Freiberufler und Solo-Selbstständige sind für die Politik offenbar nur „Unternehmer zweiter Klasse“, wettert die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di und schimpft, es sei ein Skandal, dass die Politik diesen Kleinunternehmern echte Coronas-Soforthilfen verweigere. Die Wut der Solo-Selbstständigen wächst, rund ein Dutzend Berufsverbände richten inzwischen Brandbriefe an die Landesregierung Rheinland-Pfalz mit der Forderung nachzubessern. Rheinland-Pfalz dürfe seine Solo-Selbstständigen nicht im Regen stehen lassen, warnen die Verbände – es drohe ein Kahlschlag von Strukturen in Kultur und Bildung.

Schmiedekunst auf dem Künstlermarkt der Mainzer Johannisnacht - auch diese Künstler sind Solo-Selbstständige. - Foto: gik
Schmiedekunst auf dem Künstlermarkt der Mainzer Johannisnacht – auch diese Künstler sind Solo-Selbstständige. – Foto: gik

Mit dem Shutdown zur Eindämmung der Coronapandemie hatten Bund und Länder über Nacht Theater und Kultureinrichtungen, Bars und Restaurants geschlossen, Märkte und Feste verboten und abgesagt. Volkshochschulen und Musikschulen sind dicht, Messen sind abgesagt – auf all diesen Events und in all diesen Einrichtungen verdienen vor allem Freiberufler und Solo-Selbstständige ihr Geld. Durch den Shutdown ist ihnen die Möglichkeit genommen worden, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Das Land Rheinland-Pfalz hatte kein eigenes Zuschussprogramm für Corona-Soforthilfen bei kleinen Solo-Selbstständigen und Freiberuflern aufgelegt, hier werden nur die Soforthilfen des Bundes weitergereicht, die aber an Betriebskosten wie Büromieten gekoppelt sind – Kosten, wie sie die meisten Freiberufler gar nicht haben. Die Folge: Gleich reihenweise berichten inzwischen Künstler, Musiker und Dozenten, Dolmetscher, Promoter und viele andere Solo-Selbstständige, dass ihre Anträge auf Soforthilfen abgelehnt oder gar nicht erst angenommen werden – die Hilfen kommen bei ihnen schlicht nicht an.

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Musikgruppe bei der Eröffnung des Vinamariums vor einigen Jahren. - Foto: gik
Musikgruppe bei der Eröffnung des Vinamariums vor einigen Jahren. – Foto: gik

Bei Solo-Selbstständigen werde der „Unternehmerlohn“ eben nicht als „Liquidität“ oder „Betriebsmittelkosten“ veranschlagt, kritisiert die Gewerkschaft Ver.di in Rheinland-Pfalz, damit werde aber der 100-prozentige Verdienstausfall der Solo-Selbstständigen überhaupt nicht berücksichtigt. Inzwischen fordert deshalb nicht nur Ver.di, sondern auch ein gutes Dutzend von Berufsverbänden in Rheinland-Pfalz in mehreren Brandbriefen vehement Nachbesserungen von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) und Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP). Bildende Künstler, Landesmusikrat, Musikpädagogen, Schriftsteller, Dozenten an Musikschulen und sogar der Museumsverband fordern: Eine echte Corona-Soforthilfe müsse her, die den unverschuldet in Not geratenen helfe, ihre Lebenshaltungskosten zu decken.

Ein weiterer Hilferuf kam nun vom Berufsverband Kunsthandwerk Rheinland-Pfalz: „Aufträge sind weggebrochen, Galerien sind geschlossen, Ausstellungen, Messen und Märkte bis in den Sommer hinein bereits jetzt abgesagt“, dies seien aber wesentliche Vertriebswege eines ganzen Berufsstandes, schreibt der Verband in seinem Brandbrief an Dreyer und Wissing. Und genau dieser Berufsstand sei nun existenziell bedroht: „Gerade jetzt ist die Zeit, in der Umsätze erzielt werden müssen, um das Jahr wirtschaftlich zu überstehen“, schreibt der Verband, „die Perspektive, wenigstens einen Bruchteil der Einnahmen zu erzielen schwindet täglich mehr.“

Kunsthandwerk auf der Mainzer Johannisnacht - die Hersteller leben von Märkten und Messen. - Foto: gik
Kunsthandwerk auf der Mainzer Johannisnacht – die Hersteller leben von Märkten und Messen. – Foto: gik

„Die Kunsthandwerker des Landes brauchen dringend schnelle Hilfe durch Unterstützung und finanzielle Zuschüsse“, mahnt der Verband, „unser begründeter Eindruck ist jedoch, dass die bisherigen Hilfen am tatsächlichen Bedarf und der jeweiligen Lebens- und Arbeitssituation vorbeigehen.“ Stundungen und Darlehen seien hingegen „kein sinnvoller Weg“, denn die weggebrochenen Umsätze könnten nicht wieder hereingeholt werden. Dass die Politik diese Selbstständigen auf die Grundsicherung bei den Arbeitsämtern verweise, sei enttäuschend, heißt es auch hier: „Andere Bundesländer bringen ihren Künstlern eine höhere Wertschätzung entgegen. Bitte prüfen Sie die Möglichkeit einer echten Unterstützung, die in einem konkreten und realistischen Verhältnis zu dem durch die Corona‐Krise verursachten Einkommensausfall steht.“

Das Land argumentiert derweil, für den Lebensunterhalt könne jeder in Not die erweiterte Grundsicherung beantragen, die unkompliziert und ohne Vermögenserhebung bewilligt werden könne. Betroffene berichten hingegen, die Arbeitsagenturen verlangten von ihnen die komplette Offenlegung ihrer Vermögen und umfangreiche Angaben – von schnell und unkompliziert könne nicht die Rede sein. Tatsächlich aber änderte inzwischen die Agentur für Arbeit auf ihrer Internetseite ihre Informationen: Von einer erweiterten Corona-Grundsicherung ist dort mittlerweile die Rede, das Vermögen werde nicht geprüft, die Ausgaben für Wohnung und Heizung in jedem Fall in ihrer tatsächlichen Höhe anerkannt.

Doch allein die Tatsache, dass der Staat Programm um Programm für große und mittlere Unternehmen auflegt, Freiberufler und Solo-Selbstständige aber aufs Arbeitsamt schickt, stößt übel auf: Offenbar, schimpft die Gewerkschaft Verdi, seien Freiberufler und Solo-Selbstständige für den Staat nur „Unternehmer zweiter Klasse“: Vor Corona habe man Medien- und Kulturschaffende nur allzugern im Land haben wollen und sich gerne mit ihnen geschmückt, kritisierte der hessische Verdi-Chef Jürgen Bothner. Jetzt schicke die Politik sie „kühl in die Sozialhilfe“, das mache „die Betroffenen zu Recht fassungslos.“  Die ‚echten‘ Unternehmer bekämen Soforthilfe, die Solo-Selbstständigen, die offenbar nicht für ‚richtige Unternehmen‘ gehalten würden, sollten dagegen Sozialleistungen beantragen, kritisierte Bothner: „Ich halte das für einen Skandal.“

Info& auf Mainz&: Die neuen Informationen zur sogenannten Corona-Grundsicherung findet Ihr hier bei der Agentur für Arbeit. Mehr zu den Problemen der Solo-Selbstständigen sowie zu den Brandbriefen lest Ihr hier bei Mainz&.

 

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