Nach der Konferenz zwischen Bund und Ländern am Dienstag ist noch immer unklar, welche Regeln in Rheinland-Pfalz nun genau gelten sollen – und ab wann. Am Donnerstag teilte die Landesregierung mit: Die verschärften Auflagen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sollen ab dem 11. Januar gelten, das rheinland-pfälzische Kabinett wird am Freitag beraten und eine neue Corona-Verordnung beschließen. Derweil kommt aus dem Kanzleramt in Berlin scharfe Kritik, weil zahlreiche Bundesländer die gemeinsam vereinbarten Auflagen nicht komplett umsetzen wollen, das gilt auch für Rheinland-Pfalz. Derweil steigen die Zahlen der Corona-Neuinfektionen wieder an.
Seit fast drei Wochen operiert Deutschland nun schon mit nicht belastbaren Corona-Zahlen, weil wegen der Weihnachtsfeiertage und dem Jahreswechsel Labore und Gesundheitsämter nur eingeschränkt arbeiteten und vor allem deutlich weniger Coronatests durchgeführt und gemeldet wurden. So meldete etwa das Gesundheitsamt Mainz-Bingen in den vergangenen Tagen scheinbar sinkende Coronazahlen, die Sieben-Tagesinzidenz in der Stadt Mainz sank erstmals seit Wochen wieder unter 100 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner – eine trügerische Entspannung.
Erst ab dem 17. Januar rechne man wieder mit verlässlichen Zahlen und einer klaren Datenlage, warnte der Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler denn auch am Dienstag, trotzdem verkündete Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am gleichen Tag sinkende Zahlen im Land. Seit Mittwoch sieht das aber wieder anders aus: Die Zahl der Neuinfektionen steigt wieder deutlich an, am Mittwoch meldete das RKI erstmals wieder mehr als 20.000 Neuinfektionen – am Donnerstag waren es sogar 26.391. Schlimmer noch: Die Todeszahlen kletterten ebenfalls wieder über die 1000er-Marke, am Donnerstag wurde 1.070 neue Todesfälle in der Folge einer Covid-19-Erkrankung gemeldet, damit sind jetzt mehr als 37.600 Menschen in Deutschland Opfer des neuen Virus Sars-CoV-2 geworden.
In Rheinland-Pfalz gab es am Donnerstag allein 1.093 neue Corona-Fälle, in Mainz waren es 90 – die Sieben-Tages-Inzidenz liegt inzwischen wieder bei 112, Tendenz steigend. Im Landkreis Mainz-Bingen liegt sie derzeit sogar bei 125, hier gab es am Donnerstag 63 Neuinfektionen – und insgesamt zwei neue Todesfälle. In ganz Rheinland-Pfalz sind inzwischen 1.686 Menschen an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung gestorben.
Am Dienstag hatte deshalb die Runde von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten beschlossen, den Lockdown bis 31. Januar zu verlängern und zudem, Beschränkungsregeln weiter zu verschärfen. Gelten soll dann, dass sich ein Hausstand nur noch mit einer weiteren Person treffen können soll, die Regelung stieß umgehend auf Unverständnis und Spott: Als Single dürfe man dann zwar eine Familie besuchen fahren, die aber nicht den Single-Haushalt besuchen kommen – das sei doch Unsinn. Schlimmer noch: Eine Oma darf ihre zwei Enkel dann zwar besuchen, diese aber zur Betreuung nicht zu ihr kommen, das sei doch realitätsfremd, schimpften viele. Die rheinland-pfälzische Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) kritisierte zudem, damit würden gerade viele kleine Kinder jeglicher Kontakte mit ihren Freunden beraubt, da kleine Kinder nicht alleine unterwegs sein könnten.
Gleich mehrere Bundesländer kündigten zudem unmittelbar nach der Konferenz an, die Beschlüsse nicht voll umsetzen zu wollen. Baden-Württemberg und Niedersachsen wollen die 15-Kilometer-Begrenzungsregel auch bei einer Inzidenz über 200 nicht einführen, auch Rheinland-Pfalz sträubt sich dagegen, den Bewegungsradius der Menschen in solchen extremen Corona-Hotspots zu begrenzen.
Vor allem aber schießen die Bundesländer erneut bei den Schulen und Kitas quer: Während Merkel ankündigte, Schulen und Kitas blieben bis zum 31. Januar geschlossen, betreibt Rheinland-Pfalz die Kitas weiter im Regelbetrieb und appelliert lediglich an die Eltern, die Kinder nach Möglichkeit zuhause zu lassen. Bei den Schulen hatte Dreyer am Dienstag noch angekündigt, Rheinland-Pfalz wolle die Grundschulen eher schon ab dem 18. Januar zurück in den Präsenzunterricht holen – eine komplette Schließung der Schulen bis zum 31. Januar, wie von Merkel als Ergebnis der Bund-Länder-Runde verkündet, lehnte sie ab.
Am Mittwoch ruderte Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) ein Stück weit zurück: Bis zum 22. Januar sollen die Schulen nun auf jeden Fall im Fernunterricht bleiben, danach solle je nach Infektionsgeschehen neu entschieden werden. Für die Klassen 1 bis 6 ist nun vom 25. bis 29. Januar Wechselunterricht geplant, alle anderen Klassen sollen weiter im Fernunterricht bleiben, Abschlussklassen sind ausgenommen. Derweil hakt es bei der Lernplattform Moodle weiter – das Land beharrt weiter darauf, Grund sei ein Hackerangriff, der mit bis zu 10.000 Zugriffen pro Sekunde die Server in die Knie gezwungen habe.
Die CDU-Opposition kritisiert derweil, das Land sei schlicht in den vergangenen acht Monaten bei der Nachbesserung der digitalen Ausstattung der Schulen sowie für die Schüler zu langsam unterwegs gewesen. „Lernplattformen des Landes laufen auch am dritten Tag nicht stabil, Server sind überlastet und für Cyber-Attacken anfällig“, kritisierte CDU-Fraktionschef Christian Baldauf. Schulen machten sich zunehmend vom Online-System der Landesregierung unabhängig, weil sie keinen anderen Ausweg sehen, um Fernunterricht ordentlich durchführen zu können.
Auch der Verband Bildung und Erziehung (VBE) kritisierte, es sei nicht zu verstehen, dass Rheinland-Pfalz die Schließung der Schulen nicht bis Ende Januar umsetzen wolle: „In Anbetracht des Infektionsgeschehens ist dies die einzig richtige Option, zumal auch die Verbreitung der neuen und ansteckenderen Coronavirus-Mutation gestoppt werden muss“, betonte VBE-Landeschef Gerhard Bold: „Warum werden die Maßnahmen nicht konsequent bis zum Februar durchgehalten?“ Für die Schulen müssten die gleichen Maßstäbe gelten wie für den Rest der Gesellschaft. „Hier wird in anderen Bundesländern aktuell strikter gehandelt und nicht wochenweise neu abgestimmt“, kritisierte Bold. Zudem würden die Lehrer mit dem anvisierten Wechselunterricht bei ausgesetzter Präsenzpflicht in der letzten Januarwoche „vor nicht zu bewältigende organisatorische Herausforderungen gestellt“ – schließlich müssten sie parallel auch noch Notbetreuung leisten.
Der VBE forderte von der Politik „ein klares Bekenntnis zum Distanzunterricht“, wo er möglich sei. „Die Lehrer leisten die Mehrarbeit gerne – zum Schutze aller“, betonte Bold. Nordrhein-Westfalen gehe hier „mit gutem Beispiel voran.“ Auch braucht es transparente Vorgaben, ab welchen Inzidenzwerten die Schulen stufenweise wieder geöffnet werden könnten, hier müssten „praxistaugliche Szenarien entwickelt werden, die von den Kollegien zu stemmen sind.“ Eigentlich hatten das RKI sowie die Leopoldina-Expertenkommission eine Schließung der Schulen ab einer Inzidenz von 50 gefordert, die Kultusministerkonferenz es auch im Frühjahr 2020 festgeschrieben – daran gehalten wird sich aber nirgends.
Info& auf Mainz&: Mehr zu den Beschlüssen des verlängerten und verschärften Lockdowns am Dienstag lest Ihr hier bei Mainz&. Die bis jetzt geltenden Corona-Regeln von Rheinland-Pfalz findet Ihr hier im Internet. Die Details der neuen Corona-Regeln für Rheinland-Pfalz sollen am Freitag, den 8. Januar, um 16.00 Uhr in einer Pressekonferenz vorgestellt werden, die auch live auf der Facebookseite der Landesregierung übertragen wird.