplanungsamtes, Axel Strobach. Insgesamt gebe es hier im öffentlichen Raum regelmäßig 90 bis 100 „widerrechtlich abgestellte Fahrzeuge“, oft in zweiter Reihe, betont die Stadt – diese sollen in Zukunft verschwinden. Damit würde die Zahl der Stellplätze von derzeit rund 210 genutzten Stellen künftig auf ganze 23 Möglichkeiten reduziert.
Hälfte der alten Bäume sollen fallen – Stadt: Mehr Grün als vorher
Für den größten Aufschrei bei der Vorstellung der Pläne sorgte aber ein anderer Baustein der Planung: Von den großen Bäumen entlang der Straße soll nach den derzeitigen Plänen rund die Hälfte den Baumaßnahmen zu Opfer fallen. Die Stadt gibt die Zahl vage mit „zirka 54 Bäumen“ an, von denen „zirka 27“ erhalten und „zirka 27“ gefällt werden müssten. Man wolle aber nach dem Umbau etwa 53 Bäume neu pflanzen, so dass es am Ende rund 80 Baumstandorte geben werde, betont die Stadt.
Den Anwohnern reichte das nicht: Wieso die Stadt erneut alte und große Bäume fällen wolle, erschließe sich nicht, schimpften Anwohner nach der Vorstellung der Pläne – zumal neu gepflanzte Bäume ja erheblich kleiner seien. „Wir haben endlich große Bäume, die auch für den Umweltschutz gut sind, die gegen kleine auszutauschen, wäre völliger Nonsens“, kritisiert etwa auch Ulrich H. Drechsler vom Verein „Unser Mainz in Rheinhessen“, selbst Anwohner und Gewerbetreibender im nördlichen Bereich der Mombacher Straße.
Dazu komme eine „völlig ungeklärte Parksituation“, betont Drechsler im Mainz&-Gespräch: „Wir haben durch den Umbau der Boppstraße einen neuen Parkdruck, weil die, die vorher in der Boppstraße geparkt haben, jetzt in der Mombacher parken“, erklärt Drechsler. Dieser neue Parkdruck könne auch nicht weiter abgebaut werden, weil es am Hang des Hartenbergs ebenfalls schwierige Parkverhältnisse gebe – unter anderem auch wegen der Berufsschüler.
Hoher Parkdruck, teure Tiefgaragen, Ampeln sollen Autos bremsen
Ja, Tiefgaragen von Hotels und Bürogebäuden gebe es, sagte Drechsler im Mainz&-Gespräch weiter – diese würden aber nicht angenommen, weil sie viel zu teuer seien. Warum werde nicht überlegt, auf dem Parkplatz hinter dem Gebäude der Bundespolizei in Höhe der Einmündung der Fritz-Kohl-Straße „eine Quartiersgarage zu bauen“, schlägt Drechsler vor. Vorbehalte gegenüber den Plänen der Stadt hat er indes auch, was den Verkehrsfluss angeht: Die Pläne sähen entlang einer kurzen Strecke fünf Ampeln vor: „Das würde ganz klar den Verkehr ausbremsen, und die CO2-Belastung deutlich steigern“, kritisiert Drechsler.
Tatsächlich sagte Steinkrüger am Freitag gegenüber Journalisten, ein Ziel sei es, den Verkehr in der langen und geraden Straße zu verlangsamen. „Ein ganz großes Anliegen der Anwohner ist die Verkehrsberuhigung“, behauptete Steinkrüger, die Straße fordere mit ihrem Verlauf „quasi zum Rasen auf.“ Ihr eigener Wunsch sei es, möglichst viel Grün in die Fläche zu bekommen und „das Optimale für Radfahrende“ herauszuholen. Auch wünsche sie selbst sich Tempo 30 für die Mombacher Straße, räumte Steinkrüger ein, das könne die Stadt aber nicht einfach anordnen – die Mombacher ist eine Landesstraße.
