Am kommenden Wochenende öffnete der Hessische Landtag seine Türen für die Besucher: Zwei Tage lang kann man den Wirkungsort der Volksvertreter besichtigen, einmal auf der Regierungsbank Platz nehmen, und der neuen Landtagspräsidentin Astrid Wallmann Löcher in den Bauch fragen. „Demokratie zum Anfassen“ lautet das Motto, es gibt ein ausführliches Bühnenprogramm mit Talks, Musik und A-Cappella-Frauenpower aus Wiesbaden. Besonders spannend für historisch Interessierte: Der Landtag hat seinen Sitz im alten Wiesbadener Stadtschloss, und die Residenz der Herzöge von Nassau war einst auch Lieblingsort von Kaiser Wilhelm II.

Der Hessische Landtag hat seinen Sitz im alten Wiesbadener Stadtschloss. - Foto: Martin Kraft via Wikipedia
Der Hessische Landtag hat seinen Sitz im alten Wiesbadener Stadtschloss. – Foto: Martin Kraft via Wikipedia

„Der Landtag ist die Herzkammer der Demokratie auf Landesebene, und er ist zugleich ein offenes Haus“, betonte die neue Landtagspräsidentin, die Wiesbadener CDU-Politikerin Astrid Wallmann im Vorfeld des Events. Zwei Tage lang öffnet der Hessische Landtag am kommenden Wochenende seine Türen für Besucher: Die Volksvertretung präsentiert sich den Hessinnen und Hessen, und gewährt dabei spannende Einblicke hinter die Kulissen. „Die Landtagsabgeordneten und ich freuen uns sehr, wenn die Bürger bei uns vorbeischauen und mit uns ins Gespräch kommen“, betonte Wallmann.

Vermutlich wird niemand an der Tür kontrollieren, ob Ihr aus Hessen kommt, auch Besucher aus Rheinland-Pfalz können deshalb einen Blickt hinter die Kulissen des Hohen Hauses wagen. Denn der Hessische Landtag ist durchaus sehenswert: Mitten in der Wiesbadener Innenstadt, direkt gegenüber vom Wiesbadener Rathaus, logieren die Volksvertreter im alten Wiesbadener Stadtschloss.

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Das ehemalige Stadtschloss entstand 1837 bis 1841 als Residenz der Herzöge von Nassau, und wurde nach Plänen von Georg Moller errichtet – dem Architekten des Mainzer Staatstheaters. An Stelle des Schlosses stand zuvor in Wiesbaden eine Burg aus fränkischer Zeit, und damit vermutlich die Keimzelle der mittelalterlichen Stadt Wiesbaden, wie es bei Wikipedia heißt: Bei Ausgrabungen wurden hier 1952 Reste einer Turmburg entdeckt. Wiesbaden selbst ist natürlich deutlich älter: Schon die Römer nutzten hier die heißen Quelle des Taunuskamms als Badeort.

Standbild von Herzog Wilhelm I. von Nassau-Oranien vor Marktkirche in Wiesbaden, unmittelbar vor dem Eingang zum Hessischen Landtag. - Foto: gik
Standbild von Herzog Wilhelm I. von Nassau-Oranien vor Marktkirche in Wiesbaden, unmittelbar vor dem Eingang zum Hessischen Landtag. – Foto: gik

Das Wiesbadener Schloss wiederum hatte selbst eine wechselvolle Geschichte, wenn wir Wikipedia Glauben schenken: Nach der Grundsteinlegung 1837 und der Fertigstellung 1841 lebte Herzog Adolf I. nicht lange in dem Stadtschloss: Er bewohnte das Haus jedoch nur in den Wintermonaten, im Sommer zog es ihn weiterhin nach Schloss Biebrich. Das Schloss erlebte den Volksaufstand im Vormärz 1848, nach der Absetzung des Herzogs 1866 war das Schloss seiner Funktion als nassauischer Residenz beraubt.

Die preußischen Könige nutzten fortan als neue Eigentümer die Räumlichkeiten bei ihren Aufenthalten in Wiesbaden. Wilhelm I., seit 1861 König von Preußen und ab 1871 deutscher Kaiser, verweilte mehrmals im Schloss. Sein Enkel Kaiser Wilhelm II. machte Wiesbaden und das Stadtschloss schließlich zu seiner regelmäßigen „Mai“-Residenz: Der letzte Preußen-Kaiser liebte die Wiesbadener Bäder- und High Society-Szene und weilte oft mehrmals im Jahr in Wiesbaden – 1897 etwa gleich dreimal. Wiesbaden erlebte in dieser Zeit einen großen Aufschwung, wurde zur „Kaiserstadt“, und hatte um die Jahrhundertwende die meisten Millionäre Deutschlands.

 

Im Zweiten Weltkrieg übernahm das Generalkommando der deutschen Wehrmacht das Gebäude, durch den Luftangriff vom 2. Februar 1945 leicht beschädigt, überstand das Schloss den Krieg zum Großteil unbeschadet. Seit 1946 beherbergt es den Hessischen Landtag, doch das alte Stadtschloss reicht für den Parlamentsbetrieb bei Weitem nicht aus: Zum Landtag gehört heute eine verschachteltes Labyrinth von Gebäuden wie das Kavaliershaus und der Wilhelmsbau – die ehemalige Kaiser-Wilhelms-Heilanstalt. Anstelle der ehemaligen Reithalle des Schlosses entstand im Innenhof 1960 bis 1962 der Plenarsaal des Landtags, der von 2004 bis 2008 durch einen Neubau ersetzt wurde.

Plan der verschiedenen Gebäude des Hessischen Landtags. - Grafik: Hessischer Landtag
Plan der verschiedenen Gebäude des Hessischen Landtags. – Grafik: Hessischer Landtag

Das Ensemble an sich ist deshalb schon besichtigenswert, zumal die alten Räume des Schlosses noch immer erlebt werden können – knarrende Holzfußböden und Tapetentüren inklusive. Beim „Tag der Offenen Tür“ werden denn auch Führungen durch das historische Stadtschloss angeboten, im Medienraum des Landtags kann man sich bei einer virtuellen Tour über das Gebäude und die Parlamentsarbeit informieren. Natürlich kann man auch den Plenarsaal besichtigen, in der Lobby davor finden sich Infostände der Fraktionenn – und die Landtagspräsidentin persönlich kann man Samstag und Sonntag jeweils um 14.00 Uhr auf der Dachterrasse des Plenargebäudes treffen.

Dazu gibt es ein umfassendes Bühnenprogramm mit Musik, Tanz, Comedy sowie allerlei Talks zu Wissenswertem und Gesellschaftspolitischen. Für das leibliche Wohl sorgen hessische Spezialitäten, und auch auf die kleinen Gäste wartet jede Menge Spiel und Spaß.

Info& auf Mainz&: Tag der Offenen Tür im Hessischen Landtag am 24. und 25. September 2022. Das vollständige Programm und weitere Informationen findet Ihr hier im Internet.