In Rheinland-Pfalz hat es nun auch einen Fall einer Sinusvenenthrombose nach einer Impfung mit AstraZeneca gegeben: Bei einer 47 Jahre alten Frau in der Nähe von Trier trat eine solche Thrombose in Hirnvenen auf, die zuvor eine Impfung mit AstraZeneca erhalten hatte. Damit steigt die Zahl der Fälle in Deutschland inzwischen auf zehn – drei Menschen waren an den Folgen einer solchen Thrombose bereits gestorben. Die neuen Fälle erhärten den Verdacht, dass die Thrombosen durch die Impfungen ausgelöst worden sein könnten, betroffen sind vor allem jüngere Frauen zwischen 20 und 50 Jahren – womöglich gibt es für sie künftig eine Warnung in Sachen Impfung.
Am Montag hatte die Bundesregierung nach einer Warnung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) die Impfungen mit dem britisch-schwedischen Impfstoff AstraZeneca vorerst gestoppt, der Grund: Nach Impfungen mit dem Vakzin waren zunächst bei sieben Menschen in Deutschland binnen kürzester Zeit eine eigentlich hochseltene Form der Blutgerinnsels im Hirn aufgetaucht: Sinusvenenthrombosen, die zudem auch noch gleichzeitig mit einer verringerten Anzahl von Blutplättchen, Thrombozyten genannt. Wenn diese Blutplättchen in einer Blutbahn verklumpen und diese verschließen, tritt eine Thrombose ein, das kann eine Lungenembolie, Schlaganfälle oder Hirninfarkte auslösen.
Von Sinusvenenthrombose spricht man, wenn eine solche Thrombose in den großen venösen Zusammenflüssen des Gehirns passiert, diese Krankheit kann tödlich enden, ist aber eigentlich ausgesprochen selten. Drei bis fünf Fälle pro eine Million Einwohner sind in Deutschland normal – pro Jahr, wohlgemerkt. Nun aber traten binnen weniger Wochen gleich sieben solcher Fälle auf, sechs Frauen und ein Mann waren betroffen – drei Menschen starben an den Folgen. Das Besondere dabei: Alle sieben waren zuvor mit dem Impfstoff von AstraZeneca geimpft worden, das Paul-Ehrlich-Institut sprach deshalb von einer „auffälligen Häufung“ und empfahl die Überprüfung des Impfstoffs – die Impfungen wurden daraufhin ausgesetzt.
PEI-Präsident Klaus Cichutek verteidigt seither die Empfehlung seines Instituts nachdrücklich: Das Auftreten EINER Sinusvenenthrombose wäre in den Zeitraum normal gewesen, sieben solcher Fälle seien eine sehr signifikante Häufung, und das auch statistisch, betonte Cichutek in mehreren Interviews – wir stützen uns für unseren Bericht vor allem auf die Berichterstattung von Heute.de. Das wird inzwischen von weiteren Experten gestützt: Gleich mehrere Ärzte nannten die Häufungen ungewöhnlich und betonten, der Zusammenhang müsse überprüft werden – am Mittwoch gab es dafür weitere Unterstützung.
Inzwischen nämlich wurden weitere Thrombose-Fälle bekannt, die Gesamtzahl in Deutschland stieg mittlerweile auf zehn – einer der neuen Fälle liegt in Rheinland-Pfalz: Im Raum Trier sei eine 47 Jahre alte Frau von einer Sinusvenenthrombose nach der Impfung mit AstraZeneca betroffen, sagte Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) am Mittwoch in Mainz. Die Frau werde in einer Klinik behandelt, sie sei nicht in Lebensgefahr. Am Dienstag hatte die Ministerin noch mitgeteilt, es gebe keinen solchen Fall in Rheinland-Pfalz. Am Mittwoch teilte sie nun mit, der Fall sei am 14. März diagnostiziert worden, das Ministerium habe davon am Dienstag um 17.30 Uhr erfahren.