Jetzt aber gebe es von Seiten der Anwohner „die Maxime, möglichst viele Bäume zu erhalten“, sagte die Dezernentin weiter – das wolle sie nun prüfen. „Baumerhalt ist uns ein Herzensanliegen, wir werden uns dieser Herausforderung annehmen“, betonte Steinkrüger. Zwar habe das Grün- und Umweltamt betont, die Bilanz werde nach dem Umbau besser sein als vorher, aber sie habe „sich überzeugen lassen.“ Für wie viele Bäume das am Ende die Rettung sein könne, sagte Steinkrüger nicht: Man werde sich jeden einzelnen Baum am Standort ansehen müssen.
Planung Nordseite gestoppt – Realisierung nicht vor 2030
„Von unserer Seite her finden wir die Planung so gut“, betonte die Dezernentin zugleich – die neuen Baumprüfungen würden die Planungen nun noch einmal verzögern. 12 Jahre dauerte es jetzt schon, die derzeitigen Pläne zu entwickeln, auch der zweite Teil der Mombacher Straße Richtung alter Hochbrücke war darin enthalten. Steinkrüger sagte aber nun, sie habe diesen Teil der Planungen gestoppt – sie sei damit nicht zufrieden gewesen.
Ohnehin wird die Umgestaltung als Ganzes nicht schnell gehen, denn die Deutsche Bahn plant ab Mitte 2024 einen Neubau der kleinen Ostein-Unterführung direkt neben dem Mainzer Hauptbahnhof, die auf die Mombacher Straße mündet. Der Neubau ist laut Deutsche Bahn bis 2029 vorgesehen, erst danach könne die Stadt auch diesen Bereiche der Mombacher Straße umgestalten. „Ich werde kleinere Maßnahmen vorziehen“, kündigte Steinkrüger an. Dazu werde etwa das Anwohnerparken gehören – aber auch das Streichen der Parkplätze vor dem Alten Jüdischen Friedhof: Die Parkflächen sollen hier bereits 2024 fallen.
Steinkrüger räumte zudem ein, dass der Stadtrat über die Pläne bisher nicht entschieden hat. Man habe die Planungen im Verkehrsausschuss vorgestellt, betonte die Grüne, dieser habe die Verwaltung „beauftragt, die Planungen weiter zu führen.“ Änderte sich die derzeitige Entwurfsplanung nun, müssten die Pläne noch einmal den städtischen Gremien vorgestellt werden.
SPD HaMü: „Pläne dringend bearbeitungswürdig“
Die SPD aus dem Stadtteil Hartenberg-Münchfeld zeigte sich derweil skeptisch: Die ursprünglichen Planungen seien „in einigen Teilen dringend überarbeitungswürdig, wie zum Beispiel bei den Parkplätzen für Anwohner und Pendler, dem Baumbestand und der Barrierefreiheit“, kritisierten die Sozialdemokraten – immerhin Koalitionspartner der Grünen in der Mainzer Ampel-Koalition. „Dass die Planungen überarbeitet werden, wird den zahlreichen Rückmeldungen der Bürgerinnen und Bürger gerecht, die sich in die Debatte eingebracht haben“, unterstrich die Mainzer SPD-Vize Kathleen Herr.
„Der Umbau der Mombacher Straße wird die Verkehrssituation dort für die nächsten Jahrzehnte grundlegend bestimmen“, betonte Herr zudem – und forderte: Da sei es wichtig, die Anwohner im Entscheidungsprozess mitzunehmen. Die SPD HaMü lädt für Sonntag, den 10. September 2023 um 15.00 Uhr zum öffentlichen Rundgang durch die Mombacher Straße, und will dabei noch einmal einen Überblick geben sowie Rückmeldungen sammeln. Treffpunkt ist am Alten Postlager hinter dem Hauptbahnhof.
Info& auf Mainz&: Die genauen Pläne der Stadt Mainz zur Umgestaltung der Mombacher Straße findet Ihr hier im Internet, mit allen Skizzen und Visualisierungen.