Wart Ihr schon mal auf den Bonifaziustürmen am Hauptbahnhof? Nein? Nun, dann ist das hier Eure Gelegenheit: Im Turm A der Bonifaziustürme findet derzeit eine Ausstellung zum Thema Datenschutz statt – und zwar im 22. Stockwerk. Der bietet einen grandiosen Blick über Mainz. doch auch wegen der Ausstellung solltet Ihr da hingehen. #watch22 ist ein spannendes Kunstprojekt, das sich dem Thema Datenschutz widmet. Und die Ausstellung spielt mit Blickwinkeln auf und über unser Leben, unsere Stadt, unsere Datennutzung.

#watch22 - Sessel und Fenster mit Dom - Foto kir
Watchtower über Mainz: #watch22 – Foto: gik

Eine Raumfläche voller Kopfhörer, an der Decke eine Überwachungskamera und vor den großen Panorama-Fenstern eine Reihe von Ferngläsern, Einladung, hinunter auf die Stadt zu schauen, zum Beobachter zu werden – ohne selbst gesehen werden zu können. Der Turm A der Bonifaziustürme wird in diesen Tagen zum „Watchtower“ von Mainz.

Geheime Beobachtung, Spionage, Abhören – das sind die Themen der ungewöhnlichen Ausstellung, die noch bis zum 7. Juni zu sehen ist. #watch22 heißt die Schau, und der Name nimmt natürlich mit der # Bezug auf das digitale Leben auf Twitter & Co. Und die Ausstellung setzt ein Thema um, das allgegenwärtig ist und doch so gerne verdrängt wird: den Datenschutz. Noch ungewöhnlicher: Schirmherr und Mitveranstalter ist der Datenschutzbeauftragte des Landes Rheinland-Pfalz.

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#watch22 - Günter Minas Ausstellungsleiter und Fotokünstler Thomas Brenner mit Raum - Foto kir
Ausstellungsmacher Minas mit Fotokünstler Brenner – Foto: gik

„Wir haben einen anderen Zugang zum Thema Datenschutz gesucht“, sagte der aktuelle Amtsinhaber Edgar Wagner bei der Eröffnung Mainz&: „Wir können nicht immer mit Paragraphen kommen.“ In der Tat ist Datenschutz eines der unangenehmen und deshalb oft ignorierten Themen unserer Zeit. Wir Internetuser wenden uns ja lieber unbehaglich ab, anstatt unsere Gewohnheiten zu ändern, das bräuchte ja Umwege und deshalb Zeit…

Die Gefahr der allgegenwärtigen Überwachung, des schwungvollen Handels mit unseren Daten – ein schwieriges Thema. Die Kunst, sagt Wagner könne etwas Besonderes leisten: Das Thema Datenschutz sinnlich erlebbar machen.

Also flimmern in der Ausstellung private Daten wie Schuhgröße oder andere Vorlieben von Besuchern eines Shopping-Centers über einen Bildschirm – es ist die Vision des Amerikaners Chris Oakley. „Catalogue“ spricht von der totalen Durchleuchtung des Verbrauchers, der in einem Einkaufszentrum von oben bewacht wird, ausgespäht ist, durchleuchtet. Es ist auch eine Anspielung auf die bis Montag noch geplante ECE-Shopping-Mall – der Kunde als gläsernes Wesen in einer gläsernen Welt.

#watch22 - Thomas Brenner Ausgeliefert - Foto kir
Ausgeliefert, in der Tat – Foto: gik

„Ausgeliefert“, hängt zwei Wände weiter, das Bild des Kaiserslauterer Fotokünstlers Thomas Brenner bringt diesen Zustand in einer Szene auf den Punkt: Zwei nackte Männer in der Mitte, an Stühle gefesselt, umringt von schwarz gekleideten Beobachtern, Überwachungskameras wie Gewehre auf sie gerichtet. Auf dem Bild nebenan hören die Figuren einfach alles ab, was sich bietet: den Boden, einander, selbst den Himmel. „Jeder hört jeden ab, mir ging es um die Absurdität dieser Situation“, sagte Brenner Mainz&.

„Wir wollen Aufmerksamkeit wecken, ein Problembewusstsein schaffen“, sagt Günter Minas, Macher der Ausstellung. Vorsicht beim Umgang mit Daten, mit Netzwerken, mit den Kreditkarten, das sei eine Botschaft der Ausstellung. Video-Überwachung, Telefon-Überwachung, der Missbrauch von Daten, die Ausstellung verarbeitet die Themen in einer Weise, die nachdenklich macht.

22 Künstler hat Minas für das ungewöhnliche Projekt kombiniert – deshalb #watch22 -, darunter sind Studenten der Fachhochschule Mainz, aber auch Künstler aus Berlin, Freiburg und New York. Allen gemein ist das Thema der Grenzüberschreitungen, es geht um „Borders“, um Grenzen und Grenzenlosigkeit der modernen Datenwelt – und ihres Missbrauchs. Nicht einmal der Wald ist noch Idylle und Abgeschiedenheit, selbst hier überwachen Kameras die Wanderung der Rehe für den idealen Abschusszeitpunkt des Jägers.

Bonifaziustürme Mainzer Neustadt
Die Mainzer Twin Towers – Foto: gik

Und natürlich stehen auch die Bonifaziustürme selbst für eine Entgrenzung, für das Streben zum Himmel, das Herausragen aus der Masse. Und doch sind die 22 Stockwerke jedes der beiden Türme von außen völlig genormt, gleich, nicht unterscheidbar. Die 82,6 Meter hohen Türme sind übrigens in den Jahren 1976 bis 1977 gebaut worden, es war wohl der Versuch einer Hochhaus-Skyline für Mainz 😉

Heute sind die Türme mit Büros besetzt, doch voll wurden die 22 Stockwerke nie. Der oberste Stock im Bau A, wo die Ausstellung ist, befindet sich im Rohzustand: unverputzte Wänden, offen liegende Leitungen. Auch das machten die Macher zu einer Botschaft: „Datenschutz“, sagt Minas, „ist immer eine Baustelle.“

Die Ausstellung wird von einem großen Rahmenprogramm begleitet. Gerade heute Abend gibt es eine große Veranstaltung zum Thema „Big Data – Smart Data“. Es geht um Datenwolken und Urlaubsbuchung online und um die Verwertung von Kundendaten. Zu Gast sind neben Mionisterpräsidentin Malu Dreyer (SPD) auch Vertreter von Google und der Telekom-Tochter T-Systems sowie Datenschutzbeauftragter Wagner. Los geht’s um 18.00 Uhr.

#watch22 - Fenster zum Taunus mit Fernglas - Foto kir
Übersicht über Stadt und Umland – Foto: gik

Am Sonntag gibt es eine Leseperformance des Staatstheater-Schauspielers Klaus Köhler (Steve Jobs) unter dem Titel „Digital ist besser?!“ Am Montag, dem Verfassungstag des Landes Rheinland-Pfalz fragt #watch22 nach dem Stand unserer verfassungsrechtlichen Grundrechte in Zeiten der unbegrenzten Datenfreiheit, nach staatlichen Zugriffen auf unsere privaten Daten und den undurchschaubaren Machenschaften der Internet-Giganten. Zur Diskussion kommt niemand Geringeres als die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger. Die streitbare FDP-Frau war immer schon eine Streiterin gegen die grenzenlose Ausspähung der Bürger, das düfte also spannend werden. Los geht’s am Montag, den 18. Mai um 19.00 Uhr, für den Besuch müsste Ihr Euch hier online anmelden.

Bis zum 7. Juni gibt es weitere Diskussionsveranstaltungen, Crypto-Sessions, einen Vortrag zum Roman 1984 von Georges Orwell und zündelnde Klavierlieder des Komponisten Moritz Eggert zum Thema Nutzungsbedingungen und Datenschutz. Bei der Mainzer Museumsnacht am 30. Mai ist die Ausstellung übrigens bis 1.00 Uhr nachts geöffnet – das gibt einen Nachtblick über Mainz wie vom Empire State Building. 😉 Hingehen!

Info& auf Mainz&: Ausstellung #watch22 zum Thema Datenschutz im 22. Stock der Bonifaziustürme, Turm A. Zu sehen noch bis zu. 7. Juni. Öffnungszeiten: Sonntags bis Donnerstag 14.00 Uhr bis 20.00 Uhr, Freitag und Samstag 14.00 Uhr bis 22.00 Uhr. Ausführliche Informationen zu allen Veranstaltungen findet Ihr hier.

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