Damit geht die ungewohnte Häufung der sehr seltenen Fälle weiter, für den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach ist deshalb inzwischen ein Zusammenhang mit den Impfungen sehr wahrscheinlich: „Für mich ist es leider mehr als ein Verdacht“, sagte Lauterbach im Interview mit dem Deutschlandfunk. Diese spezielle Art von Hirnvenen-Thrombose in der Kombination mit dem Blutplättchen-Mangel sei „doch so selten, dass sie wahrscheinlich auf die Impfung zurückzuführen ist, weil man das sonst sehr selten auch in dieser Kombination sieht“, sagte Lauterbach. Auch seien die Fälle in relativ nahem zeitlichen Zusammenhang mit der Impfung aufgetreten, „ein Zusammenhang mit der Astra-Impfung ist hier leider sehr wahrscheinlich.“
Thrombosen sind in Zusammenhang mit der durch das Coronavirus ausgelösten Krankheit Covid-19 im Übrigen nichts Neues: Bekannt ist, dass Covid-19 häufig solche Blutgerinnsel auslöst und so Lungenembolien und sogar Schlaganfälle hervorrufen kann. Manche Experten sehen hier einen Zusammenhang: womöglich löse der Impfstoff bei manchen Personen eine ähnliche Reaktion aus. Dafür spräche auch, dass die von den Sinusthrombosen betroffenen Patienten fast ausschließlich jüngere Frauen sind – genau dieselbe Gruppe, die auch von Thrombosen in Zusammenhang mit der Anti-Baby-Pille betroffen sind.
Nach dem Impfstopp am Montag war deshalb auch schnell der Bergleich mit der Anti-Baby-Pille in sozialen Netzwerken aufgetaucht, viele Nutzerinnen zogen die Parallele – mit dem Unterschied, dass Thrombosen in Folge der Pille doch viel häufiger seien. Lauterbach kritisierte nun diesen Vergleich als falsch: Der Vergleich sei „nicht hilfreich“, kritisierte Lauterbach, weil die durch eine Pille ausgelösten Thrombosen meist ganz woanders aufträten – nämlich in den Beinen – und vor allem viel weniger gravierend und viel weniger gefährlich seien. Zudem wird die Anti-Baby-Pille genau aus diesem Grund nur auf ärztliches Rezept hin verschrieben, damit ein Arzt die Gefahr einer Thrombose im Blick hat – bei AstraZeneca ist das bisher nicht der Fall.
Lauterbach sagte deshalb nun auch, es sei durchaus möglich, dass der AstraZeneca-Impfstoff künftig mit einer Art Warnhinweis für Frauen versehen werde. „Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass der Impfstoff, wenn man so will, vom Markt genommen wird, weil dafür reichen diese Komplikationsfälle nicht“, betonte Lauterbach zugleich. Auch sei durchaus möglich, dass die Thrombosefälle aufgrund einer bestimmten Impfstoff-Charge aufgetreten sei – etwa weil diese spezielle Lieferung des Impfstoffs verunreinigt gewesen sei. Aus Großbritannien, wo bereits Millionen Menschen mit AstraZeneca geimpft wurden, war bisher keine auffällige Häufung von Hirnthrombosen bekannt geworden, womöglich aber auch, weil hier zunächst vorrangig ältere Menschen geimpft wurden.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfahl am Mittwoch, den Impfstoff weiter zu nutzen, sie schätze den Nutzen des Impfstoffs höher ein als seine Risiken. Ganz ähnlich äußerte sich auch eine Vertreterin der Europäischen Arzneimittelagentur EMA, die derzeit die Zusammenhänge sowie die Zulassung des Imfpstoffs prüft. Eine Stellungnahme der EMA wird für Donnerstag erwartet.
In Rheinland-Pfalz sind bereits 123.068 Impfungen mit AstraZeneca erfolgt, alle bei Personen unter 65 Jahren. Das PEI betont, wer mit AstraZeneca geimpft worden sei, und sich mehr als vier Tage nach der Impfung zunehmend unwohl fühle – mit starken und anhaltenden Kopfschmerzen oder punktförmigen Hautblutungen – solle sich unverzüglich in ärztliche Behandlung begeben. Ausführliche Fragen und Antworten zu dem Thema findet Ihr hier beim Paul-Ehrlich-Institut.
Info& auf Mainz&: Das ganze Interview mit Karl Lauterbach könnt Ihr hier beim Deutschlandfunk im Internet nachlesen. Mehr zum Impfstopp mit AstraZeneca haben wir hier bei Mainz& aufgeschrieben. Wie Rheinland-Pfalz nun weiter impft, könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen.